(Plaue [SPD]: Das war der erste Satz! Nun der zweite Satz! - Wulf (Olden- burg) [SPD]: Warum nur bei Lehrern?)
Damit bin ich beim nächsten Punkt. Wir wollen leistungsbezogene Bezahlung für den öffentlichen Dienst, für die Beamtenschaft haben. Aber warum nur für Beamte, warum nicht auch für andere? Dafür muss man auch Geld in die Hand nehmen; denn sonst geht das nicht. Sie rechnen vor. Auf die 300 Millionen, die Bildungsoffensive und alles das, was wir da erlebt haben, will ich gar nicht eingehen. - Wenn Sie für den Bildungsbereich 300 Millionen bereitstellen wollen und deshalb den Beamten die Prämien, die Sie ihnen eigentlich gönnen und zahlen wollten, nicht zahlen können, dann heißt das nichts anderes, als dass die niedersächsische Beamtenschaft Ihre Bildungsoffensive zahlen soll. Wollen Sie das so verstanden wissen? Ich kann mich nur wundern. In Bayern, an das Sie bekanntlich ungern erinnert werden wollen, gibt es Bildungsoffensive plus Prämien für die Beamtenschaft. Die können es offenbar anders.
Nun zum zweiten, eigentlichen Punkt, weshalb das hier mal angesprochen werden muss. Da spricht der Ministerpräsident im Januar in der Bild-Zeitung bundesweit von Leistungsorientierung. Das hört sich alles wohlfeil an, wie einst die Idee von den Laptops für jeden Schüler. Aber hinterher wird gesagt, dass man eigentlich kein Geld habe und dass das eine semantische Spielerei gewesen sei, was doch jeder begreifen müsse. - Meines Erachtens ist das eine Frage der Seriosität in der Politik, und deshalb wollte ich dieses Thema hier problematisieren. - Danke.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Darum schließe ich die Beratung. Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Wenn Sie den Kultusausschuss mit der Federführung beauftragen wollen und die Ausschüsse für Verwaltungsreform und öffentliches Dienstrecht sowie für Haushalt und Finanzen mitberaten lassen wollen, bitte ich um Ihr Handzeichen.
Frau Litfin hat in ihrem Redebeitrag beantragt, den Ausschuss für Verwaltungsreform und öffentliches Dienstrecht mit der Federführung zu betrauen, weil in allen Redebeiträgen die Bedeutung auf den gesamten Landesdienst deutlich geworden ist.
(Plaue [SPD]: Frau Präsidentin, wir sind damit einverstanden! - Mühe [SPD]: Ist so in Ordnung, Frau Präsi- dentin!)
Wenn Sie der Ausschussüberweisung, so wie Herr Hagenah dies ergänzt hat, zustimmen möchten, bitte ich um Ihr Handzeichen. – Stimmt jemand dagegen? – Sie haben einstimmig so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 47: Erste Beratung: Konsequentes Vorgehen gegen Drogendealer - Einsatz von Brechmitteln zur Aufklärung von Rauschgiftdelikten - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/3115
„Eine körperliche Untersuchung des Beschuldigten darf zur Feststellung von Tatsachen angeordnet werden, die für das Verfahren von Bedeutung sind. Zu diesem Zweck sind Entnahme von Blutproben und andere körperliche Eingriffe, die von einem Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu Untersuchungszwecken vorge
nommen werden, ohne Einwilligung des Beschuldigten zulässig, wenn kein Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten ist.“
Das, was ich soeben vorgelesen habe, ist nicht die rechtspolitische Meinung der CDULandtagsfraktion, sondern der Gesetzeswortlaut des § 81 a der Strafprozessordnung.
Auf dieser Grundlage sind nicht nur tausende von Blutproben, auch zwangsweise, entnommen worden - natürlich immer dann, wenn bei einer Tat Alkoholbeeinflussung eine Rolle spielte -, sondern auch Brechmittel, ebenfalls zwangsweise, verabreicht worden, wenn ein Täter im Bereich der Rauschgiftkriminalität angesiedelt war und der dringende Verdacht bestand, dass er Rauschmittel verschluckt hat.
