Das Behindertengleichstellungsgesetz nimmt den gesamten öffentlich-rechtlich organisierten Bereich des Landes, also die Verwaltungen und die kommunalen Körperschaften sowie die ihnen unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts in die Pflicht. Sie sind zur Gleichstellung und Integration von Menschen mit Behinderungen verpflichtet. In sehr moderner Weise vollzieht das Gesetz den Paradigmenwechsel, weg von staatlicher Fürsorge und Versor
gung von Menschen mit Behinderungen hin zur Stärkung ihrer gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Das Landesbehindertengleichstellungsgesetz lehnt sich eng an Bestimmungen des Behindertengleichstellungsgesetzes des Bundes an, ergänzt es aber in vielen entscheidenden Lebensbereichen.
Es ist einmal eine klare Begriffsdefinition. Begriffe wie „Behinderung“, „Benachteiligung“ und „Barrierefreiheit“ werden erstmals in einem weiten Rahmen definiert.
Auf der Grundlage von Zielvereinbarungen können zwischen den Landesverbänden von Menschen mit Behinderungen und der öffentlichen Hand zur Umsetzung des Gesetzes entsprechende Vereinbarungen geschlossen werden.
Es stärkt die Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen sowie ihrer Selbsthilfeorganisationen.
Die Gebärdensprache und Kommunikationshilfen sind definiert. Hör- und sprachbehinderte Menschen haben das Recht, künftig mit Behörden und Dienststellen des Landes in deutscher Gebärdensprache, mit lautsprachebegleitenden Gebärden oder über geeignete Kommunikationshilfen zu kommunizieren, und die notwendigen Aufwendungen hierfür werden vom Land getragen.
Die Kosten für den Einsatz der Gebärdendolmetscher werden auf rund 165.000 Euro geschätzt. Durch die vom Sozialausschuss eingebrachten Änderungen dürften auch die letzten Befürchtungen der Dolmetscherzentrale hinsichtlich ihrer Finanzierung beseitigt sein. Das Land hat damit die Mittel nochmals gegenüber der bisherigen Projektförderung aufgestockt.
Nach dem neuen Gesetz wird es möglich sein beziehungsweise zur Pflicht, dass Bescheide und Vordrucke so gestaltet werden, dass sie von Menschen mit Behinderungen entsprechend gelesen und auch ausgefüllt werden können.
Die Mitwirkung von Verbänden, die Verbandsklage, die Vertretungsbefugnisse sind rechtlich geregelt, der Integrationsförderrat, das bei der Landesregierung tätige Gremium, ist auch in dem neuen Gesetz verankert. Damit bleibt dieses für die Durchsetzung der Interessen von Menschen mit Behinderungen und für wichtige Entscheidungen, die ja die Landesregierung trifft, entscheidende Gremium erhalten.
Ich möchte an dieser Stelle noch mal sagen, Mecklenburg-Vorpommern ist ja das einzige Land, das einen Integrationsförderrat bei der Landesregierung hat, und ihm ist in ganz maßgeblichem Ausmaß zu verdanken, dass wir dieses Gesetz in dieser Form und in dieser Qualität vorliegen haben.
Die Kosten für dieses Gesetz betragen nach einer ersten Kostenfolgenabschätzung rund 200.000 Euro für das Land und die Kommunen, davon allein, wie ich bereits darlegte, für die Gebärdendolmetscher 165.000 Euro. Für
konnexitätsbedingte Aufwendungen stehen jährlich 20.300 Euro bereit. Und es wurde vom Ausschussvorsitzenden bereits die Verpflichtung angesprochen, dass die Landesregierung dem Landtag bis zum 31.03.2009 über die Kostenfolgen des Gesetzes berichten wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Mit dem Gesetzentwurf eines Landesbehindertengleichstellungsgesetzes werden die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen abgesteckt. Zur Umsetzung des Gesetzes bedarf es jedoch der Unterstützung eines jeden Einzelnen von Ihnen, um die Gleichstellung wirklich im Alltag mit Leben zu erfüllen.
