Protocol of the Session on March 6, 2007

Sie haben an diesem Punkt einen fraktionsübergreifenden Antrag platzen lassen. Der Antrag, dem Sie heute hier Ihre Zustimmung geben, ist schlicht und ergreifend überflüssig. Er beschreibt im Wesentlichen den Istzustand. Wenn er überhaupt so etwas wie eine Handlungsanleitung enthält, dann lediglich recht pauschal, aber ohne an irgendeiner Stelle zu erwähnen, wer was mit welchen Mitteln bitte schön machen soll. Es gibt keine einzige konkrete Forderung. Das heißt, das, was Sie heute beschließen, ist nichts anderes als weiße Salbe. Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt hat der Kollege Riese für die FDP-Fraktion das Wort. Bitte schön, Herr Riese!

Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es hat auch mich verwundert, dass trotz einer grundsätzlichen großen Übereinstimmung in den Inhalten zwischen den Fraktionen am Ende eine einvernehmliche Abstimmung über einen gemeinsamen Formulierungsvorschlag nicht zustande kommen konnte.

(Zurufe von der SPD - Dr. Philipp Rösler [FDP]: So stur ist die Oppositi- on!)

Der Grund dafür - um es historisch darzustellen lag natürlich in erster Linie darin, dass insbesondere Sie von der Grünen-Fraktion Wert darauf gelegt haben, eindeutig kommunalpolitische Aufgabenfelder zu Landesaufgaben zu machen.

(Beifall bei der FDP)

Meine 2 Minuten und 24 Sekunden an Redezeit, die mir noch verbleiben, reichen leider nicht aus, um im Detail den Unterschied zwischen Soziokultur und Kulturwirtschaft zu erläutern. Das müssen wir gelegentlich außerhalb dieser Sitzung nachholen. Aber wir haben diese Felder im Ausschuss ja bereits intensiv diskutiert. Kulturwirtschaft ist ein sehr weit gespannter und im Detail relativ unscharfer Begriff. Diesem Begriff unterfallen unendlich viele Tätigkeiten. Die Künstlerförderung, die Ihnen von der Grünen-Fraktion anfangs vorgeschwebt hat und die Sie unter dem Rubrum „Soziokultur“ untergebracht haben wollen, ist in der Definition derart unscharf gewesen, dass das Land dann, wenn man Ihrem Vorschlag gefolgt wäre, verpflichtet gewesen wäre, jedem, der sich zum Künstler erklärte, so lange Arbeitsräume und Arbeitsmittel zur Verfügung zu stellen hätte, bis er seinen Lebensunterhalt verdienen könnte.

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: So ein Quatsch! So ein dummes Zeug!)

So geht es natürlich nicht. Vielfach erwächst die Möglichkeit, kulturell so professionell tätig zu sein, dass die Einnahmen zum Lebensunterhalt ausreichen, aus einem langen Lernprozess. Dieser lange Lernprozess wird bereits in der Gegenwart, auch durch Landespolitik, unterstützt. Ich nenne beispielhaft die Ausbildung an den Instituten, an den Hochschulen für Musik und Theater sowie für Bildende Kunst, für deren Besuch man allerdings eine Aufnahmeprüfung bestehen muss. Das heißt, um diese Hochschulen besuchen zu können, muss

man gewisse Vorleistungen erbringen. Es hat bis in die Gegenwart noch niemand den Königsweg gefunden, um über das, was das allgemeine Bildungssystem in den Schulen anbietet, und über das, was im Bereich der privaten Verantwortung liegt, hinaus den Menschen, die einen kulturellen Beruf ergreifen und sich an einer Hochschule ausbilden lassen wollen, den richtigen Weg zu bereiten. Sie möchten mithilfe eines neu aufgelegten Kulturwirtschaftsberichts Kenntnis über die Zahlen, Daten und Fakten erlangen. Die Datenlage ist aber schon ganz ausgezeichnet. Das war aus den Wortbeiträgen aller Vorrednerinnen und Vorredner zu entnehmen.

Herr Riese, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, mir verbleiben nur noch acht Sekunden. Von daher habe ich keine Möglichkeit.

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Sie ha- ben Angst! - Hans-Dieter Haase [SPD]: Ihre Zeit läuft ab!)

