Die SPD-Fraktion möchte die Drucksache 20/10866 ebenfalls an den Ausschuss für Wirtschaft, Innovation und Medien überweisen.
Entschuldigung, Frau Schneider. Ich möchte die Damen und Herren im Publikum bitten, solche Dokumentationen und Äußerungen zu unterlassen. Sie müssen sich hier an die Hausordnung halten. Das gilt für alle.
Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin! In der Verfassung, die sie sich 1952 gab, verpflichtete sich die Freie und Hansestadt Hamburg auf ihre, wie es heißt – ich zitiere –:
"[…] durch Geschichte und Lage zugewiesene besondere Aufgabe […]. Sie will im Geiste des Friedens eine Mittlerin zwischen allen Erdteilen und Völkern der Welt sein."
In krassem Widerspruch zu dieser Selbstverpflichtung, im Geiste des Friedens zu vermitteln, steht die Tatsache, dass vom Hamburger Hafen aus Gewalt in alle Welt exportiert wird. Allein in acht Monaten, zwischen Mitte Mai 2013 und Ende Januar 2014, wurden 11 000 Tonnen Munition im Hambur
ger Hafen umgeschlagen, 672 Container, vor allem mit beschussfähigen Patronen, aber auch sonstiger Munition, Sprengstoff, Raketen – insgesamt eine Nettoexplosivstoffmasse von 659 Tonnen. Dabei beziehen sich die genannten Zahlen nur auf Gefahrgüter aus dem Bereich Munition, Explosivstoffe und Waffentechnik, also nur auf einen kleinen Teil der Rüstungsgüter, die über Hamburg in alle Welt exportiert werden. Waffen und sonstiges Kriegsmaterial sind nicht erfasst. Aber schon der genannte Ausschnitt macht deutlich, dass der Hamburger Hafen ein großer, wichtiger Umschlagplatz für Waffen und anderes Kriegsmaterial ist. Von Hamburg aus wird Gewalt in alle Welt exportiert. Speditionen, Frachtunternehmen, Reedereien, aber eben auch die Stadt Hamburg profitieren vom Rüstungsexport. Von den rund 100 Firmen aus Hamburg und dem Umland mit rüstungsrelevanten Produkten und Dienstleistungen will ich hier gar nicht reden.
Heute, am 26. Februar, findet ein bundesweiter Aktionstag gegen Waffenexporte statt. Das Datum ist nicht zufällig gewählt, denn es geht dem bundesweiten Bündnis – auch in Hamburg hat sich kürzlich ein Bündnis gebildet – darum zu erreichen, dass das Verbot von Rüstungsexporten in Artikel 26 des Grundgesetzes verankert wird. Wir von der LINKEN unterstützen dieses Anliegen.
Der Antrag, den die GRÜNEN zur heutigen Bürgerschaftssitzung eingebracht haben, geht nicht so weit, auch unser Zusatzantrag nicht. Wir unterstützen den GRÜNEN Antrag auf ein restriktives Rüstungsexportgesetz jedoch als ersten wichtigen Schritt hin zu einem völligen Verbot von Rüstungsexporten und haben dazu noch einige Erweiterungen vorgeschlagen.
Jahr für Jahr steigen die deutschen Rüstungsexporte; im Fünfjahreszeitraum 2008 bis 2012 um 17 Prozent gegenüber dem Zeitraum 2003 bis 2007. Deutschland ist heute mit einem Anteil von 7 Prozent drittgrößter Rüstungsexporteur der Welt. Allein im Jahr 2012 wurden Exportgenehmigungen in Höhe von 8,87 Milliarden Euro erteilt. Von den 16 380 Anträgen auf Rüstungsexporte wurden ganze 118 – das sind 0,7 Prozent – abgelehnt, also 99,3 Prozent angenommen. 55 Prozent aller Einzelausfuhrgenehmigungen entfielen 2012 auf sogenannte Drittstaaten. Auch an Despotenregime, an menschenrechtsverletzende und kriegführende Staaten werden skrupellos Waffen geliefert. Größter Abnehmer deutscher Waffen ist Saudi-Arabien – ausgerechnet Saudi-Arabien, ein Staat, in dem Todesstrafe, Folter, Unterdrückung Andersdenkender und die totale Entrechtung von Frauen an der Tagesordnung sind, ein Staat, der den bewaffneten Konflikt im Jemen buchstäblich befeuert und an der blutigen Unterdrückung der Demokratiebewegung in Bahrain beteiligt ist, und
zwar mit Waffengewalt. Nach Saudi-Arabien werden nicht nur Kriegswaffen und Kleinwaffen geliefert, hier werden bereits seit Jahrzehnten in Lizenz Sturmgewehre des Waffenbauers Heckler & Koch produziert. Dafür importiert Saudi-Arabien aus Deutschland alljährlich Ersatzteile in erheblichem Umfang. In Saudi-Arabien produzierte deutsche Sturmgewehre kommen zum Beispiel im Jemen zum Einsatz.
