Protocol of the Session on January 26, 2006

Habe ich Ihre Befürchtung damit beseitigt? Gut, dann kann ich das auch nicht ändern.

Vielleicht noch ein letzter Satz: Herr Kollege Petters, Sie haben vorhin Niedersachsen zitiert und zwei Fälle, wenn ich das jetzt richtig in Erinnerung habe, die negativ aufgefallen wären, ich glaube, eine Fahrt ohne Begleitung, und das andere weiß ich jetzt gar nicht. Vielleicht liegt das daran, dass das Norddeutsche waren, die vom Grundsatz her etwas vernünftiger sind.

(Heiterkeit bei Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS)

Ich habe dieser Tage noch eine Notiz gefunden, die ist vom 15.01. Darin ging es um einen 17-Jährigen in Amberg – in Bayern ist das ja inzwischen auch eingeführt. Dieser ist mit dem Wagen seiner Mutter gegen einen Gartenzaun gefahren und hat dabei einen Schaden von 15.000 Euro verursacht. Es geht also auch anders. Aber auch da konstatiere ich, das kann Ihnen auch mit 35 oder mit 70 passieren.

(Zuruf aus dem Plenum: Auch mit 80.)

Das ist letztendlich kein Argument. – Danke schön.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Schulte.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Schwebs von der Fraktion der Linkspartei PDS.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Was unterscheidet unser Land eigentlich unter dem Aspekt der Verkehrserziehung betrachtet von solchen Bundesländern wie NordrheinWestfalen, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, SchleswigHolstein? Wir sind vorbildlich in der Verkehrserziehung der Jüngsten in der Gesellschaft, das zeigen die Rahmenpläne und Konzepte, nach denen die meisten Kitas hier im Lande arbeiten. Insbesondere im Vorschuljahr ist die Verkehrs- und Mobilitätserziehung ein Schwerpunkt. Aber

sind wir auch noch gut, wenn es um die elterliche Verantwortung für dieses Thema geht? Verkehrs- und Mobilitätserziehung fängt in der Familie an und erleidet nach Aussagen von Experten auch dort schon den ersten Schiffbruch. Nur selten üben Eltern beispielsweise mit ihren Kindern vor dem ersten Schultag den künftigen Schulweg. Noch sehr viel häufiger werden Kinder von den Eltern in die Schule gefahren. Auch und gerade in den Städten unseres Landes gehen die Kinder nicht zu Fuß zur Schule. Auf diese Problematik verweist im Übrigen in jedem Jahr zum Schulanfang die Kampagne „Schulanfänger, gib Acht!“, die die Aufmerksamkeit der Kraftfahrer auf die ABC-Schützen und deren unberechenbares Verhalten lenken soll.

In den ersten sechs Jahren des Schulbesuches findet in allen Bundesländern, so schätzen Experten ein, eine vorbildliche Mobilitäts- und Verkehrserziehung durch die Lehrer und auch durch externe Angebote der Polizei und der Verkehrswacht statt. Die Kinder betätigen sich bei uns im Land beispielsweise als Schülerlotsen. Bei den Kleineren in unserem Land können Sie mal fragen, wer von ihnen die Verkehrsmöwe Klara nicht kennt. Ich wette, die meisten Kinder wissen von ihr und auch, warum sie in die Schulen kommt.

Mit dieser Verkehrs- und Mobilitätserziehung in den ersten Schuljahren können mögliche Defizite aus der früheren Kindheit kompensiert werden. Das zeigen umfangreiche, auch wissenschaftlich begleitete Untersuchungen und Testate in den betroffenen Altersgruppen. Ganz anders sieht es in den kommenden Schuljahren aus. Ich zitiere: „Zwischen 1980 und 2002 wurde zwar die Ausstattung der Sekundarstufe verbessert, jedoch lassen sich nur wenige Fortschritte in der Verkehrerziehung selbst beobachten. In der Verkehrserziehung in der Sekundarstufe überwiegen herkömmliche Unterrichtsmethoden. Sie findet meist im Klassenraum statt, seltener im Verkehrsraum selbst. Der Wissenstest zeigte gravierende Mängel bei den Verkehrskenntnissen der Schüler/innen.“ Zu diesem Ergebnis kommt Professor Weishaupt von der Bergischen Universität Wuppertal im Rahmen einer Tagung der Bundesanstalt für Straßenwesen im Dezember 2004.

