Protocol of the Session on January 23, 2002

Auch andere Rehabilitationsträger, wie z. B. die Bundesanstalt für Arbeit, die in den Landesbildungszentren Leistungen nachfragt, werden die Dienste nur dann in Anspruch nehmen, wenn dieses Prinzip gilt. Deswegen ist es wichtig, dass sich die Landesbildungszentren mit der Kosten- und Leistungsrechnung auf diese Vergleiche einstellen können.

Insgesamt, meine Damen und Herren, sind für die Landesbildungszentren im laufenden Haushaltsjahr 25,1 Millionen Euro und für das nächste Haushaltsjahr 25,2 Millionen Euro vorgesehen. Das ist gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung um 600 000 bzw. 700 000 Euro. Der Zuschussbedarf beträgt 15 Millionen Euro jährlich. Von Einsparmaßnahmen kann also überhaupt nicht die Rede sein!

Nun zum zweiten Bereich, der Standortfrage. Hierzu muss ich in Erinnerung rufen, dass sich der Landtag bereits am 12. September 2000 aufgrund eines Beschlusses des Haushaltsausschusses mit einzelnen Vorschlägen des Landesrechnungshofes befasst hat. Dabei haben die Abgeordneten die Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass Konsequenzen aus einer veränderten Entwicklung der Schülerzahlen zu ziehen sind. Mein Haus wurde gebeten, den Vorschlag des Landesrechnungshofes zu prüfen und die Beschulung der Gehörlosen und Schwerhörigen auf zwei Standorte und den berufsbildenden Bereich auf einen Standort zu konzentrieren. In der darauf folgenden Antwort vom 9. März 2001, die diesem Haus in der Drucksache 14/2329 vorliegt, hatte die Landesregierung bereits erklärt, dass sie den Vorschlägen des Landesrechnungshofes in der Standortfrage nicht folgen wird.

Die Landesregierung ist nämlich der Auffassung, dass trotz der zurückgehenden Schülerzahlen in den Schulen für Gehörlose auch künftig vier Landesbildungszentren für Hörgeschädigte in Braunschweig, Hildesheim, Oldenburg und Osnabrück gebraucht werden, und zwar mit ihrem umfassenden Aufgabenspektrum von der Hausfrühförderung über die Beratungsstellen bis hin zur beruflichen Bildung. Wir werden auf diese Landesbildungszentren nicht verzichten, solange Eltern und Kinder diese Landesbildungszentren in dieser Form nachfragen.

Allerdings wurde, um eine ausreichende Binnendifferenzierung der schulischen Angebote in den Schulen für Gehörlose zu erreichen, geprüft, ob es eine Zusammenlegung auf zwei Standorte ab der

Sekundarstufe I - Klasse 7 – der Schulen für Gehörlose geben muss. Diesen Stand der Diskussion finden Sie in den Antworten auf die Fragen 10 und 12 der Großen Anfrage.

Zurzeit beraten das Kultusministerium und mein Ministerium, ob ein gemeinsamer Unterricht von gehörlosen und schwerhörigen Schülern pädagogisch und fachpolitisch möglich und vernünftig ist; bisher wurden sie getrennt unterrichtet. Sollte sich dieses Konzept als tragfähig erweisen - auch diese Überlegungen werden wieder mit den Eltern rückgekoppelt -, würden sich Überlegungen zur Zusammenlegung der Sekundarstufen I erübrigen.

Damit kein falscher Eindruck entsteht, möchte ich an dieser Stelle betonen, dass die Landesregierung im Grundsatz für die Integration in Schule und Kindergarten steht. Die Mehrzahl der hörgeschädigten Kinder besucht Regelschulen. Es ist auch unser politisches Ziel, dass die Zahl der hörgeschädigten Kinder in Regelschulen noch gesteigert wird.

Wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass sich manche Eltern aus guten Gründen und wohl überlegt für den Besuch der Landesbildungszentren entscheiden. Sie sind in einzelnen Fällen davon überzeugt, dass ihre Kinder dort besser aufgehoben sind, und diese Wahlmöglichkeit möchte ich den Eltern auch nicht nehmen.

