Die Vorredner haben es bereits aufgezeigt, das heute zur Abstimmung stehende Gesetzeswerk betrifft beinahe alle Politikbereiche und es wird schließlich bis in den letzten Winkel der Organisation unseres gesellschaftlichen Lebens hineinwirken. Dies gilt daher natürlich auch für den Bildungs- und Kulturbereich. Die Änderungen für diesen Bereich sind weitgehend im Teil I Kapitel 4 für den Geschäftsbereich des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur zusammengefasst. Auf den ersten Blick wirkt diese Zusammenfassung eher überschaubar, aber in der Öffentlichkeit haben genau diese Punkte für viel Verunsicherung und Unmut gesorgt.
(Unruhe bei Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS, und Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS – Heiterkeit bei Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS)
Wenn dort gelacht wird, muss ich Ihnen sagen, es tut mir Leid, dass wir hier über eine differenzierte Wahrnehmung verfügen, aber es ist nun mal wahrscheinlich die Natur der Sache.
Es werden weit reichende negative Konsequenzen befürchtet, die auch bei den Ausschusssitzungen – und hier beziehe ich natürlich die Sonderausschusssitzungen mit ein – nicht wirklich ausgeräumt werden konnten. Mit Entschließungsanträgen, also Willensbekundungen, werden behelfsmäßig Interpretationswünsche formuliert, die un
fertige, aber gesetzlich festgeschriebene Intentionen nach außen ein wenig glatt bügeln sollen, so geschehen im Kapitel 4 der Funktionalreform I, Paragraf 18, laut Beschlussempfehlung Paragraf 17, der die Schulangelegenheiten, und Paragraf 20 nach dem Entwurf, nach der Beschlussempfehlung Paragraf 19, der die Fördertatbestände regelt.
Zum Paragrafen 18: Hier wird geregelt, dass die Aufgaben der Schulämter den Landräten übertragen werden. Nach Paragraf 89 Absatz 2 sollen die Schulräte beim Land verbleiben.
Ohne genaue Festlegung von künftigen Aufgaben der Schulräte im Rahmen einer neu zu definierenden Schulaufsicht wird dies zunächst viele Fragen aufwerfen. Den Einzelnen wird sicher überdies interessieren, von wo aus er oder sie letztlich die ihn oder ihr zugedachte Rolle erfüllen soll. In der Entschließung benennen Sie dieses Problem auch, sprechen es an und sagen, dass Sie den entsprechenden Paragrafen genau so verstanden wissen wollen. Das steht aber nicht im Gesetz, sondern nur in der Entschließung.
Zu klären bleibt überdies die Frage – und wir haben eben viel über Personal und Überleitung von Personal vom Land auf die Kommunen gehört –, ob nicht auch die Landkreise für die Übernahme des schulpsychologischen Dienstes vom Land eine Erstattung erhalten sollten, so wie vom Städte- und Gemeindetag völlig zu Recht gefordert und von uns in die Beantragung mit aufgenommen.
Absatz 2 des Paragrafen 18 im Entwurf regelt indes die Übertragung der inneren Schulangelegenheiten auf die Kreise mit dem Auslaufen des Lehrerpersonalkonzeptes. In verschiedenen Ausschusssitzungen, meine Damen und Herren, haben beispielsweise der Innenminister höchstselbst, Vertreter des Städte- und Gemeindetages und Vertreter der GEW deutlich angesprochen, dass über ein Auslaufen des Lehrerpersonalkonzeptes niemand Genaues sagen könne, es kein Datum gebe beziehungsweise von einem Auslaufen gar nicht gesprochen werden könne.
Unser Vorschlag, bitte die beiden Absätze zu streichen, bis dieser Fakt endlich geklärt ist und man weiß, wohin die Reise einmal gehen soll, um Verunsicherungen in den Landkreisen, Städten, Gemeinden und Schulen zu vermeiden, erfuhr leider keine Berücksichtigung. Stattdessen soll der Absatz 2 nun als Prüfauftrag bis 2008 verstanden werden. So steht es auch wieder nur in der Entschließung.
Ich möchte an dieser Stelle ein Sonderausschussmitglied aus einer öffentlichen Sitzung zitieren, das treffend hierzu feststellt: „Dieser Antrag bedeute, dass man eigentlich nicht wisse, was man wolle. Man wisse nur, dass man etwas wolle, und das solle schnell beschlossen werden.“ Dem ist eigentlich kaum etwas hinzufügen.
Meine Damen und Herren! Für Aufregung bei den Musikschulen und Elternvertretungen der Musikschulen hat die bereits erwähnte Veränderung der Förderung durch das Land gesorgt. Die Musikschulen saßen nicht
bei den Anhörungen dabei. Trotzdem haben sie Stellungnahmen abgeliefert, immer das Gespräch gesucht, aber leider wurden sie nicht gehört. Künftig sollen die Musikschulen über das Finanzausgleichsgesetz in pauschalierter Form nach Einwohnerschlüssel der Kreise und großen kreisangehörigen Städte gefördert werden.