Von vielen Wissenschaftlern, aber insbesondere auch von Lehrern wird beklagt, dass die von der KMK gewollte flächenübergreifende Verkehrs- und Mobilitätserziehung in der Sekundarstufe quasi nicht stattfindet. Natürlich gibt es viele engagierte Lehrerinnen und Lehrer auch bei uns im Land, die das freiwillig machen, aber das ist nicht flächendeckend. Und gerade diese Jahre, die die Kinder in der Sekundarstufe in der Schule verbringen – und wer Kinder hat, weiß es aus eigenem Erleben –, sind für die Heranwachsenden die schwierigsten Jahre. Sie kommen in die Pubertät, werden oftmals von gleichaltrigen Freunden und Gruppen mehr beeinflusst als von den Eltern. Sie wollen und sie sollen sich als eigenständige Persönlichkeiten entwickeln und sich emanzipieren. Das passiert oftmals im Widerspruch zu den Eltern und anderen Autoritäten. Die bewusste Ignoranz, das Überschreiten von Normen und das Austesten des Möglichen sind in diesem Alter eine ganz allgemeine Erscheinung. Das Ergebnis: Die Jugendlichen haben in der Regel mit 16 und 17 Jahren, wenn sie sich in der Fahrschule anmelden, keine ausreichende soziale und fachbezogene Kompetenz, um ihr Verhalten im Straßenverkehr möglichst partnerschaftlich, unauffällig, unfallfrei und vor allen Dingen gesetzestreu zu

gestalten. Dieses ist eine bundesweite Tendenz. Um diesem wirksam etwas entgegenzusetzen, wurde das Modell des begleiteten Fahrens mit 17 Jahren entwickelt. Es ist inzwischen erfolgreich in der Praxis angewandt, und zwar nicht nur in Niedersachsen, da möchte ich den Kollegen Petters ergänzen, sondern auch in Frankreich, in Luxemburg, in Österreich, in Skandinavien und weiß der Fuchs wo noch.

An dieser Stelle, meine Damen und Herren, komme ich auf meine eingangs gestellte Frage zurück. Was unterscheidet unser Land von den vorhin aufgezählten Bundesländern und ab dem 1. Februar auch von Brandenburg? In all diesen Bundesländern haben die Jugendlichen die Chance, ein Jahr lang Verkehrsicherheit und sicheres Fahren in der Praxis zu trainieren, und zwar freiwillig, nicht gezwungenermaßen, denn niemand muss die Fahrprüfung mit 17 machen. Machen wir uns nichts vor, es wird auch kein Jugendlicher, wenn er endlich 18 Jahre alt ist und den Führerschein erworben hat, freiwillig ein Jahr lang mit einer Begleitperson fahren, die Mutter zum Einkaufen oder den Vater zum Baumarkt begleiten. Das macht doch kein 18-Jähriger mehr. Dieses Eingeständnis, dass man nach bestandener Fahrprüfung zwar fahren darf, es aber eigentlich nur in den Grundzügen kann, werden Sie von den wenigsten Jugendlichen hören.

Herr Minister Ebnet, vielleicht kann ich Ihnen etwas Neues erzählen. In den Niederlanden wurde das Modell „Begleitetes Fahren“ beim Militär als Modellprojekt erprobt. Eine Schlussfolgerung des Militärs aus diesem Modellprojekt war, Quantität geht vor Qualität, also gefahrene Kilometer sind das Allerwichtigste.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und Linkspartei.PDS – Wolfgang Riemann, CDU: Genau.)

Mit dem Training soll so früh wie möglich begonnen werden, denn, so haben es die Militärs erkannt, 18-Jährige sind lange nicht mehr so motiviert, begleitet zu fahren, weil sie sowieso fahren dürfen.

(Beifall Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS)

Warum sollten sie sich zu diesem Zeitpunkt noch unter die Aufsicht Erwachsener stellen?

(Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Sehr richtig. Da haben Sie total Recht.)

