Protocol of the Session on March 15, 2012

Sie sprechen dann weiter an, Frau Berger, oder Sie fordern, die Studienrichtung Ur- und Frühgeschichte an der Universität Greifswald wieder in Form eines eigenständigen Studienganges umzuwandeln. Mit dieser Fachrichtung werden ur- und frühgeschichtliche Themen in der Lehre und Forschung eingebracht. Deshalb ist dies ausdrücklich in der Zielvereinbarung vom 12.01.2011 zwischen der Universität Greifswald und dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur festgehalten.

Dabei ist jedoch die bestehende Rechtslage zu beachten. Nach Paragraf 11 Ziffer 1 Landeshochschulgesetz M-V wirken Staat und Hochschule bei der Errichtung, Änderung und Aufhebung von Studiengängen zusammen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass seitens des Staates nicht vorgeschrieben werden kann, inwiefern eine Studienrichtung zu ändern ist. Das wäre auch ein Eingriff in die Hochschulautonomie.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Es liegt also, wie ich meine, in den Möglichkeiten der Koalition, es liegt weder in Ihren noch in unseren Möglichkeiten, Geschehnisse rückgängig zu machen. Sie haben ja auch die verschiedenen Sachen angesprochen. Auch den Eindruck muss man hier nicht erwecken. Dass die Pflege unseres Kulturerbes wichtig ist, die Arbeit der Archäologen und der Pfleger und das Kulturerbe hier große Wertschätzung genießen, das ist, glaube ich, auch fraktionsübergreifend unumstritten. Dies darf aber nicht zulasten Dritter oder bei Gefährdung einer soliden Finanzpolitik geschehen.

Das Land Mecklenburg-Vorpommern ist sich seiner Verantwortung für die Erhaltung des archäologischen Erbes im hohen Maße bewusst und wird seine Aufgabe auf diesem Gebiet auch künftig konsequent wahrnehmen. Wir werden daher Ihren Antrag ablehnen und ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Vielen Dank, Herr Reinhardt.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Koplin für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, die Situation der Archäologie in Mecklenburg-Vorpommern gibt Anlass zur Sorge. Daher begrüßen wir die Initiative von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, die mit ihrem Antrag auf den dringenden Handlungsbedarf für die Landesarchäologie aufmerksam machen. Bei genauerer Betrachtung des Antrages ist jedoch festzustellen, dass es sich eigentlich um zwei Anträge handeln müsste:

In Punkt 1 geht es darum, kulturpolitisch wichtige Forderungen des Landesamtes für Bodendenkmalpflege anforderungsgerecht auszustatten, die wir als Fraktion DIE LINKE unterstützen.

In Punkt 2, ich sagte Ihnen das ja gestern schon am Rande der Landtagssitzung, geht es um einen Themen

komplex, der im Bereich der Hochschul- und Wissenschaftspolitik angesiedelt ist und der unserer Meinung nach nur in einem indirekten Zusammenhang mit dem ersten Thema steht.

Es wäre also nicht schlecht gewesen, zwei Anträge dazu zu haben. Die Bedeutung der Themen gibt es alle Male her. Aber davon mal abgesehen, das Land MecklenburgVorpommern ist per Gesetz verpflichtet, Denkmalschutzgesetz Paragraf 1 Satz 1 und 2, die archäologischen Kulturgüter zu sichern, auszuwerten und für die Bevölkerung nutzbar zu machen.

Wird dieser staatlichen Aufgabe nicht nachgekommen, liegt eine Pflichtverletzung vor, die dazu führen könnte, dass Teile unserer Landesgeschichte unwiederbringlich verloren gehen. Nicht nur der Zerfall der hier bereits angesprochenen zwei steinzeitlichen Einbäume, der im Jahr 2009 bekannt wurde, bedeutet einen nicht wiedergutzumachenden kulturhistorischen Verlust, auch der Erhalt vieler anderer archäologischer Kulturgüter im Boden, unter Wasser und in den Depots ist gefährdet. Dafür gibt es mehrere Gründe, die ich kurz umreißen möchte.

