Protocol of the Session on April 23, 2015

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/3896. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/3896 mit den Stimmen der Fraktionen der SPD und CDU, bei Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und NPD abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 24: Beratung des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie mit Hochdruck umsetzen, Drucksache 6/3909(neu).

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie mit Hochdruck umsetzen – Drucksache 6/3909(neu) –

Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN die Abgeordnete Frau Dr. Karlowski.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Kurz vorne weg: Sie haben gesehen, es gibt einen Antrag, der die gleiche Nummer hat, aber da steht dahinter „neu“.

(Minister Dr. Till Backhaus: Die armen Bäume.)

Das, was sich geändert hat, ist die Überschrift. Das war ein Versehen. Dass das jetzt hier verteilt wurde, war auch nicht in unserem Sinne, das ist offenbar in der Verwaltung so geschehen. Wir wollten nur, dass es im System korrekt ist, weil die FFH-Richtlinie, um die es heute hier geht, eben „Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie“ heißt. Lassen Sie sich also nicht vom Thema dadurch ablenken, dass es jetzt einen zweiten Antrag gibt, der „neu“ heißt. Ich sage es lieber gleich am Anfang, bevor uns im Laufe der Reden wieder einmal entsprechende Vereinfachungen unseres Antrages entgegengehalten werden.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das würden wir nie tun.)

Nein, es geht mit diesem Antrag nicht darum, hier kleinzureden, dass Mecklenburg-Vorpommern nach Rheinland-Pfalz den höchsten Anteil seiner Landesfläche als FFH-Gebiet ausgewiesen hat und noch eine große Fläche für die marinen FFH-Gebiete dazu.

(Burkhard Lenz, CDU: Ja.)

Und ja, dass unser Bundesland bei den Flächen, die es ins europäische Schutzgebietsnetz hineingegeben hat, zahlenmäßig weit vorn liegt, ist eine großartige Leistung, die es immer wieder zu würdigen gilt. Unser Dank gilt an dieser Stelle allen Beteiligten, in erster Linie aber den vielen engagierten ehrenamtlichen Naturschutzaktiven im Land.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Und dem Herrn Backhaus, der hat die meiste Arbeit damit gehabt.)

Vor allem sie legen mit ihrem ganz freiwilligen Interesse für unsere Natur mit ihren Beobachtungen und Kartierungen nicht nur das Fundament für das europäische Naturschutznetz Natura 2000 hier im Land, nein, sie sind auch wesentlich daran beteiligt, dass die Natura-Gebiete ihre Funktion in unserem Land überhaupt erst erfüllen können. Sie organisieren Biotoppflege vor Ort, beraten die Landesregierung bei der Entwicklung von Agrarumweltmaßnahmen und

(Zuruf von Burkhard Lenz, CDU)

verfassen Berichte über die Entwicklung der Bestände von Tier- und Pflanzenarten. Unseren allerherzlichen Dank für dieses Engagement.

23 Jahre sind vergangen, seit die EU-Staaten mit Verabschiedung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie im Jahr 1992 begannen, ein EU-weites System an Schutzgebieten, das System Natura 2000, aufzubauen. Die Grundlagen für das EU-Großvorhaben Natura wurden jedoch bereits 1979 gelegt. Damals reagierte die europäische Staatengemeinschaft auf den anhaltenden Rückzug von zahlreichen Vogelarten und erarbeitete die EU-Vogelschutzrichtlinie. Beide Richtlinien zusammen sollten einem der wichtigsten Ziele der Menschheit dienen, nämlich dem Erhalt der Biodiversität, dem Erhalt der Vielfalt des Lebens.

Doch das so wichtige Schutzgebietssystem Natura 2000 funktioniert noch nicht.

(Minister Dr. Till Backhaus: Das stimmt doch nicht.)

