Protocol of the Session on April 5, 2006

Meine sehr verehrten Damen und Herren, weitere Vergleiche möchte ich nicht anstellen. Ich überlasse es allein Ihrer Fantasie, festzustellen, wer Majestix und die anderen Protagonisten in Wismar sind. Bei uns in der Hansestadt gehört dieser Vergleich schon zum Alltagsgeschäft. Aber im vorliegenden Fall – der Kollege Born hat es gerade erwähnt – ist es ja nicht nur die Hansestadt, die sich gegen diese Reform wendet.

Ideen aus Schwerin und die von der Regierungsmehrheit dieses Landtages beschlossenen Gesetze finden nicht immer Wohlwollen. Im Gegenteil, sie werden häufig kritisiert, weil sie handfeste Nachteile für die Hansestadt mit sich bringen. Erst vor wenigen Wochen – Sie werden sich erinnern – stand unsere Bürgermeisterin mit vielen anderen Bürgern morgens in der Frühe bei Eis und Schnee vor dem Landtag und hat gegen die Verabschiedung des Hochschulgesetzes demonstriert, das Sie, meine Damen und Herren von SPD und PDS, Stunden später hier verabschiedet haben.

Die Bürgerschaft der Hansestadt Wismar hat im September 2005 einstimmig die von der Stadt abgegebene Stellungnahme zum Verwaltungsmodernisierungsgesetz und die von der Bürgermeisterin in den Anhörungen vor dem Sonderausschuss dieses Landtages vorgetragenen Argumente und Rechtspositionen beschlossen. Sie kennen dies alles aus den Protokollen.

Auf Antrag aller in der Bürgerschaft vertretenen Fraktionen hat die Bürgerschaft erneut auf ihrer Februarsitzung in diesem Jahr einstimmig – ich wiederhole, einstimmig – die Landesregierung aufgefordert, den Entwurf des Verwaltungsmodernisierungsgesetzes zurückzuziehen. Für den Fall, dass die Landesregierung den Gesetzentwurf dennoch in den Landtag einbringen sollte, forderte die Bürgerschaft wiederum einstimmig den Landtag auf, den Entwurf dieses Gesetzes zurückzuverweisen. Schließlich – und auch das will ich Ihnen nicht verheimlichen – hat die Bürgerschaft in dem besagten Beschluss nochmals einstimmig ihren Willen bekräftigt, dass gegen ein vom Landtag beschlossenes Gesetz von der Stadt Klage vor dem Landesverfassungsgericht erhoben werden soll, und die Bürgermeisterin beauftragt, entsprechende Vorkehrungen zu treffen.

Das Außergewöhnliche daran ist nicht, dass ich Ihnen hier diese Beschlusslage vortrage, das kann schließlich auch der Präsident der Bürgerschaft der Hansestadt Wismar Herr Dr. Zielenkiewitz tun, der ja vielleicht noch das Wort ergreifen wird. Das Interessante daran ist aber, dass Mitglieder aus Ihren eigenen Reihen schon am Anfang dieses Jahres das Gesetz für so verfassungswidrig gehalten haben, dass sie sich dafür aussprechen, dieses Gesetz vom Landesverfassungsgericht überprüfen zu lassen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Ich sage dieses ohne jegliche Ironie, es muss doch einer Landesregierung und einer regierungstragenden Fraktion zu denken geben, wenn ihnen derart scharfer Wind aus den eigenen Reihen entgegenbläst.

Der vorliegende Gesetzentwurf – das ist bekannt und auch heute schon mehrfach angesprochen worden – weist erhebliche Mängel auf. Sie alle aufzuführen, dazu fehlt hier natürlich die Redezeit. Das soll auch an dieser Stelle nicht mehr geschehen. Aber diese Mängel führen auch zur Verfassungswidrigkeit dieses Entwurfes. Das haben Ihnen nicht nur der Landkreistag und die Hansestadt Wismar, sondern auch drei unabhängige Verfassungsrechtler ins Stammbuch geschrieben. Es mangelt an einer Prüfung, ob sich die 1994 geschaffenen Strukturen, auf deren Bestand kreisfreie Städte und auch Landkreise vertraut haben und vertrauen, sich bewährt haben oder nicht. Diese Strukturen werden verändert nach Gutsherrenart mit Strichen auf der Landkarte, weil Reformen angeblich die helle Sonne des Erfolges auf den Innenminister leuchten lassen und die Bürger dürfen dann später strampeln, damit das künstliche Licht über dem Herrn Innenminister tatsächlich auch leuchtet.