Ich könnte die Reihe von Staaten, die sich mit deutschen Waffen aufrüsten und die deutsche Waffen im eigenen Land oder in regionalen Konflikten einsetzen, fortführen. Ein nicht kleiner Teil deutscher Waffen findet den Weg in Kriegs- und Krisengebiete, in Länder, in denen die Menschenrechte mit Füßen getreten werden, in Länder, in denen Menschen verhungern, weil die Regime Geld für ihre Aufrüstung verschleudern. Das ist unerträglich.
Dafür trägt Hamburg als Umschlagplatz für Rüstungsexporte und als Standort für Rüstungsproduktion erhebliche Mitverantwortung. Gerade das Beispiel Saudi-Arabien macht deutlich, dass nicht einmal die geltenden Rüstungsexportrichtlinien streng und verbindlich gehandhabt werden, weil ihre strikte Einhaltung diese schmutzigen Waffenexporte wenigstens eindämmen würde. Deshalb unterstützen wir erstens das Anliegen der GRÜNEN, die geltenden Rüstungsexportrichtlinien strikt und verbindlich anzuwenden und eine restriktive Genehmigungspraxis zu gewährleisten. Wir wollen allerdings – das haben wir hinzugefügt –, dass Menschenrechtsverletzungen zum absoluten Ausschlusskriterium für Waffenexporte gemacht werden und nicht ein Kriterium unter anderen sind.
Zweitens unterstützen wir das Anliegen, Licht in die Rüstungsgeschäfte zu bringen und die Kontrolle zu stärken. Hamburg hat seine Verantwortung wahrzunehmen. Deshalb ist es richtig – und deshalb unterstützen wir das –, den Senat zu einer entsprechenden Bundesratsinitiative aufzufordern. Wir werden natürlich aufgrund der Erfahrung mit der rot-grünen Regierung, die ja auch eine Geschichte hat in puncto Rüstungsexporte, darauf achten, dass die GRÜNEN ihr Anliegen auch dann weiter verfolgen, wenn sie das nächste Mal an einer Regierung in Hamburg oder in Berlin beteiligt sind. Wir werden Sie, das versprechen wir, bei Ihrem eigenen Wort nehmen.
Ich will aber noch einige Worte zu drei weiteren Punkten sagen, die wir zusätzlich erreichen wollen. Das sofortige Verbot von kleinen und leichten Waffen halten wir für unverzichtbar. Kleine und leichte Waffen sind die – ich zitiere –:
Helmut Schmidt hat das richtig auf den Punkt gebracht. Ihren Export hat Deutschland 2012 gegenüber 2011 fast verdoppelt. Einmal exportiert gibt es keine Kontrolle mehr darüber, wohin sie gelangen. Deutsche Klein- und Leichtwaffen sind im Sudan dabei, in Libyen, in Mexiko, in Syrien, auch bei AlQaida in Syrien – sie finden überall ihren Krieg oder ihren bewaffneten Konflikt. Es gibt praktisch keinen Konflikt, an dem deutsche Kleinwaffen nicht beteiligt sind, an dem deutsche Waffenexporteure nicht verdienen. Das muss aufhören.
Aufhören muss unserer Auffassung nach auch die Vergabe staatlicher Ausfallbürgschaften für Rüstungsexporte. Hermes-Kredite werden vor allem bei besonderem staatlichem Interesse an der Durchführung von Ausfuhrgeschäften vergeben. In den ersten elf Monaten 2012 wurden sechs Hermes-Bürgschaften für deutsche Rüstungsexporte in sogenannte Schwellenländer freigegeben, ihr Wert betrug laut "SPIEGEL" fast 3,3 Milliarden Euro. Dass die Geschäfte mit dem Tod auch noch auf Kosten der Steuerzahler/-innen abgesichert werden, ist doppelt unerträglich.