(Frau Elsner-Solar [SPD]: Eben!)

Drittens zur Frage der Organisationsstruktur. Hier besteht Einvernehmen, dass die Organisationsstruktur in den Landesbildungszentren weiter fortentwickelt werden muss. Wie Sie der Antwort auf die Große Anfrage entnehmen können, wird es künftig eine unter pädagogischer Leitung stehende Abteilung für alle nicht schulischen Angebote einschließlich der Beratungsstellen geben.

In Bezug auf eine neue Leitungsstruktur sind wir auch schon weiter, als Sie es der schriftlichen Antwort zur Frage 19 entnehmen können. Es ist inzwischen einvernehmlich verabredet, dass in mindestens einer Einrichtung in den nächsten zwei Schuljahren das vom Landesrechnungshof vorgeschlagene Dreierleitungsteam modellhaft erprobt werden soll, und wir werden dann mit den Ergebnissen umzugehen haben.

(Frau Jahns [CDU]: Das hat der Lan- desrechnungshof aber nicht gefor- dert!)

Nicht zuletzt möchte ich erwähnen, dass die Landesregierung dort, wo es nötig ist, auch zusätzlich investiert. Mit dem Haushalt 2002/2003 wurde beschlossen, mit 220 000 Euro die EDV-Ausstattung zu modernisieren und damit auch den Kindern in diesen Landesbildungszentren die gleichen Lernchancen zu geben wie den Kindern in der Regelschule.

Alles, was in Bezug auf Veränderungen in den Landesbildungszentren bis zum heutigen Tage an Überlegungen und Prüfungen stattgefunden hat, ist in enger Abstimmung mit den Bildungszentren und mit den jeweiligen Vertretern von Eltern- und Lehrerschaft geschehen. Im Vordergrund unseres Handelns stehen das Wohl und die Entwicklung hörgeschädigter Kinder und Jugendlicher; damit ist es uns außerordentlich ernst. Die Beantwortung der Großen Anfrage hat mir deshalb Gelegenheit gegeben, diesen Standpunkt der Landesregierung zur künftigen Arbeit der Landesbildungszentren für Hörgeschädigte nochmals deutlich zu machen.

Sie können daran sehen, dass wir uns nicht von Sparmaßnahmen, sondern von fachlichen Argumenten leiten lassen und im Einzelfall auch den Konflikt mit dem Landesrechnungshof eingehen, wenn wir anderer Einschätzung sind als er.

Ich hoffe, dass damit einige Missverständnisse ausgeräumt sind, und bitte die CDU-Fraktion, im Interesse der Kinder und der Eltern wie die Landesregierung zu einer Versachlichung der Diskussion und nicht durch Punkte, die Sie hier ansprechen und die niemals zur Disposition gestanden haben, zu einer weiteren Verunsicherung beizutragen. Ich finde, dass die betroffenen Kinder und ihre Eltern unsere Solidarität und souveräne Sachlichkeit verdient haben. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Pothmer.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin, trotz Ihrer Gespräche, die Sie mit den Eltern von gehörlosen und gehörgeschädigten Kindern geführt haben, scheint es immer noch eine gewisse Verunsicherung darüber zu geben, ob und wie die angemessene pädagogische Betreuung dieser Kinder hergestellt werden kann.

Frau Jahns hat ja darauf hingewiesen, dass der Hintergrund der gesamten Debatte, die wir hier heute zu führen haben - die wir übrigens schon seit geraumer Zeit führen -, der Vorschlag des Landesrechnungshofes ist, die vier Standorte auf zwei Standorte zu reduzieren. Hintergrund dieses Vorschlages des Landesrechnungshofes ist die Unterauslastung insbesondere der Internate der Landesbildungszentren für Gehörlose.

Die Eltern haben sich dann sofort an das Ministerium und auch an die Abgeordneten gewandt. Wir haben auch im Ausschuss immer wieder darüber diskutiert. Es ist meiner Wahrnehmung nach ganz eindeutig so gewesen, dass die SPD-Fraktion und in der Folge dann auch das Sozialministerium gesagt haben, dass es diese Reduzierung von vier auf zwei Standorte nicht geben wird. Auch nach der Rede, die Sie hier gehalten haben - aber insbesondere nachdem ich die Beantwortung der Anfrage gelesen habe -, kann ich nur sagen, dass es mir in der Antwort so vorkommt, als würden Sie jetzt ein entschiedenes „Ja, aber...“ sagen.

