Protocol of the Session on February 15, 2002

(Fischer [CDU]: Ein bisschen leiser!)

Der Staatsgerichtshof hat Ihnen, Herr Möllring, ins Stammbuch geschrieben, dass Sie mit dieser Behauptung Unrecht haben.

(Möllring [CDU]: Nein! Das stimmt überhaupt nicht!)

Das sollten Sie endlich einmal zur Kenntnis nehmen. Sie können hier gern weiter darüber fabulieren, aber dann müssen Sie auch so ehrlich sein und in Ihre Haushaltsanträge gelegentlich einmal hineinschreiben, dass Sie 500 Millionen DM mehr haben wollen. Das konnten Sie nicht. Deswegen haben Sie es nicht getan. Deswegen sind Sie in Ihrem Verhalten unredlich, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD)

Wir haben nur zwei Möglichkeiten auf die Probleme, die die Kommunen haben, zu reagieren.

(Zuruf von der [CDU]: Abwählen!)

Die eine Möglichkeit ist, dafür zu sorgen, dass die Konjunktur in der Bundesrepublik Deutschland anspringt.

(Möllring [CDU]: Welcher Kanzler denn?)

Das erreichen wir nicht dadurch, dass wir den Industrieund Gewerbestandort Bundesrepublik Deutschland und Niedersachsen schlechtreden, sondern nur dadurch - das ist überhaupt keine Frage -, dass wir eine positive Stimmung verbreiten.

(Beifall bei der SPD)

Die zweite Möglichkeit ist, die kommunale Finanzreform, die Gemeindefinanzreform, endlich anzupacken. Sie haben 16 Jahre lang darüber geredet. Schröder hat sie angepackt, und das, meine Damen und Herren, ist gut so.

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD - Lachen bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich sehe mich jetzt in der Lage, die interessante Beratung an dieser Stelle abzuschließen. - Wir kommen zu verschiedenen Abstimmungen.

Ich lasse zunächst über einen Antrag abstimmen, den der Kollege Golibrzuch für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gestellt hat. Er hat eine Zurücküberweisung des unter Tagesordnungspunkt 38 vorliegenden Antrages an den Ausschuss beantragt. Über diesen Verfahrensantrag haben wir als Erstes abzustimmen. Wer dem Antrag des Kollegen Golibrzuch für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zustimmen und diesen Antrag an den Ausschuss zurücküberweisen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Dieser Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt worden.

(Zurufe)

- Wir sind in der Abstimmung. Es geht jetzt nicht darum, sich darüber auszutauschen, wie gut die Einzelnen sind.

Wir kommen dann zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für innere Verwaltung in der Drucksache 3121 zustimmen und damit den Antrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 2933 ablehnen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, das Erste war die Mehrheit.

Wir kommen zur Abstimmung über den unter Tagesordnungspunkt 39 vorliegenden Antrag. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für innere Verwaltung in der Drucksache 3122 zustimmen und damit den Antrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 3035 ablehnen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, das Erste war die Mehrheit.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung des unter Tagesordnungspunkt 40 vorliegenden Antrags. Es ist vorgeschlagen worden, dass sich der Ausschuss für innere Verwaltung federführend mit diesem Antrag befasst. Die Mitberatung soll in den Ausschüssen für Haushalt und Finanzen und für Wirtschaft und Verkehr erfolgen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das hat ausreichende Unterstützung gefunden.

Wir kommen jetzt zur Ausschussüberweisung des unter Tagesordnungspunkt 41 vorliegenden Antrags. Hierbei soll ebenfalls der Ausschuss für innere Verwaltung federführend tätig sein. Die Mitberatung soll im Ausschuss für Haushalt und Finanzen und im Ausschuss für Sozial- und Gesundheitswesen erfolgen. Wer so entscheiden möchte, den bitte ich ebenfalls um ein Handzeichen. - Das ist so beschlossen.

Damit ist die Beratung dieser Tagesordnungspunkte abgeschlossen.

Ich rufe die beiden nächsten Tagesordnungspunkte auf, die vereinbarungsgemäß zusammen beraten werden sollen, also

Tagesordnungspunkt 42: Erste Beratung: Konsequenter Schutz vor Gewalt- und Sexualverbrechern verfassungskonforme nachträgliche Sicherungsverwahrung in Niedersachsen prüfen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 14/3107

Tagesordnungspunkt 43: Erste Beratung: Mehr Schutz vor Sexual- und Gewaltverbrechern - Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/3113

(Unruhe)

- Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, die Wanderungsbewegung etwas schneller vonstatten gehen zu lassen, damit wir die Beratung fortführen können.

(Fischer [CDU]: Herr Präsident, das ist die Flucht der Lemminge!)

Das Präsidium ist sehr daran interessiert zu erfahren, wer die Anträge, die ich aufgerufen habe, einbringen will. Uns liegen keine Wortmeldungen vor.

(Frau Pawelski [CDU]: Dann weiter! - Stratmann [CDU]: Der SPD-Antrag steht zuerst da! - Möllring [CDU]: Nicht mal das können die!)

