Protocol of the Session on November 19, 2009

(Peter Ritter, DIE LINKE: Gewissensgründe darlegen.)

Es ist also auch eine ganz aktive Entscheidung, in den Zivildienst zu gehen, nämlich dieses Sicheinlassen für einige Monate auf diese Arbeit mit den Menschen.

Umgekehrt heißt das aber auch, dass die Menschen, die von Zivildienstleistenden umgeben sind, sich auf die Zivildienstleistenden verlassen. Sie wissen selbst, dass ein Zivi nicht ohne Weiteres sagen kann: Ich habe keine Lust, ich mache nicht mehr weiter. Der Zivildienst ist ein Pflichtdienst, aber dieser Pflichtdienst hat keinen Makel, und das ist etwas, was seine Besonderheit und das Kostbare im Zivildienst ausmacht.

Zivildienst als Lerndienst – was kann sich dahinter verbergen? Wir haben an den Zivildienstschulen und an den Lehrinstituten der Verbände Modellprojekte gestartet. Sie wissen sicherlich alle davon. Ein Ziel ist, eine Begleitung der Zivildienstleistenden über die gesamte Zivildienstzeit zu gewährleisten, ihnen die Möglichkeit zu geben, das, was sie täglich erleben, mit dem sie konfrontiert werden, aber auch die Ambivalenz der Gefühle – für den einen oder anderen Zivildienstleistenden ist im Dienst die Begegnung mit dem Tod überhaupt das erste Mal, dass er das in seinem Leben erlebt an dieser Stelle –, dass diese Erlebnisse und Eindrücke reflektiert werden können, dass sie Zeit haben innezuhalten und die Zeit, darüber zu reden. Denn nur aus dieser Reflexion selbst erwächst ja erst im Laufe der Zeit dann auch das, was man „Erfahrung“ nennt, das heißt, wenn man sich mit anderen austauschen kann, wenn man wahrnehmen kann, wie sie die Situation empfinden, und vor allem, wenn man lernt, dass es anderen auch so geht, wenn ich nur Themen wie Ekel, Abwehr oder Angst auch benenne, Gefühle, die diese jungen Zivildienstleistenden durchaus in ihrem Dienst haben können, deren sie sich aber nicht schämen müssen, sondern die selbstverständlich auch damit einhergehen.

Das heißt, Lehrgänge sollen so ausgestaltet sein, dass die Zivis kompetenter und stärker motiviert sind und dann gut motiviert in den Dienst zurückkehren, der Prozess der Weiterentwicklung und Entbürokratisierung, der übrigens auch sinnbildlich natürlich dafür steht, den Zivildienst nicht im Status quo zu halten, sondern sozusagen weiterzuentwickeln, zu modernisieren, anzupassen an das, was in der Welt draußen geschieht. Früher fiel bei der Berufseinstellung oft die Frage: „Wo haben Sie gedient?“ Wenn der junge Mann dann sagte: „Ich habe Zivildienst geleistet“, fielen gleich die Rollos herunter, nach dem Motto: „nicht brauchbar für uns“. Im Kopf wurde die Bewerbung dann oft unter den Tisch gekehrt.

Inzwischen hat sich ein anderer Trend entwickelt. Und wir wollen systematisch diesen Trend positiv unterle

gen. Wenn heute im Lebenslauf steht: „Zivildienst“, zum Beispiel in der individuellen Schwerstbehindertenbetreuung, dann sind keineswegs mehr die Schotten dicht und die Rollläden herunter, sondern es kommt die Assoziation: Das ist jemand, der ist belastbar. Der hat Fähigkeiten, auch Durststrecken durchzuhalten. Der hat Empathie entwickelt. Der hat die Fähigkeit, zu kommunizieren in schwierigen Situationen. Das sind Werte, die nicht nur in den sozialen Diensten gebraucht werden, sondern selbstverständlich auch in der Wirtschaft, die uns helfen, Führungsqualitäten zu entwickeln.

Das heißt nun, wir möchten in dem Zivildienst eine Chance entwickeln, die sozialen und emotionalen Kompetenzen, die junge Männer dort entfalten können, greifbarer und sichtbarer zu machen, dies insbesondere auch für benachteiligte Jugendliche, damit ihnen diese Kompetenz, die sie erworben haben, als ein weiteres Plus, als Prädikat den Weg ebnen kann.

Zum Schluss möchte ich eines meiner liebsten Sprichwörter nennen, ein chinesisches Sprichwort: „Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen.“ In der Tat, es weht ein Wind des Wandels. Lassen Sie uns gemeinsam nach den Windmühlen suchen, die wir errichten können, damit wir den Wind des Wandels auch darauf lenken können. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke.

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/2924. Im Rahmen der Debatte ist seitens der Fraktion der FDP beantragt worden, über die Ziffern des Antrages einzeln abzustimmen.

Wer der Ziffer 1 des Antrages zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke. Die Gegenprobe. – Danke. Enthaltungen? – Damit ist die Ziffer 1 des Antrages der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/2924 bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE, aber Ablehnung der Fraktion der SPD, der CDU, der FDP und der NPD abgelehnt.

Wer der Ziffer 2 des Antrages zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke. Die Gegenprobe. – Danke. Enthaltungen? – Danke. Damit ist die Ziffer 2 des Antrages der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/2924 bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE und der FDP-Fraktion, bei Ablehnung der Fraktion der SPD, der CDU und der NPD abgelehnt.

Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Landtages für Mittwoch, den 16. Dezember 2009 …

(Der Abgeordnete Raimund Frank Borrmann pfeift. – Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Meine Damen und Herren! Herr Borrmann, ich muss jetzt zum Schluss noch einen Ordnungsruf erteilen.

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Danke.)

Sie wissen, warum. Herr Borrmann, ich erteile Ihnen also zum Abschluss noch einen Ordnungsruf.

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Danke schön!)

Ich brauche weitere Belehrungen hier nicht zu geben.

Ich berufe die nächste Sitzung des Landtages für Mittwoch, den 16. Dezember 2009, 10.00 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.