Protocol of the Session on February 27, 2014

Der CDU ist noch mehr eingefallen. Da sich jetzt so viele Schülerinnen und Schüler bei der Stadtteilschule anmelden, kommen Sie auf die Idee und wollen Aufnahmeprüfungen machen lassen. Haben Sie eigentlich vergessen, was im Volksentscheid stand? Dort stand, dass der Elternwille entscheiden solle und keine Aufnahmeprüfung.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD – Dr. Andreas Dressel SPD: Ja!)

Das Wort bekommt nun Senator Rabe.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Diskussion der letzten Monate sollte uns nachdenklich machen, weil die bewährten Grundlagen unseres Schulsystems in Politik und Öffentlichkeit mit einer gewissen spielerischen Leichtfertigkeit in immer schnellerer Reihenfolge infrage gestellt werden. Beispiele sind das Recht der Eltern auf freie Schulwahl, unser Schulsystem mit vierjähriger Grundschule und zwei gleichwertigen weiterführenden Schulen, die Stadtteilschule als vollwertige Schulform für Kinder aller Begabungen und die Inklusion. Das alles haben wir 2010 zumindest zwischen CDU, GAL und SPD so besprochen. Es irritiert mich sehr, dass immer wieder einzelne Punkte davon infrage gestellt werden.

Die CDU stellt jetzt das Elternwahlrecht mehrfach infrage. Sie schlagen vor, in Zukunft den Zugang zum Gymnasium zu regeln, und das heißt nichts anderes, als dass Eltern künftig nicht mehr frei darüber entscheiden dürfen, ob ein Kind zum Gymnasium kommt oder nicht. Sie haben auch vorgeschlagen, Eltern nicht mehr frei darüber entscheiden zu lassen, ob ihre Kinder eine allgemeinbildende Schule oder eine Sonderschule besuchen. Die

se freie Schulwahl soll Ihrer Auffassung nach nur noch an bestimmten Schwerpunktschulen möglich sein.

Ich sage Ihnen offen, dass ich solche Überlegungen für brandgefährlich halte. Das Recht auf freie Schulwahl durch Eltern und Kinder ist ein wichtiges Recht in unserem Schulsystem. Es sichert Akzeptanz und Erfolg. Gerade deshalb, das darf ich sagen, haben in dieser Anmelderunde viele Eltern dem staatlichen Schulsystem vertraut, und das müssen sie nicht, sie können auch private Schulen wählen. Die Tatsache, dass sie in großer Zahl staatliche Schulen angewählt haben, ist ein Erfolg für das staatliche Schulsystem, übrigens auch ein Erfolg des Schulfriedens und der SPD-Politik. Deswegen sage ich klar, dass sich die SPD ohne Wenn und Aber zum Recht der Eltern auf freie Schulwahl bekennt. Das ist manchmal unbequem, aber wir wollen mündige Eltern und wir wollen, dass diejenigen, die es betrifft, mitentscheiden. Das ist unsere Garantie.

(Beifall bei der SPD)

Dazu zählt auch das Recht von Eltern, darüber zu entscheiden, ob ihre Kinder, behindert oder nicht, auf allgemeinbildende Schulen oder Sonderschulen gehen.

(Robert Heinemann CDU: Sie schließen doch die Sonderschulen!)

Ich bin ein bisschen verwirrt darüber, dass hier alle sagen, das habe die SPD eingeführt. Das macht mich zwar stolz, aber, Herr Heinemann, wir wissen es doch alle besser.

(Robert Heinemann CDU: Sie schließen die Sonderschulen!)

Wir wollen darauf hinweisen, dass es die CDUBundesregierung unter Angela Merkel war, die die UN-Konvention mit genau diesem Wahlrecht ratifiziert hat. Und wir wollen auch daran erinnern, dass es 2010 die CDU und die GAL in Hamburg waren – 2010 hat die SPD nicht regiert –, die dieses Inklusionsrecht eingeführt haben.

(Arno Münster SPD: Hört, hört!)

Jetzt will es die gleiche CDU in Hamburg nach nur drei Jahren schon wieder abschaffen.

Ich sage Ihnen noch einmal sehr klar: Jahrzehntelang wurden Kinder zwangsweise auf Sonderschulen geschickt, darunter viele Kinder, die als Ihre oder meine Kinder vermutlich einen ordentlichen Schulabschluss geschafft hätten, die ausgegrenzt an Sonderschulen aber kaum Bildungschancen hatten. Inklusion wird nicht falsch, weil sie schwierig ist. Lassen Sie uns gern über Erfolgsrezepte streiten, aber betreiben Sie, meine Damen und Herren von der CDU, keine Geschichtsklitterung und kneifen jetzt nicht. Schicken Sie nicht wieder Kinder zwangsweise auf die Sonderschule zurück,

(Dora Heyenn)

(Robert Heinemann CDU: Das will doch kei- ner!)

denn das ist kein Rezept, sondern eine Kapitulation.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Stefanie von Berg und Jens Kerstan, beide GRÜNE)

Ich räume ein, dass es ein langer und sehr anstrengender Weg ist, das Recht auf Inklusion umzusetzen. Die notwendige Zeit haben wir alle den Schulen nicht gegeben.

Herr Heinemann, wir müssen nur in alte Bürgerschaftsprotokolle schauen. Sie haben vor Kurzem selber gesagt, dass Sie es damals eingeführt haben, und zwar ziemlich schnell, und im Nachhinein betrachtet auch aus Sicht der CDU ohne das notwendige Konzept und die erforderlichen Lehrkräfte. Ich räume ein, dass seitdem die SPD an diesen Problemen repariert. Wir haben viel gemacht, und ich will darauf hinweisen, dass wir 200 zusätzliche Lehrkräfte und 200 zusätzliche Schulbegleiter nur für die Inklusion eingestellt haben sowie Tausende von Fortbildungsstunden und zahlreiche organisatorische Verbesserungen vorgenommen haben.