Die Verteilung der Mittel soll zweckgebunden erfolgen. Das hat der Minister in verschiedenen Ausschusssitzungen auch immer wieder bestätigt.
Was auf den ersten Blick allerdings den Anschein von Bürgernähe und auch Fairness hat, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als großes Risiko für die bestehenden Musikschulen und ihre Außenstellen, meine Damen und Herren. Im Ausschuss sagt der Minister zu, dass keine Musikschule im Land weniger Fördermittel bekommt, da die Mittel nicht gekürzt, sondern auf die Finanzausgleichszahlungen aufgesattelt werden. Herr Müller als Ausschussvorsitzender hat das auch noch einmal klargestellt im Ausschuss. Von welcher Größe, meine Damen und Herren, gehen Sie denn aber bei dieser Aufsattelung aus? Wir reden über das Jahr 2009. Momentan erhalten die Musikschulen jährlich 3,4 Millionen Euro aus dem Kulturfördertopf des Einzelplans 07. Jede Haushaltsberatung, fast jede Haushaltsberatung war bisher dadurch geprägt, dass wir um eine Verstetigung dieser Fördermittel im Fachausschuss ständig kämpfen mussten.
Ich finde im ganzen Verwaltungsmodernisierungsgesetz keinen Hinweis darauf, dass diese 3,4 Millionen Euro in das FAG einfließen. Unsere Sorge ist – und nicht nur unsere Sorge –, dass die Aufgaben, die die Kommunen aus dem FAG bestreiten müssen, mehr werden, der Finanztopf gleich klein bleibt und der Kuchen damit für alle kleiner wird. Das bedeutet dann natürlich konsequenterweise das Ende vieler Musikschulen im Land. Bei nur einer Musikstunde in der Schule pro Woche, also ein Einstundenfach, ist dies sicherlich keine Sternstunde für die musische Ausbildung unserer Kinder und Jugendlichen in diesem Land. Zudem wird aus der Begründung zum Gesetzentwurf ersichtlich, dass ohne einen festen Verbundsatz auch die Zuwendungen im FAG bei der Beschlussfassung zu den Haushalten immer neu beschlossen werden müssen. Es ist immer wieder ein Verhandlungs- und Diskussionspunkt, der neu ausgehandelt werden muss.
Für Nervosität, meine Damen und Herren, sorgt auch der Wegfall des pflichtigen Anteils der Kreise, die natürlich bei sinkenden Einnahmen, was immer wieder beklagt wird, sicher über die Streichung dieser freiwilligen Aufgabe, denn die ist es dann nur noch, nachdenken müssen, erst recht, wenn die oberste Kommunalaufsicht, also das Innenministerium, bei der Genehmigung der Kreishaushalte genau hier harte Einschnitte fordert.
Ausgeblendet wird auch die Tatsache, dass die Schülerzahl an den Musikschulen nicht proportional zu den Einwohnerzahlen in den Regionen sinkt, die in einem Großkreis zusammengefasst werden. Im Gegenteil, es gibt lange Wartelisten. Ich denke, Sie alle können an Ihrer Kreismusikschule, wenn Sie sie mal besuchen, Ähnliches erfahren. Angebot und Nachfrage klaffen hier ein Stückchen auseinander. Durch den Neuzuschnitt der Kreise und die Neufassung der Finanzierung befürchten wir, dass diese Schere noch weiter auseinander gehen wird.
Meine Damen und Herren! Schon jetzt gibt die Fördersumme nicht mehr die anteilige Finanzierung von 30 Prozent des Musikpädagogenpersonals her, wie es einst gewollt war. Die Musikschulen kommen von 40 Prozent und sind sukzessive heruntergefahren worden auf 30, aber selbst das wird gar nicht mehr erreicht, wenn man die ganzen Kostensteigerungen bedenkt. Jetzt liegen sie gerade einmal knapp über 20 Prozent. Und dennoch leisten die Musikschulen mit größter Anstrengung eine hervorragende Arbeit, auf die wir alle mit Recht stolz sein können.
So konnten zum Beispiel gerade in diesem Jahr so viel Teilnehmer zum Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ geschickt werden wie noch nie.
Eine faire Verteilung der natürlich nie als ausreichend empfundenen Mittel wurde bisher durch die geltende Förderrichtlinie höchstmöglich sichergestellt. Ich sage mit Absicht höchstmöglich. Da ist man sich draußen auch ziemlich einig. Die neue Verteilpraxis aber kann eine deutliche Schlechterstellung einzelner Musikschulen bedeuten, zumindest wenn wir den Vergleich der Finanzierung zwischen heute und morgen vornehmen werden.
