Protocol of the Session on March 6, 2007

Die Beschlussempfehlung lautet zu a) und b) auf Ablehnung und zu c) auf Annahme.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Das Wort hat jetzt Frau Graschtat von der SPDFraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben es bei diesem Tagesordnungspunkt mit drei Anträgen zu tun, die eines gemeinsam haben: Sie

wollen die Kulturwirtschaft in Niedersachsen voranbringen. Es herrscht auch Einigkeit darüber, dass das notwendig ist. Damit sind die Gemeinsamkeiten zwischen den Fraktionen von CDU und FDP und uns aber auch schon zu Ende.

Die SPD-Landtagsfraktion hat im Mai 2006 ihren Antrag zur Kulturwirtschaft eingebracht, der zum Ziel hatte, auf der Grundlage einer Bestandsaufnahme einen Aktionsplan zu entwickeln, um bei diesem unbestritten für Niedersachsen wichtigen Thema vernünftig koordiniert voranzukommen.

Als Basis für abgestimmte Umsetzungsprogramme sollte dabei der vom Niedersächsischen Institut für Wirtschaftsforschung vorgelegte Forschungsbericht „Kulturwirtschaft in Niedersachsen - Quantitativer Befund und Schlussfolgerung für die wirtschaftspolitische Diskussion“ dienen. Dort ist u. a. festgestellt worden, dass die Kulturwirtschaft in Niedersachsen mit rund 100 000 Beschäftigten in 18 000 Unternehmen einen jährlichen Umsatz von 11 Milliarden Euro macht - die gleiche Größenordnung übrigens wie die chemische Industrie, dort allerdings mit 340 Unternehmen.

Der Handlungsbedarf wurde in dieser Untersuchung deutlich dargestellt und durch unseren Antrag aufgenommen. CDU und FDP sahen sich genötigt, wie bisher fast zu jeder Initiative der SPD im Bereich Wissenschaft und Kultur in den letzten vier Jahren, einen eigenen Antrag anzukündigen. Dieser wurde nach vier Monaten endlich vorgelegt. Wer geglaubt hatte, dort würde Wesentliches präsentiert, sah sich eines Besseren belehrt. Die Forderungen an die Landesregierung waren nämlich nahezu identisch mit den als Handlungsfelder für die Zukunft in der Kulturwirtschaft benannten Punkten, die das Wirtschaftsministerium in der Ausschusssitzung wenige Tage zuvor vorgetragen hatte.

Der Antrag gibt keinerlei Impulse. Er zeigt keine neuen Wege auf. Er enthält nur das, was ohnehin geschieht. Manches davon ist zwar nicht falsch, allerdings ist es bei Weitem nicht ausreichend. Deshalb war unsere Intention, zu versuchen, sich auf einen gemeinsamen Antrag zu verständigen. Es gab auch einen Entwurf, der die wesentlichen Teile der drei vorliegenden Anträge zusammenfasste und sicherlich dazu gedient hätte, auf der einen Seite darzustellen, was alles in Niedersachsen im Bereich Kulturwirtschaft bereits geschieht, der aber dieses Thema auf der anderen Seite auf einer vernünftigen Grundlage angemessen und

koordiniert weitergebracht hätte. CDU und FDP haben sich schließlich nach sehr langem Nachdenken direkt vor der abschließenden Ausschusssitzung im Januar einem gemeinsamen Antrag verweigert. Man war sich zwar einig, dass es einer verstärkten Künstler- und Nachwuchsförderung bedürfe - allerdings ohne Mittel dafür bereitzustellen. Insbesondere in der FDP scheint es starke Tendenzen zu geben, hierfür in den ohnehin stark verkleinerten Topf für Soziokultur zu greifen. Das ginge zulasten bestehender Einrichtungen - eine aus Sicht der SPD nicht tragfähige Lösung.