Nur um einmal die Intensität des Einsatzes von Brechmitteln in das richtige Licht zu setzen: Auf der Grundlage der eben zitierten Vorschrift dürfen Gehirnflüssigkeiten entnommen werden, darf Rückenmarksflüssigkeit entnommen werden, dürfen Hirnkammerfüllungen und -belüftungen zur Ermöglichung von Röntgenaufnahmen durchgeführt werden. All das ist auf der Grundlage dieser Vorschrift zulässig, vorausgesetzt, dass die angeordnete Maßnahme zur Erreichung des damit verfolgten Zweckes verhältnismäßig ist.
Wie muss die Verhältnismäßigkeitsprüfung bei Rauschgiftdelikten aussehen? Auf der einen Seite gibt es Täter, die aus nackter Gewinnsucht den Körper und die Gesundheit anderer massiv schädigen,
ihnen im wahrsten Sinne des Wortes den Tod bringen. Etwa 1 700 Drogentote gab es in Deutschland im Jahr 2001. Im gleichen Jahr gab es in Deutschland 150 000 Opiatsüchtige. Fast der Hälfte aller Jugendlichen in Deutschland wurde einmal Drogen angeboten mit dem Ziel, sie aus Gewinnsucht in die Sucht, in die Abhängigkeit zu treiben, wobei ihr Tod billigend in Kauf genommen wurde. Zur Kette von der Herstellung der Droge über deren Einfuhr nach Deutschland bis hin zur Verteilung an den Endabnehmer gehört gerade derjenige Täter, der das letzte, mehrfach gestreckte Gramm Heroin an den Süchtigen verkauft. Herr Innenminister Bartling, einem solchen Straftäter wollen Sie nicht das einmalige Unwohlsein zumuten, das mit
Da redet der Justizminister landauf, landab von Opferschutz. Er betont den Vorrang des Opferschutzes vor dem Täterschutz. Er möchte sogar, dass der Opferschutz in der Niedersächsischen Verfassung verankert wird. Wie handelt aber die Landesregierung? Sie schützt den Täter vor einem geringen körperlichen Eingriff. Sie erweckt damit nach außen den Eindruck, die Not und das Elend der Opfer zu negieren.
Herr Minister, der Anlass Ihres Erlasses ist die Tatsache, dass in Hamburg Ende 2001 ein Tatverdächtiger verstorben ist, dem man über eine Sonde ein Brechmittel zwangsweise eingeführt hat. Ich mag Ihnen noch konzedieren, dass ein so tragischer Fall Anlass sein könnte, zu fragen, ob man von dem Einsatz von Brechmitteln durch eine Nasensonde absehen sollte. Deshalb aber den Einsatz von Brechmitteln generell verhindern zu wollen, das vermag ich in der Tat nicht einzusehen.
In Osnabrück ist die Situation so, dass Brechmittel injiziert werden. Die Mediziner bestätigen, dass die Verabreichung durch eine Injektion völlig ungefährlich ist. Wenn Sie mit Ihrem Erlass auch diese Maßnahme verbieten, dann verschieben Sie damit aus unserer Sicht die Koordinaten von Recht und Unrecht in einer für uns nicht hinnehmbaren Art und Weise.
Nun muss ich zu dem wahrlich unappetitlichen Teil der Argumentation kommen, die lautet: Ob mit oder ohne Brechmittel, die verschluckte Droge kommt früher oder später ans Tageslicht. Es entbehrt aber nicht einer gewissen Überheblichkeit, von einem Schreibtisch des Innenministeriums aus die Frage zu beantworten, welche Form der Beweissicherung den Polizisten denn zumutbarer ist. Vielleicht hätten Sie einmal Ihre Beamten befragen sollen? Zum Beispiel hat Osnabrücks Polizeichef Rolf Bringmann erklärt, dass als Alternative die Verabreichung von Abführmitteln für die Polizeibeamten in der Tat unzumutbar sei.
Ich erinnere auch an den Landesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei, Bernhard Witthaut. Er hat darauf hingewiesen, dass der Einsatz von Brechmitteln, wie in Osnabrück geschehen, zur Beweissicherung notwendig, für den Täter ungefährlich und für den Polizeibeamten noch eher erträglich ist als der Einsatz von Abführmitteln.