Übrigens, Frau von Berg, kann auch hier ein Blick in die letzte Legislaturperiode nicht schaden. Gegenüber Ihren Vorschlägen und Ihrem Modell von 2010 hat die SPD die Förderung für die Kinder mehr als verdoppelt. Das war unsere Antwort auf die Fragen und Probleme, die Sie hinterlassen haben.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von Robert Hei- nemann CDU)

Trotzdem sollten wir uns fragen, ob jetzt alles getan ist, und wir müssen zweifellos über vorhandene Probleme nachdenken, zum Beispiel das Personal. Denken ist anstrengend, und dazu gehört auch, sich ein paar Wahrheiten in Erinnerung zu rufen.

Erstens: Die Personalausstattung unserer Schulen für die Inklusion ist bundesweit eine der besten überhaupt.

Zweitens: Die Schulen haben heute doppelt so viel Personal gegenüber den Vorschlägen von CDU und GAL von 2010; das sagte ich bereits.

Drittens: In Schleswig-Holstein funktioniert die Inklusion mit weniger als zwei Drittel dieser Ressourcen.

(Robert Heinemann CDU: Ihre Schulleiter sind alles Jammerlappen, oder was wollen Sie sagen?)

Angesichts dieser spannenden Zahlen sollten wir uns bei der Problemanalyse ein bisschen mehr Mühe geben. Es ist natürlich leicht, schlank einfach 20 Millionen Euro mehr zu verlangen wie die GRÜNEN oder den Ausstieg zu fordern wie die CDU.

(Robert Heinemann CDU: Was wollen Sie denn machen?)

Wenn Sie mir die Zeit lassen, würde ich darauf gern antworten, Herr Heinemann. Sie müssen aber auch die Kraft haben zuzuhören.

(Beifall bei der SPD)

Die Frage ist doch, warum die Inklusion an einigen Schulen hervorragend klappt und an anderen nicht. Und warum funktioniert die Inklusion in Schleswig-Holstein mit zwei Drittel der Ressourcen? Die Antwort lautet, dass sie eher angefangen haben. Inklusion muss man lernen, wollen und können, und das dauert. Das gilt für alle, für Eltern, Kinder, Lehrer, Behörde und Politik. Dafür brauchen wir nicht nur Geduld – die brauchen wir auch –, sondern auch Lernfähigkeit und Verbesserungen

(Jens Kerstan GRÜNE: Und einen starken Glauben!)

sowie den festen Willen, vor unbequemen Kindern und Fragen nicht davonzulaufen. In dieser Phase sind wir jetzt und dürfen die Nerven nicht verlieren, sondern wir müssen Schritt für Schritt handeln. Wir tun das, und ich nenne Ihnen drei Beispiele für die weiteren Wege, die wir gehen.

Erstens: Für 400 besonders förderbedürftige Kinder haben wir Mini-Lerngruppen mit maximal vier Kindern eingerichtet, in denen diese Kinder mit besonders ausgebildeten Pädagogen in einem Schüler-Lehrer-Verhältnis von 1:1 besonders gefördert werden, damit sie nach einer bestimmten Zeit in ihre Schulklasse zurückkehren können.

Zweitens: Wir gestalten das Verfahren für die Schulbegleiter elternfreundlicher und wollen den Schulen künftig mehr Möglichkeiten geben, die Schulbegleiter passgenau dort einzusetzen, wo sie wirklich gebraucht werden.

Drittens: Die Frage nach den Zahlen stellt sich in der Tat, und auch Sie müssen sie beantworten, wenn Sie offen und ehrlich über die Probleme sprechen. Wie ist die Differenz zu erklären, dass in den Förderschulen in vier Jahren 1700 Förderschüler weniger sind, die allgemeinbildenden Schulen aber gleichzeitig 4900 neue melden?

(Zuruf von Robert Heinemann CDU)

Meinen Sie, dass diese Frage mit mehr Personal zu lösen ist? Ich würde erst einmal eine Antwort auf dieses seltsame Phänomen suchen.

(Robert Heinemann CDU: Dann geben Sie sie doch! Das ist doch Ihre Verantwortung!)

Dazu zählt auch, dass wir besser hinschauen müssen. Wir brauchen endlich klare Maßstäbe dafür, ob ein Kind förderbedürftig ist oder nicht,

(Robert Heinemann CDU: Die brauchen wir seit zwei Jahren!)

(Senator Ties Rabe)

und wir brauchen Top-Experten, die im Schulsystem solche Diagnosen stellen können. An diesen Problemen arbeiten wir.

(Robert Heinemann CDU: Wie lange noch?)

Wir sehen diese Probleme und nehmen sie ernst, und wir handeln und laufen nicht weg. Wir flüchten uns nicht in unbezahlbare Millionenforderungen, die Sie, als Sie an der Regierung waren, sogar deutlich unterschritten haben, und in Ausstiegsszenarien, sondern gehen Schritt für Schritt voran. Inklusion muss man lernen, und man kann sie auch lernen.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte noch zwei Gedanken anfügen, wenn es um die Zukunft der Stadtteilschulen geht. Ich bin auch über andere Ideen etwas beunruhigt. Ein Verband von Stadtteilschulleitern, der offensichtlich den GRÜNEN sehr nahesteht, wie wir gerade von Frau von Berg hörten,