Die personelle Situation hat sich in den vergangenen Jahren aufgrund der Fortschreibung des Landespersonalentwicklungskonzeptes im Jahr 2010 zugespitzt und wird sich zukünftig auch weiterhin verschlechtern, da die Wiederbesetzung ausscheidenden Fachpersonals nicht erlaubt ist. Gegenwärtig sind acht Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler diesem Bereich zugeordnet. Eine weitere Verringerung der Stellenzahl in den nächsten Jahren ist absehbar. Diese acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind für die wissenschaftliche Aufarbeitung der archäologischen Funde, die Sicherung, Bewahrung und die Restaurierung dieser Kulturgüter im ganzen Land zuständig. Sie sind gleichzeitig für die Dokumentation und Sicherung der urgeschichtlichen, frühgeschichtlichen und neuzeitlichen Fundorte verantwortlich. Darin eingeschlossen sind die Bereiche Bodendenkmale, Stadtarchäologie und die umfangreichen Aufgaben der Unterwasserarchäologie.

Die Unterwasserarchäologie nimmt in MecklenburgVorpommern eine Sonderposition ein. Mecklenburg-Vorpommern ist das Bundesland mit der längsten Küste. Aufgrund der zahlreichen Randgewässer der Ostsee, die als Bodden, Sunde und Wieken bezeichnet werden, beträgt die Küstenlänge circa 1.712 Kilometer. Daneben sind 5,4 Prozent der Landesfläche mit Binnengewäs- sern bedeckt. Diese Zahlen weisen auf ein überaus reiches Betätigungsfeld allein für die Unterwasserarchäologie hin, deren ungehinderte Arbeit erst nach 1989, nach dem Wegfall der Grenzen und der damit einhergehenden Aufhebung der Sperrzonen aufgenommen werden konnte.

Hier besteht im Vergleich zu anderen Ländern noch ein großer Nachholbedarf. Die Unterwasserarchäologie wird daher auch zukünftig einen wesentlichen Anteil an der Erforschung des kulturellen Erbes in Mecklenburg-Vorpommern haben. Dieser kann jedoch langfristig nicht hauptsächlich durch das Ehrenamt geschultert werden, wie es aktuell der Fall ist. Das Ehrenamt kann und soll eine unterstützende, jedoch nicht eigenverantwortliche Arbeit leisten. Die fachkundige und öffentlichkeitswirksame Arbeit des Landesverbandes für Unterwasserarchäologie in Mecklenburg-Vorpommern und der archäologischen Gesellschaft Mecklenburg-Vorpommern, Herr Kokert, ist

nicht hoch genug zu bewerten und verdient unsere Hochachtung, Anerkennung und Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Vincent Kokert, CDU: Nicht enden wollender Beifall.)

Wir unterstützen mit Spenden und den Beiträgen ihrer Mitglieder archäologische Forschungsprojekte in Mecklenburg-Vorpommern, die Herausgabe landeskundlicher Publikationen sowie die Ausbildung und Betreuung ehrenamtlicher Bodendenkmalpflege in sehr hohem Maße. Auch hierfür möchte ich meinen Dank aussprechen.

Für die Tragfähigkeit und Kontinuität ihrer Arbeit brauchen wir jedoch unbedingt auch verlässliche Ansprechpartner und wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im zuständigen Landesamt für Bodendenkmalpflege. Diese Personalstellen sind für die Erfüllung der ihnen zugeordneten Aufgaben und Verantwortungsbereiche zu sichern und, wie im Antrag der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gefordert, zukünftig wieder zu besetzen und bedarfsgerecht aufzustocken.

Acht Wissenschaftler, das ist deutlich zu wenig Personal, wenn man bedenkt, wie viel Arbeit allein durch die verkehrspolitischen, energiepolitischen Großprojekte – wie den Bau der Autobahn und den Bau der nordeuropäischen Erdgaspipeline sowie der Ostseepipeline Opal – in Mecklenburg-Vorpommern in den vergangenen Jahren auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Archäologie zugekommen ist und weiterhin zukommen wird.

Nur ein Beispiel: Allein im 90 Kilometer langen Abschnitt der A 20 zwischen Schönberg und Rostock wurden zum Beispiel 161 Fundplätze ermittelt, von denen zuvor nur 9 bekannt waren. Die Zahl der im Trassenverlauf ermittelten Bodendenkmale beträgt 594, von denen 495 in Mecklenburg-Vorpommern, 29 in Brandenburg und 70 in Schleswig-Holstein liegen. Zuvor waren davon nur etwa 100 bekannt.