Ein Letztes: Ihr Erlass negiert die mit dem Einsatz von Brechmitteln verbundene abschreckende Wirkung völlig. Der Täter, der weiß, dass ihm sofort ein Brechmittel verabreicht wird, wenn er Drogen geschluckt hat, wird sich sehr genau überlegen, ob es sich für ihn lohnt, tatsächlich Drogen zu verschlucken. Wir meinen, dass der Staat zeigen muss, dass er bereit ist zu handeln. Er muss vermeiden, dass der Eindruck entsteht - das hat GdPChef Witthaut aus Anlass Ihres Erlasses so festgestellt -, dass der Dealer besser als unsere Kinder geschützt wird.
Kehren Sie zum Opferschutz zurück! Stimmen Sie unserem Antrag zu! Nehmen Sie, Herr Minister Bartling, Ihren Erlass zurück!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege, nach dieser Rede frage ich mich, woher eigentlich das exzessive Strafbedürfnis in der CDU-Fraktion kommt. Was ist die Erklärung dafür? Wir haben vorhin über nachträgliche Sicherungsverwahrung gesprochen. Sie haben gefordert, dass ein Ersttäter nach vier Jahren Haft unter Umständen lebenslang in Sicherungsverwahrung genommen wird. Wir sprechen jetzt über eine richtige, verhältnismäßige Methode der Beweissicherung im Bereich des Straßenhandels mit Betäubungsmitteln. Sie haben in Ihrer Rede verkannt, dass es weder um Strafe noch um Vergeltung, noch um Abschreckung, sondern um Beweissicherung geht.
Ist es so frustrierend, CDU-Landtagsabgeordneter zu sein, dass man bei jeder - passenden oder unpassenden - Gelegenheit das Bedürfnis nach Strafe, Vergeltung oder möglichst harten Folgen für die Täter zum Ausdruck bringen muss? Wie kommt es eigentlich, dass Sie bei der Beantwortung der Fragen „Was ist verhältnismäßig?“ bzw. „Was bedeutet Menschenwürde auch im Umgang mit Tatverdächtigen?“ davon ausgehen, dass für den Staat dieselben Maßstäbe wie für einen Straßendealer gelten? Das Gebot, die Menschenwürde zu achten, richtet sich auch an den Staat, insbesondere was das Ermittlungsverfahren angeht.
Die Gabe von Brechmitteln ist seit Jahren rechtlich umstritten. Das Oberlandesgericht Frankfurt hat bereits 1996 Folgendes festgestellt:
„Der Einsatz von Brechmitteln bei Ermittlungen in Strafverfahren verstößt gegen das Persönlichkeitsrecht und die Menschenwürde des Beschuldigten und stellt einen unzulässigen Eingriff in dessen körperliche Unversehrtheit dar. Beweise, die auf diesem Wege gewonnen sind, dürfen nicht verwertet werden.“
Es gibt auch andere Judikate als diese Entscheidung des OLG Frankfurt. Aber man muss sie erst einmal ernst nehmen. Sie haben in der Vergangenheit fälschlicherweise behauptet, dass auch das Bundesverfassungsgericht die zwangsweise Gabe von Brechmitteln abgesegnet habe. Diese Behauptung ist falsch.
Bereits in einer Pressemitteilung vom 16. Dezember 2001 hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass es Brechmitteleinsätze, wie sie beispielsweise in Hamburg praktiziert werden, niemals gebilligt hat. Eine Verfassungsbeschwerde wurde aus rein formalen Gründen nicht zugelassen. Eine materielle Entscheidung zu dieser Frage hat es auch aus Karlsruhe bisher nicht gegeben.
Es kennzeichnet den Rechtsstaat, dass der Zweck die Mittel eben nicht heiligt, sei der Zweck auch noch so hochrangig und wesentlich.
Die Wahrheit darf in einem Strafverfahren nicht um jeden Preis erforscht werden. Das unterscheidet uns möglicherweise vom letzten CDUMinisterpräsidenten, Ernst Albrecht. Er hat in seinem Buch „Der Staat - Idee und Wirklichkeit“ meinte, dass unter bestimmten Umständen auch Folter sittlich geboten sei. Wenn man Ihrer Logik folgt, dann könnte man zu dem Ergebnis kommen, dass man bei schwarzafrikanischen Straßendealern, die das Leben und die Gesundheit unserer Kinder gefährden, vielleicht nicht nur Brechmittel anwenden darf, sondern dass man bei ihnen womöglich auch ein bisschen darüber hinausgehen sollte, um so noch mehr Wahrheitsforschung und Beweissicherung zu betreiben, und abschreckend wäre das sicherlich allemal.