Protocol of the Session on November 13, 2019

Zwischenbemerkung: Der Agrarminister – jetzt ist er weg –

(Jochen Schulte, SPD: Nein, er ist da. – Thomas Würdisch, SPD: Hier.)

hat ja vorhin darauf hingewiesen, was passiert, wenn beispielsweise Großkonzerne sich über Boden herma

chen und dann Nichteigentümer den Boden mehr oder weniger nur verpachtet bewirtschaften. Da kann auf Dauer nichts Nachhaltiges bei rauskommen, nichts Vernünftiges.

Ich zitiere weiter: „Kann man von dieser Arbeit leben? Was dürfen, was müssen Lebensmittel vielleicht kosten? Und wer kann sich eine gesunde Ernährung eigentlich noch leisten? Oder anders ausgedrückt: So, wie heute landwirtschaftlich produziert wird, werden wir nicht nur heute, sondern auch morgen leben und möglicherweise... leben müssen, wenn wir nicht wirklich etwas ändern.“

Aber die Systemrelevanz hat auch eine andere Seite. Die Rückseite bedeutet nämlich, dass die Landwirtschaft selbst gefangen in mehreren Systemen ist, gefangen beispielsweise im Ökosystem, aber eben auch gefangen im herrschenden Gesellschafts- und Wirtschaftssystem. Und bevor jetzt einer glaubt, ich will hier eine Revolution auslösen, nein, wenn ich das so sage, dann geht es vor allem darum, dass die Gefangenschaft in diesem Wirtschaftssystem mit einer falschen, aus unserer Perspektive völlig falschen Agrarpolitik verbunden ist,

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

wo es insbesondere um Opfer in der Landwirtschaft, der freien Landwirtschaft, wer auch immer, verschiedenster Konzerninteressen geht. Mit dem von der Bundesregierung vorgelegten Agrarpaket sind aus unserer Sicht die Fragen jedenfalls nicht beantwortet, und dazu sollten sie ja offensichtlich auch gar nicht dienen.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Eine andere Agrarpolitik muss her, eine Agrarpolitik, die sich nicht zum Beispiel von Schlachthofkonzernen erpressen lässt. Wir haben ja die Diskussion über Teterow und Danish Crown hier im Landtag gehabt. Die chirurgische Ferkelkastration sollte endlich beendet werden. Die sich bei der Tierwohlkennzeichnung abzeichnende Treibung der Politik von Supermarktketten, die da viel schneller reagieren, sollte eben wirklich abgelöst werden durch ein staatliches Tierwohllabel. Dann kommen merkwürdige Videos mit Nestlé, ich will das nicht weiter runterdiskutieren, aber es geht auch darum, dass Probleme nicht so lange ausgesetzt werden dürfen, bis sie zu einer existenziellen Bedrohung für Agrarbetriebe, Waldbesitzer oder der Küstenfischerei führen.

(Egbert Liskow, CDU: Alles schon passiert.)

Wir brauchen eine weitblickende Ursachenbekämpfung und nicht einfach nur weiße Salbe auf offene Wunden. Aus unserer Perspektive brauchen wir gerade in der Landwirtschaft ein kooperatives Wirtschaftssystem, in dem nicht nur Geld und Macht entscheiden, denn das vorgelegte Agrarpaket ist aus dieser Sicht nämlich nichts anderes als weiße Salbe, um zum Beispiel die aus der EU-Vertragsverletzungsgefahr kommende Forderung – Herr Dr. Backhaus sprach ja von den 862.000 Euro pro Tag an Strafzahlungen – zu vermeiden oder um Gesellschaft und Umweltverbände in Sachen Artenschutz und Biodiversität zu befrieden, um den Anteil der Landwirtschaft am anthropogen gestalteten Klimawandel mittels Placebo zu begrenzen. Und deswegen kann ich den vorliegenden Antrag von CDU und SPD auch nur als Herumdoktern an der verfehlten Agrarpolitik des Bundes sehen.

In einem Punkt gebe ich Ihnen völlig recht, der Ansatz in Richtung freiwilliges Tierwohllabel, Herr Kliewe, auf Ihrem Hof wird das wahrscheinlich funktionieren. Ich denke ja, dass die Ente, die ich bereits erstanden habe, so ist, wie ich mir das vorstelle,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Aha!)

so wie jedes Jahr, aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, die oft zitierte Bereitschaft der Verbraucherinnen und Verbraucher, für eine bessere Tierhaltung zu zahlen, verspielt das Bundeskabinett mit seiner halbgaren Umsetzung ihres Ansatzes vom Tierwohllabel.

