Protocol of the Session on May 21, 2014

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort bekommt Frau Suding von der FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Die FDP-Fraktion sieht große Chancen und große Potenziale, die sich durch die Austragung von Olympischen Spielen in Hamburg für unsere Stadt und die gesamte Metropolregion bieten. Deswegen wollen wir uns jetzt auch auf den Weg machen, diese Chancen und Potenziale zu nutzen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Hamburg hat gute Chancen, in den nächsten Jahren bei der Bewerbung um große Sportereignisse, sei es Turn-, Rad- oder Ruder-WM, erfolgreich zu sein, und damit sind wir sogar im Vorteil gegenüber Berlin. Diesen Schwung möchten und müssen wir nutzen, um eine noch größere Vision, nämlich die von Olympischen Spielen in Hamburg, zu entwickeln.

Der erste Schritt hin zu konkreten Überlegungen und Planungen ist eine Machbarkeitsstudie, die Chancen und Risiken ganz wertfrei analysiert. Eine solche Studie haben wir hier im Parlament bereits im Februar gefordert mit unserem Antrag aus der Drucksache 20/10704. Wir haben in ihm ausführlich die positiven Impulse, die von Olympischen Spielen für die Infrastruktur in Hamburg, für die Wertschöpfung und für die Sportstadt Hamburg ausgehen, angesprochen, und wir haben einen Weg hin zu Olympia skizziert. Damals fehlte den Kollegen von der SPD und den GRÜNEN noch der Mut, mögliche Potenziale auszuloten. Deswegen freue ich mich umso mehr, dass in beiden Fraktionen ein Umdenken stattgefunden hat und wir uns gemeinsam auf den hier zu behandelnden Antrag einigen konnten.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Olympia bietet jede Menge Chancen, aber eine Bewerbung birgt auch Risiken in sich. Um dabei in Zukunft nicht aus der hohlen Hand zu argumentieren, ist es richtig, in einer Machbarkeitsstudie sowohl die Chancen als

auch die Risiken ohne Scheuklappen zu analysieren und zu bewerten. Gerade in Bereichen, die für die weitere Entwicklung der Stadt von großer Bedeutung sind – die Verkehrsplanung, der Wohnungsbau, das Sportstättenkonzept –, können sich durch Olympia große Entwicklungspotenziale bieten. Selbstverständlich hätten Olympische Sommerspiele auch Auswirkungen auf die Wertschöpfung innerhalb der gesamten Metropolregion. Das gilt es in den nächsten Monaten zu untersuchen, denn auch allen Befürwortern einer Olympia-Bewerbung – und zu denen zählen wir uns durchaus – muss klar sein, dass es hier kein Harakiri-Manöver geben darf. Die finanziellen Belastungen für die Stadt müssen benannt werden, und es muss bekannt sein, wie diese finanziellen Belastungen gestemmt werden können. Das gilt sowieso und in Zeiten der Schuldenbremse, die bis dahin wirksam sein wird, natürlich umso mehr.

Meine Damen und Herren! Das olympische Motto "citius, altius, fortius", zu Deutsch "schneller, höher, stärker", stand, schaut man nach Peking oder Sotschi, in letzter Zeit vor allem für teurer und größer. Ich glaube, es ist unstrittig in diesem Hause, dass mit dem Gigantismus der letzten Jahre Schluss sein muss. Mit der Ankündigung des IOC, mit seiner Agenda 2020 den Nachhaltigkeitsgedanken stärker zu gewichten, wird daher der richtige Weg eingeschlagen, auch wenn wir sicherlich noch abwarten müssen, wohin die Reise geht. Wir brauchen eine Reform der Olympia-Regularien, das ist für uns ganz wichtig, damit die Strukturen, die für Olympische Spiele in unserer Stadt geschaffen werden müssen, auch noch nach den Spielen nutzbar sind.