(Frau Jahns [CDU]: Uns auch!)

- Genau. - Insbesondere im Bereich der Sekundarstufe I sind nur noch zwei Standorte für die Zukunft vorgesehen. Können Sie das noch einmal klären? Das ist mir nicht klar geworden! Jedenfalls habe ich den Eindruck gewonnen - darin liegt auch, glaube ich, das Problem -, dass die Eltern das in gewisser Weise als eine Art von Versteckspiel empfinden und nach wie vor verunsichert sind. Das kann ich nur bestätigen!

(Beifall bei den GRÜNEN – Frau Jahns [CDU]: Richtig!)

Ich finde es auch nicht gut, den Oppositionsfraktionen Vorwürfe zu machen, wenn sie auf diese Verunsicherung reagieren.

Ich möchte noch auf einen anderen Punkt eingehen, den Sie hier auch angesprochen haben und den ich noch etwas skeptischer sehe. Es scheint ja Überlegungen in Ihrem Hause über eine gemeinsame Beschulung von gehörlosen und gehörgeschädigten Kindern zu geben.

Meiner Meinung nach ist der offene Streit darüber, ob es behindertenpädagogisch ratsam und sinnvoll ist, diese beiden Schülergruppen gemeinsam zu unterrichten, überhaupt nicht ausgestanden. Denn bei Gehörlosen ist eine bilinguale Pädagogik notwendig. Wir haben oft darüber diskutiert. Ich rufe

die Anerkennung der Gebärdensprache durch das Gleichstellungsgesetz für Behinderte, das die Bundesregierung plant, in Erinnerung. Hörgeschädigte Kinder hingegen brauchen andere Voraussetzungen. Sie brauchen eher eine lautsprachliche Unterstützung.

Wir haben erhebliche Zweifel daran, dass dieser Vorschlag praktikabel und sinnvoll im Sinne der Kinder ist.

Ich möchte noch auf einen anderen Punkt eingehen, der in der Antwort auf die Große Anfrage eine Rolle gespielt hat, nämlich auf den Umstand, dass die Landesregierung die Landesbildungszentren beim Pflegesatz nicht anders behandeln will als die Einrichtungen der Wohlfahrtsverbände.

(Frau Jahns [CDU]: Das hat die Mi- nisterin eben betätigt!)

Ich finde das richtig; das möchte ich ausdrücklich sagen. Aus meiner Sicht ließe es sich überhaupt nicht erklären, warum landeseigene Einrichtungen diese Arbeit mit höheren Pflegesätzen bewältigen als Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege. Dabei bin ich völlig anderer Ansicht, Frau Jahns.

Ich weiß sehr wohl, welche Probleme im diesem Zusammenhang auftauchen. Wir haben das wunderschön bei der Umsetzung des § 93 erlebt, als es darum ging, Hilfebedarfsgruppen zu typisieren und mit gleichen Pflegesätzen zu versehen. Das ist sehr schwer. Ich habe aus Sicht der Einrichtungen Verständnis dafür, dass sie sich dagegen wenden. Ich finde das trotzdem nach wie vor richtig.

(Zustimmung von Groth [SPD])

Ich meine auch, dass die Beschäftigten der Landesbildungszentren nicht in allzu große Schwierigkeiten kommen werden. Die Beschäftigten haben Arbeitsverträge, und die haben Bestandsschutz. Das ist ein Projekt, das auf die Zukunft gerichtet ist. Dieses Projekt wird von uns unterstützt.

Auch der Vorschlag, eine Budgetierung einzuführen, verbunden mit der Perspektive, ein Dreierdirektorium einzuführen, Frau Jahns, ist aus meiner Sicht kein Teufelszeug. Der Vorschlag, das zunächst über Modellprojekte auszuprobieren, kann auch sinnvoll sein. Es gibt ja manchmal eine Situation, in der ein Dreierführungsgremium so viele Reibungsverluste erzeugt, dass es am Ende nicht sinnvoll ist. Von der Sache her finde ich das zunächst einmal durchaus in Ordnung.

