Protocol of the Session on March 15, 2012

Welche Probleme wir mit diesem veralteten Bericht von 2011 haben, habe ich vorhin versucht, Ihnen begreiflich zu machen. Wir brauchen aktuelle Daten, die öffentlich zugänglich sind. Wie wollen Sie denn sonst den Ausbildungsbedarf erkennen? Wollen Sie ins Blaue hinein ausbilden? Wie wollen Sie, meine Damen und Herren von der CDU, ein ganzheitliches Konzept erarbeiten, wenn Sie die Zahlen nicht kennen? Für mich ist dieses Handeln konzeptlos und blauäugig.

Jede Studie setzt sich anhand von Zahlen mit gegenwärtigen Situationen auseinander und leitet daraus Maßnahmen ab. Das bestätigte im Übrigen auch die GEW, in deren Pressemitteilung von gestern stand: „Wir brauchen seitens der Landesregierung transparente, belastbare Bedarfs- und Ausbildungszahlen, die im Parlament, in

den Fachverbänden, der GEW und in den Kitas diskutiert werden.“

(Peter Ritter, DIE LINKE: Hört, hört!)

„Nur so kommen wir zu gemeinsamen Lösungen.“

Das ist doch ein Auftrag. Aber für Sie sind solche Zahlen, Berichte und Statistiken egal.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Aber Fragebogen verschicken kann man.)

Und wenn Sie, Herr Lindner und Herr Renz, in Ihrer Pressemitteilung von vorgestern

(Peter Ritter, DIE LINKE: Nicht nur zum Theater? Auch zu den Kitas?)

gemeinsam ein ganzheitliches Konzept zur Deckung des Fachkräftebedarfs in den Kita-Betreuungseinrichtungen fordern, dann sage ich: Richtig so! Und lesen Sie sich mal unseren Punkt 2 des Antrages durch, dort steht genau das drin.

Doch was macht die Landesregierung? Ich habe Ihnen auch hierzu die Antwort der Landesregierung auf meine Kleine Anfrage vorgelesen. Einzig und allein die Ausbildungszeit soll verkürzt werden. Wo ist denn das ein ganzheitlicher Ansatz? Und wenn Sie dann, Herr Lindner, das auch erkannt haben: Wo ist Ihr Antrag, wo ist Ihre Aufforderung gegenüber der Landesregierung, die das noch nicht erkannt zu haben scheint?

(Peter Ritter, DIE LINKE: Na, die arbeitet doch schon. Deswegen braucht sie so einen Antrag nicht.)

Noch ein Letztes: Wenn Sie, meine beiden Herren, so tun, als wären Sie die Verfechter von guten Löhnen in Kitas im Besonderen, dann finde ich das verlogen. SPD und CDU stehen maßgeblich für M-V als Niedriglohnland und für die Ausweitung von Niedriglöhnen bundesweit.

(Rainer Albrecht, SPD: Wieso denn das?)

Und, Herr Lindner, das können Sie vielleicht nicht wissen, aber Ihre Kollegen hätten es Ihnen sagen können und Herr Renz war auch bei dem letzten Doppelhaushalt schon dabei.

(Marc Reinhardt, CDU: Was?!)

Da hat Frau Finanzministerin Polzin ohne Umschweife bei den Beratungen hier im Landtag erklärt, dass sie die Tarifsteigerungen bei der Landesförderung für die Kitas nicht berücksichtigt.

(Egbert Liskow, CDU: Da waren wir nicht dabei.)

Also, meine Damen und Herren, Sie sind ganz schnell entlarvt. Sie sind als Verfechter guter Löhne unglaubwürdig. Ich kann zu dem Thema nur aus dem KITAKURIER aus der Juliausgabe 2011 zitieren, dort heißt es, der „rapide wachsende Fachkräftemangel bedarf Lösungen.

Konkrete Taten statt Warten!“ Stimmen Sie bitte unserem Antrag zu. Er ist sinnvoll und wichtig. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke.

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/377. Wer dem zuzustimmen wünscht, den oder die bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Gut. Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/377 mit Zustimmung der Fraktion DIE LINKE, Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und Fraktion der NPD bei Gegenstimmen der Fraktionen der SPD und CDU abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 26: Beratung des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hochschulentwicklungsplanung an aktuelle KMK-Prognose der Studienanfängerzahlen anpassen, Verhandlungen mit der Bundesregierung aufnehmen, Drucksache 6/371. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/450 vor.

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hochschulentwicklungsplanung an aktuelle KMK-Prognose der Studienanfängerzahlen anpassen, Verhandlungen mit der Bundesregierung aufnehmen – Drucksache 6/371 –

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE – Drucksache 6/450 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Saalfeld von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sie werden sich sicherlich noch lebhaft daran erinnern, dass ich vor vier Monaten schon einmal mit einem ähnlichen Antrag hier stand und die Anpassung der Hochschulentwicklungsplanung forderte. Einige können sich vielleicht nicht erinnern, weil sie partout den Auftrag an die Landesregierung nicht entdecken konnten oder nicht entdecken wollten.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Doch. Ich versteh auch nicht, warum Sie ihn recycelt haben.)

