Protocol of the Session on December 1, 2016

Bei richtiger Auslegung bräuchte es diese Klarstellung, wie wir sie beantragen, gar nicht, denn sie ist im derzeitigen Wortlaut des Paragrafen 130 StGB an sich enthalten, wie es im juristischen Schrifttum zum Beispiel Wolfgang Mitsch, Professor für Strafrecht an der Universität Potsdam, ausführt; Fundstelle "Juristische Rundschau" 2011, Seite 380 ff. Er legt dort sehr sauber dar, dass auch jetzt schon in Paragraf 130 Absatz 1 StGB von Angriffen auf Teile der Bevölkerung die Rede ist, ohne dass man dort eine Einschränkung auf Minderheiten findet. Er legt weiter dar, dass bei einer Gesamtbevölkerung in Deutschland von über 80 Millionen, circa 82 Millionen, die 75 Millionen Deutschen auch jetzt schon nur einen Teil der Bevölkerung ausmachen, weist dabei auch auf die demografische Entwicklung hin, die zu einer noch größeren Diskrepanz in der Zukunft führen wird, und dass daher schon in der jetzigen Fassung des Gesetzes richtigerweise Angriffe auf Deutsche ebenfalls als Volksverhetzung geahndet werden müssten.

Da die Rechtsprechung aber bislang eine andere, einschränkende Auslegung der Vorschrift vertritt, die nicht unbedingt im Wortlaut eine Stütze findet, halten wir es für angezeigt, dass der Gesetzgeber der Rechtsprechung Vorgaben an die Hand gibt, wie das Gesetz auszulegen und zu verstehen ist. Das ist kein illegitimer Übergriff in die Judikative, sondern legitim und üblich. Denn die einschränkende Auslegung der Rechtsprechung wird der Realität in Deutschland heutzutage insbesondere auf den bereits angesprochenen Schulhöfen nicht gerecht. Dort sind Beleidigungen der Deutschen gang und gäbe. Dies mit anschaulichen Zitaten zu belegen, verbietet mir auch hier der parlamentarische Sprachgebrauch. Ich verweise als Ersatz

hierzu auf unsere Pressemitteilung vom 22. November, in der wir ein paar markante Beispiele zur Veranschaulichung bringen.

Wir reden dabei nicht nur über Schulhöfe, sondern weit darüber hinaus. Anlass für unsere Gesetzesinitiative war, wie gesagt, die Äußerung des leitenden Funktionärs des Türkischen Elternbunds in Hamburg, Herrn Malik Karabulut, die durch besonders aggressive Hetze gegen das Land und die Deutschen auffiel. Seine Hetzsprüche zeigen, dass Deutsche dadurch gedemütigt und entwertet werden sollen. Der öffentliche Friede wird gestört, wenn Deutsche diffamiert und in ihrer Menschenwürde angegriffen werden. Auch die antideutschen Linken können ihrem Deutschlandhass bei Demos und Veranstaltungen ohne Einschränkung freien Lauf lassen. Wir hingegen sind der Meinung: Volksverhetzung ist keine Einbahnstraße und darf nicht auf ausgewählte Minderheiten oder Gruppen beschränkt werden. Hetze gegen Menschen, egal, von wem sie kommt, und egal, gegen wen sie sich richtet, hat in Deutschland keinen Platz und muss bestraft werden.

(Beifall bei der AfD)

Deshalb muss der Rechtsstaat entschlossen weiterentwickelt werden. Daher fordern wir Sie auf: Zeigen Sie Flagge. Zeigen Sie Zivilcourage, auch wenn es um Hetze gegen Deutsche geht. Unterstützen Sie unseren Antrag. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das Wort bekommt Herr Tabbert von der SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, Abgeordnete der AfD! Die AfD hat doch tatsächlich die Chuzpe, an dem Tag, nachdem das Landgericht Dresden die Verurteilung eines gewissen Lutz Bachmann wegen Volksverhetzung bestätigt hat,

(Dr. Bernd Baumann AfD: Das hat doch nichts mit dem Antrag zu tun!)

weil er auf Facebook Flüchtlinge und Asylbewerber als "Gelumpe", "Viehzeug" und "Dreckspack" beschimpft hat, auf diese Entscheidung mit keinem Wort einzugehen.

(Glocke)

Herr Tabbert, auch wenn Sie zitieren, sollten Sie sich an den parlamentarischen Sprachgebrauch halten.

Das stimmt. Aber er ist deswegen verurteilt worden, und ich kann letzten Endes nicht sagen, weswegen er verurteilt worden ist,

wenn ich das, warum er verurteilt worden ist, nicht nennen darf.

