Protocol of the Session on May 21, 2014

(Beifall bei der LINKEN und bei Antje Möller GRÜNE)

Es gab den Versuch, uns ein wenig US-Feindlichkeit unterzuschieben. Dazu sage ich ausdrücklich, nicht nur in Deutschland oder anderen EU-Ländern, sondern auch in den USA gibt es diese Kritik. Bürgerrechtsbewegungen, Naturschutzvereinigungen, der Dachverband der Gewerkschaften AFL-CIO, Verbraucherschutzvereinigungen und Kirchen haben vor wenigen Wochen einen Brief an den Handelsminister geschrieben und haben vor TTIP gewarnt und es kritisiert, und zwar, weil auch in den USA Standards eingerissen werden. Es ist natürlich fahrlässig zu denken, in Europa hätten wir die hohen Standards, aber in den USA gäbe es gar nichts. Das trifft in einigen Bereichen zu, in anderen Bereichen ist es umgekehrt. Und deshalb gibt es diesseits und jenseits des Ozeans Kritik.

Um es deutlich zu sagen, wir sind auch für Kooperation. Aber diese Kooperation muss zum Wohle aller stattfinden und darf nicht auf Kosten von ir

(Senatorin Jutta Blankau)

gendwelchen Menschen stattfinden. Herr Kluth, es hätte Ihnen gut angestanden, wenn Sie zu den sozialen Kosten vielleicht auch das eine oder andere Wort verloren hätten. Aber ich hatte den Eindruck, das geht an Ihnen völlig vorbei.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich habe die Sicht aus dieser Gesellschaft eben schon wiedergegeben, und jetzt sage ich Ihnen noch etwas anderes. Dabei beziehe ich mich auf die Österreichische Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung. Das Abkommen, das verhandelt wird und das die Regelungen im transatlantischen Wirtschaftsraum vereinheitlichen soll, richtet sich de facto, vom Ergebnis her, direkt und massiv gegen andere Länder, die nicht daran beteiligt sind, und vor allem gegen die am wenigsten entwickelten Länder. Das ist nämlich der erwartete Effekt, die Exporte der am wenigsten entwickelten Länder in die EU werden zurückgehen. Es gibt Befürchtungen, dass der Rückgang der Exporte das Bruttoinlandsprodukt in diesen ärmsten Ländern um bis zu 3 Prozent schrumpfen lässt. Es ist eine Schande, dass die Vereinigten Staaten und die Europäische Union, die ihre Territorien durch Zäune und sichtbare wie unsichtbare Mauern gegen Flüchtlinge abschotten, gemeinsam daran arbeiten, die Lebensgrundlagen der Menschen in den armen Regionen noch mehr zu zerstören. Auch diese Wirkung von TTIP sollte beachtet werden, und auch das ist ein Grund, warum wir uns gegen TTIP wehren.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Scheuerl, ich finde es wirklich ziemlich zynisch, wenn Sie sich darüber mokieren, dass wir fordern, die Grenzen Europas, dieser Festung, niederzureißen. Sie wollen die volle Bewegungsfreiheit für die Waren und das Kapital, aber wir sagen, für Menschen muss mindestens dasselbe gelten wie für Waren und Kapital.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist jetzt ein bisschen schwer für mich, mich mit der SPD auseinanderzusetzen. Ich könnte mich mit Hunderten von Standpunkten auseinandersetzen, Sie haben hier auch nicht dieselbe Sprache gesprochen. Der eine kritisiert so ein bisschen, der andere gar nicht, der Dritte ziemlich stark und sagt, das werde man auf keinen Fall hinnehmen.

(Finn-Ole Ritter FDP: Der andere kritisiert Sie!)

Ich finde, Sie sollten sich darüber verständigen, und dann würde ich es auch gut finden, wenn Sie nicht nur meckern, sondern tatsächlich auch mitmachen,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Wir machen mit!)

diese Verhandlungen zu stoppen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sage deshalb noch einmal: Diese Verhandlungen müssen gestoppt werden, denn sonst können Sie tausendmal Mindeststandards fordern, aber am Ende wird nichts daraus und dann haben Sie nur die Wahl, Ja oder Nein zu sagen. Ich weiß, wie Sie sich dann entscheiden. Sie werden dann nämlich zustimmen und sagen, dass Sie es leider nicht verhindern konnten.

TTIP macht für uns auch deutlich, dass Europa nicht weniger, sondern mehr Demokratie braucht.

(Beifall bei der LINKEN)

Dazu gehört – natürlich mache ich hier auch Wahlkampf –, dass das Europäische Parlament gestärkt werden muss.

(Dirk Kienscherf SPD: Das hätten wir jetzt nicht vermutet!)

Deshalb der Appell nach draußen und gerade auch an alle, die TTIP kritisieren und bekämpfen: Gehen Sie wählen und verändern Sie die Mehrheitsverhältnisse, damit das Europäische Parlament sich einmischt in diese Verhandlungen.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt bekommt Herr Rose von der SPD-Fraktion das Wort.