(Beifall bei der SPD)

Auch zu einer von uns geforderten Anhörung durch den Ausschuss ist es nicht gekommen. Die SPD-Fraktion hat daraufhin am 30. Oktober eine eigene Veranstaltung durchgeführt. Unser Vorstoß wurde von den Kulturverbänden sehr begrüßt. Viele Kulturschaffende und -verbände machten deutlich, wo die Defizite liegen und dass es dringend erforderlich ist, auf der Grundlage einer Bestandsaufnahme in Form eines Kulturwirtschaftsberichts genau wie auch in anderen Bundesländern Maßnahmen zur Weiterentwicklung festzulegen.

(Vizepräsidentin Ulrike Kuhlo über- nimmt den Vorsitz)

Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, wies dabei auf die unterschiedlichen Rollen und Bedürfnisse der Kulturwirtschaft hin, die zwar in einem wechselseitigen Verhältnis ständen, aber differenziert betrachtet werden müssten. Dabei dürfe nicht vergessen werden, dass Künstlerinnen und Künstler den Kern der Kulturwirtschaft darstellen; denn sie schafften die Werke, die von den Unternehmen der Kulturwirtschaft vermarktet würden.

Insgesamt muss man feststellen, dass sich in Niedersachsen einiges tut, insbesondere im Bereich Kulturtourismus. Beispielhaft möchte ich das Ende Februar in Celle präsentierte Angebot „Reisen auf den Spuren der Welfen“ nennen.

Wir dürfen uns aber nicht nur - diesen Eindruck muss man im Moment gewinnen - auf das Feld des Kulturtourismus beschränken. Von daher fehlt insgesamt eine Bestandsaufnahme in Form eines Kulturwirtschaftsberichts, auf dessen Grundlage man dann ein profilscharfes Gesamtkonzept hätte entwickeln können.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Niedersachsen hat viele Alleinstellungsmerkmale, die eine solche Behandlung durch die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen nicht verdient haben. „Weiter wursteln“ heißt die Devise. Damit gerät Niedersachsen auch auf diesem Feld gegenüber anderen Bundesländern weiter ins Hintertreffen. Deshalb werden wir den Antrag von CDU und FDP ablehnen.

Abschließend noch eine Bemerkung zur Federführung in diesem Bereich: Es scheint uns, dass das, was in der Kulturwirtschaft geschieht, entweder aus dem Wirtschaftsministerium oder - bei den Medien - aus der Staatskanzlei angestoßen wird, wobei sicherlich nicht alles im Medienbereich, besonders bei den Privaten Geförderte etwas mit Kultur zu tun hat. Der für Kultur zuständige Minister lässt allerdings jegliches Interesse an diesem Thema vermissen. Das ist kein gutes Signal für die Kulturschaffenden in Niedersachsen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Kollege Kaidas das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie unsere gemeinsamen Beratungen im Vorfeld gezeigt haben, sind wir uns - das ist von der Vorrednerin ja auch gesagt worden - zwischen den Fraktionen einig, dass die Kulturwirtschaft mit ihren diversen Teilmärkten zu den zukunftsträchtigen Wirtschaftsformen gehört und daher entsprechend gefördert und unterstützt werden muss.

(Beifall bei der CDU)

Umso enttäuschter bin ich, dass wir trotz dreimonatiger Verhandlungen keinen gemeinsamen Antrag zustande bekommen haben. Ich möchte mich auf diesem Wege aber ganz herzlich bei Frau Bührmann und Frau Dr. Heinen-Kljajić für die Kompromissbereitschaft bei den Verhandlungen bedanken.

Meine Damen und Herren, mit einem Umsatz von rund 10 Milliarden Euro jährlich und etwa 100 000

Beschäftigten ist die Kulturwirtschaft schon jetzt ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Dem hat die Landesregierung in den vergangenen Jahren bereits in vieler Hinsicht Rechnung getragen.

Bei der Tourismuswirtschaft, für die es in Niedersachsen noch viel Potenzial gibt, sind Fördermittel auch und vor allem aus der EU verstärkt in kulturtouristische Angebote geflossen. Damit wurde auch auf den wachsenden Trend reagiert, im Urlaub Erholung mit Kultur und Bildung zu verbinden.

