Protocol of the Session on July 6, 2016

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, und ja, auch liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktion der Christlich Demokratischen Union, Sie sollten Ihre politische Agenda mit diesem eben zitierten humanistischen Kompass neu einnorden! – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat der Minister für Inneres und Sport Herr Caffier.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete!

Lieber Kollege Ritter, mein Bedauern für Ihre Erschütterung hält sich sehr in Grenzen,

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU – Zurufe vonseiten der Fraktion der CDU: Ja, meine auch!)

weil es in der Tat eine große Übereinstimmung in der Frage der Asylpolitik, in der Umsetzung und der Ausführung zwischen dem Ministerpräsidenten, dem Innenminister und den sie tragenden Fraktionen gibt. Nicht umsonst haben wir im bundesweiten Vergleich im Umgang mit Asylbewerbern, in der Abarbeitung, in der Unterbringung, in der Passerteilung, in den Genehmigungsverfahren und auch in den Rückführungen ausgesprochen positive Ergebnisse. Das ist auch das Ergebnis einer konsequenten Politik.

Es ist ja noch gar nicht so lange her, da schwangen insbesondere die GRÜNEN und die LINKEN die große Moralkeule, wenn es um die Flüchtlingspolitik ging. Verantwortliche, die anmahnten, dass man sich an geltendes Recht halten sollte, wurden beschimpft oder beleidigt. Als vor knapp zwei Jahren Serbien, Mazedonien und BosnienHerzegowina als sichere Herkunftsstaaten eingestuft wurden, verstieg sich beispielsweise der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein zu der Aussage, Zitat, „die Tinte, mit der“ dieser „Kompromiss geschrieben wurde, kommt … aus dem Gefrierschrank“. Wie arrogant muss man sein, um sich so abfällig über seine Ministerpräsidentenkollegen zu äußern!

Als dann im September des vergangenen Jahres der Flüchtlingsandrang geradezu explodierte, verschwanden diese Parolen ziemlich schnell. Wer Flüchtlinge in Turnhallen unterbrachte, war jetzt doch nicht mehr so böse, Verschärfungen im Asylgesetz plötzlich zwingend geboten und Albanien, Montenegro und das Kosovo als sichere Herkunftsländer fand jetzt auch der schleswigholsteinische Ministerpräsident nicht mehr so schlimm. Die Flüchtlingskrise hat die Politik zusammenrücken lassen. Endlich wurden längst notwendige Maßnahmen ergriffen. Aufnahme, Registrierung, Rückführung, Integration – in allen Bereichen haben wir bundesweit einen großen Schritt nach vorne machen können. Wir haben auch in Bereichen Tätigkeiten durchführen können, die vor zwei Jahren noch unvorstellbar gewesen sind, weil die Datenschutzbeauftragten es beispielsweise nicht genehmigt haben, dass es einen einheitlichen Ausweis gab, auf den alle Zugriff hatten, alle Behörden, auch die Polizei, die Sozialämter, die Versorgungsämter.

(Zuruf von Dr. Hikmat Al-Sabty, DIE LINKE)

All dies sind große Fortschritte.

Das Integrationsgesetz ist nun ein weiterer Meilenstein in dieser verantwortungsbewussten Asylpolitik. Ich freue mich über diesen grundsätzlichen Richtungswechsel sehr.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Das sind wir unseren Mitarbeitern schuldig, das sind wir auch den Flüchtlingen schuldig, vor allem aber sind wir das den Bürgern in unserem Land schuldig,

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

die verunsichert sind und die sich Sorgen machen über die weitere Entwicklung im Land.

(Michael Andrejewski, NPD: Bei der Regierung kein Wunder.)

Deswegen ist die neue Flüchtlingspolitik gut und richtig, sie findet meine, sie findet unsere volle Unterstützung, meine Damen und Herren Abgeordneten. Die erfolgreiche Politik in den zurückliegenden Wochen, die zu einer erheblichen Minderung des Flüchtlingszuzugs geführt hat, ist doch auch ein Ergebnis konsequenter Politik.

(Udo Pastörs, NPD: Kein Zuzug! – Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Wir befinden uns seit Monaten auf einem Niveau, neben dem die ursprünglich mal angestrebte bayerische Obergrenze fast wie ein Zuwanderungsprogramm wirken würde. Die Erstaufnahmeeinrichtungen,

(Udo Pastörs, NPD: Sie haben doch gar keine Kontrolle! Woher wissen Sie das?)

die Erstaufnahmeeinrichtungen sind mittlerweile ziemlich leer. Die Lage hat sich für Bund, Länder und Kommunen deutlich entspannt. Das Problem bei der Sache ist, damit ist offensichtlich für viele Entscheidungsträger auch der Entscheidungsdruck weggefallen. Plötzlich geht es nicht mehr um eine verantwortungsbewusste und in sich konsistente Flüchtlingspolitik, sondern es geht um die alten, um die naiven Träumereien von einer besseren Welt,

(Udo Pastörs, NPD: Ja, die Sie aber auch mitträumen! Die träumen Sie mit!)

wie wir sie aus der Zeit vor der Flüchtlingskrise kennen. Die Diskussion um die Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer ist dafür ein besonders gutes Beispiel: 0,7 Prozent ist die Anerkennungsquote für Asylbewerber aus Algerien, aus Marokko und Tunesien.

(Udo Pastörs, NPD: Wenn die NPD das in diesem Hause sagt, dann sind wir alle Nazis.)