- Ich weiß, dass zunächst der SPD-Antrag an der Reihe ist. Ich muss aber darauf hinweisen, dass uns zurzeit keine Wortmeldungen vorliegen.

(Unruhe)

Die Sachlage hat sich geändert. Der Antrag der Fraktion der SPD wird durch Frau Bockmann eingebracht. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema ist hier im Plenum schon zweimal behandelt worden. Ich will jetzt nicht nach Art einer tibetanischen Gebetsmühle alle Argumente noch einmal vortragen; denn nach den beiden kontroversen Landtagsdebatten sind wir uns in der Zielsetzung doch einig. Wir wollen mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln ein höchstmögliches Maß an Sicherheit für unsere Bevölkerung gewährleisten. Gestatten Sie mir deshalb, einige Zahlen zu nennen:

Die Entwicklung der Zahl der Sexualstraftaten, die sich aus der Kriminalstatistik ablesen lässt, zeigt keinen Anstieg; im Gegenteil: Noch Anfang der 70er-Jahre wurden jährlich etwa viermal so viele Kinder Opfer von Sexualmördern, wie dies im

Durchschnitt der letzten fünf Jahre der Fall war. Auch die Rate der Vergewaltigungen liegt deutlich niedriger als in den 60- und 70er-Jahren. Nichtsdestotrotz sind wir uns in diesem Haus wohl alle einig darin, dass in diesem Bereich jede einzelne Straftat eine Straftat zu viel ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ohne Frage wollen wir Opfern von Sexualverbrechern und ihren Angehörigen diese grausamste aller Lebenserfahrungen ersparen. Wir haben heute Morgen über die vorbildliche Sicherheit des niedersächsischen Strafvollzugs gesprochen. Das ist nur ein Mosaikstein in der entschlossenen Politik sowohl der SPD-Landtagsfraktion als auch der Regierung, um den größtmöglichen Opferschutz zu gewährleisten, ohne dabei jedoch - das ist für uns wichtig - die Grenzen des Rechtsstaats zu überschreiten.

Bei der nachträglichen Sicherungsverwahrung für Gewalt- und Sexualstraftäter bleibt die SPD-Fraktion dabei, dass sie seriöse statt sinnlose Wege will. Seriös bedeutet: verfassungskonform. Verfassungskonform bedeutet, dass es ein Bundesgesetz geben muss und keine Spielzeuggesetze einzelner Länder, die vom Bundesverfassungsgericht jederzeit wieder einkassiert werden können. Deshalb fordern wir mit unserem Antrag eine verfassungskonforme nachträgliche Sicherungsverwahrung auf Bundesebene für alle Bundesländer.

Ihr Antrag krankt daran, dass Sie sich mit der Vergangenheit und nicht mit der Zukunft beschäftigen. Sie wählen von zwei möglichen Wegen, die immerhin vorhanden sind, den verfassungsmäßig bedenklichen und gehen die Gefahr ein, in einer Sackgasse zu landen.

Wir halten es für ausgesprochen gefährlich, das Thema Sexualstraftäter auf die leichte Schulter zu nehmen. Halb durchdachte Gesetze nutzen niemandem, schon gar nicht den Opfern.

(Stratmann [CDU]: Sie haben noch gar keinen Gesetzentwurf einge- bracht!)

Eines der favorisierten Gesetze ist das Gesetz aus Baden-Württemberg. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU-Fraktion, ein wenig wundere ich mich schon. Erst schreiben Sie ein Landesgesetz zur nachträglichen Sicherungsverwahrung aus Baden-Württemberg ab und müssen

sich von uns sagen lassen, dass eine solche Regelung schlichtweg verfassungswidrig ist. Peinlich!

(Mientus [SPD]: Im Abschreiben sind sie sowieso groß!)

Dann merkt sogar Baden-Württemberg, dass die landeseigene gesetzliche Regelung einer juristischen Begutachtung nicht standzuhalten vermag, und bringt den Vorschlag für ein Bundesgesetz ein, das ebenfalls äußerst problematisch ist.

(Stratmann [CDU]: Wo bleibt denn das Bundesgesetz?)

Was machen Sie nun als niedersächsische CDU? Jetzt kommen Sie auf Bundesebene mit einem Entschließungsantrag, der sich wieder auf die verfassungswidrige Form bezieht. Ich meine, so können wir mit der nachträglichen Sicherungsverwahrung und mit den Sexualstraftätern nicht umgehen.

(Beifall bei der SPD)

Für die Möglichkeit einer nachträglichen Sicherungsverwahrung ist nach diesen Vorstellungen allein das Vollzugsverhalten ausschlaggebend. Ich begründe es Ihnen gern, Herr Busemann. Eine Regelung, wie Sie sie favorisieren, verstößt gegen Artikel 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention, die eine Freiheitsentziehung grundsätzlich nur dann zulässt, wenn sie an ein Strafurteil anknüpft.