(Heiterkeit bei Wolfgang Riemann, CDU: Kerstin, ihr werdet euch noch polnische Schüler holen müssen.)
Die Befürchtung, dass es eine Konzentration der Musikschularbeit in den großen Zentren geben könnte und das Angebot in der Fläche deutlich reduziert wird, ist ebenfalls nicht von der Hand zu weisen.
Was Ihr Gesetz nicht an Bedenken ausräumen kann, wird in der genannten Entschließung allerdings von Ihnen wieder aufgegriffen. Die Intention und die Interpretation dieses Paragrafen, der die Fördertatbestände regelt, sollen sicherstellen, dass es zu keiner Schlechterstellung der Musikschulen kommen darf.
schließungsantrag von Ihnen gestellt worden. Leider kommt der so konkret in der jetzigen Beschlussfassung nicht mehr vor.
Ihre Intention in allen Ehren, das muss ich sagen, aber die Intention alleine ändert nicht die Buchstaben des Finanzausgleichsgesetzes.
(Beifall Renate Holznagel, CDU, und Wolfgang Riemann, CDU – Wolfgang Riemann, CDU: So ist es. Das muss doch mal gesagt werden, Kerstin.)
Und wir sehen bei der Theaterfinanzierung, dass die Gerechtigkeit für jeden Einzelnen relativ ist. Es wird sicherlich schwer werden, die Kriterien zu finden, um Qua
dass wir die Musikschulen so erhalten, dass sie auch künftig in bundesweiten Wettbewerben beachtenswerte, tolle Erfolge erzielen können.
Der Vorschlag, der nun von Ihnen folgt, und zwar per Entschließungsantrag, meine Damen und Herren, ist aber der Status quo der jetzigen Verteilpraxis, und das ist eigentlich das Paradoxe daran, das kann ich Ihnen hier nicht ersparen. Sie fordern eine anteilige, fachbezogene und an Qualitätskriterien orientierte Zuwendung, die sich an der gültigen Förderrichtlinie orientiert. Warum nehmen Sie eigentlich eine Änderung der gegenwärtigen Praxis im Gesetz vor, wenn Sie quasi im Rückzugsgefecht über einen Entschließungsantrag genau diesen Status wieder herstellen wollen, und folgen unseren Anträgen dann nicht? Das kann keiner mehr nachvollziehen.
Meine Damen und Herren! Willensbekundungen, Interpretationen, Absichtserklärungen bringen Sie, aber keine konsequente adäquate Änderung im Gesetz, jedenfalls nicht zu diesen Themen. Diesen Schritt haben Sie unverständlicherweise gescheut. Da frage ich mich natürlich: Warum eigentlich? Sie sind doch der Gesetzgeber, nicht der Innenminister. Und Entschließungen – da muss ich auch mal sagen, was Frau Meˇsˇt’an hier vorhin sagte – sind Merkposten für die Zukunft. Ja, aber diese Merkposten für die Zukunft sind nicht verbindlich. Sie fallen auch der Diskontinuität anheim, meine Damen und Herren. Sie müssen nicht zwingend umgesetzt werden. Was hat nun die Verbindlichkeit eines Entschließungsantrages gegenüber der Verbindlichkeit im Gesetzentwurf?
Dort hätten Sie die Änderungen, wenn Sie es wirklich ernst gemeint hätten, vornehmen müssen und nicht in Entschließungsanträgen.
Meine Damen und Herren! Ich habe mit Absicht nur wenige Punkte herausgegriffen, die nicht nur mich besonders bewegen. In einem ganz anderen Zusammenhang ist das Wort „Gschmäckle“ aus dem Schwabenländle in der Zwischenzeit deutschlandweit bekannt geworden. Es ist deshalb auch das Wort, welches Ihren Gesetzentwurf vielleicht ganz gut trifft. Ich finde, dieser Gesetzentwurf hat das Gschmäckle von Unüberlegtheit, Unreife, wie Sie selber mit Ihrem Entschließungsantrag darstellen, vielleicht ein bisschen Übereifer und auch ein Stück Abgehobenheit vom Bürger. Ich habe das versucht, mit diesen zwei Beispielen deutlich zu machen. Deshalb, meine Damen und Herren, überlegen Sie sich genau, was Sie heute tun. Das Ausschlagen vieler Gegenargumente – auch wenn man das vielleicht anders sieht in der Gesamtauffassung – und das brachiale Durchsetzen eines Gesetzesvorhabens ist Ihnen schon einmal auf die Füße gefallen. Darum werden Sie heute mit einem Volksbegehren zu Ihrem Schulgesetz konfrontiert und schon jetzt lehnen 80.000 Unterzeichner mit diesem Begehren Ihre so genannte Schulreform ab.