Der Weg über tarifliche Mindestlöhne wird beschwerlich; allein im Verantwortungsbereich der Stadt Hamburg werden Menschen nach mindestens 25 unterschiedlichen Tarifverträgen bezahlt. Die meisten davon werden mit der Arbeitsrechtlichen Vereinigung abgeschlossen, es gibt aber auch sehr große Tarifverträge wie den TV-L, bei denen die Stadt Hamburg nicht allein bestimmt. Hier stellt sich auch schon die Frage: Wie steht denn der sächsische oder der bayerische Finanzminister zu 12 Euro Mindestlohn?
Deshalb sagen wir: Unterstützung könnte es aber geben, wenn der Mindestlohn im Vergaberecht verankert wird. Dann müssten die vielen Unternehmen – die Stadt Hamburg vergibt ja öffentliche Aufträge in Milliardenhöhe –, die mit der Stadt Geschäfte machen, auch diese 12 Euro bezahlen. Es wurde schon genannt: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Das muss auch in der Privatwirtschaft verankert werden. Deshalb werden wir weiter für die Verankerung des Mindestlohns auch im Vergabegesetz kämpfen.
Wir werden dem Regierungsantrag heute zustimmen. Geben Sie von Rot-Grün sich heute noch einen Ruck und stimmen Sie unserem Antrag auf Wiedereinführung eines Mindestlohns im Vergabegesetz zu; Sie unterstützen damit Ihr eigenes Anliegen, die 12 Euro auch in der Privatwirtschaft,
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nachdem Bürgermeister Tschentscher in seiner Regierungserklärung bereits die Einführung eines Mindestlohns in Hamburg angekündigt hat, wundert mich dieser Antrag doch etwas. Sie scheinen ja wenig Vertrauen in die Ankündigungen Ihres Senats zu haben, dass Sie hier gleich einen Antrag hinterherschieben müssen.
Dass wir Freie Demokraten keine großen Freunde von generellen Mindestlöhnen sind, ist kein Geheimnis. Dass die gesellschaftliche Debatte um die Existenz von Mindestlöhnen aber demokratisch entschieden ist, hat die FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag zum Anfang dieses Jahres anerkannt. Diese Uhr werden wir nicht zurückdrehen.
Natürlich sollen Löhne durch die Tarifpartner ausgehandelt werden. Gerade wir Freie Demokraten sind Verfechter der Tarifautonomie.
Insofern, verehrte Kollegen von SPD und GRÜNEN, nehmen wir mit Freude zur Kenntnis, dass Sie Tarifverträge als richtiges Instrument für die Festlegung von Arbeitsentgelten anerkannt haben.
Als einer der größten regionalen Arbeitgeber kann die Freie und Hansestadt Hamburg natürlich auch mit den Gewerkschaften die Löhne verhandeln. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, spielen wir das einfach einmal durch: Aktuell gibt es einige Tausend Mitarbeiter im Personalbestand der Freien und Hansestadt Hamburg sowie in den Betrieben und Unternehmen ihres Einflussbereichs, die weniger als 12 Euro die Stunde verdienen; knapp 6 300 Menschen sind es, wenn man die Antwort des Senats auf eine Anfrage der LINKEN zugrunde legt. Die bekommen nun plötzlich 12 Euro die Stunde. Doch was bekommen diejenigen, die bisher 12 Euro die Stunde bekommen haben? Die, die vielleicht bisher 12 Euro die Stunde bekommen haben, weil sie etwas besser qualifiziert sind? Bekommen die nun ebenso viel wie die, die vorher nur 9 oder 10 Euro pro Stunde bekommen haben? Oder sollen deren Stunden nun auch noch nach oben angepasst werden? Und wenn ja: Auf welchen Betrag? 14 bis 15 Euro die Stunde? Und was passiert dann mit denen, die bisher 14 bis 15 Euro die Stunde verdient haben? Das ist doch ein Rattenschwanz ohne Ende.