(Heiterkeit bei Lorenz Caffier, CDU)

Es mangelt aber an der Erkenntnis, dass in subjektive und den Landkreisen und kreisfreien Städten zustehenden Rechtspositionen nur aus Gründen des öffentlichen Wohls eingegriffen werden dürfe. Diese Gründe hat der Gesetzgeber darzulegen und nicht etwa – auch dieses ist von den Sachverständigen festgestellt worden – die betroffenen Gebietskörperschaften. Die so genannte Defizitanalyse gibt es nicht. Es gibt keinen Beweis dafür, dass

Kreise und kreisfreie Städte nicht in der Lage sind, ihre Aufgaben zu erfüllen. Und in Bezug auf die kreisfreien Städte jedenfalls kann man eins sagen: Sie können sogar noch mehr als das, was sie bis heute ohnehin für den eigenen Bereich tun oder tun dürfen.

Und weiter im Spezialfall der kreisfreien Städte: Es mangelt schlicht an der Rechtskenntnis, dass es deren Einkreisung der detailliert dargelegten Gründe des öffentlichen Wohls nur dann bedarf, wenn es keine Alternativen gibt wie die Neuregelung der Stadt-Umland-Problematik. Dann kann eine derartige Regelung greifen. Der Tatsache, dass die leistungsfähigen Städte lange an ihre Stadtgrenzen gestoßen sind, wird auch durch das vorliegende Gesetz und auch durch den neuen Paragrafen 101 nicht Rechnung getragen.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Das ist falsch!)

Deshalb zitiere ich abschließend aus der Begründung des Beschlusses der Bürgerschaft der Hansestadt Wismar vom Februar und fordere Sie auf, Ihre Gestaltungsund Überwachungsverpflichtung im Interesse des Landes wahrzunehmen und den vorliegenden Gesetzentwurf abzulehnen! – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Herr Ankermann.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Friemann-Jennert von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit drei Monaten gehöre ich dem Sonderausschuss „Verwaltungsmodernisierung und Funktionalreform“ an. Ich betone das letzte Wort, weil „Funktionalreform“ eben nicht gleichbedeutend mit „Gebietsreform“ ist, das Gesetz aber verbindet beides.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Richtig.)

Der Gesetzentwurf begründet die Notwendigkeit einer Kreisgebietsreform aus der demografischen Entwicklung und der finanziellen Situation des Landes, der Landkreise und der Kommunen.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Und der Funktionalreform.)

Darüber hinaus formuliert der Gesetzentwurf einen untrennbaren Zusammenhang zwischen den einzelnen Schritten der Reform.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Richtig.)

Alle drei Gründe werden jedoch nach wie vor nicht tragfähig untersetzt. Und das ist – Herr Müller ist leider nicht zu sehen – keine Legende.

(Heinz Müller, SPD: Hier! Huhu, hier!)

Aha, da ist er.

Erst am Freitag fand eine Unterrichtung im Sonderausschuss statt, in der die finanzwirtschaftlichen Daten von Ländern und Kommunen verglichen wurden. Fazit: Sparen, sparen vor dem Hintergrund geringer Wirtschaftskraft, demografischer Entwicklung und rückläufiger Osttransferleistungen. Das wissen wir jedoch nicht erst seit

letzter Woche. Konkrete Vorschläge des Landesrechnungshofes soll der Jahresbericht 2005 machen, der allerdings noch nicht vorliegt, mir jedenfalls nicht. Es wäre schon interessant zu wissen – und hier benutze ich die Formulierung des Städte- und Gemeindetages zu diesem Bericht –, wie viele kleine Könige sich unser strukturschwaches Flächenland leisten kann. Wenn die Verwaltungsmitarbeiter vom Land zum Landkreis oder zu den Ämtern übergehen, ist ihnen Kündigungsschutz und Entgelt nach Tarif längerfristig gewiss. Andersherum sind Personalkosten immer noch der größte Posten jedes Verwaltungshaushaltes. Er wird quasi nur auf eine andere Ebene verschoben.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Mit der Aufgabe.)

Eine Reihe von Kommunen und Ämtern haben in der letzten Zeit fusioniert,

(Lorenz Caffier, CDU: Ohne Geld.)

um zu Kostenersparnissen zu gelangen. Leider gibt es kein belastbares Material darüber, was diese Fusionen gebracht haben. Jeder, der auf kommunaler Ebene agiert, sollte wissen, was 2020 überhaupt noch machbar ist, wo sich unsere Anstrengungen erschöpfen. In vielen Kommunen ist die Finanzkraft nicht erst seit heute erschöpft.

Bereits beim ersten Entwurf zu diesem Gesetz fragte ich mich, was wohl passiert, wenn das Land Mecklenburg-Vorpommern weitermacht wie bisher. Was passiert 2020? Hört das Land auf zu existieren? Wenn ich mich recht entsinne, ist die Landesregierung kein Verfechter einer Nordstaatbildung.

(Ministerin Sigrid Keler: Genau.)

Der Ministerpräsident sagte heute Morgen, wir werden vielleicht irgendwann um Aufnahme bitten müssen. Meinen Sie, dass die Strukturen, die wir heute beschließen sollen, dann von Bestand wären?