Den traurigen Beweis für diese Behauptung liefern die jährlichen Unfallstatistiken, in denen die Jugendlichen zwischen 18 und 24 Jahren überproportional auftauchen, in der Mehrzahl nicht als Opfer, sondern als Unfallverursacher. Die Ursachen für die Unfallhäufigkeit bei den Jugendlichen werden im Allgemeinen auf zwei Dinge zurückgeführt:

Erstens ist es das so genannte Anfängerrisiko, das sich nach durchschnittlich neun Monaten Fahrpraxis oder bei circa 5.000 Kilometern, die man gefahren hat, nachweislich und deutlich reduziert. Da ist es egal, ob man den Führerschein mit 17 macht, mit 20 oder mit 30 oder wie manche Menschen erst mit 60. Eine Ursache für dieses Anfängerrisiko ist die mangelnde Routine im Prozess des Fahrens und die daraus resultierende hohe kognitive Beanspruchung der Fahranfänger. Hier hilft nur, und das wissen Sie alle aus der eigenen Fahrschule, üben, üben, üben,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU und Linkspartei.PDS)

üben, um den Kopf für vorausschauendes Fahren überhaupt erst einmal frei zu bekommen.

Die zweite Ursache für die hohen Unfallzahlen unter jugendlichen Fahranfängern liegt in der oben geschilderten jugendlichen Selbstüberschätzung und in der erhöhten Risikobereitschaft. Auch hier hilft nur üben, üben, üben und eigene Erfahrungen sammeln. So, wie die Eltern fahren, wird man sowieso niemals fahren, denn als Jugendlicher fährt man a priori besser.

(Beifall Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU)

An dieser Stelle, meine Damen und Herren, setzt die Verantwortung der Gesellschaft ein. In diesem Falle sind wir diejenigen, die darüber entscheiden müssen. Die Gesellschaft setzt die Rahmenbedingungen, in denen sich die Fahranfänger zurechtfinden müssen. Ich meine, in diesem Findungsprozess dürfen wir die jugendlichen Fahranfänger nicht länger allein lassen und vielleicht darauf hoffen, dass Eltern oder ältere Freunde heimlich und gesetzeswidrig mit den Fahrschülern üben, wie man routiniert fährt und wie man schaltet, ohne immerzu auf den Schalthebel zu schauen, weil man die Augen braucht, um auf den Verkehr zu achten.

(Karin Strenz, CDU: Genau.)

Die Fahrprüfung mit 17 Jahren und dann ein Jahr unter der Aufsicht von konkret benannten und konkret verantwortlichen Begleitpersonen zu fahren, das ist eine Chance für Jugendliche, die effektive Lernzeit zu verlängern. Und, Herr Schulte, diese Jugendlichen, die das durchgemacht haben, haben nicht ein Jahr Fahrpraxis mehr als die Jugendlichen, die mit 18 den Schein machen, sondern sie haben überhaupt erst mal ein Jahr Training hinter sich im Vergleich zu den Jugendlichen,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU und Linkspartei.PDS – Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

die mit 18 fahren lernen und die dann sofort für zwei Jahre den Führerschein auf Probe haben. Die Jugendlichen, die das begleitete Fahren anwenden, trainieren natürlich unter verschiedenen Fahrbedingungen. Ich denke, wir sollten ihnen einfach diese Chance geben, um das Unfallgeschehen auf unseren Straßen zu minimieren.

Gestern Abend hörte ich zu diesem Unfallgeschehen, wie die Mutter eines der Opfer des schrecklichen Unfalls auf der Insel Rügen sagte: „Auf unseren Straßen herrscht Krieg.“ Um dieses Unfallgeschehen zu minimieren, wird es Zeit, denke ich, dass auch in unserem Land die Verordnung des Bundes über die freiwillige Fortbildung von Inhabern der Fahrerlaubnis auf Probe, die so genannte zweite Phase in der Fahrausbildung, umgesetzt wird. In 14 Bundesländern ist das bereits möglich. In Mecklenburg-Vorpommern warten Fahranfänger und Fahrlehrer immer ungeduldiger darauf, dass diese freiwillige Fortbildung möglich wird. Ich weiß, im Verkehrskonzept, das wir im Jahr 2004 hier im Landtag behandelt haben, wird die zweite Phase abgelehnt, wegen der dadurch möglichen Verkürzung der Probezeit. Aber ich bin der Meinung, wenn diese zweite Phase an das begleitende Fahren gekoppelt wird, kann der Beobachtungs- und Betreuungsrahmen für jugendliche Fahranfänger um nochmals drei Monate auf zwei Jahre verlängert werden. Auch dieses könnte die Sicherheit im Verkehrsgeschehen nachhaltig und positiv beeinflussen.