Bevor Sie jetzt reflexartig Ihre Langeweile erklären, da Sie nun die gleichen Reden noch einmal halten müssten, möchte ich kurz erklären, was sich zwischenzeitlich verändert hat.

Wieder stehen wir vor einem neuen Semester und auch in diesem Jahr wird wieder eine Rate von 100 Stellen bei den Hochschulen im Land fällig, die sie abgeben müssen. Auch wenn sie das Geld für die Stellen, die Personalstellen, im Haushalt behalten dürfen, verschwindet es doch vor allem in den nicht ausfinanzierten Stellenplänen.

Wie Sie dem Antrag entnehmen können, hat die Kultusministerkonferenz zwischenzeitlich, und das ist nun neu, eine neue Studienanfängerprognose vorgelegt und ihre bisherigen Zahlen korrigiert. In Mecklenburg-Vorpom

mern werden zwischen 2011 und 2015 über 7.000 zusätzliche Studierende erwartet, und bis 2020 sogar über 14.000 Studierende. Zum Vergleich: An der Fachhochschule Wismar studieren zurzeit exakt, ziemlich exakt 7.000 Studierende. Das heißt also, dass nach offiziellen Zahlen der Kultusministerkonferenz bis zum Jahr 2020 im Umfang der Fachhochschule Wismar zusätzlich Studierende in unserem Land studieren. Eine ganze Fachhochschule mehr! In Deutschland werden bis zum Jahr 2020 sogar insgesamt rund 750.000 Studierende mehr erwartet als noch 2009 berechnet. Auch für Mecklenburg-Vorpommern werden nun langfristig bis zu 25 Prozent mehr Studienanfänger erwartet, das sind rund 1.400 Studierende jährlich. Aber auch über das Jahr 2020 hinaus werden hier eben diese 1.400 Studienanfänger zusätzlich erwartet – pro Jahr. Für den neuerlichen Studierendenansturm seien laut Kultusministerkonferenz fünf Gründe zu nennen:

1. eine stark gestiegene Bildungsbeteiligung an allge

meinbildenden Schulen, die zur Hochschulreife führt,

2. ein Anstieg der Zahl der Studienanfänger, die ihre

Hochschulzugangsberechtigung im Ausland erworben hat – darunter fallen Ausländer wie auch Deutsche,

3. ein verändertes Übergangsverhalten von der Schule

an die Hochschule,

4. die Aussetzung der Wehrpflicht und

5. sehr interessant, zusätzliche Studienanfänger, die über

eine berufliche Qualifikation ein Hochschulstudium aufnehmen – das war ja auch politisch immer gewünscht, nun kommen sie hier endlich an.

Nachdem der vorliegende Antrag abgegeben wurde, hat das CHE, Centrum für Hochschulentwicklung, eine noch viel interessantere Berechnung vorgelegt. Das CHE geht nun davon aus, dass sich bis mindestens zum Jahr 2045 die höhere Bildungsbeteiligung stärker auswirken wird als der demografische Wandel. Hört, hört!

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Ich wiederhole es noch mal: Bis zum Jahr 2045 wird die höhere Bildungsbeteiligung sich stärker auswirken als der demografische Wandel. Es wird zwar weniger junge Menschen geben, aber immer mehr Studierwillige. Erst nach 2045 wird es in Deutschland wieder so wenige Studienanfänger geben wie im Jahr 2005, und damals war das schon eine Topzahl, ein Rekord.

Es werden also definitiv nicht weniger Studierende in Mecklenburg-Vorpommern, sondern immer mehr. Der Hochschulrückbau der Landesregierung war ein grober Fehler, der sich immer mehr als schwerwiegender Nachteil für das Land im Wettbewerb um junge Leute erweist. Aber Fehler passieren allen, es wäre nur dumm, wenn man diese Fehler nicht zugeben und die Planung korrigieren würde. Genau dafür liegt Ihnen der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor.

Auf zwei Argumente der Regierungskoalition aus der letzten Debatte von vor vier Monaten möchte ich allerdings noch mal eingehen. Es ist historisch unwahr, dass der erwartete Rückgang der Studierendenzahlen nicht auch als Begründung für den Personalabbau im Jahr 2005 bemüht wurde. Sie können das in den entsprechenden

Zeitungsartikeln und Dokumenten aus der Zeit nachvollziehen. Der heutige Minister Brodkorb hatte sogar im Jahr 2004 zur Entwicklung der Studierendenzahlen ein von der SPD-Fraktion gedrucktes Heftchen herausgegeben, das zwar die Schwierigkeit und Fehlerhaftigkeit der Prognosen herausgearbeitet hat, im Grunde aber vom Rückgang der Studierendenzahlen in Mecklenburg-Vorpommern vollständig überzeugt war und daraus eben Anpassungsbedarf beim Personal ableitete. Heute findet man dieses Dokument mit dem Namen „Zur Zukunft der Hochschullandschaft von Mecklenburg-Vorpommern bis zum Jahr 2020“ leider nicht mehr im Internet. Warum auch?

(Peter Ritter, DIE LINKE: Es ist vergriffen.)