Auf der anderen Seite haben wir es aber natürlich auch selbst in der Hand. Mit unserer Bewerbung für die Olympischen Spiele können wir eben auch zeigen, dass es anders gehen kann, nämlich ohne den Gigantismus der letzten Jahre. Wir können zeigen, dass es keinen Größenwahnsinn braucht, um tolle Spiele zu organisieren und ein neues Bild von Olympia zu zeichnen. Die FDP-Fraktion will keine temporären Luftschlösser, wir wollen beste Voraussetzungen für die nachhaltige Verbesserung der Lebensbedingungen für alle Hamburger.

(Beifall bei der FDP)

Ein Punkt, der für die FDP-Fraktion von zentraler Bedeutung ist, ist die Beteiligung der Hamburger an diesem Prozess. Für uns steht fest, dass eine mögliche Bewerbung für die Olympischen Spiele von einer breiten Öffentlichkeit getragen werden muss. Über die Köpfe der Bevölkerung hinweg darf so eine Frage nicht entschieden werden. Aber sowohl über das richtige Instrument als auch über den Zeitplan, die Bürger zu befragen, müssen wir uns noch intensive Gedanken machen. Auch wenn der praktische Nutzen einer Befragung parallel zur

(Jens Kerstan)

Bürgerschaftswahl im Februar 2015 unübersehbar ist, so halten wir diesen Zeitpunkt für verfrüht.

Vor einer Befragung der Hamburgerinnen und Hamburger müssen die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie vorliegen. Sie müssen ausgewertet werden, und es muss ausreichend Zeit sein, über die Ergebnisse zu diskutieren. Außerdem wird auch die Entscheidung des IOC über Änderungen ihrer Regularien eine wichtige Grundlage für die Entscheidung vieler Bürger für oder gegen Olympia sein, und das müssen wir abwarten. Ich finde es deshalb gut, dass die SPD unsere diesbezüglichen Bedenken ernst genommen hat und sich nun auch für einen späteren Zeitpunkt ausspricht.

Was das richtige Instrument angeht, steckt der Teufel im Detail. Auch wenn wir uns alle einig sind über die Notwendigkeit, die Hamburgerinnen und Hamburger zu befragen, so sollte doch eine Verfassungsänderung schon aus mehr als nur einem Einzelfall heraus begründet sein. Es muss ebenfalls geklärt werden, wer überhaupt das Antragsrecht hat. Ist es der Senat oder die Bürgerschaft oder sind es beide, und welche Quoren gelten dafür überhaupt? Das sind alles noch offene Fragen.

Den Vorschlag der CDU, über eine einfache gesetzliche Regelung eine Befragung zu ermöglichen, halte ich durchaus für diskussionswürdig. Allerdings haben wir – das ist auch mehrfach angeklungen – mit Volksbefragungen, über die sich dann Senat und Bürgerschaft hinwegsetzen können, doch eher schlechte Erfahrungen gemacht, die wir nicht wiederholen müssen.

(Beifall bei der FDP)

Die FDP-Fraktion wird zu diesen Fragen eigene Vorschläge vorlegen.

Zusammengefasst: Wir begrüßen die in der Stadt angestoßene Diskussion und werden uns auch weiter intensiv daran beteiligen. Es ist gut, dass sich möglichst viele Akteure aus Sport, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft zu Wort melden und die Diskussion voranbringen. Dreh- und Angelpunkt einer vernünftigen Entscheidung für oder gegen eine Bewerbung ist und bleibt die Machbarkeitsstudie. Sie muss frei von ideologischer Einflussnahme die potenziellen Chancen und Risiken untersuchen und einen Überblick über die zu erwartenden Kosten für die Bewerbungsphase und die mögliche Austragung liefern.

Ich freue mich wirklich sehr, dass es gelungen ist, eine breite Mehrheit der Bürgerschaft hinter diesem ersten Schritt zu versammeln. Ich bin sicher, dass das ein sehr positives Signal aus Hamburg ist, und ich freue mich schon jetzt auf die Studie und die zu erwartenden Diskussionen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Nun bekommt Herr Yildiz von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte von vornherein eines deutlich machen, weil die Debatte jetzt für oder gegen Olympia geht. Wir sind nicht gegen den Gedanken Olympia, sondern wir sind für die Völkerverständigung und für die Treffen der Weltjugend. In einer Zeit, in der wir jetzt leben, ist es ganz wichtig, dass das geschieht.

