Protocol of the Session on January 24, 2001

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Unser Antrag „Sofortige Rücknahme der Neuregelung zur sogenannten Scheinselbständigkeit“ ist zwar aus dem Jahre 1999, einzelne Teile des Antragstextes sollte man infolge bundesgesetzgeberischer Initiativen auch redaktionell verändern, aber im Grundsatz halten wir an unserem Antrag fest. Wir halten es einfach für erforderlich, dass die Initiativen, die die Bundesregierung in dem Zeitraum seit Einbringung dieses Antrags in den Landtag ergriffen hat, auf ihre Wirksamkeit überprüft werden. Wir hätten auch gern eine Bewertung der Landesregierung. Dazu besteht heute Gelegenheit.

Wir sind nicht der Meinung, dass sich alles zum Positiven gewendet hat. Die gemeinsame Anhörung mit dem Ausschuss für Städtebau und Wohnungswesen im April letzten Jahres hat uns in dieser Meinung bestärkt. Eine rechtliche Abgren

zung zwischen Arbeitnehmereigenschaft und Selbständigkeit ist nach wie vor sehr schwierig.

Wie schlecht das Gesetz gemacht worden ist, zeigen die mehrfachen Korrekturen. Die fünfte und letzte Korrektur stammt aus dem letzten Jahr. Sie trug die in meinen Augen etwas höhnische Überschrift „Förderung der Selbständigkeit“.

Durch die Erhöhung der Anzahl der Kriterien von vier auf fünf und durch die Reduzierung der Vermutungskriterien von drei auf zwei ist nunmehr vielleicht eine Besserung, aber keine Erleichterung eingetreten. Vor den Änderungen haben vier Kriterien eine Scheinselbständigkeit begründet. Wer zwei Kriterien erfüllte, musste gegebenenfalls den Beweis führen, dass er nicht scheinselbständig ist. Jetzt ist die Zahl der Kriterien auf fünf erhöht worden, meine Damen und Herren. Drei Kriterien müssen erfüllt sein, und dann greift der Amtsermittlungsgrundsatz wieder. Das heißt, der Nachweis in der Frage der Scheinselbständigkeit ist nicht vom Unternehmer zu führen.

Die Verunsicherung ist vielleicht kleiner geworden, aber sie ist bei den kleinen Dienstleistern und beim Transportgewerbe z. B. nach wie vor vorhanden. Unbestritten ist, dass das Gesetz bei vielen Selbständigen, auch im IT-Bereich, zu großer Verunsicherung und zu existentiellen Problemen geführt hat. Durch dieses Gesetz ist der Weg in die Selbständigkeit bürokratisch erschwert worden. Fachleute gehen davon aus, dass durch das Gesetz tausende von selbständigen Existenzen einfach verhindert worden sind.

In vielen Fällen werden bis heute die Selbständigen durch die unterschiedlichen Entscheidungen der Krankenkassen und der Rentenversicherungsträger verunsichert. Sie wissen nicht, woran sie sind. Für sie kann diese Unsicherheit ganz einfach den finanziellen Ruin bedeuten. Was ist - das frage ich Sie - mit der Tagesmutter, die oft nur für eine Familie arbeitet? Was ist mit der selbständigen Sekretärin, die einen mobilen Sekretariatsservice hat und mal tageweise, mal wochenweise jeweils für einen anderen Auftraggeber arbeitet? Was ist mit dem landwirtschaftlichen Betrieb, der landwirtschaftlich versichert ist und z. B. im Winter

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

- danke schön, Frau Präsidentin - für ein einzelnes Unternehmen Forstarbeiten durchführt?

