Protocol of the Session on May 7, 2014

"Wir wollen, dass Lohnerhöhungen, die dem Ausgleich von Preissteigerungen dienen, nicht mehr automatisch von einem höheren Steuertarif aufgezehrt werden. Mit der Abmilderung dieser sogenannten kalten Progression schaffen wir mehr Leistungsgerechtigkeit und helfen gerade Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen."

So das Wahlprogramm der CDU vor der Wahl.

Im Bundestagswahlprogramm der Sozialdemokratischen Partei Deutschland, das übrigens auch als Regierungsprogramm firmierte, können wir auf Seite 67 folgende Sätze finden:

"Steuerpolitik begreifen wir als ein wichtiges Mittel, das solidarische Miteinander in unserem Land zu ermöglichen und zu fördern und der sozialen Spaltung entgegenzuwirken."

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

"Sie muss gerecht und zugleich wirtschaftlich vernünftig sein."

Zitatende.

Im gemeinsamen Koalitionsvertrag – man könnte jetzt denken, dass die beiden Parteien sicherlich ganz nah beieinander waren – von Union und SPD ist dann keine Rede mehr davon, die kalte Progression abzumildern oder steuerpolitisch der sozialen Spaltung entgegenzuwirken. Tatsächlich wird das Problem der kalten Progression jetzt komplett ignoriert, so, als gäbe es dieses Thema gar nicht. Wir lesen stattdessen täglich neue Wasserstandsmeldungen, das ist der Umgang mit diesem Thema. Der eine sagt dies, der andere jenes. Herr Schäuble sagt, man könne vielleicht einmalig dagegen agieren. Herr Gabriel hat auch irgendwie jeden Tag eine neue Vorstellung in dieser Richtung.

(Wolfhard Ploog CDU: Was sagen Sie denn?)

Ich will Ihnen einmal vor Augen halten, was das tatsächlich bedeutet. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln hat berechnet, wen die kalte Progression bis 2017 prozentual am härtesten trifft. Es sind genau die kleinen und kleinsten Einkommen. Die Menschen in der Gehaltsgruppe von 1000 bis 2000 Euro bekommen durch die kalte Progression eine zusätzliche Last von 45 Prozent aufgebürdet. Bei der Gruppe von 2000 bis 3000 Euro sind es immerhin noch 32 Prozent zusätzlich. Je höher die Gehaltsgruppe wird, umso weniger schlägt die kal

te Progression zu. Bei einem Gehalt von über einer halben Million Euro sind es gerade noch 2 Prozent zusätzlich.

Wer angesichts dieser Zahlen immer noch behauptet, er wolle steuerpolitisch der sozialen Spaltung entgegenwirken, der will die Menschen im Land bewusst hinters Licht führen, denn tatsächlich ist das genaue Gegenteil der Fall.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Walter Scheuerl fraktionslos)

Wer steuerpolitische Änderungen zur Abmilderung der kalten Progression unterlässt, benachteiligt viele Menschen. Er erhöht durch Nichtstun faktisch die Steuern für die finanziell schlechter Gestellten in der Gesellschaft. Das ist weder gerecht noch fair, sondern es ist zutiefst unsozial.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Walter Scheuerl fraktionslos)

Wir waren doch bereits im letzten Jahr soweit. Der Deutsche Bundestag hatte mit der damaligen Regierungsmehrheit ein entsprechendes Gesetz auf den Weg gebracht.

(Dirk Kienscherf SPD: Das waren noch Zei- ten! Gott sei Dank sind die vorbei!)

Aber letztendlich ist es dann im Bundesrat mit der Mehrheit von Rot-Grün, unter tätiger Mithilfe der LINKEN, unter fadenscheinigen Argumenten konterkariert worden. Das ist wirklich ein Armutszeugnis.

(Beifall bei der FDP)

Damit Sie vielleicht eine Vorstellung von der Größenordnung bekommen: Bis 2017 werden es insgesamt 17,5 Milliarden Euro sein, die den Menschen im Land durch die kalte Progression fehlen werden. Feierliche Worte, wie sozial man sich findet, helfen im Zweifel nicht, wenn man diesen Menschen nicht durch Taten unter die Arme greift.

Ich erwarte von allen politischen Akteuren in diesem Haus, dass sie ihr politisches Gewicht in die Waagschale legen, um dieser Ungerechtigkeit ein Ende zu setzen. Jeder in diesem Hohen Hause muss erkennen, dass es nicht gerecht sein kann, wenn eine Gehaltserhöhung dazu führt, am Ende inflationsbereinigt immer weniger in der Tasche zu haben. Noch einmal: Es kommt wegen der kalten Progression dazu, dass man nach einer Gehaltserhöhung effektiv weniger in der Tasche hat als vorher. Das kann doch nicht richtig sein.

(Beifall bei der FDP – Christiane Schneider DIE LINKE: Das hättet ihr doch ändern kön- nen!)

