Protocol of the Session on April 5, 2006

(Beifall Lorenz Caffier, CDU)

Auch die haben Sie durchgesetzt gegen alle Expertenmeinungen.

(Beifall Wolfgang Riemann, CDU)

Begehen Sie also diese Fehler nicht innerhalb eines Jahres gleich zweimal! Wir wollen alle, dass demokrati

sche Mitwirkung – das ist auch von einem Kollegen aus der SPD-Fraktion heute Morgen noch einmal deutlich gesagt worden – und eine hohe Wahlbeteiligung der Menschen im Land ein festes Fundament unserer Arbeit im Landtag sind. Diesem Ziel ist mit der heutigen Verabschiedung des Gesetzes wahrlich nicht gedient.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Frau Fiedler-Wilhelm.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der Linkspartei.PDS der Abgeordnete Herr Walther. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

(Torsten Renz, CDU: Die haben noch was zu sagen.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Gäste! Kaum ein Thema hat uns in den letzten Monaten, ja Jahren so sehr bewegt wie das Thema der Verwaltungs- und Funktionalreform oder der Verwaltungsmodernisierung, wie wir heute sagen. Und wenn ich sage, uns bewegt, dann meine ich damit zwei Ebenen: zum einen die Ebene des Landtages hier in Mecklenburg-Vorpommern, in Schwerin, und ich meine mit uns aber auch die kommunale Ebene, die kommunalen Vertretungen und Gebietskörperschaften.

Zunächst war der Prozess der inhaltlichen Diskussion geprägt von einer sehr sachlichen Tiefe, aber mehr und mehr wurde im Laufe des Prozesses eine emotionale Diskussion geführt und zum Schluss, so zumindest meine Wahrnehmung, war es eine Diskussion aus symbolischer Sicht. Meine eigenen Erfahrungen, die mich zu dieser Wertung führten, will ich ganz kurz darstellen.

Als der erste Gesetzentwurf vorlag, wurde allerorten sehr inhaltsreich damit umgegangen, so zum Beispiel auch in meiner Gemeinde. Als Bürgermeister einer kleinen Gemeinde habe ich meiner Gemeindevertretung zwei Optionen zur Entscheidung gestellt: Entweder ich halte ihnen einen langen Vortrag über diesen Gesetzentwurf oder aber sie arbeiten ihn selbst durch. Meine Gemeindevertreter haben sich für die zweite Variante entschieden und das dann auch getan. Sie haben sich sehr aktiv inhaltsreich mit dem Gesetzentwurf beschäftigt. So kamen wir in meiner Gemeindevertretung zu einem Votum, geprägt von den Inhalten, allerdings auch zu einer Ablehnung des ersten Gesetzentwurfes. Diese Situation, wie sie in meiner Gemeinde stattgefunden hat, war in vielen anderen kommunalen Vertretungen anzutreffen. Kreistage, wie auch der Kreistag im Uecker-Randow-Kreis, also mein Heimatkreis, sind so verfahren und haben mit großer Mehrheit oder sogar mit Einstimmigkeit den ersten Gesetzentwurf abgelehnt.

Gerade vor diesem Hintergrund gab es dann beeindruckende Voten, auch was die inhaltlichen Fragen anging, bei den Anhörungen im Sonderausschuss hier im Landtag. Eines wurde in diesen Anhörungen immer wieder deutlich: Der Gesetzestext in Gänze ist nicht fehlerfrei. Es bleiben die Fragen, die Brüche in der Logik des Gesetzentwurfes, es bleiben sachlich falsche Darstellungen und Wertungen oder auch sachlich falsche Angaben, zum Beispiel bei der Frage der Kosten-Nutzen-Rechnung. Und gerade dieser Punkt, die Kosten-Nutzen-Frage, sollte ein Hauptgrund für den Gesetzentwurf sein. Dies ist aber einer der argumentativ schwächsten Punkte des gesam

ten Gesetzes. Mit Mutmaßungen, Hoffnungen und Erwartungen wird argumentiert, nicht aber mit Fakten. Und selbst der Grundstock der Frage der finanziellen Betrachtungen, was bringt eine Verwaltungs- und Funktionalreform, was bringt eine Kreisgebietsreform, also eine Kosten-Nutzen-Analyse der Reform von 1994, an der man das hätte abarbeiten können, wurde bis zum jüngsten Tag nicht geliefert.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Ja, das ist unsere Regierung.)

Herr Walther, kann ich Sie einmal kurz unterbrechen?

Ja, gern.

Meine Damen und Herren! Auf Einladung des Auswärtigen Amtes weilt zurzeit eine Delegation von Mitgliedern der Föderativen Republik Brasilien in Mecklenburg-Vorpommern, die soeben auf der Besuchertribüne Platz genommen hat. Ich begrüße recht herzlich im Landtag Mecklenburg-Vorpommern die Delegationsleiterin Frau Maria Helena Veronese Rodrigues, Abgeordnete der Kammer des brasilianischen Kongresses und Ausschussvorsitzende des Parlamentsausschusses für Amazonien, Nationale Integration und Regionale Entwicklung, sowie alle weiteren Delegationsmitglieder recht herzlich.