Das ist die nüchterne Bilanz in diesem Jahr, die wir 21 Jahre nach dem Start der FFH-Richtlinie im Jahr 1994 ziehen müssen. Unterstrichen wird diese Einschätzung durch ein aktuelles Mahnschreiben. Ich weiß nicht, ob Sie das schon wahrgenommen haben, es gibt ein Mahnschreiben der EU-Kommission an die Bundesrepublik Deutschland – ganz frisch. Mit diesem Schreiben leitet die EU-Kommis- sion ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein. Grund für diese Einleitung eines erneuten Vertragsverletzungsverfahrens in einer neuen Sache – wir haben das schon öfter hier besprochen bei anderen Themen – sind zahlreiche Umsetzungsdefizite bei der Unterschutzstellung von Natura-2000-Gebieten.

(Zuruf von Minister Dr. Till Backhaus)

Spätestens hier wird klar, es reicht nicht, die Schutzgebiete einfach nur nach Brüssel zu melden. Vielmehr geht es darum, den Schutz der Natura-2000-Gebiete mit Leben zu erfüllen. Zu diesem Zweck müssen die Gebiete einzeln mit einem Schutzstatus nach nationalem Recht versehen werden. Weiterhin wird ein effektives, kosteneffizientes Monitoring gebraucht und das Management der

Natura-2000-Gebiete muss entwickelt, abgestimmt und auf den Weg gebracht werden. All das trägt dann in den Natura-2000-Gebieten ganz wesentlich dazu bei, dass für alle Formen der Landnutzung Rechtssicherheit, Planungssicherheit und Investitionssicherheit bestehen. Das ist aber nicht der Fall heutzutage.

Allerdings hapert es in Mecklenburg-Vorpommern schon am ersten Schritt. Noch immer sind die Natura-2000Gebiete nicht nach nationalen Schutzvorschriften geschützt. Außerdem sind keine Prioritäten innerhalb der Natura-2000-Gebiete festgelegt worden. Das alles verlangt aber Artikel 4 Absatz 4 der FFH-Richtlinie und genau das wird in dem Mahnschreiben dem Bundesland Mecklenburg-Vorpommern als Aufgabe mit auf den Weg gegeben. Im Zusammenhang mit dem Vertragsverletzungsverfahren gilt es, hier nachzubessern. Das hätte nämlich schon bis Ende 2013 fertig sein müssen, das ist EU-Recht, das ist Gesetz. Bis heute ist dieses Gesetz nicht umgesetzt, meine Damen und Herren.

Vor zwei Jahren fragte ich die Landesregierung nach dem Stand der Unterschutzstellung, Sie können das sehen auf der Drucksache 6/1503. Damals waren gerade mal 26 von 235 FFH-Gebieten als Naturschutzgebiete ausgewiesen. Bei 14 FFH-Gebieten wurde der Schutz mittels Ausweisung als Landschaftsschutzgebiet bewerkstelligt. Das ist ja immerhin schon mal was gewesen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Genau, das meine ich auch.)

Nun wird es aber vonseiten der EU-Kommission noch mal neu beleuchtet. Die teilt uns in ihrem Mahnschreiben mit, dass knapp 98 Prozent, also nahezu alle der 235 FFHGebiete von Mecklenburg-Vorpommern, nicht ordnungsgemäß nach nationalem Recht geschützt sind. Das heißt, dass auch die vermeintlich bereits bestehenden Schutzgebietsverordnungen nicht den Anforderungen genügen. Dies zu korrigieren ist nicht einfach nur eine kurze Formalie. Wenn für ein Natura-2000-Gebiet nicht nachvollziehbar festgelegt ist, was eigentlich geschützt werden soll, was also das sogenannte Erhaltungsziel ist, dann fällt es naturgemäß allen Beteiligten schwer, gemeinsam die richtigen Schutzmaßnahmen zu ergreifen.