Eines kann man sicherlich zu dieser Neuregelung sagen: Sie ist zu einem Arbeitsbeschaffungsprogramm für das Rentenversicherungsamt und für die Gerichte geworden. Eine Vielzahl von Einzelfällen hat nämlich zu gerichtlichen Auseinandersetzungen geführt. Etliche dieser Einzelfälle sind wegen der Überlastung der Gerichte bis heute noch nicht abgeschlossen. So wie mir gesagt wurde, werden es täglich mehr. Für den Selbständigen ist das eine ganz fatale Geschichte, weil für ihn in einem nicht zu kalkulierenden Maß Nachzahlungsverpflichtungen im Raume stehen. Die Unternehmen erteilen nicht mehr den ersten Auftrag oder nehmen sogar schon gegebene Aufträge wieder zurück, weil man die Folgen einfach nicht einschätzen kann.

Aus diesen Gründen bleiben wir bei unserer Einschätzung aus unserem Antrag, dass die Neuregelung zur Scheinselbständigkeit abgeschafft werden muss, weil sie nicht zeitgemäß und bürokratisch ist sowie tausende neue Existenzen und damit Arbeitsplätze verhindert.

(Zustimmung von Eveslage [CDU])

- Danke schön, Herr Kollege. - Die Arbeitswelt und auch die Rechtsprechung dazu haben sich verändert. Das Gesetz zur Neuregelung der so genannten Scheinselbständigkeit ist immer noch eine bürokratische Krücke, die das Selbständigmachen behindert und in vielen Fällen nach wie vor verhindert. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Wolf, Sie sind der nächste Redner.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Rühl, Sie haben in den Mittelpunkt Ihrer Rede gestellt, dass Sie seitens der Landesregierung gerne einen Bericht gehabt hätten. Das haben Sie im Ausschuss auch schon gefordert.

(Frau Zachow [CDU]: Das kann man ja wiederholen!)

Sie haben auch betont, dass es wahrscheinlich mehr Selbständige geben würde, wenn es die bürokratischen Hindernisse nicht gäbe. Ich betone: Es wäre vielleicht sinnvoll, sich einmal anzuschauen, dass nachweislich in Niedersachsen gerade im

Jahre 1999, aber auch im Jahre 2000 die Selbständigenquote gestiegen ist und die Abmeldungen zurückgegangen sind. Man kann also sagen, dass die Nachbesserung, die man vorgenommen hat, eine Wirkung gezeigt hat.

Ihnen ist bekannt, dass wir im Ausschuss diesen Antrag für erledigt erklärt haben. Sie haben Wert darauf gelegt, dass wir hierüber noch einmal debattieren. Ich will die Gelegenheit selbstverständlich gerne nutzen, in wenigen Worten darauf einzugehen, was sich in Bonn und Berlin getan hat und warum unsere Haltung entsprechend ist.

Vor dem Hintergrund des heutigen Tages und des gegenwärtig alles überlagernden Themas der BSEKrise sowie der fortgeschrittenen Tageszeit - das will ich auch sagen - möchte ich darauf hinweisen, dass sich der Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr am 3. November 2000 des Antrags der Fraktion der CDU angenommen und ihn mit den Stimmen der Vertreter der SPD-Fraktion und der Stimme des Vertreters der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für erledigt erklärt hat. Unsere Begründung leiten wir von folgendem Sachverhalt ab:

Nach Verabschiedung des Gesetzes zur Förderung der Selbständigkeit wurde aufgrund massiver Kritik vonseiten der Wirtschaftsverbände eine Kommission eingesetzt, die den Auftrag hatte, einen Kompromissvorschlag zu erarbeiten. Dieser Vorschlag floss in einen abgemilderten Gesetzentwurf ein. Hauptkompromisse waren - darauf haben Sie zum Teil hingewiesen -: Drei von fünf Kriterien müssen erfüllt sein, anstatt bisher zwei von vier Kriterien

(Zuruf von Frau Rühl [CDU])

- klar –, und die Einführung einer Schonfrist von drei Jahren für die Rentenversicherungspflicht bei Existenzgründungen. Damit war ein Kompromiss gefunden, der der Wirtschaft keine ersichtlichen Nachteile bescheren dürfte. Somit ist das Versprechen des ehemaligen Ministerpräsidenten Gerhard Glogowski abgedeckt, für eine Entlastung der Wirtschaft, insbesondere des Mittelstandes, im Bundesrat einzutreten. Er hat das vehement gemacht.