Ein zentrales Problem im Zusammenhang mit den Landesbildungszentren für Gehörlose ist die Tatsache - der Umstand, dass die Eltern immer wieder die Beibehaltung der Landesbildungszentren für Gehörlose fordern, hat etwas damit zu tun -, dass die Eltern kein Vertrauen in die integrative Beschulung der Kinder nach § 4 des Schulgesetzes haben. Das Problem besteht darin, dass es dort nach wie vor viel zu wenig Unterstützung gibt.

Da sind wir in einem Dilemma. Ich jedenfalls habe kein Interesse daran, langfristig Sondereinrichtungen wie die Landesbildungszentren für Gehörlose aufrechtzuerhalten. Auch die binden verdammt viel Geld. Behindertenpolitisch fände ich es sehr viel besser, wir könnten uns darauf verständigen, die Perspektive für die integrative Beschulung zu verbessern. Aber solange die Eltern die Erfahrung machen müssen, dass ihre Kinder in der Regelschule nicht ausreichend gefördert werden, wird die Forderung nach Landesbildungszentren für Gehörlose aufrechterhalten bleiben.

Wir müssen mit diesem Dilemma umgehen. Einerseits müssen wir die Landesbildungszentren für Gehörlose so lange ausreichend ausstatten, wie sie gebraucht werden. Andererseits müssen wir Mittel umlenken, damit die integrative Beschulung von behinderten Kindern in Standards vorgenommen werden kann, die den Eltern die Möglichkeit geben, ihre Kinder dorthin zu schicken. Das muss die Richtung sein, in die das Ganze zu gehen hat. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Koch, Sie haben sich zu Wort gemeldet. Sie haben noch knapp zwei Minuten Redezeit.

(Koch [CDU] (auf dem Weg zum Rednerpult): Knapp zwei Minuten – ganz toll!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich muss Ihnen sagen, dass das, was die Ministerin gesagt hat, nämlich dass durch die Worte der Opposition Beunruhigung in die Elternschaft hineingetragen wird, durch ihre Worte potenziert worden ist.

(Beifall bei der CDU)

Ich teile die vorsichtige Einschätzung der Kollegin Pothmer, dass die Art und Weise, in der Sie die Begriffe der Wirtschaftlichkeit und der ausgewogenen Standortfindung für die Zukunft verwenden, die vom Landesrechnungshof eingefordert wurden, den Verdacht schürt, dass gerade bei den wirklich Ärmsten in ganz besonderem Maße die Wirtschaftlichkeit in den Blick genommen wird. Wenn wir dann sehen - das betrifft nicht Sie, liebe Frau Trauernicht, sondern das betrifft unsere Schulpolitik -,

(Frau Elsner-Solar [SPD]: Keine Ah- nung!)

dass die Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf - das sind 4 % der Schülerschaft, 37 000 Schüler - angesichts des Stichwortes „Lernen unter einem Dach“ eine Unterrichtsversorgung haben, die sieben Prozentpunkte unter der normalen Unterrichtsversorgung liegt, dann sind wir sehr empfindlich, wenn gerade an diesem Punkt verglichen werden soll.

Ich bin durchaus der Meinung, dass wir prüfen können, inwieweit Gehörlose und Hörgeschädigte tatsächlich zusammen beschult werden können. Aber insgesamt ist der Ansatz, den Sie zu verteidigen versuchen, nicht dazu angetan, unsere Bedenken zu zerstreuen und die Berechtigung unserer Großen Anfrage in Frage zu stellen.

(Beifall bei der CDU)

Mir wäre es lieber, Frau Trauernicht, wenn Sie den Mut hätten, Ihr Postulat zu wiederholen und deutlich zu machen, dass Sie an dieser Stelle nicht kürzen wollen, wenn es nicht unbedingt notwendig ist. Sie haben die Eltern eingebunden. Die Beunruhigung der Eltern stelle ich auch nach Ihren heutigen Ausführungen fest.