Diese Zahl spricht doch Bände! Es mag in den drei Staaten nicht alles perfekt sein, das ist richtig, aber es ist doch absurd zu behaupten,

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

es ist doch absurd zu behaupten, dass dort Menschen systematisch verfolgt, bedroht, gefoltert werden oder sonst einer willkürlichen Gewalt ausgesetzt sind. Jedes Jahr, Kollege Ritter, jedes Jahr verbringen Zehntausende Deutsche, darunter viele Familien, ihren Urlaub in diesen drei Mittelmeerstaaten. Wie sollen wir den Menschen im Land erklären, dass wir problemlos dorthin reisen können, um Urlaub zu machen, aber niemanden dorthin abschieben sollen?

(Dietmar Eifler, CDU: Genau. Genau.)

Das versteht doch kein Mensch in diesem Land, meine Damen und Herren!

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Außerdem möchte ich hier in aller Deutlichkeit festhalten,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wir schicken doch aber auch Bundeswehrsoldaten in das Kosovo. Ist das auch sicher?)

außerdem möchte ich hier in aller Deutlichkeit feststellen, auch wenn die Maghreb-Staaten als...

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Lieber Kollege Ritter, auch wenn die Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden, erhalten Schutzbedürftige aus diesen Ländern selbstverständlich trotzdem Asyl bei uns, dass wissen Sie doch genauso. Stellen Sie doch nicht Behauptungen auf, die einfach nicht stimmen! Wer beispielsweise nachweisen kann, dass er wegen seiner sexuellen Orientierung verfolgt wird,

(Udo Pastörs, NPD: Jaja, Homos rein!)

wird natürlich nicht zurückgeschickt, sicherer Herkunftsstaat hin oder her. Auch das gehört zur Wahrheit, lieber Kollege Ritter.

Ich finde es unverantwortlich,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

dass gerade GRÜNE und LINKE immer wieder suggerieren, dass diese Menschen ihren Schutzanspruch verlieren würden. Das ist vollkommener Unsinn!

(Udo Pastörs, NPD: Prüfen Sie das nach!)

Fakt ist, die Einstufung als sichere Herkunftsländer erleichtert die Bearbeitung der vielen sowieso aussichtslosen Asylanträge. Das spart Zeit, spart Steuergeld und es reduziert die Anreize, aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland zu fliehen. Zugleich können wir dann die vielen straffällig gewordenen Marokkaner, Algerier und Tunesier leichter abschieben. Wir alle wissen, dass wir mit dieser Flüchtlingsgruppe große Probleme haben, auch das gehört zur Ehrlichkeit dazu. Wir können natürlich wie LINKE und GRÜNE die Augen davor verschließen. Ich bin hingegen der Auffassung, dass wir uns diesen Problemen stellen müssen, auch im Asylrecht.

Ich lasse hier auch nicht das Argument gelten, dass die Zahl der Asylbewerber aus den Maghreb-Staaten in den letzten Monaten stark gesunken ist. Das zeigt doch nur, dass die Debatte in Deutschland jetzt offensichtlich schon wirkt. Welches Signal würden wir über das Mittelmeer senden, wenn wir die Einstufung als sichere Herkunftsländer jetzt doch noch zurückziehen? Es muss doch als eine Einladung zu verstehen sein, dass man zu uns kommen soll. Machen Sie sich keine Illusionen, die Schleuser werden die Botschaft überall schnell verbreiten und wieder kräftig abkassieren. Ich jedenfalls will das nicht, meine Damen und Herren!

Darüber hinaus halte ich das Argument der gesunkenen Zahlen ganz grundsätzlich für falsch. Wollen wir etwa lieber warten, bis die Zahlen wieder steigen? Was soll das für eine Politik sein? Wollen wir jetzt auch erst Dämme bauen, wenn die Flut schon da ist? Wollen wir Soldaten erst ausbilden, wenn der Krieg begonnen hat? Wollen wir auf die demografische Entwicklung immer erst dann reagieren, wenn es schon Argumente sind? Das ist doch absurd und das ist auch verantwortungslos.

(Zuruf vonseiten der Fraktion der CDU: Richtig.)

Das ist genau das, was ich denjenigen in den grün mitregierten Bundesländern vorwerfe. Nur wenn der Druck zu groß wird, bewegen sie sich, ansonsten fallen sie in alte, in überkommene Verhaltensmuster zurück. Diese Politik ist nicht nur beliebig, sie ist vor allem auch gefährlich. Sie nimmt in Kauf, die Akzeptanz der gesamten Flüchtlingspolitik für ein paar ideologische Wunschträumereien zu opfern. Da geht es nicht mehr um die Sache, sondern es geht nur noch um innerparteiliche Ränkespielchen und um Profilierungssucht. Damit muss Schluss sein! Ich fordere daher alle Ländervertreter im Bundesrat auf, übernehmen Sie Verantwortung, so, wie das Mecklenburg-Vorpommern tut, seien Sie vernünftig, stimmen Sie dafür, dass Tunesien, Algerien und Marokko als sichere Herkunftsländer eingestuft werden! – Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Kaselitz von der Fraktion der SPD.

(Michael Andrejewski, NPD: Jetzt kommt wieder die Heulnummer.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Einstufung der Länder Algerien, Marokko und Tunesien als weitere sichere Herkunftsstaaten hat die Regierungskoalition in Berlin als Teil eines Gesamtkonzeptes zur Optimierung und Beschleunigung der Asylverfahren auf den Weg gebracht. Ziel ist es, schnellere Rechtssicherheit herzustellen. Menschen aus diesen Staaten warten gegenwärtig oft weit über ein Jahr, bis über ihren Asylantrag entschieden ist,