Weiterhin gibt es den gemeinsam mit der Wirtschaft ins Leben gerufenen Förderpreis „KulturKontakte“. Beim Wettbewerb „Ab in die Mitte!“, der die Innenstädte stärken soll, werden insbesondere Kulturprojekte gefördert. Auch bei der Aktion für zusätzliche Arbeitsplätze in strukturschwachen Gebieten ist die Kultur als Schlüsselbranche erkannt worden.

Als sehr effektiv hat sich die Zusammenarbeit von Angehörigen des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur sowie des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr in einem gemeinsamen Arbeitskreis erwiesen, in dem Informationen ausgetauscht und Aktionen koordiniert werden. Diese erfolgreiche Arbeit muss fortgesetzt und intensiviert werden, meine Damen und Herren.

Die neue EU-Förderperiode, in der einige Teile Niedersachsens durch die Ziel-I-Mittel eine ganz besondere Unterstützung erfahren, sollten wir u. a. dazu nutzen, den touristischen Bereich in Verbindung mit Kultur, also mit kulturtouristischen Angeboten, zu fördern.

(Beifall bei der CDU)

Dazu gehört auch, dass das baulich-kulturelle und landschaftliche Erbe noch mehr als bisher zu einem besonderen touristischen Angebot für Urlauber entwickelt und entsprechend präsentiert wird. Dies hätte zudem den positiven Nebeneffekt, dass wir unsere regionalen kulturellen Besonderheiten in der Europäischen Union bewahren und stärken in Zeiten des globalen Einerleis auch für die Einheimischen eine nicht zu unterschätzende Attraktivitätssteigerung.

(Unruhe)

Herr Kaidas, unterbrechen Sie Ihre Ausführungen bitte einmal, bis wieder Ruhe eingekehrt ist! - Bitte schön!

Neben dem Schwerpunkt Tourismus sollten wir Kulturwirtschaft durch Unterstützung vielversprechender Existenzgründungen und innovativer Projekte fördern, außerdem durch ausgeweitete universitäre Angebote, die nebenbei auch noch unsere Hochschulstandorte attraktiver machen würden.

Lassen Sie mich an dieser Stelle einige Worte zu den Forderungen unserer Kollegen von den Grünen sagen. Ihre Idee, unverkaufte Karten etwa der Landestheater an der Abendkasse verbilligt an Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger abzugeben, halte ich an und für sich für gut. Allerdings wird das kaum zu realisieren sein. Die Bescheinigungen über den Bezug von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe könnten leicht weitergereicht werden. Vom Theaterpersonal kann man meines Erachtens kaum erwarten, alle Papiere gründlich zu prüfen. Außerdem wird ein Großteil der regulären Karten auch an der Abendkasse verkauft. Wie soll das mit den verbilligten Karten also organisiert werden? Sollen die Arbeitslosen und Sozialhilfeempfänger am Rand stehen und abwarten, bis das Stück angefangen hat und dann ganz gewiss niemand mehr die Karten zum regulären Preis kauft?

Die Pläne der Grünen-Fraktion für die Modellprogramme „Konzeptförderung Teilhabe an der Kultur“ und „Regionale Kulturwirtschaft“ sind von der finanziellen Ausstattung her schlicht und ergreifend zu hoch angesetzt. Um diese Pläne zu unterstützen und zum weiteren Ausbau der Kulturwirtschaft auch wirklich effektiv umsetzen zu können, muss unbedingt die Rechtslage modernisiert werden. In diesem Zusammenhang ist das Urheberrecht von großer Bedeutung. Es fällt allerdings in die Bundesgesetzgebung. Darum muss die Landesregierung über den Bundesrat aktiv werden und ihren Einfluss geltend machen.