(Heiterkeit und Zuruf von Lorenz Caffier, CDU)

Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt in unserem schönen Mecklenburg-Vorpommern.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, CDU und Linkspartei.PDS)

Danke schön, Herr Walther, jetzt haben Sie wieder das Wort.

Kommen wir von der weiten Welt und dem fernen Brasilien wieder zurück ins irdische Mecklenburg-Vorpommern. Ich hatte gerade zuletzt ausgeführt, dass eine Kosten-Nutzen-Rechnung der Kreisgebietsreform von 1994, die uns durchaus hätte inhaltlich ein Grundstock für eine Diskussion sein können, nie vorgelegen hat.

Damit komme ich zu den Hauptkritikpunkten aus meiner Sicht des heute vorliegenden Gesetzentwurfes. Zum Ersten ist es die fehlerhafte Darstellung der finanziellen Auswirkungen. Ich hatte das eben dargestellt. Zum Zweiten ist es die aus meiner Sicht drastische Reduzierung der Anzahl der gewählten Mitglieder der Kreistage.

Wenn ich heute hier gehört habe, dass die qualitative Ausgestaltung des Ehrenamtes der Kreistage eines der wichtigsten Argumente sei und nicht die der quantitativen, dann will ich sagen, sowohl als auch. Die qualitative Sicht ist sicherlich sehr entscheidend, aber die quantitative, wer vertritt hier wen und auch in welcher Proportion, glaube ich, sollte nicht unterbelichtet werden. Und da – das muss ich ganz ehrlich sagen – greift die Logik nicht, wie sie jetzt vorgelegt wurde, denn wir haben unter anderem immer die demografische Entwicklung unseres Landes als einen der Hauptgründe angeführt, warum wir unter anderem auch bei den Fragen der ehrenamtlichen Vertretungen reduzieren müssen. Wir gehen immer von einer Reduzierung der Bevölkerung in den nächsten Jahren von 15 bis 20 Prozent bei uns im Land Mecklenburg-Vorpommern aus, aber bei der Anzahl der gewählten Mitglieder der

Kreistage haben wir eine Absenkung von heute 870 auf künftig 389, was einer Reduzierung um über 55 Prozent gleichkommen würde. Es ist eine dieser Stellen, von denen ich vorhin sprach, wo ein Bruch im System des Gesetzes als solches zu erkennen und auch nicht logisch zu erläutern ist. Auch aus diesem Punkt heraus werden sich verfassungsrechtliche Bedenken ableiten. Es ist schon traurig, mit anzusehen, wie auf den Weg gebracht wird, dass hier eine verfassungsrechtliche Klärung uns definieren wird, was vertretbar ist und was nicht.

Es gibt aber auch aus der verfassungsrechtlichen Frage heraus aus meiner Sicht Kritik, was die definierte Rolle der Landkreise bei uns im Land angeht. Die Landesverfassung schreibt diese Rolle eindeutig vor. Da klingt es dann schon so ein bisschen wie das Pfeifen im Walde, wenn ich nun kurz vor der heutigen Verabschiedung des Gesetzes höre, dass die Verfassungsbedenken gar nicht so groß seien. Ich habe ganz andere Argumente und auch inhaltliche Debatten gehört, als wir uns im Zuge der Anhörung mit diesen Fragen beschäftigt haben.

Ich komme in einem vierten Punkt auf eine Frage, bei der ich ein wenig stärker als allgemein üblich an diesem Gesetzesprozess ins Grübeln gekommen bin, und zwar beim Lesen des Paragrafen 101 der Beschlüsse des Sonderausschusses. Hier wird unter der Überschrift „Entwicklung der Gemeindestrukturen“ eine kurze inhaltliche Abhandlung dargestellt.

(Vizepräsidentin Renate Holznagel übernimmt den Vorsitz.)

Ich sage, wie ich sie verstehe. Ich verstehe diese Darstellung so, dass sie der Türöffner sein soll für eine wiederholte Vergrößerung der Ämterstrukturen in unserem Land. Und hier, das sage ich auch eindeutig, stimmt etwas nicht. In meinem Amt war es so, dass wir im Jahre 2004 einen Brief bekamen vom Innenministerium, seinerzeit noch vom Mitarbeiter Herrn Darsow, der uns klar machte: Ihr, liebe Gemeinden, mit eurem Amt müsst dafür Sorge tragen praktisch in der Vorausschau auf eine Verwaltungs- und Funktionalreform im Land, ihr müsst neue Ämterstrukturen schaffen. Da wurden wir damals motiviert, quasi als Vorleistung unsere Ämter umzugestalten. Nun höre ich heute, dass diese Umgestaltung quasi für die Katz war und wir wieder zu dem Punkt kommen, wo festgestellt wird, dass diese Strukturen nicht ausreichend sind. Ich glaube nicht, dass das in der jetzigen Diskussion gerade gegenüber den Kommunen eine Situation ist, mit der die Kommunen gut umgehen können.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS und Lorenz Caffier, CDU)