Es sind oftmals die scheinbar kleinen Dinge, die die Kommunikation und damit eben auch die gleichberechtigte Teilhabe am Leben erschweren. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meines Hauses haben mir heute zur Verabschiedung dieses Gesetzes eine kleine Kommunikationshilfe mit auf den Weg gegeben. Ich werde sie der Vorsitzenden des Integrationsförderrates übergeben. Es ist ja eine blinde Kollegin. Wir haben also ab heute eine Visitenkarte, wodurch eben in der entsprechenden Sprache hier Kommunikation künftig möglich sein wird. Ich denke, leichtere Kommunikation ist der erste Schritt, um gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.
Ich bitte Sie, in diesem Sinne darüber nachzudenken, wie Sie in Ihrem täglichen Leben, in Ihrer Arbeit Ähnliches tun können, und ich bitte Sie sehr, den Gesetzentwurf mit den entsprechenden Hinweisen des Sozialausschusses heute hier anzunehmen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Landesbehindertengleichstellungsgesetz steht heute in Zweiter Lesung zur Verabschiedung an. Und wie es so ist im Leben: In der letzten Sitzung des Landtages ist es gelungen, dieses Gesetz zur Verabschiedung einzubringen. Der Bund war da deutlich besser. Er hatte das schon am 1. Mai im Jahre 2002 auf den Weg gebracht.
Wir sind sozusagen auf der Landesebene jetzt dabei, als eines der letzten Bundesländer in Deutschland nachzuziehen.
Nichtsdestotrotz hat es im Verfahren etliche Diskussionen gegeben, und es zeigte sich, dass der Gesetzentwurf der Landesregierung einige Mängel hatte, den dann SPD und PDS mit Änderungsanträgen und in Form einer Synopse, die einen Umfang von immerhin 39 Seiten inklusive Begründung hatte, sowie einem weiteren Einzelantrag aus Ihrer Sicht in die richtige Form gebracht haben. Das war sicherlich keine einfache Arbeit, andererseits zeigt es aber auch, dass viel Bewegung in diesem Thema ist.
Die Änderungsanträge der CDU sind in Bausch und Bogen durch die Koalitionäre abgelehnt worden. Es ging einmal um die Frage der Beweislastumkehr zugunsten der Menschen mit Behinderungen. Das wollten wir, das wollten Sie nicht. Die Korrektur formaler Unrichtigkeiten, die wir noch angemahnt haben, haben Sie auch abgelehnt. Das erschließt sich mir bis heute nicht, warum Sie das gemacht haben. Und die konkrete Ausgestaltung zum Abschluss von Zielvereinbarungen sowie die Beseitigung der bisherigen Eignungen der Interessenvertretungen von Menschen mit Behinderungen und die Mitwirkung von Verbänden haben Sie am Ende auch abgelehnt. In besonderer Weise haben wir uns für die Wohlfahrtsverbände eingesetzt. Das hat bei Ihnen ja fast schon zu Frustrationen geführt, die wir bei der Anhörung erleben durften.
(Gerd Walther, Die Linkspartei.PDS: Nee, nee! – Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Wir haben doch da auch eine Änderung vorbereitet.)
Aber ich hoffe da auf die Zukunft, dass sich in Ihren Denkansätzen auch Freiraum für die Wohlfahrtsverbände in Mecklenburg-Vorpommern wieder breitmacht. Insgesamt sind sieben Vertreter in den Gremien vertreten. Die Landesregierung bestimmt die Anzahl und die Vertreter. Das wird dann so sein, wenn dieses Gesetz auf den Weg gebracht wird.
Insgesamt glauben wir, dass für die 250.000 Menschen in unserem Land, deren Behinderungen anerkannt sind, ein Gesetz da ist, an dem man sich ausrichten kann, ohne dass wir sagen, es genügt. Es hat viele Schwächen, es ist in vielen Passagen relativ unverbindlich, aber andererseits sagen wir auch, es ist ein Anfang und ein Schritt in die richtige Richtung.
Herr Glawe, erst mal herzlichen Dank für das Lob für die Koalitionäre. Sie haben natürlich Recht, wir haben uns das nicht einfach gemacht. Wir haben den Gesetzentwurf der Landesregierung an einigen Stellen deutlich überarbeitet und eins, das sollten wir gleich vorweg herausgreifen, ist dabei rausgekommen: Der von Ihnen angesprochene Paradigmenwechsel hin zu einer Beweislastumkehr ist im Gesetz drin. Das ist eines der wesentlichen Elemente, diese Beweislastumkehr.