Schon vor zwei Jahren hatte die Landesregierung in den Antworten auf meine Kleine Anfrage darauf verwiesen – das werden wir sicherlich auch gleich in den weiteren Reden hören –, dass sie eine sogenannte FFH-Sammel- verordnung erarbeitet hat und damit alle FFH-Gebiete mit einem Ruck schützen will. Aber auch diese Sammelverordnung steht immer noch aus. Hier muss die Landesregierung dringend liefern. Sollte es an Personal fehlen, dann muss aufgestockt werden. Eine solche Maßgabe sollte auch die Unterstützung der Finanzministerin finden,

(Minister Lorenz Caffier: Nee, um Gottes willen! – Minister Dr. Till Backhaus: Das bin ich heute auch. – Heiterkeit auf der Regierungsbank)

denn kommt Mecklenburg-Vorpommern, ja, kommt

Deutschland mit den notwendigen Schritten nicht weiter, droht die Zahlung von Zwangsgeldern, und zwar in Millionenhöhe. Die hängen mit so einem Vertragsverletzungsverfahren ja immer zusammen, Sie wissen das. Und diese Mittel würden die jetzt erforderlichen Personalmittel, von denen ich gerade sprach, bei Weitem überschreiten.

Die Schutzgebietsverordnungen sind auch wichtig, um endlich konkrete Erhaltungsmaßnahmen in den Natura2000-Gebieten festzulegen, also jene Maßnahmen, die ganz konkret dem Erhalt der FFH-Arten, Tierarten oder Pflanzenarten und Lebensräumen in den Gebieten dienen. Die EU-Kommission überlässt es dabei den Ländern, auf welche Weise sie zu diesen Erhaltungsmaßnahmen kommen.

(Minister Dr. Till Backhaus: Das war abgestimmt im Bund.)

Dies könnten sie in landwirtschaftlich genutzten Gebieten über Bewirtschaftungspläne tun, sie können Rechts- oder Verwaltungsvorschriften erlassen, sie können aber auch vertragliche Maßnahmen mit den Landnutzern treffen. Im günstigsten Fall wird ein Managementplan erstellt. Mecklenburg-Vorpommern hatte sich ja entschlossen, für den überwiegenden Teil der FFH-Gebiete Managementpläne zu erstellen, aber das liegt, wie schon erwähnt, erst für 43 von den 235 FFH-Gebieten vor. Das Land hinkt seinen Aufgaben massiv hinterher. Das ist nicht nur aus Naturschutzsicht bedauerlich, sondern die Managementpläne dienen ja auch dazu, die Erhaltungsziele transparent und flächenkonkret darzustellen, die anstehenden Landnutzungsfragen zu klären und konkrete Schutzmaßnahmen zu vereinbaren und zu kontrollieren.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD und der CDU,

(Minister Harry Glawe: Anwesend.)

in Ihrem Koalitionsvertrag steht, dass Sie bis 2016 zwei Drittel der Natura-Gebiete mit dringend notwendigen Managementplänen ausgestattet haben wollen. Was für Uneingeweihte als ambitionierte Planung erscheinen mag, ist noch nicht einmal die Erfüllung des Planes, den das EU-Recht eigentlich verlangt.

(Minister Harry Glawe: Till, was machst du da?)

Da ist es auch wenig tröstlich, dass es in manchen Bundesländern ähnlich aussieht.

(Unruhe auf der Regierungsbank und bei Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Ja, ich muss zugeben, auch in jenen, wo mit grüner Beteiligung regiert wird.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Ein Vorreiterland in diesem Zusammenhang ist erstaunlicherweise Sachsen, das bereits alle seine Schutzgebiete nach nationalem Recht geschützt hat

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

und auch Prioritäten festgelegt hat.

(Vincent Kokert, CDU: Die haben auch nicht so viel Fläche wie wir.)

Dort sind nur noch 6 von 270 FFH-Gebieten ohne Managementplan.

(Minister Harry Glawe: Till hat daran keine Schuld.)

Sehr geehrte Damen und Herren, Mecklenburg-Vorpom- mern muss dringend die Schlagzahl im europäischen Naturschutznetz Natura 2000 erhöhen. Dazu gehört auch, den im Jahr 2013 fälligen Bericht nach Artikel 17 über den Zustand von Arten und Lebensräumen endlich zu veröffentlichen.

(Egbert Liskow, CDU: Da wollen wir doch mal den Minister dazu hören.)

Kurz und gut: Schluss mit der Ankündigungspolitik und Nägel mit Köpfen gemacht. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.