(Dietrich Wersich CDU: Nicht bei uns, oder wie?)

Herr Wersich, ich komme noch dazu. Wenn Sie zuhören, dann werden Sie vielleicht ein bisschen dazulernen.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber unter den Kriterien und Bedingungen, die in den letzten 40 Jahren stattgefunden haben, sagen wir, das geht nicht mit uns, weil in der Regel Folgendes geschehen ist: Die Stadtteile wurden aufgewertet, es hat Verdrängung stattgefunden, Mietensteigerungen, die Armen wurden aus den Städten an die Stadtränder verdrängt und so weiter. Die Steuerzahler und Steuerzahlerinnen haben die Hauptkosten übernommen, und die Profite wurden hauptsächlich durch das IOC, durch Riesenkonzerne plus der Werbeagenturen kassiert. Unter solchen Kriterien sollte man das nicht machen, und deswegen sind wir nicht dafür.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich war auch an dem Gespräch über eine Studie beteiligt. Wir haben das alles von vornherein kritisch begleitet, und vieles unserer Kritik an dieser Studie hat sich bestätigt. Einige von Ihnen nennen sie Machbarkeitsstudie, andere sagen, es sei keine Studie, wieder andere das Gegenteil. Da gibt es auch Widersprüche unter den Fraktionen, und Sie müssen sich erst einmal darüber einig werden, was am Ende dabei herauskommt. Sogar in dem Antrag wird eines deutlich, wenn ich das benennen darf. Das heißt, nicht alle Fragestellungen werden sich bis zum Herbst 2014 klären. Und diese Studie wird nicht von externem Fachwissen, sondern direkt von den SPD-geführten Behörden gemacht. Dass man sagt, diese sogenannte Studie sei unabhängig, ist fragwürdig. Wenn man sich überlegt, dass man jetzt eine Studie in Auftrag gibt unter den jetzigen Kriterien des IOC, dann muss man überlegen, ob am Ende etwas dabei herauskommt.

In dem Antrag heißt es, es gäbe nachhaltige und tiefgreifende Reformen des IOC. Und wie Sie alle wissen, so wird das, was das IOC angekündigt hat, keine Reform, sondern ein Reförmchen sein. Reformen werden, wie auch Insider sagen, beim IOC frühestens 2028, spätestens 2032, greifen. Und wenn man jetzt eine Studie in Auftrag gibt unter

(Katja Suding)

den Knebelverträgen und Knebelkonzepten des IOC, wird das am Ende so ausgehen, wie der Studienbetreiber es formuliert.

Ein weiterer Punkt. Ich finde, das ist eigentlich ein Lippenbekenntnis. Wenn man sich tatsächlich mit diesem Thema befasst, so liegt in der Eile, in drei Monaten eine Studie in Auftrag zu geben und sich gleichzeitig für 2024 zu bewerben, ein Widerspruch. Ich möchte aus einem Artikel des "Hamburger Abendblatts" den lieben Kollegen Kerstan und Frau Fegebank zitieren:

"Wenn das IOC Anfang Dezember wie angekündigt […] Reformen für die Austragung Olympischer Spiele beschließen will, ergibt es keinen Sinn, schon jetzt eine Machbarkeitsstudie aufzulegen."

Die GRÜNEN haben mit dieser Kritik voll ins Schwarze getroffen. Warum bestehen Sie dann mit diesem Antrag auf einer Machbarkeitsstudie?

(Dr. Andreas Dressel SPD: Weil die Lage sich geändert hat! – Zuruf von Dietrich Wer- sich CDU)

Dieses doppelte Spiel, dass die GRÜNEN dies auf der einen Seite zu Recht kritisieren, auf der anderen Seite aber mitmachen, ist ein Widerspruch in sich.