Aus unserer Sicht ist ein verpflichtendes Label für alle Bereiche der Tierproduktion ein Muss. Mit anderen Worten, der Antrag ist an dieser Stelle durchaus in Ordnung, aber – und da kann ich nicht aus meiner Haut –, aber mit den anderen Punkten können wir nicht mitgehen. Wir wollen keinen Ausstieg aus dem Ausstieg bezüglich Glyphosat. Wir müssen zu einer deutlichen Reduzierung des Einsatzes von sogenannten Pflanzenschutzmitteln kommen, auch und gerade in Schutzgebieten. Dass ExBundesagrarminister Schmidt im Alleingang die weitere Nutzung von Glyphosat ermöglicht hat, war ein Skandal. Und mit uns gibt es eine solche Unterstützung nicht.

(Ralf Borschke, AfD: Das war gesunder Menschenverstand.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht in diesem Falle wirklich um einen Systemwandel, um einen Systemwandel mit Blick auf Insektenschutz. Der Bund hat da nur angekündigt. Von 100 Millionen Euro zum Insektenschutz war die Rede, von der Forschung bis zur praktischen Begleitung, aber wenn ich in den Bundeshaushaltsentwurf für 2020 sehe, ist da kein einziger Cent eingestellt. Wir brauchen den Systemwandel. Wer den Agrarbetrieben wirklich helfen will, muss anfangen, Landwirtschaft neu zu denken, und er muss sie aus dem Joch der Konzerne und Bodenspekulanten befreien. Dann kann man sagen, Landwirtschaft ist systemrelevant.

Noch ein Wort abschließend zum Glyphosat.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Herr Kliewe, Sie haben ja darauf hingewiesen, aus Ihrer Perspektive gibt es dort – auch, was den Rückgang der Insekten anbetrifft – nicht genügend Forschung. Es gibt schon Forschung, keine Angst, es gibt auch schon veröffentlichte Ergebnisse. Und eine Sache, die bei der ganzen Problematik der Pflanzenschutzmittel immer wieder unterschlagen wird, Glyphosat ist kein Pflanzenschutzmittel, es ist ein Breitbandtotalherbizid. Es ist geradezu zynisch, hier von „Pflanzenschutz“ zu reden. Die selektive Sicht und die Einteilung der Natur in Nützlichkeitskriterien der Landwirtschaft ist keine moderne, zeitgemäße Anschauung unserer Natur.

Zweitens, es geht dabei auch nicht um Krebs, es geht auch nicht um irgendeine Kritik an der enormen Steigerung der Arbeitsproduktivität, die wir anerkennen, es geht beispielsweise und insbesondere um die Humusregeneration und die Humusneubildung. Bodenbildung endet mit der Unterbrechung permanenter Prozesse. Das ist Mikrobiologie. Da geht es um Pilze, da geht es um Kleininsekten, die an den Wurzeln hängen. Wenn oben die

Pflanze verdorrt, verdorrt sie auch unten. Und es ist wie mit der Schwangerschaft, die kann man nicht unterbrechen. Eine Sitzung kann man unterbrechen – Frau Präsidentin wird mir das bestätigen können –, die wird man dann hinterher fortführen können. Aber eine unterbrochene Schwangerschaft ist ein Abbruch der Schwangerschaft,

(Beifall Dr. Ralph Weber, AfD)

und genauso ist das mit der Bodenbildung. Und genau deswegen müssen wir bei solchem Einsatz von solchen Mitteln ausgesprochen vorsichtig sein und dürfen da uns nicht mit solchen Euphemismen wie „Pflanzenschutzmittel“ herumtun. Seien wir doch ehrlich, dann kommen wir auch schneller und vernünftiger zu ordentlichen Ergebnissen! – Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat noch einmal für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Kliewe.

Meine sehr verehrte Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, wenn ich mir jetzt alle Reden so angehört habe, vor allem aber auch die Reden von Elisabeth Aßmann und auch vom Minister,...

Jetzt ist er gar nicht da.

(Zurufe aus dem Plenum: Doch! – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Wo ist er? Ach da ist er! Da ist er!

(Christian Brade, SPD: Überall. – Heiterkeit bei Sebastian Ehlers, CDU)

... und wenn dann beide mal

(Zuruf von Dr. Till Backhaus, SPD)

so Richtung Bundeslandwirtschaftsministerium gegen Frau Klöckner schießen

(Zuruf von Elisabeth Aßmann, SPD)

und so tun, als würde die SPD nicht auch in Regierungsverantwortung in Berlin sein,

(Dr. Till Backhaus, SPD: Habe ich nie gesagt.)

dann finde ich, dann finde ich das irgendwo,

(Zuruf von Dr. Till Backhaus, SPD)

dann finde ich das irgendwo unfair.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Und ich könnte jetzt,

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Marc Reinhardt, CDU: Genau.)

ich könnte jetzt genauso,

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Zuruf von Dr. Till Backhaus, SPD)

ich könnte jetzt genauso gegen Frau Schulze schießen, werde ich aber jetzt nicht tun.

(Zuruf von Dr. Till Backhaus, SPD)

Alles richtig.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Und dass wir mehr gesellschaftliche Anerkennung für die Landwirtschaft brauchen,