- So ist es, Herr Haase! - Es muss in der Zukunft insbesondere darum gehen, die Wertschöpfungsketten darzustellen, die im Bereich der Kulturwirtschaft bestehen. Darauf wird sich der Fokus richten müssen. Ein weiterer Datenfriedhof, also eine umfassende Zahlensammlung zu allen möglichen statistischen Aussagen, die mit dem Thema Kulturwirtschaft korreliert werden können, nach dem Vorbild der Kulturwirtschaftsberichte vieler anderer Bundesländer, bringt uns nicht weiter. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Stratmann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es soll, so zumindest die Überschrift eines der drei Anträge, hier das Dornröschen wachgeküsst werden, wogegen niemand etwas hat. Ich finde so etwas immer sympatisch. In dem Zusammenhang stelle ich mir aber die Frage, wie

so ausgerechnet die SPD diese Forderung stellt; denn diejenigen, die diesem Hohen Hause schon etwas länger angehören, werden sich daran erinnern, dass wir beispielsweise im Jahr 2000, nämlich in der 46. Sitzung, eine ähnliche Diskussion geführt haben. Damals gab es gleich gerichtete Forderungen. Jedoch in den drei Jahren, die Sie danach noch regieren durften, haben Sie nichts, aber auch rein gar nichts auf die Reihe gebracht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Dorothea Steiner [GRÜNE]: Das stimmt nun wieder nicht! Das ist Le- gendenbildung, Herr Stratmann!)

Erst im Jahre 2003 hat der Wirtschaftsminister - das war schon damals Walter Hirche - den von Ihnen eingeforderten Kulturwirtschaftsbericht - das ist doch eine Ihrer zentralen Forderungen - vorgelegt. Warum Sie das vorher nicht getan haben, bleibt Ihr Geheimnis. Aber so ist das mit der Opposition: Es geht im Grunde genommen darum, hier Schaukämpfe zu veranstalten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir sind uns immerhin darin einig, dass Kulturwirtschaft in der Tat ein wichtiges Thema ist. Deutsche Kulturwirtschaftsberichte belegen für die Kulturwirtschaft relativ einheitlich Folgendes: Die privaten Kultur- und Medienbetriebe weisen im Vergleich zu anderen Sektoren eine erstaunliche wirtschaftliche Dynamik auf. Die Kulturwirtschaft spielt als Arbeitsmarktfaktor, zum Teil übrigens auch gegen allgemeine Trends, eine sehr wichtige Rolle. Es gibt immer wieder eine Vielzahl von Neugründungen. Die selbstständigen Künstlerinnen und Künstler spielen für die Produktion und auch für die Vermittlung von Inhalten sowie für die Lancierung von Innovation in komplexen Märkten eine ganz entscheidende Rolle.

(Unruhe)

- Frau Präsidentin, erlauben Sie mir einen Hinweis. Ich finde, dass wir uns heute, wenn auch zu später Stunde, bemühen sollten, dem Thema Kultur die notwendige Aufmerksamkeit entgegenzubringen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Denn es ist doch unstreitig - die folgenden Worte richte ich an alle Fraktionen -: Wir Niedersachsen haben in gewisser Weise ein Imageproblem dahin gehend, dass wir über exzellente Kultureinrichtungen verfügen, aber viel zu wenig darüber reden.

Wenn aber schon darüber geredet wird, so wie es heute Abend der Fall ist, dann sollten wir uns zumindest darum bemühen, diesem Thema einen entsprechenden Stellenwert einzuräumen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

In den meisten Branchen und Betrieben liegt eine vergleichsweise geringe Kapitalintensität vor. Die meisten Akteure sind sehr offen für die Integration neuer Technologien. In vielen Branchen nehmen die europäisch-grenzüberschreitenden Kooperationsbeziehungen zu. - So die Inhalte der Kulturwirtschaftsberichte, die es in Deutschland gibt.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, die Kulturwirtschaft konzentriert sich zunächst auf die Teile des Kultursektors, die als Kulturbetriebe im privatwirtschaftlichen Sektor existieren. Es geht also um die Frage, wie mit Kunst und Kultur Geld verdient werden kann. Das ist keineswegs neu. Wir alle kennen beispielsweise den Buchmarkt, den Kunstmarkt und die Musikwirtschaft mit der Tonträgerindustrie und der Musikinstrumentenproduktion. Diese Märkte stehen zum Großteil - das ist wichtig - in enger Wechselbeziehung zum öffentlichen und zum gemeinnützigen Teil des Kulturbetriebes. Es muss also um die vielfältigen Wechselbeziehungen zwischen privatwirtschaftlicher und öffentlich geförderter Kulturarbeit gehen. Es wird in der Zukunft immer wichtiger sein, sich über die kapillaren Verhältnisse des Kultursektors im Klaren zu sein. Kulturwirtschaft baut auf Kreativitätspotenzialen der öffentlichen und gemeinnützigen Kulturbereiche auf und wirkt insoweit innovativ auch auf diese zurück.