Was sollen denn ein Familienvater oder eine Mutter sagen, die sich um eine Beförderung bemühen, mehr Geld bekommen, aber am Ende weniger in der Tasche haben? Das kann es nun wirklich nicht

sein. Leistung muss sich wieder lohnen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Walter Scheuerl fraktionslos)

Deswegen möchten wir, dass die Hamburgische Bürgerschaft heute ein starkes Signal aussendet und konkret eine politische Initiative in die Wege leitet, um dieses Problem zu beseitigen. Ich bitte Sie daher um Ihre Zustimmung und um Ihre Unterstützung.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Walter Scheuerl fraktionslos)

Von der SPD-Fraktion erhält nun das Wort Herr Quast.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Jetzt gib's ihm aber!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das war schon etwas dick aufgetragen, Herr Bläsing, wie Sie versucht haben, die FDP als die Partei der kleinen Leute zu gerieren.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und bei Katharina Fegebank GRÜNE)

Das nimmt Ihnen keiner ab, Sie bleiben die Partei der Mövenpick-Steuer, die Partei, die dem Staat lieber nimmt, den Reichen gibt und damit den kleinen Leuten, die einen starken Staat brauchen, in Wirklichkeit schadet. Das ist die FDP.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Anjes Tjarks GRÜNE)

Ich möchte zunächst grundsätzlich festhalten, dass progressive Steuertarife kein Unfall sind, sondern gewollt. Mit wachsenden Einkommen steigen die Steuersätze entsprechend dem Prinzip der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit.

(Katja Suding FDP: Sie haben nicht verstan- den, was wir wollen!)

Ein Problem entsteht dann, wenn die Preissteigerungen die Bruttolohnerhöhungen aufzehren und die Leistungsfähigkeit real nicht erhöht wird. Dann kommt es zur kalten Progression, und da müssen wir ran.

(Katja Suding FDP: Dann macht doch mal was!)

Zurzeit ist es aber so, meine Damen und Herren von der FDP, dass die relativ hohen Tarifabschlüsse, die die Tarifparteien vereinbaren konnten, und die geringe Preissteigerungsrate von 1,3 Prozent diesen Effekt der kalten Progression doch eher geringer ausfallen lassen, was für die Betroffenen natürlich trotzdem ärgerlich ist.

(Finn-Ole Ritter FDP: Also wollen Sie nicht!)

Hören Sie doch zu, Herr Ritter, ich bin noch gar nicht fertig.

Zudem ist mit der Erhöhung des steuerlichen Grundfreibetrags um 2,8 Prozent gerade zum Jahreswechsel eine Anpassung des Tarifverlaufs vorgenommen worden, der die kalte Progression für die unteren Einkommen in diesem Jahr zusätzlich dämpft. Dies alles löst das Problem noch nicht, aber es mildert zurzeit die Auswirkungen für den Steuerzahler, und es gilt, die Zeit zu nutzen, Lösungen zu entwickeln. Eben das passiert in Berlin. Wir erfahren das aus unseren Bundestagsfraktionen, und Sie können das der Presse entnehmen.

Meine Damen und Herren! Die Vertreter der Koalitionsfraktionen CDU, CSU und SPD haben sich in diesen Tagen wiederholt dazu geäußert und vergessen dabei auch nicht das, was die FDP immer tut, nämlich dass wir die Einnahmeausfälle, die wir bei einer Abmilderung der kalten Progression haben, kompensieren müssen. Denn natürlich sind die Steuereinnahmen sowohl im Bundeshaushalt als auch in den Ländern längst verplant. Die von Ihnen zitierten 17 Milliarden Euro – wenn sie denn stimmen – würden am Ende also Bund und Ländern fehlen. Darüber müssen wir sprechen, und es reicht eben nicht, wenn Sie als FDP immer gern früher die Schuldenbremse erreichen wollen, auch, wenn Sie da nicht so extrem wie die CDU sind. Wir haben vor, die Schuldenbremse 2019 tatsächlich zu erreichen.

(Katja Suding FDP: Mütterrente, Rente mit 63! – Finn-Ole Ritter FDP: Sie machen eine Rentenreform!)

Dazu gehört eben auch eine verantwortungsvolle Politik, durch konkretes Handeln die Schuldenbremse zu erreichen. Anders als Sie stehen wir in der Verantwortung, in den Erhalt und den Ausbau der Infrastruktur, in den Erhalt und den Ausbau von Schulen und Hochschulen, in mehr Wohnungen, bessere Bildungsangebote und ganztägige Kinderbetreuung zu investieren, Herr Ritter. Dies alles erfordert eine kluge Haushalts- und Finanzpolitik.

(Beifall bei der SPD – Finn-Ole Ritter FDP: Rückwärtsgewandt!)

Diese leisten Senat und SPD-Fraktion, auch wenn es Ihnen nicht passt.

(Finn-Ole Ritter FDP: Sie haben es immer noch nicht verstanden!)

Die SPD-regierten Länder haben 2012 einen Vorschlag gemacht, den Spitzensteuersatz zu erhöhen. Dies hätte dem Grundsatz der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit Rechnung getragen und zugleich die Spielräume geschaffen für mehr Investitionen und weniger Steuern für kleine und mittlere Einkommen. Das haben CDU und FDP verhindert, das ist Geschichte.

(Robert Bläsing)

(Christiane Schneider DIE LINKE: Sie haben es in der Hand!)

Sie haben damals eine Chance vertan, Normalverdiener zu entlasten.