Abschließend möchte ich feststellen, dass das Thema Scheinselbständigkeit bundesweit kaum noch debattiert wird. Das hat im Wirtschaftsausschuss des hiesigen Landtags dazu geführt, den Antrag der CDU-Fraktion – wie schon erwähnt

mit den Stimmen der Vertreter der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für erledigt zu erklären. Wir halten an unserer Linie fest. Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin Steiner, Sie sind die nächste Rednerin.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben hier einen CDU-Antrag vom 6. Mai 1999 vorliegen. Zurückblickend kann man sagen: Die Auseinandersetzungen und der Bedarf für die Regelung zur Scheinselbständigkeit haben eigentlich die Jahre 1998 und 1999 geprägt. Ich möchte betonen: Es gab genügend Anlass für einen Regelungsbedarf in diesem Bereich. Es gab akute Missstände. Man musste befürchten, dass die soziale Sicherheit abhängig Beschäftigter und derjenigen, die in die Scheinselbständigkeit gezwungen wurden, erheblich verringert wird. Zu dieser Zeit wurde das mit der Debatte über das 630-DM-Gesetz verbunden.

Sie wissen so gut wie wir, dass hier tatsächlich Missstände existiert haben, dass es Missbrauch dieser Selbständigkeitsregelung gegeben hat und dass Leute wider ihren Willen in die Scheinselbständigkeit gezwungen worden sind. Es gab viele Beispiele: Journalisten, Lkw-Fahrer etc. Vollzeitarbeitsplätze sind dadurch vernichtet worden. Die Versicherungen sind geschädigt worden. Kurzum: Es war ein Problem. Es herrschte großer Handlungsbedarf. Mir ist bis heute nicht klar, ob in den ganzen Debatten des Jahres 1999, in denen vonseiten der CDU-Fraktion auf Bundes- und Landesebene Kritik geübt worden ist, von ihr jemals dieses Problem in vollem Ausmaß erkannt und akzeptiert worden ist; denn Ihrerseits sind zur Regelung dieses Problems keine konstruktiven Vorschläge vorgetragen worden. Es sind nur die jeweils vorgelegten Gesetzesvorschläge kritisiert worden.

Darüber, dass hinsichtlich der Kriterien, die in den Debatten erörtert worden sind, Korrekturen notwendig waren, waren wir uns schon damals einig. Diese Korrekturen sind erfolgt. Herr Kollege Wolf hat es gerade dargestellt: Die Kriterien sind erweitert worden. Man hat festgelegt, dass drei von fünf

Kriterien gelten müssen. Dadurch kann man dann aber auch relativ sicher sein, dass Scheinselbständigkeit vorliegt. Die Übergangsregelung für Leute, die sich selbständig gemacht haben, ist eingehalten worden. Es ist eine flexible Regelung für Leute, die rentenversicherungspflichtig geworden sind, eingeführt worden, sodass man insgesamt sagen kann: All den vorgebrachten Bedenken und der Kritik ist Rechnung getragen worden.