(Glocke)

Sie sollten vermeiden, zu dieser späten Stunde mit mir darüber jetzt noch zu diskutieren.

(Beifall bei Dennis Gladiator CDU – Heiter- keit)

Gut. – Immerhin ist er für viele Ihrer Parteigenossen, in Sachsen und anderswo, eher Vorbild als abschreckendes Beispiel. Wenn dem nicht so ist, Herr Wolf, dann können Sie das an dieser Stelle klarstellen. Ich habe mich im Internet noch einmal überzeugt, ob man mit dieser Einstellung richtig liegt; er hat noch im September 2016 bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern zur Wahl der AfD aufgerufen. Wenn Ihnen das unrecht ist, dann sollten Sie das hier einmal klarstellen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Dr. Bernd Baumann AfD: Das brauchen wir hier nicht klarstellen!)

Ich könnte es mir jetzt einfach machen,

(Detlef Ehlebracht AfD: Machen Sie doch schon!)

denn ich habe natürlich den Aufsatz, auf den Sie Bezug genommen haben, auch gelesen: Der Antrag zu einer angeblich notwendigen Klarstellung im Volksverhetzungsparagrafen ist überflüssig und der Diskussion nicht wert. Dann wäre die Rede schon am Ende. Aber ganz so einfach will ich es Ihnen nicht machen. Die AfD will, so die Überschrift Ihres Antrags, eine angeblich notwendige Klarstellung in Paragraf 130 Strafgesetzbuch, die laut der eigenen Antragsbegründung – das hatten Sie selbst schon ansatzweise angedeutet – gar nicht notwendig ist. Der von Ihnen zitierte Autor schreibt selbst:

"Wer Taten gegen diese Bevölkerungsmehrheit"

also hier die Deutschen –

"als Volksverhetzung bestraft sehen will, braucht nicht nach dem Gesetzgeber zu rufen."

Das machen Sie aber, und ich frage mich, warum Sie das machen.

An dieser Stelle muss man vielleicht einmal hinzufügen: Der Aufsatz stammt von 2011 und konnte deswegen aktuelle Rechtsprechung zu der Gesetzesänderung, die ebenfalls aus dem Jahr 2011 stammt, gar nicht berücksichtigen. Aber vielleicht hätten Sie das bei der Abfassung Ihres Antrags tun sollen.

(Dr. Alexander Wolf)

Jedenfalls stellt Paragraf 130 StGB volksverhetzendes Verhalten in verschiedenen Varianten unter Strafe. Die AfD möchte nun im Wege einer Gesetzesänderung klarstellen, dass auch – und darum geht es Ihnen, glaube ich – die Deutschen als Volk ein taugliches Angriffsobjekt seien. Sie gehen davon aus, dass dann künftig verbale Angriffe wie s-c-h-Punkt-Punkt-Punkt Deutscher oder Schweinefleischfr-Punkt-Punkt-Punkt nicht mehr nur – in Anführungszeichen – Beleidigungen wären, sondern auch als Volksverhetzung strafrechtlich verfolgt werden. Das ist, mit Verlaub, ziemlicher Unfug, denn die AfD erweckt mit ihrem Antrag den Eindruck, dass in anderen Konstellationen vergleichbare Beleidigungen – und es ist unstreitig, dass solche Äußerungen Beleidigungen sind – ausreichen, um eine Strafbarkeit nach Paragraf 130 StGB nach sich zu ziehen, beispielsweise dann, wenn Rechtsextreme Mitbürger aus der Türkei, aus Afghanistan oder woher auch immer entsprechend wüst beschimpfen. Hinzukommen muss allerdings in allen Fällen, dass mit den Äußerungen zum Hass aufgestachelt oder zu Gewalt und Willkürmaßnahmen aufgefordert wird. Darauf sind Sie bislang nicht eingegangen. Diese Handlungen müssen geeignet sein, den öffentlichen Frieden zu stören. In einer anderen Variante des Paragrafen 130 StGB ist es Voraussetzung, dass die Menschenwürde in ihrem Kern angegriffen wird. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn das Lebensrecht der Mitglieder einer Gruppe bestritten wird, und auch dafür finden sich zahlreiche Beispiele aus der rechtsextremistischen Ecke.