Die Verantwortung für das zutage geförderte Kulturgut muss auch übernommen werden. Dies bedeutet, die sach- und fachgerechte Behandlung und Lagerung des historischen Erbes ohne Werteeinbußen und -verluste sicherzustellen. Dafür müssen sowohl eine ausreichende Anzahl an qualifiziertem Fachpersonal und eine angepasste materielle Ausstattung für diesen Fachbereich als auch ausreichende Flächen und Räume für die Lagerung der Kulturgüter in Spezialdepots zur Verfügung stehen.

Sehr geehrte Damen und Herren, für all diese Aufgaben bedarf es der Unterstützung durch die Landespolitik, wie es mit dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingefordert wird. Vonseiten der Landesregierung wurden dazu in den vergangenen Jahren immer wieder wohlwollende Lippenbekenntnisse abgegeben. Konkrete Taten sind jedoch nicht zu verzeichnen. Das Standortentwicklungskonzept „Depotneubau“ in Schwerin, hier hat es ja schon eine Rolle gespielt, sieht den Baubeginn für 2013 vor und geplant ist die Fertigstellung, Frau Berger sagte es, dann zehn Jahre später.

So gut wie das ist, wir hoffen, dass es dazu kommen wird. Was aber passiert in der Zwischenzeit? Wie wird den speziellen Anforderungen an die Lagerungsbedin

gungen aktuell entsprochen? Und bitte erlauben Sie mir, das noch mit zwei weiteren Fragen zu ergänzen:

In der Landtagsdrucksache der vergangenen Legislatur 5/2533 aus 2009 wurde die Landesregierung aufgefordert, bis zum Ende des ersten Quartals 2010 ein ganzheitliches Konzept zur archäologischen Sicherung, wissenschaftlichen Aufarbeitungen und musealen Präsentation von Kulturgütern in Mecklenburg-Vorpommern zu erarbeiten und dem Landtag vorzulegen. Dieser Antrag der Opposition wurde damals, wie so viele, abgelehnt. Der Bedarf an einem solchen Konzept besteht jedoch nach wie vor. Ersatzweise hat das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur vor über einem Jahr in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage in Aussicht gestellt, noch im Verlauf von 2011 Maßnahmen zu ergreifen, die dem archäologischen Landesmuseum eine Perspektive geben. Welche Maßnahmen wurden ergriffen? Welche Art Perspektive ist gemeint? Einen Entschluss zum Nichtbau ist schließlich auch eine Perspektive, nur keine gute.

Um die hohe kulturtouristische Attraktivität und Anziehungskraft, die die archäologischen Funde zweifellos besitzen, tatsächlich nutzen zu können, ist die professionelle Präsentation der archäologischen Kulturgüter, deren Dokumentation und überregionale, ja, auch internationale Vermarktung unerlässlich. Nur wenn diese Kulturgüter der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, kann ihr kulturhistorischer Wert transportiert werden. Ein Konzept, das den Stellenwert der Archäologie für die Kultur, die Wissenschaft, die Forschung, den Tourismus und die Wirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern deutlich herausstellt, ist daher nach wie vor unerlässlich. Insofern bleiben die Forderungen unverändert aktuell.

Sehr geehrte Damen und Herren, nun ein paar Bemerkungen zum Punkt 2. Neben der Sicherstellung der zukünftigen Arbeitsfähigkeit des Landesamtes für Bodendenkmalpflege sollte auch der wissenschaftliche Nachwuchs in Mecklenburg-Vorpommern ausgebildet werden. Studierende der Fachrichtung Archäologie, Geschichte und Ur- und Frühgeschichte können die notwendigen Arbeiten des Landesamtes für Bodendenkmalpflege unterstützen und in die archäologischen Projekte des Landes eingebunden werden. Dabei können erhebliche Synergieeffekte erreicht werden, indem wissenschaftliche Theorie und denkmalpflegerische Praxis eng miteinander verzahnt werden. Das ist sogar kostengünstig.