Wie schon gesagt, ist es schade, dass wir keinen gemeinsamen Antrag zustande bekommen haben. Somit bitte ich, so abzustimmen, wie es die Ausschussempfehlungen vorsehen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nächste Rednerin ist Frau Dr. Heinen-Kljajić von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschlagene neun Monate lang haben wir uns im Ausschuss mit dem Thema Kulturwirtschaft befasst. Frau Kollegin Graschtat hat den Werdegang ja schon beschrieben. Herausgekommen ist nichts anders als ein kläglicher Lobgesang auf vermeintliche Aktivitäten dieser Landesregierung, ohne dass der Antrag der Mehrheitsfraktionen an irgendeiner Stelle einen Handlungsbedarf für die Landesregierung erkennen ließe. Meine Damen und Herren von CDU und FDP, da hätten Sie der Einfachheit halber gleich beantragen können: Es soll alles so bleiben, wie es ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Dabei birgt der Bereich Kulturwirtschaft enorme Potenziale. Ländervergleiche zeigen, dass wir in Niedersachsen noch jede Menge ungenutzter Potenziale haben. Wir haben mit unserem Antrag bewusst die vielfältigen Zusammenhänge und Abhängigkeiten der unterschiedlichen Ausprägungen der Kulturförderung berücksichtigt. Unser Antrag trägt der Binsenweisheit Rechnung, dass Kulturwirtschaft umso bessere Entwicklungschancen hat, je lebendiger und je breiter verankert die kulturelle Szene einer Stadt oder einer Region ist.

Deshalb fordern wir zum einen, dass die Neuauflage eines Kulturwirtschaftsberichts für Niedersachsen die regionalen Unterschiede in unserem Land berücksichtigen muss; denn Kulturwirtschaft in Hannover oder in Braunschweig braucht einfach andere Impulse als beispielsweise Kulturwirtschaft in ländlichen Regionen.

Zum anderen schlagen wir in unserem Antrag vor, Modellprojekte zu finanzieren, die zum Ziel haben, möglichst vielen Menschen einen Zugang zur Kultur anzubieten. Dies ist nicht nur unter dem Aspekt der Teilhabe und Chancengerechtigkeit von Bedeutung, wenn man bedenkt, dass nur 30 % aller Bürgerinnen und Bürger gelegentlich und nur 10 % regelmäßig öffentlich geförderte Kulturangebote wahrnehmen. Die möglichst breite Teilhabe an Kultur ist auch kulturwirtschaftlich relevant.

Die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundestages hält zum Thema Kulturwirtschaft deshalb ausdrücklich fest, dass die Zunahme des Interesses an Kultur tendenziell die Nachfrage nach Gütern und Leistungen der Kulturwirtschaft hebt, was, wie ich finde, nicht weiter verwunderlich ist. Hier liegt aus Sicht der Grünen für Niedersachsen, das ausweislich von Umfrageergebnissen bundesweit das Schlusslicht in Sachen kultureller Teilhabe ist, ein zentraler Handlungsbedarf, auch wenn wir über Kulturwirtschaft reden.

Lieber Herr Kaidas, wie das mit den verbilligten Theaterkarten funktioniert, können Sie in Berlin sehen. Ich bin gerne bei Gelegenheit bereit, Ihnen das zu erläutern.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Wie ist die Haushaltslage in Berlin?)

Dagegen waren Sie, verehrte Kollegen von CDU und FDP, nicht einmal bereit, das bestehende Programm zur Förderung der Soziokultur aufzustocken, um daraus Investitionen in bereits bestehenden Einrichtungen zu finanzieren. So hätte zumindest die kulturelle Infrastruktur, die es angehenden Künstlerinnen und Künstlern ermöglicht, erste Schritte in die berufliche Selbständigkeit zu machen, verbessert werden können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben an diesem Punkt einen fraktionsübergreifenden Antrag platzen lassen. Der Antrag, dem Sie heute hier Ihre Zustimmung geben, ist schlicht und ergreifend überflüssig. Er beschreibt im Wesentlichen den Istzustand. Wenn er überhaupt so etwas wie eine Handlungsanleitung enthält, dann lediglich recht pauschal, aber ohne an irgendeiner Stelle zu erwähnen, wer was mit welchen Mitteln bitte schön machen soll. Es gibt keine einzige konkrete Forderung. Das heißt, das, was Sie heute beschließen, ist nichts anderes als weiße Salbe. Danke.