Haben Sie sich schon überlegt, wie viele Millionen das den Steuerzahler zusätzlich kosten wird? Reichen 25 bis 30 Millionen Euro pro Jahr oder sind es noch mehr? Haben Sie sich schon überlegt, woher Sie dieses zusätzliche Geld nehmen wollen? Oder was wollen Sie dafür künftig nicht finanzieren? Die gute konjunkturelle Lage wird sicherlich nicht ewig anhalten. Reicht es, einfach zwei oder drei Straßen nicht zu sanieren? Aber was kostet die Welt, das ist ja nur das Geld der Steuerzahler.
Und wenn Sie sich tatsächlich etwas überlegt haben, womit man diese Millionen gegenfinanzieren könnte, wäre ein Wort dazu in diesem Antrag nett gewesen.
Wie sieht es auf der Einnahmeseite der städtischen Unternehmen aus? Was glauben Sie, wie marktfähig diese bei den plötzlichen Personalkosten noch sind? Oder sollen die künftig nur noch für die Stadt arbeiten und das wirtschaftlichste Angebot interessiert bei der Auftragsvergabe nicht mehr, wenn ein Konkurrent den gesetzlichen Mindestlohn zahlt?
Dass wir diesem Antrag auch wegen all dieser offenen Fragen nicht zustimmen werden, dürfte Sie nicht überraschen. – Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt einen speziellen Radiosender, von dem hört man jeden Tag: Hamburg ist die schönste Stadt der Welt. Das hören wir jeden Tag. Der englische "The Economist" hat festgestellt, dass Hamburg die zweitteuerste Stadt der Bundesrepublik ist. Ob das Benzinkosten sind, Lebensmittel, Kleidung oder was auch immer, es ist sehr teuer, und um in dieser schönen und tollen Stadt zu leben, braucht es ein gutes Einkommen.
Rot-Grün will jetzt den tariflichen Mindestlohn auf 12 Euro erhöhen. Es wird auch gesagt, dass dann vielleicht nach 45 Jahren die Altersarmut begrenzt wird und die Rente ausreicht. Das bezweifeln wir, denn es bedarf, wie schon gesagt wurde, 12,63 Euro, um nach 45 Jahren Arbeit in Vollzeit eine Rente von 814 Euro zu bekommen. Das muss man sich einmal reinziehen: ein ganzes Leben lang.
Wir glauben aber auch, dass dieses Rentenproblem nicht mit einem erhöhten Mindestlohn, meinetwegen 15 Euro oder 17 Euro, gelöst werden kann. 48 Prozent bekommt der heutige Arbeitnehmer nach einem langen Arbeitsleben, und das soll bis 2030 festgeschrieben sein. Was nach 2030 geschehen wird, das weiß heute noch niemand. Es kann sein, dass es auf 45 oder 43 Prozent runtergehen wird, und das heißt dann vielleicht, 18 Euro Mindestlohn, 20 Euro Mindestlohn. Das kann man wirklich vergessen. Arbeit muss sich lohnen, das ist ganz klar.
Wenn ich die Zeitschiene dieses Antrags genau betrachte, dann kann ich mir nicht verkneifen, zu sagen: Hat vielleicht schon der Wahlkampf begonnen bei der SPD und den GRÜNEN?
Und eines müssen wir natürlich auch wissen: Das muss alles finanziert werden und das trägt der Hamburger Steuerzahler.
Wir werden diesen Antrag unterstützen, weil wir denken – und da wiederhole ich mich –, Arbeit muss sich lohnen. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Dieser Antrag der Fraktionen der SPD und der GRÜNEN ist noch einmal Anlass, sich zu vergegenwärtigen, dass es zahlreiche Landesmindestlohngesetze gebraucht hat vor einigen Jahren, unter anderem das von Hamburg, um im Bund überhaupt eine Diskussionssituation herzustellen, die es ermöglicht hat damals, mit dem Einstieg in den Bundesmindestlohn eine absolute Lohnuntergrenze zu vereinbaren. Die gab es vorher nicht in diesem Land, mit den entsprechenden bekannten Folgen – und übrigens, liebe FDP, auch mit extrem hohen Kosten für den Steuerzahler verbunden, denn die aufstockenden Leistungen zahlt auch der Steuerzahler.