Das bedeutet nämlich, wenn ein behinderter Mensch geltend macht, glaubhaft geltend machen kann, dass er benachteiligt worden ist, sind die betroffenen Behörden in der Situation und müssen beweisen, dass dieser behinderte Mensch nicht benachteiligt worden ist. Das, finden wir, ist ein wesentlicher Fortschritt für behinderte Menschen hier bei uns im Lande Mecklenburg-Vorpommern.
Herr Glawe, ich hätte mir auch eine deutliche Regelung zugunsten der Wohlfahrtspflege in Paragraf 10 vorstellen können. Aber Sie wissen, es ist, wie es ist: Man muss den Konsens suchen. Ich denke, wir haben einen Konsens gefunden, der es ermöglicht, dass sich die Wohlfahrtspflege im Rahmen dieses Gesetzes auch entsprechend wiederfinden kann. Das heißt, sie ist dabei nicht untergegangen, wir haben es herausgearbeitet. Gerade in der Begründung ist noch mal deutlich geworden, dass die Wohlfahrtspflege einer der wesentlichen Vertreter von Menschen mit Behinderungen hier bei uns im Lande Mecklenburg-Vorpommern ist.
Aber, Herr Glawe, eins kann ich nicht nachvollziehen, wenn Sie sagen, das Gesetz ist an vielen Stellen unkonkret. Es ist an vielen Stellen sehr konkret. Ich finde es überhaupt ein sehr, sehr konkretes Gesetz, denn die Dinge sind klar geregelt. Also das hätten Sie etwas mehr präzisieren müssen, ansonsten kann man das so im Raum nicht stehen lassen.
Und was man an dieser Stelle unbedingt sagen muss: Dieses Behindertengleichstellungsgesetz stand am Anfang der Legislatur nicht auf der politischen Agenda. Das haben wir zusätzlich aufgenommen. Es ist ein zusätzlicher Kraftakt. Es ist ein Leistungsgesetz, das den Landeshaushalt per anno mit ungefähr 200.000 Euro belasten wird. Das ist etwas, das muss man, denke ich, positiv zur Kenntnis nehmen. Wir sind demzufolge sehr zufrieden, dass Sie das Gesetz heute in der Zweiten Lesung zum Beschluss im Landtag haben und sind zufrieden mit der von uns geleisteten Arbeit.
Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass in Mecklenburg-Vorpommern 250.000 Menschen mit anerkannten Behinderungen leben. Diese Menschen erleiden tägliche Benachteiligungen im Leben. Ich denke dabei an bauliche Barrieren. Denken Sie nur an Türbreiten, denken Sie an Schwellen, denken Sie an nicht abgesenkte Bordsteine. Ich denke dabei aber auch an Kommunikationsbarrieren, beispielsweise für gehörlose Menschen oder für erblindete Menschen. Das sind wichtige Dinge, die aufgegriffen werden. Das Gesetz gewährleistet, dass diese Barrieren abzubauen sind im Umgang mit Behörden, und zwar mit Landesbehörden und auch im Umgang mit kommunalen Behörden. Damit machen wir, was die Behindertenpolitik angeht, einen deutlichen Schritt nach vorne. Und ich möchte Sie bitten, dem Gesetzentwurf in der durch den Sozialausschuss überarbeiteten Beschlussfassung Ihre Zustimmung zu erteilen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen! Nach den heute schon verabschiedeten Änderungen im Bereich des Lebenspartnerschaftsrechtes kommen wir nun auch in einem zweiten Bereich zu einem Gesetz zur verbesserten Gleichstellung der in unserem Land lebenden Menschen,
das wir auf den parlamentarischen Weg bringen wollen. Das Besondere an dem Gesetz zur Gleichstellung, gleichberechtigten Teilhabe und Integration von Menschen mit Behinderungen ist zweifelsohne der Kontext, in dem es entstanden ist und heute verabschiedet werden soll. So galt es einige Jahre für nicht möglich, dass das Parlament und zuvor die Landesregierung ein Gesetz auf den Weg bringen, welches über den vereinbarten Rahmen des Koalitionsvertrages der beiden Regierungspartner hinausgehen soll.