(Beifall bei der LINKEN)

Es wird deutlich, dass die Wirtschaftslobby einen extremen Druck auf Regierung und Opposition ausübt. Ich möchte Herrn Ploß vom Hamburger Sportbund, der auch unter uns ist, zitieren. Vor etwa zwei Monaten hat er Folgendes gesagt:

"Wir lassen uns nicht treiben von der Handelskammer, die andere Interessen hat. Der Sport hat Interesse, hier wirklich eine Sportveranstaltung durchzuführen und kein Investitionsprogramm für die Wirtschaft!"

Ich erinnere mich an die erste Debatte zu Olympia im Februar. Frau Timmermann von der SPD hat selbst deutlich gemacht, dass eine Bewerbung für 2024 früh ist. Dann haben die Ereignisse sich überschlagen, Senator Neumann hat sich mit dem DOSB getroffen, und zuletzt waren Sie, Herr Neumann, im goldenen Saal des Kempinski-Hotels beim Tourismusverband eingeladen. Hamburg 1 zitiert einen Wirtschaftsvertreter des Großevents, von dem Olympia als Goldgrube bezeichnet wird. Das ist genau der springende Punkt. Olympische Spiele sind eine Goldgrube für Konzerne, Wirtschaftslobby und nicht zuletzt für das IOC. Die Rechnung dafür zahlen hingegen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.

Es hätte genügt, einen Blick auf Brasilien zu werfen. Dort protestieren Hunderttausende Menschen wegen der Weltmeisterschaft und der Olympischen Spiele in zwei Jahren. Die Menschen haben es

satt, dass ihnen gesagt wird, für soziale Infrastruktur fehle das Geld, während Milliarden für Events und Großprojekte verbrannt werden. Überall dort, wo die Heuschrecke Olympia durchgezogen ist, hat sie für die Städte ein Chaos hinterlassen, Chaos für die öffentlichen Finanzen, Chaos für die Umwelt und Chaos für das soziale Miteinander.

Ich nenne Ihnen ein Kostenargument als Beispiel. Ich will das hier deutlich erwähnen, da es auch die Kosten mit beziffert, die olympiabedingt investiert wurden. Athen hat für 2004 Kosten in Höhe von 1,6 Milliarden Euro kalkuliert. Am Ende gab es eine Rechnung über 40,8 Milliarden Euro. Peking hatte 14,3 Milliarden Euro kalkuliert, am Ende kamen 44 Milliarden Euro heraus. London hatte 11 Milliarden Euro kalkuliert, am Ende waren es über 30 Milliarden Euro.

Ähnliches wird Hamburg erwarten, wenn es den Zuschlag bekommen würde. Im Vergleich dazu sind die Kosten für die Elbphilharmonie Peanuts. Aber nicht nur die Austragung geht in die Milliarden-Höhe. Das IOC selbst gibt an, dass eine Bewerbung durchschnittlich – das ist keine Angabe der LINKEN, liebe Kolleginnen und Kollegen – 70 bis 100 Milliarden Dollar kosten wird. Unter dieser Voraussetzung Olympische Spiele nach Hamburg zu holen, grenzt an Fahrlässigkeit.

(Beifall bei der LINKEN – Glocke)

(unterbrechend) : Meine Damen und Herren! Es ist zu laut.

Es grenzt an Fahrlässigkeit, wenn nicht sogar an Veruntreuung von Steuergeldern. Während wir weiterhin einen Sanierungsstau bei den Sportstätten haben, während es faktisch kaum Kapazitäten bei den Turnhallen gibt, und während jeder zweite Schüler und jede zweite Schülerin in den Hamburger Grundschulen nicht schwimmen kann, will die Mehrheit dieses Hauses sich für Großereignisse bewerben, die Hamburg mehr schaden als nützen. Erst gestern mussten wir alle lesen, dass Hamburger Sportverbände aus den Sparten Basketball, Volleyball und Handball Trainer entlassen müssen, weil ihnen das Geld fehlt.