Schließlich fordern wir im Sinne größerer Transparenz, dass der Staat alle Rüstungsexporte, die über den Hamburger Hafen abgewickelt werden, monatlich veröffentlicht. Das ist etwas, was er selber gewährleisten kann.
Beides hängt untrennbar zusammen. Deshalb möchte ich in dieser Debatte am Schluss ausdrücklich auf die Demonstration am Samstag zur Unterstützung des humanitären Bleiberechts der Lampedusa-Gruppe und der Rechte aller Flüchtlinge hinweisen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liege Kolleginnen und Kollegen! Auf die Symbolik des heutigen Tages im Zusammenhang mit Artikel 26 Absatz 2 unseres Grundgesetzes wurde eben schon hingewiesen. Dort steht:
"Zur Kriegsführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz."
Das ist der Text dieses Absatzes 2. Ich denke, das ist auch der Grund, warum die "Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!" unter der Schirmherrschaft von Margot Käßmann heute zu einem Aktionstag in Berlin aufruft und auch in Hamburg eine Initiative von Hauptpastor Christoph Störmer von der Petri-Kirche die Fraktionen der Bürgerschaft aufruft, sich einer offenen Debatte über die Rüstungsexporte aus dem Hamburger Hafen zu stellen.
Ich finde, dass es, unabhängig von der eigentlichen Zuständigkeit des Bundes und unabhängig von den schwierigen Einzelfragen, die in dieser Debatte zu klären sind, in jedem Fall ein positives und unterstützungswertes friedenspolitisches Zeichen ist, wenn es außerhalb der Parlamente zivilgesellschaftliche Initiativen gibt, die sich kritisch mit dem Export von Rüstungsgütern auseinandersetzen. Darum begrüßen wir als SPD-Fraktion diese offene Debatte sehr und werden uns an ihr beteiligen.
Die Schaffung und Erhaltung des Friedens, die Kontrolle und Begrenzung von Rüstung im eigenen Land, in Europa und weltweit ist ein altes sozialdemokratisches Anliegen, für das sozialdemokratische Bundesregierungen in den vergangenen Jahrzehnten viel erreicht haben. Die Kontrolle und Begrenzung von deutschen Rüstungsexporten durch die Formulierung klarer Richtlinien ist von sozialdemokratischen Bundesregierungen eingeführt und immer wieder aktualisiert und verschärft worden, zuletzt im Jahr 2000 unter Rot-Grün. Auch die aktuellen sozialdemokratischen Bundesminister werden sich aktiv für Frieden, gewaltfreie Konfliktlösung und Abrüstung einsetzen. Frank-Walter Steinmeier hat dazu gerade einen wichtigen und bedeutsamen Beitrag geleistet und Sigmar Gabriel hat sich jüngst deutlich für eine Begrenzung der deutschen Waffenexporte ausgesprochen, denn Helmut Schmidt, der hier eben schon prominent zitiert worden ist, hat vollkommen recht, wenn er unlängst in der "Zeit" geschrieben hat, dass das Wirtschafts- und Arbeitsplatzargument, so ernst wir es als Partei der Arbeit auch nehmen, nicht allein ausschlaggebend sein darf bei diesem Thema. Dort, wo Waffen aus Deutschland absehbar Leid und
(Beifall bei der SPD und bei Farid Müller GRÜNE Doch Helmut Schmidt hat ebenso recht, wenn er sagt, dass nicht die Formulierung von Richtlinien und Gesetzen allein entscheidend ist, sondern es vor allem auf ihre ernsthafte und verbindliche Um- setzung ankommt. Wir werden daher die Anträge zur weiteren Beratung an den Ausschuss überwei- sen, auch wenn wir bezüglich der konkreten Vor- schläge zum Teil skeptisch sind. (Norbert Hackbusch DIE LINKE: Wo sind Sie nicht skeptisch?)
Denn wer sich die gültigen, im Jahre 2000 von der rot-grünen Bundesregierung formulierten Grundsätze und Richtlinien zum Kriegswaffenexport einmal genau anschaut, der wird feststellen, dass es ihnen keineswegs an Schärfe und Präzision fehlt. Daher sind wir skeptisch, ob es helfen wird, diese Regelungen noch einmal in andere Gesetze hineinzuschreiben. Was vielmehr in den zurückliegenden Jahren im Wirtschaftsressort der Bundesregierung wohl manches Mal gefehlt hat, war der Wille, diese Richtlinien bei der Erteilung der konkreten Ausfuhrgenehmigungen auch wirklich konsequent anzuwenden.