Und dann erinnere ich mich an ein Argument, was derjenige noch einmal geäußert hatte, der seinerzeit von der Landesregierung bestellt war, und zwar von Professor von Mutius. Er sagte eindeutig in seinem Statement: „Den neu entstehenden Großkreisen fehlt dann der passende kommunale Unterbau.“ Das heißt, wenn wir heute diesem Gesetzentwurf zustimmen, dann werden wir morgen die Strukturen unserer Gemeinden und Ämter zur Disposition stellen.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Nein, wir werden über sie reden, Gerd.)

Darüber müssen wir uns schon heute im Klaren sein.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Wir werden über sie und mit ihnen reden.)

Ich sage es so, wie ich es lese.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Du hast aber falsch zitiert.)

Und ich habe in den dreieinhalb Jahren hier das eine oder andere hoffnungsvolle Denken abgelegt.

(Torsten Renz, CDU: Das steht nachher alles im Protokoll. – Zuruf von Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU)

Ich habe es so gesagt, wie ich es hier lese. Ich gehe davon aus, dass das auch so passieren wird.

Als letzten Punkt meiner inhaltlichen Ausführungen möchte ich noch kurz auf die erhofften Effektivierungen im Bereich der zentralen und größeren Verwaltungen eingehen. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich sagen, dass ich es einmal nicht aus der Sicht der betroffenen Bürger und der Bürgernähe machen möchte. Wir haben immer und auch parteiübergreifend gesagt, der Bürger soll möglichst keinen Weg mehr zum zuständigen Landratsamt gehen müssen. Und deshalb möchte ich einmal aus der Sicht der Verwaltung darstellen, was ich glaube, was an dieser Stelle inhaltlich Fakt ist.

Aus eigener Erfahrung bei der Übersiedlung einer kleinen Struktur in eine größere kann ich Ihnen sagen, als Erstes leidet die Motivation in der Verwaltung bei den Mitarbeitern, wenn wir in größere Verwaltungen umziehen. Es ist immer festzustellen, das kann man zwar bedauern, aber es ist leider so, dass die Verwaltung anonymer wird. Sie wird unpersönlicher und sie trägt im Konsens dieser eben genannten Punkte nicht zur Motivierung der Mitarbeiter bei. Anderes wäre zu hoffen, ist aber leider fernab der Realität. Ich kann das selbst aus den Erfahrungen von 1994 bis zum heutigen Tage aus den Verwaltungen so resümieren.

Zum Schluss möchte ich noch einmal sagen – weil ja immer wieder die Frage gestellt wird, sich jetzt hier als Reformgegner aufzustellen –, dass das nicht meine Intention ist. Wir haben immer dafür gestritten. Ich fand es heute Morgen auch gut bei der Demonstration vor dem Landtag, dass gesagt wurde: Verwaltungsmodernisierung, ja! Diese Kreisgebietsreform, nein! Das ist ein Punkt, den ich auch unterstützen kann. Ich habe es mir in den letzten Wochen nicht leicht gemacht. Ich habe meine Basis befragt, denn ich bin auch Kreisvorsitzender der Linkspartei.PDS im Uecker-Randow-Kreis, wie sie zu dieser Frage steht, unter anderem auch zugespitzt auf die Frage: Wie sieht es denn jetzt aus mit den fünf Kreisen? Wollt ihr sie oder wollt ihr sie nicht? Und meine Basis, das kann ich zumindest an dieser Stelle sagen, hat mich noch einmal eindeutig darin bestärkt, hier so zu verfahren, wie ich es angekündigt habe.

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Immerhin haben sich ja 72 Prozent der Mitglieder, die an dieser Befragung teilgenommen haben, gegen fünf Großkreise ausgesprochen. Ich gehe davon aus, dass ich hier mit dem entsprechenden Rückhalt der Basis heute in die Abstimmung gehen kann. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Danke schön, Herr Walther.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Ankermann von der Fraktion der CDU.

(Der Abgeordnete Michael Ankermann ist nicht anwesend. – Minister Erwin Sellering: Der ist zum Glück nicht da.)

Dann hat jetzt das Wort Herr Dr. Born von der Fraktion der CDU.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD und CDU – Der Abgeordnete Dr. Ulrich Born ist nicht anwesend. – Zurufe aus dem Plenum: Ah, weiter! Weiter! – Minister Erwin Sellering: Ist jetzt verfallen. – Der Abgeordnete Dr. Ulrich Born betritt den Plenarsaal. – Minister Erwin Sellering: Jetzt aber schnell!)