Das Fach Ur- und Frühgeschichte gehört zum unabdingbaren Fächerkanon der universitären Forschung und Lehre in Mecklenburg-Vorpommern und wird an der Uni Greifswald gelehrt. Derzeit studieren dort insgesamt sechs Studentinnen und Studenten mit dieser Fachrichtung. Ein ordentlicher Lehrstuhl ist hierfür nicht eingerichtet. Die relativ geringe Studierendenzahl führt zu der Frage, ob dies am Interesse an der Fachrichtung oder vielleicht an den Studienbedingungen liegt. Erst danach wäre über einen eigenen Studiengang zu befinden.

Um die wissenschaftliche Arbeit und die Forschung für das Land auf diesem Fachgebiet voranzutreiben und die internationale Bedeutsamkeit der Universität Greifswald auf dem Gebiet der Ur- und Frühgeschichte wieder herzustellen, die diese für die Forschungsarbeit bereits errungen hatte, wäre die Errichtung eines einschlägigen Studienganges sicher von großem Vorteil und kulturpolitisch wie bildungspolitisch wertvoll. Jedoch stellt sich

für mich die Frage, ob eine solche Forderung, wie sie im Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – ich komme gleich zum Schluss, Frau Präsidentin – formuliert ist, denn so umsetzbar wäre. Unser Wunsch ist, dass wir darüber in einem zweiten Redebeitrag seitens BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN noch Aufklärung erfahren. Wir haben uns entschieden, Ihren Antrag anzunehmen. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Koplin.

Das Wort hat jetzt der Bildungsminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Brodkorb.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Berger! In jedem Kommunalparlament in diesem Lande würde dieser Antrag von der Tagesordnung genommen werden,

(Heinz Müller, SPD: Der käme erst gar nicht drauf und wäre nicht zulässig.)

weil er die Grundanforderung nicht erfüllt, dass für in Aussicht zu nehmende Ausgaben auch Deckungsvorschläge beigebracht werden.

(Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das wäre ja schon mal schön, dass so viel ausgegeben würde, wie eingenommen wird.)

Um politisch ernst genommen zu werden, muss man diese Hürde auch im Landesparlament überschreiten. Ich darf daran erinnern, heute Morgen fragten Sie mich, was das Land tun kann, um 79 Stellen am Mecklenburgischen Staatstheater zusätzlich auszufinanzieren, und meine Frage, ob Sie diese Wohltat auch auf alle anderen Theater ausweiten möchten, haben Sie mit Ja beantwortet. Ein paar Stunden später rechnet Herr Saalfeld von den GRÜNEN vor, wir bräuchten einmal 139 Millionen Euro mehr für die Hochschulen, vielleicht auch noch ein bisschen mehr, allerdings bis 2020.

(Vincent Kokert, CDU: Das hat er nach oben großzügig aufgerundet, kein Problem. – Zurufe von Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da haben wir auch mehr. Hier haben wir jetzt eine große Palette an zusätzlichen Stellen, das habe ich ja gesagt, bis 2020, das ist insofern etwas bescheidener. Jetzt wird noch mal obendrauf gepackt für die Kultur und Denkmalpflege, immer gib ihm und nirgendwo eine Deckung.

(Marc Reinhardt, CDU: Vom Stamme Nimm sind Sie, vom Stamme Nimm.)

Herr Abgeordneter Reinhardt hat dort einen weisen Satz gesagt.

(Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Es ist ja nicht zu bestreiten, dass das politisch interessante und wichtige Themen sind, aber ich würde Sie wirklich bitten – ob die Bitte von Erfolg gekrönt ist, werden wir dann ja in der Zukunft sehen –, auch Anträge in

einer Art und Weise zu stellen, dass sie überhaupt formal eine Chance haben, in diesem Parlament ernsthaft behandelt zu werden.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Weil das wird dem Thema nämlich auch nicht gerecht, Anträge in eigentlich wichtigen Themenfeldern zu stellen in einer Art und Weise, dass man letztlich die Ernsthaftigkeit der Maßnahme infrage gestellt sehen kann. Der erste Punkt bezieht sich auf das, wenn ich das so richtig sehe, Landesamt für Kultur und Denkmalpflege und die Ausstattung. Ich lese das so, dass dort mehr Stellen hinmüssen, und die Linksfraktion unterstützt das. Ich will nur kurz daran erinnern, Herr Koplin, das, was ich jetzt umzusetzen habe an Stellenabbau, ist das, was die rotrote Koalition mit dem Landespersonalkonzept beschlossen hat.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Seit 2010 weiterentwickelt.)