Dieser Antrag und damit die Initiative von SPD und GRÜNEN greift folgende Thematik auf, nämlich die Frage: Wie viel Geld muss man eigentlich mit seinem Stundenlohn erzielen, um ohne Grundsicherungsleistungen im Alter zu leben, wenn man perspektivisch dieses Gehalt bis zum Ruhestand bekommt, beziehungsweise um in einer Stadt wie Hamburg ohne ergänzende Sozialleistungen auszukommen? Das sind nach gegenwärtigem Stand, heute hat es, glaube ich, die Böckler-Stiftung errechnet, 10,60 Euro, perspektivisch werden es aber 12 Euro sein. Deswegen macht sich Hamburg jetzt auf den Weg, im Zuge von Tarifverhandlungen mit seinen Tarifpartnern über die unterschiedlichen Verträge dort, wo wir als Stadt selbst Arbeitgeber sind, also ganz direkt Tarifpartner, oder in unseren Unternehmen schrittweise zu einem untersten Lohnniveau in den Tarifverträgen von 12 Euro zu kommen. Das ist wichtig und richtig, nicht nur für die Perspektive, Armut im Alter einzudämmen, sondern auch, um dafür zu sorgen, dass es immer mehr Menschen gibt, die ohne staatliche Zusatzleistung von ihrem eigenen erwirtschafteten Geld in dieser Stadt leben können. Und deswegen ist es eine gute Initiative.
Gleichzeitig verlieren wir nicht aus dem Blick – und das ist nämlich etwas anderes, als einen neuen Landesmindestlohn einzuführen –, neben unserer eigenen Verantwortung im Bund dafür zu sorgen, dass die Kommission für den Bundesmindestlohn sich dieses Themas annimmt und im Blick behält: Welche Lohnuntergrenze bräuchten wir eigentlich perspektivisch, um Themen wie Eindämmung von Altersarmut und Sozialleistungsbezug bei vollständiger Berufstätigkeit wirksam entgegenzutreten? Und da haben doch schon die unterschiedlichsten Angehörigen dieser Mindestlohnkommission ange
kündigt, das auch jeweils jetzt bewerten zu wollen, und das ist genau richtig und das gehört auch dazu, ist aber nicht Gegenstand dieses Antrags.
Mir ist noch einmal wichtig: Hamburg gibt als Stadt viele Millionen Euro für Kosten der Unterkunft, einen Zuschuss, den jemand erhält, wenn er sich seine Miete nicht aus seinem eigenen Einkommen leisten kann, für ergänzende Leistungen im SGB II, für Grundsicherung im Alter und für vieles mehr aus. Das sind auch alles Kosten, die der Steuerzahler trägt.
Vizepräsidentin Christiane Schneider (unterbre- chend): Entschuldigung, ich habe etwas zu früh geklingelt. Gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung des Abgeordneten Celik?
Vielen Dank, Frau Senatorin. – Sie haben ja jetzt davon gesprochen, dass Sie da, wo Sie als Arbeitgeber fungieren als Stadt, diesen Mindestlohn einführen wollen. Unsere Anfrage hat ergeben, dass unter den Zuwendungsempfängern viele Beschäftigte sind – über 1 000 sind es, glaube ich –, die unter 12 Euro verdienen. Sie hätten ja die Möglichkeit, über das Vergabegesetz auch bei den Auftrag nehmenden Unternehmen dafür zu sorgen, dass ein Mindestlohn von 12 Euro eingeführt werden könnte. Das machen ja viele andere Bundesländer über vergabespezifische Mindestlöhne, zum Beispiel Schleswig-Holstein. Warum nutzen Sie diesen Handlungsspielraum nicht, wenn Sie sagen, Hamburg solle die Stadt für gute Arbeit sein?
Wir nehmen hier mit dieser Initiative unsere Verantwortung als Arbeitgeber und als Tarifpartner wahr in den Bereichen, wo wir Tarifverträge mitverhandeln und da Mitverantwortung übernehmen, wie sie ausgestaltet sind. Das ist der erste Schritt, den wir gehen. Da haben wir uns übrigens auch ein festes Zeitziel gesetzt. Das ist von hoher Bedeutung für mehrere Tausend Beschäftigte und das ist der Beitrag, den wir leisten, Hamburg als Stadt der guten Arbeit zu etablieren.