(Ministerin Sigrid Keler und Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Ja.)

Ich weiß nicht, wie das bei Ihnen ist, meine Damen und Herren? Mit irgendetwas Landestypischem und Regionsbezogenem möchte man sich künftig vielleicht noch identifizieren können, dies sollte aber nicht nur die deutsche Sprache sein. Der Ministerpräsident hat uns Mandatsträgern persönliche Betroffenheit vorgeworfen. Als Bürger fühle ich mich persönlich betroffen, denn ein Gesetz gilt schließlich für alle Bürger.

(Heinz Müller, SPD: Aha?!)

Fakt ist, dass es Städte und Gemeinden immer geben wird, selbst wenn über unser Land nur noch in Geschichtsbüchern zu lesen sein sollte. Städte- und Gemeindegrenzen kann man nur begrenzt verändern. Die verbleibenden Bürgerinnen und Bürger dieser Kommunen werden die Zeche zu zahlen haben, wie auch immer das Land sich strukturiert. Das Aussehen neuer Kreise hätte das Ergebnis des Anpassungsprozesses an die veränderten Bedingungen sein müssen. So wird den Bürgern ein Gebilde übergestülpt, für dessen Bestandsfähigkeit es gar keinen Nachweis gibt, und die 94er Kreisgebietsreform mit dem undefinierten Begriff „nicht zukunftsfähig“ außer Kraft gesetzt.

Ich möchte auch noch auf eine Information der Landesregierung vom 17. Januar 2006 Bezug nehmen, die die Prognose der Bevölkerungsentwicklung bis 2020 zum

Inhalt hat. Hierin wird deutlich, dass die demografischen Brüche nicht allein durch das Land beeinflussbar sind. Kinder bekommt nicht das Land, sondern Kinder bekommen immer noch die darin lebenden Frauen, sodass es viel wichtiger erscheint, jungen Menschen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit sie Kinderwünsche leichter realisieren können.

(Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Das sagen Sie mal Ihrer Bundestagsfraktion!)

Bei dieser Entscheidung spielt die Größenordnung des Landkreises nun gewiss keine Rolle.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Das ist richtig.)

Dort, wo man sich niederlässt, will man sich wohl fühlen, seinen Kindern eine bestmögliche Ausbildung bieten und einer gesicherten Arbeit nachgehen. Wann interessiert den Bürger die Arbeit der Verwaltung? Doch nur dann, wenn er – für was auch immer – wieder einmal höhere Gebühren zahlen soll.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Nein, nein, wenn er die Verwaltung braucht.)

Eine erneute Erhöhung der Kreisumlage, Zweckverbandslösungen und die Streichung von freiwilligen Aufgaben waren beispielsweise die Antwort auf das Haushaltsdefizit des Landkreises, in dem ich zu Hause bin, in dem E-Government schon lange kein Fremdwort mehr ist. Hier im Sonderausschuss habe ich nun noch eine Erfahrung gemacht.

Verehrte Frau Meˇsˇt’an! Sie und ich haben auch einen Sitz im Ludwigsluster Kreistag. Dessen Sitzungsprotokoll vom 15.09.2005 habe ich noch einmal nachgelesen. In der Debatte zu der Stellungnahme des Landkreises zum Verwaltungsmodernisierungsgesetz waren wir uns sehr einig darüber, dass man mehr Aufgaben vom Land an die Landkreise beziehungsweise von den Landkreisen auf die Ämter und amtsfreien Gemeinden übertragen könne.

(Gabriele Meˇsˇt’an, Die Linkspartei.PDS: Dazu stehe ich auch.)

Einig waren wir uns auch, dass die erweiterte Begründung des zweiten Gesetzentwurfes keinen Nachweis für eine mangelnde Leistungsfähigkeit des bestehenden Landkreises Ludwigslust bei der Wahrnehmung der ihm obliegenden Selbstverwaltungsaufgaben und der ihm übertragenen staatlichen Aufgaben erbracht hat. Die neu zu übertragenden Aufgaben vermag der Landkreis Ludwigslust auch in seiner jetzigen Struktur zu bewältigen, also ohne seine Gebietsgröße zu verändern. Hinzufügen möchte ich, dass der Landkreis Ludwigslust so groß wie das Saarland ist.

Sie selbst bemängelten damals, dass, schon wenn man Tatsachen anspreche und eine sachliche Bewertung versuche, man als Bremser oder Reformgegner tituliert würde und dass die SPD-Fraktion dieses Mittel öffentlich für sich genutzt hat. Nun, als Reformgegner möchte man nicht gelten, selbst wenn die Reform Fehler aufweist. Koalition hin und Gewissen her – dann werden Probeabstimmungen und Parteitage gemacht, bis es eben passt. In diesem Zusammenhang fand ich den Vergleich von Herrn Koplin von der falsch geknöpften Jacke ganz passend: falsch begonnen, falsch endend und sieht auch noch blöd aus.