(Finn-Ole Ritter FDP: 193 000 neue Gewerk- schaftsmitglieder!)

Ich wusste es. Wenn ich nach vorne gehe, dann macht Herr Ritter immer, bevor ich ein Wort gesagt habe, einen Zwischenruf.

(Finn-Ole Ritter FDP: Sorry, ich kann nicht anders!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann den letzten Satz von Christiane Schneider voll unterstreichen: Gehen Sie wählen und sorgen Sie für eine andere Mehrheit im Europäischen Parlament.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin auch sehr dafür, dass wir die Situation des Wahlkampfes nutzen, um diese Debatte in diesem Parlament zu führen, wie auch immer sie motiviert ist. Aber man kann keiner Fraktion und keiner Partei absprechen, dass sie auch diese Debatte, die mittlerweile einen großen öffentlichen Charakter bekommen hat, dafür nutzen, wenige Tage vor der Wahl um Stimmen zu werben.

Aber was wir sehen und hören, ist doch wieder das übliche Politikspiel, wie wir es bei solchen Themen auch in der Bürgerschaft kennen. DIE LINKE nimmt eine fundamentalistische Gegenposition ein, das Ganze soll ersatzlos gestoppt werden.

(Christiane Schneider)

(Gabi Dobusch SPD: Erst mal stoppen, rich- tig!)

Die GRÜNEN gehen nicht ganz so weit, sie sagen, stoppen, aber wieder neu anfangen. Die CDU nimmt die fundamentalistische Gegenposition ein, vergisst die Risiken und nimmt nur eine Pro-Position ein. Und die FDP macht 200 Prozent von dem, was die CDU gemacht hat.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Und die SPD schwebt über allem!)

Und die Sozialdemokratie

(Zurufe von der CDU und der LINKEN)

hat die einzige wirklich differenzierte Position in dieser Frage.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen ist es auch so notwendig, dass die Sozialdemokratie gerade bei solchen Themen in dieser Bürgerschaft die absolute Mehrheit hat, weil sie damit diese differenzierte Position durchsetzen kann.

(Beifall bei der SPD – Finn-Ole Ritter FDP: Und jetzt mal was zum Thema!)

Zu den einzelnen Punkten. Es war aus unserer Sicht ein sehr großer Fehler, dass nicht nur der Eindruck entstand, sondern wohl auch tatsächlich Geheimverhandlungen stattgefunden haben und Transparenz und Beteiligung klein geschrieben wurden zu Beginn dieser Verhandlungen.

(Norbert Hackbusch DIE LINKE: Wann habt ihr das gemerkt?)

Wir müssen fordern – und das ist jetzt auch durch die öffentliche Debatte nach vorn gekommen –, dass es hier mehr Transparenz und mehr demokratische Beteiligung gibt, dass Grundregeln der Demokratie nicht außer Kraft gesetzt werden dürfen. Diese öffentliche Kritik hat auch dazu geführt, dass dies durchgesetzt wurde. Das ist ein positiver Punkt, nicht nur von der differenzierten Sozialdemokratie, sondern von allen Parteien, die das gefordert haben, insbesondere von der LINKEN und den GRÜNEN; das stimmt schon.

(Beifall bei der SPD)

Als Reaktion auf die öffentliche Kritik an den intransparenten Verhandlungen hat übrigens die EUKommission einen Beirat aus 15 Vertretern, unter anderem von Gewerkschaften, Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen, eingerichtet, der im Januar 2014 seine Arbeit aufgenommen hat.

Ich komme noch einmal auf den aktuellen Wahlkampf zurück. So habe ich gestern von unserem Spitzenkandidaten Martin Schulz gehört, dass er den Stellenwert dieses Themas ganz nach oben bringen will und dass er es zur Chefsache macht. Ich hätte auch von dem jetzigen Kommissionsprä

sidenten gefordert, dass er diese Frage nicht als eine Frage unter vielen anderen betrachtet, sondern zu einer Chefsache macht, denn das wird der Bedeutung dieses Themas gerecht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Die sozialdemokratische Position zu TTIP ist klar und übereinstimmend in der Fraktion im Europäischen Parlament, bei Martin Schulz, bei der SPD auf Bundesebene, bei der Bundesregierung, soweit Sigmar Gabriel dafür zuständig ist und dafür spricht, bei der Hamburger SPD mit einem klaren Landesparteitagsbeschluss dazu, bei der SPDFraktion in der Bürgerschaft und auch beim Senat. Und diese Position hat eine ganze Reihe von wesentlichen Punkten. Handelsabkommen können grundsätzlich positiv sein, wenn sie den Handel erleichtern und dadurch Wachstum und Arbeitsplätze fördern. Deshalb sind Verhandlungen über TTIP grundsätzlich in Ordnung. Dabei muss jedoch stets das Primat demokratischer Gestaltungsmacht gegenüber Freihandelsdoktrin und Konzerninteressen gewahrt werden.

(Glocke)