Protocol of the Session on July 2, 2014

Was treibt sie dazu, ihre Heimatländer zu verlassen, eine lange Reise auf sich zu nehmen und auf Hamburgs Straßen größtenteils auch obdachlos zu sein?

(David Erkalp CDU: Wieso obdachlos?)

Viele von ihnen sind obdachlos.

Sie müssten wissen, dass Betteln keinen Spaß macht, sondern dass die Menschen das aus Not tun.

Ich kann Ihnen einmal etwas zum Hintergrund sagen. Vielleicht erinnern Sie sich noch an die Finanzkrise 2008. Bulgarien und Rumänien sind Länder, die krisengeschüttelt sind. Und eine Gruppe hat es in diesen Ländern besonders schwer, nämlich die Gruppe der Roma. Aufgrund von Diskriminierung haben sie kaum Möglichkeiten, an der Gesellschaft zu partizipieren, sie haben kaum Chancen auf dem Wohnungsmarkt, sie haben kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt und sind deshalb sehr stark von Armut betroffen.

Ich kann Ihnen auch etwas zur Situation in Hamburg erzählen. Damit haben Sie sich anscheinend nicht befasst.

(Christoph de Vries CDU: Erzählen Sie doch mal!)

Ich erzähle Ihnen einmal etwas zur Lebenssituation in Hamburg, dann müssen Sie jetzt auch zuhören.

Die Menschen arbeiten in Arbeitsbranchen wie zum Beispiel im Baugewerbe, in Subunternehmen, im Hafen,

(Olaf Ohlsen CDU: Nee, nicht im Hafen!)

in der Gastronomie und so weiter. Sie werden ausgebeutet für ein paar Euro oder um den Lohn geprellt, wie es das aktuelle Beispiel gezeigt hat. Bei der Fabrik Schwarz Cranz in Neu Wulmstorf hat man gesehen, dass die Menschen um ihren Lohn geprellt wurden. Zwar wurde noch eine Lösung gefunden, aber es ist ein Beispiel dafür, dass hier etwas schiefläuft.

Die Situation ist jedoch nicht nur auf dem Arbeitsmarkt für diese Menschen prekär, sondern auch auf dem Wohnungsmarkt. Sie kennen das Beispiel Nobistor, wo die Menschen gezeltet haben mit ihren Kindern, mit hochschwangeren Frauen. Manche schlafen auch in Autos, manche in Schrottimmobilien, die zu Wucherpreisen vermietet werden. Ich frage mich, wo hier der Aufschrei der CDU bleibt und wo Ihre Empörung bleibt? Eigentlich müsste hier die Forderung nach ordnungspoliti

(Carl-Edgar Jarchow)

schen Maßnahmen gestellt werden. Es wundert mich, ehrlich gesagt, dass Sie hier ruhig bleiben.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese Menschen haben wirklich kaum Chancen in Hamburg. Sie haben zwar soziale Rechte, sie kommen als Arbeitsuchende nach Hamburg, aber es werden keine Maßnahmen zur Integration getroffen.

(Zuruf von Nikolaus Haufler CDU)

Herr Haufler, es werden keine Maßnahmen zur Integration unternommen. Sie sprechen doch ständig von Integration und vom Fachkräftemangel. Warum denn nicht bei diesen Menschen? Das wundert mich auch.

(Beifall bei der LINKEN)

Die EU-Freizügigkeit ist nun einmal seit dem 1. Januar da, und Hamburg hat nun einmal die Aufgabe, diese EU-Freizügigkeit auch hier zu gestalten. Und wir haben hier sinnvolle Maßnahmen.

Ehrlich gesagt, verstehe ich nicht, warum die CDU immer so unruhig ist, wenn ich hier vorne stehe.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Ich höre Ihnen jedes Mal zu, aber die Herren der CDU können sich irgendwie nicht zusammenreißen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Martin Schäfer SPD)

Wenn Sie jetzt zuhören, würde ich Ihnen gern einige Maßnahmen vorschlagen, vielleicht lernen Sie etwas daraus. Die eine betrifft den Arbeitsmarkt. Es wäre wichtig, dass arbeitsrechtliche Normen wirklich eingehalten werden, und zwar für alle Menschen, die in Hamburg arbeiten.