Jetzt frage ich mich: Warum müssen wir die Schlachten von gestern, von vor zwei Jahren, noch einmal schlagen? Wir waren uns im Ausschuss eigentlich darüber einig, dass es keinen akuten Änderungsbedarf mehr gibt. Ich kann es mir nur so erklären, dass die CDU gerne die Schlachten von gestern und, wenn es beliebt, von vorgestern oder von 1968 noch einmal schlägt. Aber wir haben wirklich keinen Bedarf. Deshalb sollten wir die Debatte endgültig abschließen, und Sie, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, sollten endlich akzeptieren, dass die Korrekturen an dem Gesetz genau zu dem gewünschten Ergebnis geführt haben. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe daher die Beratung zu diesem Antrag.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Verkehr in der Drucksache 2107 zustimmen will und damit den Antrag der Fraktion der CDU für erledigt erklären möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Möchte sich jemand der Stimme enthalten? - Das ist nicht der Fall. Meine Damen und Herren, ich stelle fest: Das Erste war die Mehrheit.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 12: Zweite Beratung: Förderung der Internet-Wirtschaft - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 14/1384 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Medienfragen - Drs. 14/2108 - Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – Drs. 14/2174

Der Antrag der Fraktion der SPD in der Drucksache 1384 wurde in der 45. Sitzung am 17. Februar 2000 zur Beratung und Berichterstattung an den Ausschuss für Medienfragen überwiesen. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen. Wir kommen daher gleich zur Beratung.

Zur Beratung hat sich der Kollege Reckmann zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort,

(Unruhe)

allerdings erst dann, meine Damen und Herren, wenn Sie bereit sind, den Ausführungen zu folgen. - Bitte schön, Herr Kollege Reckmann!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mein Kollege Knebel hat den Antrag im Parlament sehr fundiert eingebracht. Wir haben intensiv im Ausschuss darüber diskutiert, haben eine öffentliche Anhörung durchgeführt und haben im Ausschuss Änderungen in die Beschlussempfehlung aufgenommen. Wir werden den Änderungsantrag der Fraktion der Grünen, der jetzt vorgelegt wurde, ablehnen, weil wir der Meinung sind, dass der weitaus größte Teil der darin erhobenen Forderungen in unserem Antrag bereits enthalten ist.

(Vizepräsident Jahn übernimmt den Vorsitz)

Wir hätten es für besser gehalten, wenn diese Änderungswünsche im Ausschuss eingebracht worden wären, wie es die Fraktion der CDU gemacht hat.

(Unruhe)

Herr Kollege Reckmann, einen Augenblick bitte. Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin Goede hat schon darauf hingewiesen, dass es viel zu unruhig ist. Ich bitte darum, dass die Gespräche

etwas zurückgefahren werden, damit wir dem Redner folgen können. - Bitte sehr!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Wir haben bei der Anhörung festgestellt, dass die Landesregierung für die bisher auf diesem Gebiet geleistete Arbeit sehr viel Lob bekommen hat, und zwar insbesondere von den Handwerkern, die deutlich gemacht haben, dass das Projekt Telekooperation im Handwerk mit 4,5 Millionen DM gefördert worden ist und sich ein Projektvolumen von insgesamt 8 Millionen DM bis 9 Millionen DM ergeben hat. Lieber Peter Fischer, das war viel Lob und Anerkennung für die Arbeit, die du in diesem Bereich geleistet hast.

(Beifall bei der SPD)

Die Handwerker haben vorgeschlagen, zukünftig in diesen Bereich Telelearning mit einzubeziehen, um die Arbeit dort weiter voranzubringen und zu intensivieren. Das heißt natürlich nicht, dass wir uns auf diesen Lorbeeren ausruhen können. Es handelt sich um einen sehr schnell verändernden Bereich. Wir müssen die Wirtschaft dort weiterhin fördern und unterstützen, das Internet wirtschaftlich zu nutzen. Wir müssen das Projekt Regio online, d. h. die Fortführung des Internetangebots Niedersachsen.online.de, weiterentwickeln. Es muss daran gedacht werden, die digitale Signatur in der Fläche einzuführen und E-Government und E-Commerce zusammenzuführen. Es ist notwendig, Ausbildungs- und Fortbildungsangebote für Berufs- und Beschäftigungsfelder im ECommerce-Bereich in Zusammenarbeit mit Schulen, Hochschulen und Tarifpartnern auszubauen.