Was ich damit sagen möchte: Die im Antrag der AfD angeführten Beispiele sind schon einmal vollständig ungeeignet, um die angeblich notwendige Klarstellung in Paragraf 130 StGB zu begründen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und bei Martin Dolzer DIE LINKE)

Nun aber zu der Frage, ob Deutsche schon jetzt von Paragraf 130 StGB erfasst sind. Ich habe das vorhin schon mit Blick auf den Aufsatz dargestellt: Ja, sie sind es. Denn spätestens seit der Neufassung vom 22. März 2011 ist klar – Sie können gegenteilige Rechtsprechung gern zitieren, das haben Sie bisher nicht gemacht –, dass die Bevölkerungsgruppe der Deutschen vom Gesetzeswortlaut über das Tatbestandsmerkmal nationale Herkunft sehr wohl erfasst ist. Auch wenn die Deutschen den größten Bevölkerungsteil darstellen, können sie ein schutzwürdiger Teil der Bevölkerung im Sinne des Paragrafen 130 StGB sein.

Warum also, fragt man sich, der Antrag? Ich kann nur vermuten – Sie können dazu vielleicht noch etwas sagen –, dass hier dem neuen Trend, den Ihre Parteivorsitzende Petry vorgegeben hat, dem Völkischen wieder einen positiven Klang zu verleihen, gefolgt werden soll.

(Dr. Bernd Baumann AfD: Das hat damit gar nichts zu tun!)

Wer im Geschichtsunterricht aufgepasst hat, weiß, dass man damit keine guten Erfahrungen gemacht hat, und deswegen sollten wir gar nicht erst anfangen, uns in diese Richtung zu begeben.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Karin Prien CDU)

Sie argumentieren, dass es in der Realität zahlreiche Vorfälle gäbe, die das friedliche Zusammenleben innerhalb Deutschlands gefährdeten, und setzen Ihren Fokus ausschließlich auf Deutsche als Opfer. Aber eine Schutzlücke – das habe ich aufgezeigt – gibt es unseres Erachtens nicht. Wie gesagt, wenn Sie andere Rechtsprechungen dazu finden, können Sie diese hier einmal zitieren. Das haben Sie nicht getan. Dagegen sind es Ihre Parteigänger, die auf Pegida-Demonstrationen mitlaufen und dem wegen Volksverhetzung, Drogendelikten und Diebstahl verurteilten Lutz Bachmann hinterherlaufen, die selbst mit rechtspopulistischen und rechtsextremen Parolen immer wieder auffallen und damit Hass und Hetze in die Gesellschaft tragen.

(Dr. Bernd Baumann AfD: Das hat damit nichts zu tun!)

Manipulative Anträge wie der vorliegende erscheinen daher nur als Vorspiel dessen, was noch von Ihnen zu befürchten ist. Wir als SPD nehmen auch solch relativ kleine Vorfälle zum Anlass, uns diesem Gedankengut klar zu widersetzen, und lehnen den Antrag daher selbstverständlich ab.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Jörg Hamann CDU)

Das Wort bekommt Herr Seelmaecker von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich muss erst einmal meinen aufrichtigen Dank an die AfD-Fraktion für diesen Antrag aussprechen. Denn dieser Antrag ist besonders – besonders geeignet. Wenn das ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren wäre, dann müsste der Staatsanwalt nach Abschluss der Ermittlungen einen Vermerk in die Akte nehmen: "Für die erste juristische Staatsprüfung als Prüfungsfall geeignet". Das wäre aber etwas zu hoch gehängt. Ich würde das Ganze eher auf Schulklassenniveau verorten, und zwar auf Klasse 7.

Also, liebe AfD-Fraktion, liebe Klasse 7b,

(Dr. Bernd Baumann AfD: Überheblich wer- den Sie jetzt noch!)

ich will das gern etwas klarer darstellen. Weswegen ist dies so interessant und so wichtig?

(Urs Tabbert)

Diesen Antrag – das würde ich am liebsten zur Abstimmung stellen – müssten wir an sämtliche Schulen in Hamburg geben, und zwar zum Zwecke einer ordentlichen Exegese eines typischen AfDAntrags.

(Beifall bei der CDU, der SPD und vereinzelt bei der LINKEN)

Man liest ihn zunächst, und im ersten Rutsch geht es durch und man sagt: Da haben die recht. Das geht nicht, Ungleichbehandlung, die Deutschen stehen schlechter da als die Ausländer, so geht es nicht. Eine Exegese – und die kann ich Ihnen nicht vorenthalten – ergibt aber etwas anderes. Der erste Fehler findet sich gleich in dem Zitat auf Seite 1 Absatz 1. Dort heißt es:

"[…] wer 'in einer Weise, die geeignet ist, dem öffentlichen Frieden zu stören […]'"