(Beifall Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS, und Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss noch eines sagen: Das begleitete Fahren von Jugendlichen nur unter dem Aspekt einer von Jugendlichen gewünschten früheren individuellen Mobilität zu betrachten greift zu kurz. Das zeigt uns auch ein Blick ins Ausland, nämlich nach Schweden. Dort ist es seit 1993 möglich, mit 16 die Führerscheinprüfung abzulegen und zwei Jahre begleitet zu fahren. In der Anfangszeit nutzten circa 65 Prozent der Jugendlichen diese Möglichkeit. Heute sind es nur noch 35 Prozent, die das nutzen. Die Ursachen sind simpel: In Schweden wurde und wird im Unterschied zu Deutschland nicht die individuelle Mobilität privilegiert, sondern Öffentlicher Personennahverkehr und Schienenpersonennahverkehr haben Vorrang. Preise für Fahrkarten sind erschwinglich, ländliche Regionen können regelmäßig und unkompliziert mit Bus, Bahn oder Sammeltaxis erreicht werden. Auch das, meine Damen und Herren, erscheint mir eine legitime und notwendige Möglichkeit, mehr Verkehrssicherheit in unserem Lande zu erreichen. Aber das ist ein Problem, das heute nicht auf der Tagesordnung steht. Ich kann Ihnen aber versichern, die Linkspartei.PDS ist wild entschlossen, dieses Thema zu gegebener Zeit wieder aufzurufen.

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Ich bitte Sie um Zustimmung zu dem hier vorgelegten Antrag und dem Überweisungsantrag aus der CDU-Fraktion, sodass wir wirklich im Interesse der Sicherheit von Jugendlichen schnell zu einer Entscheidung kommen können. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS – Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Das ist in meinem Interesse.)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Schwebs.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Kokert von der Fraktion der CDU.

(Beifall Egbert Liskow, CDU, und Wolfgang Riemann, CDU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein geschätzter Kollege Harry Glawe hat mich gebeten, diese Rede heute für ihn vorzutragen, da er erkrankt ist. Das tue ich natürlich gern.

Eins hat die Diskussion gezeigt: Wir reden von ganz unterschiedlichen Sachen. Beim Wirtschaftminister habe ich mich schon gefragt, ob er wirklich vom begleiteten Fahren redet oder vom Führerschein mit 17. Ich glaube, Herr Minister Ebnet, den Antrag von uns haben Sie nicht richtig gelesen und Sie haben sich auch nicht richtig mit dem Sachverhalt, so, wie es in Niedersachsen beispielsweise praktiziert wird, beschäftigt.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Das ist die Realität. Und, Herr Ebnet, da würde ich Sie gern mit Ihren eigenen Waffen schlagen. Ich glaube, Sie haben Herrn Petters einmal vorgeworfen, dass der Zitronenfalter auch nicht die Zitronen faltet. Ähnliches habe ich heute bei Ihnen hier auch vermutet.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU und Linkspartei.PDS)

Meine Damen und Herren, wir wollen natürlich nicht, dass 17-Jährige künftig ihre betrunkenen Kumpels von der Diskothek nach Hause fahren. Das ist nicht Ziel dieses Antrages. Wir wollen auch nicht, dass Vater oder Mutter ihre 17-jährigen Kinder zur Tankstelle schicken, weil das Bier alle ist.

(Heinz Müller, SPD: Sehr wohl. – Dr. Margret Seemann, SPD: Das hat der Minister auch nicht gesagt.)

Auch das ist nicht der Hintergrund dieses Antrages. Wir wollen auch nicht, dass der 17-Jährige oder die 17-Jährige zukünftig alleine zur Berufsschule oder zum Gymnasium fährt. Wir wollen, dass 17-Jährige Auto fahren dürfen, wenn ein Elternteil dabei ist.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Das können wir auf die Eltern nicht beschränken.)