(Olaf Ohlsen CDU: Wenn sie arbeiten wür- den, müssten sie nicht betteln!)

Das andere Problem ist die Wohnsituation. Hier wäre es wichtig, Herr Ohlsen, dass kurzfristig Notunterkünfte für die obdachlosen Menschen bereitgestellt werden und langfristig die Perspektive auf gesicherte Wohnverhältnisse ermöglicht wird. Außerdem brauchen wir aufsuchende Straßensozialarbeit.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Das ist hier zu laut! Ich kann sie nicht verstehen!)

Die muss in Hamburg ausgebaut und gefördert werden, und das gilt auch für die Beratungsstellen, an die sich die Menschen wenden können, damit sie hier Fuß fassen können.

Herr Fock, Sie haben "Hinz&Kunzt" als Beispiel genannt, aber eigentlich ist es nicht die Aufgabe von "Hinz&Kunzt", sondern es ist die Aufgabe der Stadt, den Menschen dies zu ermöglichen.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine andere Frage ist der Schulbesuch der Kinder und Jugendlichen. Ich wundere mich, warum die Schulpolitiker hier nicht aufschreien, denn anscheinend sind dort Kinder, die nicht zur Schule gehen, obwohl sie schulpflichtig sind. Dazu hat auch keiner etwas gesagt. Und wenn wieder das Argument kommt, wie soll das bezahlt werden…

(Nikolaus Haufler CDU: Ja, wie soll das denn bezahlt werden?)

Das sage ich Ihnen jetzt, Sie hätten da ein bisschen recherchieren sollen.

Es gibt den Topf "Soziale Stadt", und das Geld wurde doch erhöht, damit die Integration dieser Menschen in Hamburg durchgeführt werden kann. Ich frage mich, wo dieses Geld ist, denn das Geld muss konsequent und transparent dafür eingesetzt werden, dass die Menschen sich hier integrieren können.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Fock sagte noch einmal, dass die soziale Komponente wichtig sei. Es wundert mich aber, dass die Maßnahmen des Senats sind: nichts gesehen, nichts gehört.

(Dirk Kienscherf SPD: Die Stadt gibt sehr viel Geld für Flüchtlinge aus!)

Und wenn doch etwas gesehen wird oder es Beschwerden gibt, dann wird einfach geräumt, und dann weiß man nicht, wo die Kinder und Jugendlichen sich aufhalten. So ist es doch, Herr Kienscherf, oder nicht?

(Beifall bei der LINKEN)

Dieser Populismus der CDU erinnert mich auch an den Bundestagswahlkampf, nämlich an Herrn Seehofer, der durch Bayern marschierte mit der Parole "Wer betrügt, der fliegt". Das bezog er natürlich gerade auf diese Menschen. Mich hat es, ehrlich gesagt, gewundert, dass im SPD/CDU-Koalitionsvertrag stand – das möchte ich zitieren –:

"Wir wollen die Akzeptanz für die Freizügigkeit in der EU erhalten."

Und weiter:

"Wir werden deshalb der ungerechtfertigten Inanspruchnahme von Sozialleistungen durch EU-Bürger entgegenwirken."

Im ersten Satz also Akzeptanz der EU-Freizügigkeit, und im zweiten Satz kommt dann auch gleich die Ablehnung.

(Wolfgang Rose SPD: Das ist doch keine Ablehnung!)

Sie sprechen von einer ungerechtfertigten Inanspruchnahme, und das ist hier nicht der Fall. Die

Statistiken haben doch ergeben, dass das völliger Unsinn ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich kann der CDU nur sagen, hören Sie auf, Ihren Konkurrenzwahlkampf mit der AfD auf dem Rücken der Ärmsten dieser Stadt auszutragen. Und hören Sie bitte auch auf mit diesen Anträgen.

(Zurufe von der CDU – Glocke)