Ein wichtiges Argument für eine neue Beachtung der Kulturwirtschaft sind natürlich die Künstlerinnen und Künstler selbst. Einige Künstler- und Kulturberufe können nur noch dadurch existieren, dass die Angehörigen dieser Berufe sowohl im öffentlichen wie im gemeinnützigen wie auch im privatwirtschaftlichen Kulturbetrieb Arbeit finden. Hinzu kommt eine erkennbare Verschiebung der Arbeitsplatzstruktur der Kulturberufe. Während der öffentliche Kulturbetrieb bis zum Beginn der 90erJahre in den alten Bundesländern der wichtigste Arbeitgeber für die Kulturberufe war, hat sich jetzt ein nachhaltiger Trend in Richtung der privatwirtschaftlichen Branchen und zur Freiberuflichkeit ergeben. Zu Beginn des Jahres 2000 arbeiteten bereits weniger als die Hälfte der in Kulturberufen

Tätigen als abhängig Beschäftigte. Die Verschiebung des Künstlerpotenzials hin zum freiberuflichen Marktteilnehmer ist somit unübersehbar.

(Unruhe)

Herr Minister, ich glaube, Sie sollten Ihre Rede kurz unterbrechen. Dann wird es vielleicht von allein etwas ruhiger. Wir haben ja noch Zeit zur Verfügung. Wir warten, bis hier wirklich Ruhe eingekehrt ist.

Unsere Ziele für eine erfolgreiche Wirtschafts- und Kulturpolitik sind erstens die Förderung innovativer Produkte, Verfahren und Dienstleistungen in der privaten und öffentlichen Kulturwirtschaft, zweitens die Förderung von Kooperationsprojekten von Kulturwirtschaftsunternehmen, also Clusterbildung, drittens die Schaffung und der Ausbau kulturtouristischer Kristallisationskerne, weiterhin die Steigerung der Nutzung des kulturwirtschaftlichen Potenzials im Städtetourismus sowie die Entwicklung des baulich-kulturellen Erbes zu touristischen Anziehungspunkten, um beispielsweise auch die regionale Aktivität zu steigern.

Die deutsche Kulturwirtschaft muss weiterhin gestärkt werden, damit sie kein Schattendasein zwischen der klassischen Kulturpolitik, die vornehmlich als Kulturförderung agiert, und der Wirtschaftspolitik, die sich ebenfalls auf ihren klassischen Feldern bewegt und dem Kulturwirtschaftssektor keine hohe Bedeutung zuweist, führt.

Wir wollen der Kultur und der Kulturwirtschaft die nötigen Freiräume und Experimentierfelder bieten, die sie brauchen, um einen Mentalitätswandel auch bei den Kulturschaffenden, den Kultureinrichtungen und den privatwirtschaftlich Tätigen zu erreichen.

Die Kulturwirtschaftsinitiative des Landes Niedersachsen wird nur dann Erfolg haben, wenn sie politikfelderübergreifend als strategischer und langfristiger Prozess verstanden wird.

Ich sage abschließend noch einmal - Frau HeinenKljajić hat darauf schon hingewiesen -: Wir können hier sehr akademisch über das Thema Kulturwirtschaft miteinander diskutieren. Letztlich kommt es aber darauf an, dass wir die in Niedersachsen

vorhandenen Angebote miteinander vernetzen, um Grundlagen zu schaffen.

(Dorothea Steiner [GRÜNE]: Dann tun Sie das doch endlich einmal!)

In dieser Hinsicht brauchen wir uns - um auf das Bild von Dornröschen zurückzukommen - in Bezug auf die letzten vier Jahre und erst recht im Vergleich zu den Taten oder Untaten der Vorgängerregierung kein schlechtes Gewissen einreden zu lassen.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir haben Strukturveränderungen vorgenommen, die sehr viel Mut erfordert haben, die mehr Ortsund Bürgernähe hergestellt haben und sich durch mehr Professionalität und mehr Marktorientierung ausgezeichnet haben. Deshalb können wir mit Stolz darauf verweisen, dass die Besucherzahlen in Niedersachsen wieder ansteigen.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Ich bin mir sicher, wenn die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes uns weiterhin die Gelegenheit geben, unsere erfolgreiche Arbeit fortzusetzen - das werden sie tun -, werden wir in einigen Jahren, wie ich sehr hoffe, hier nicht wieder Reden nach der Devise hören müssen, dass wir bei irgendwelchen Vergleichen ganz hinten stehen. Wir wollen vielmehr auch im Bereich der Kultur ganz nach vorne. Dort gehören wir nämlich hin.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Dorothea Steiner [GRÜNE]: In zehn Jahren ist der Zug dann allmählich abgefahren!)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wir kommen zur Abstimmung.