Trotz vieler Mahnungen unsererseits blieb der Senat leider ähnlich untätig, wie es schon die Vorgängersenate waren; wir denken an die Flüchtlinge oder auch an die Rote Flora. Der Senat darf Situationen nicht über Jahre hinweg aussitzen und hoffen, dass nichts passiert, sondern er muss konstruktiv handeln und zu einer am Ende für alle tragbaren Lösung kommen. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir führen eine sehr wichtige Debatte, in der es um viele Themen geht. Eines dieser Themen ist die Frage, wie wir selbst unsere Stadt sehen. Angesichts mancher Beiträge in den Medien, auch den überregionalen, habe ich mich gefragt, ob das die Stadt ist, in der ich lebe, in der ich aufgewachsen bin und in der ich jeden Morgen aufwache. Und ich glaube, das geht vielen in diesem Raum so, denn es ist ein Bild
Dies ist eine liberale Stadt, eine soziale Stadt, eine Stadt, die sich auf vielfältige Weise Mühe gibt, dass jeder, der hier sein Glück machen will, auch eine Gelegenheit dazu bekommt. Wir wissen, dass manche Hoffnungen sich nicht realisieren lassen, dass manches Leben sehr schwer verläuft. Das löst immer wieder neue Diskussionen aus, und diese Diskussionen müssen geführt werden. Wir wissen aber auch, dass gerade die Tatsache, dass es hier möglich ist, viele unterschiedliche Lebensentwürfe zu leben, einen großen Teil der Attraktivität der Hoffnungs- und Zukunftsstadt Hamburg ausmacht. Wir werden dieses Bild unserer Stadt verteidigen, und wir werden dafür sorgen, dass dieses Bild auch immer der Realität entspricht.
Über das, was in dieser Stadt zu tun ist, muss diskutiert werden. Das hat dann immer wieder auch politische Konsequenzen. So wurde zum Beispiel der Wohnungsbau über zehn Jahre lang vernachlässigt, bis er vor dem Regierungswechsel fast zum Erliegen gekommen ist. Das hat natürlich dazu geführt, dass es in dieser Stadt einen großen Mangel an Wohnraum gibt. Nach mehreren Schätzungen fehlten 2011, zum Zeitpunkt des Regierungswechsels, 30 000 bis 40 000 Wohnungen in Hamburg. Und dieser Regierungswechsel ist auch zustande gekommen, weil das ein Problem war, aber mittlerweile sind 25 000 Baugenehmigungen erteilt. Das ist ein Erfolg der großen Mobilisierung gegen Gentrifizierung und für den sozialen Zusammenhalt in dieser Stadt.
Es gilt in der ganzen Stadt eine Mietpreisbremse, es gibt mehr Soziale Erhaltungssatzungen als zuvor und eine unglaubliche Mobilisierung des sozialen Wohnungsbaus. Die städtische Wohnungsgesellschaft SAGA GWG baut wieder. Trotzdem ist es Realität, dass der Mangel, den wir übernommen haben, nicht mit sofortiger Wirkung aufgearbeitet werden kann. Deshalb ist es richtig, über die Frage, was wir tun können, damit jeder in dieser Stadt eine bezahlbare Wohnung finden kann, weiter zu diskutieren, denn das wird für lange Zeit eine Aufgabe in Hamburg sein.
Dies ist eine Stadt, die sich in Sachen Zuwanderungspolitik sehr viele Verdienste erworben hat. Wir haben eine der größten Einbürgerungswellen in Deutschland überhaupt, und zwar auch deshalb, weil dieser Senat sich darum bemüht und wir alle anschreiben, die die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen können. Wir haben einen Staatsvertrag mit Muslimen und Aleviten abgeschlossen, um
den sozialen Zusammenhalt in dieser Stadt zu stärken. Wir haben als eines der ersten Bundesländer die Anerkennung ausländischer Abschlüsse möglich gemacht.
Selbstverständlich gehört auch dazu, dass in dieser Stadt über 10 000 Flüchtlinge eine ordentliche Begleitung bekommen und ein dreistelliger Millionenbetrag aufgewendet wird, damit diese Menschen hier eine sichere Zuflucht finden können. Alles das gehört zu einer großen Stadt wie Hamburg dazu.
Ob das genug ist oder ob man weniger, mehr oder etwas ganz anderes tun sollte, muss in dieser Stadt diskutiert werden – in den Tageszeitungen, in Blogs und sozialen Netzwerken, hier in der Bürgerschaft.
Man kann auch auf verschiedenste Weise kreativ oder mit lustigen Aktionen demonstrieren. Aber eines ist von zentraler Bedeutung: Diese Diskussion kann nur gewaltfrei stattfinden. Die Frage, wie wir unsere Stadt weiterentwickeln wollen, muss im politischen Dialog gelöst werden und nicht durch Steinewerfen und nicht durch Gewalt.
Deshalb stellt es die liberale Debatte, die offene Diskussion über Lösungswege, die wir in Hamburg vor dem Hintergrund unterschiedlicher Ansichten und Einstellungen zu bestimmten Fragen führen, vor eine große Herausforderung, wenn versucht wird, durch Gewalt auf Demonstrationen eine Richtung gegen den Dialog und gegen die Diskussion über die notwendigen Zukunftswege zu erzwingen. Ich sage ausdrücklich: Politische Konflikte politisch zu lösen ist richtig. Diejenigen, die Steine in die Hand genommen haben, diejenigen, die diese Steine mitgebracht haben, die eine gewalttätige Demonstration vor Weihnachten organisiert haben und die Mehrheit der friedlichen Demonstranten, die es auch gegeben hat, in die falsche Richtung getrieben haben, die haben Steine gegen die Diskussion und gegen eine offene Debatte in unserer liberalen Stadt Hamburg geworfen.
Es ist die Polizei, die unmittelbar vor Weihnachten, aber auch an jedem anderen Tag, an dem sie ihre Arbeit verrichtet, Toleranz, Liberalität und eine offene Debatte verteidigt. Sie sorgt dafür, dass politische Konflikte politisch gelöst werden können, und das ist etwas, wofür wir alle der Polizei und den vielen Männern und Frauen, die dort arbeiten, Dank schulden.
Deshalb darf man auch niemandem, der Gewalttaten verüben will, zubilligen, dass er auf diese Weise politische Absichten ausdrückt. Die Steine, die geworfen werden, sind immer Steine gegen die Demokratie, gegen die politische Debatte und gegen die Freiheit, die wir alle miteinander verteidigen wollen. Ich bitte deshalb auch alle, in der politischen Debatte einen solchen Zusammenhang weder auf die eine noch auf die andere Weise herzustellen. Es ist richtig, dass wir über Inhalte diskutieren, aber wenn Menschen Steine werfen, dann sollten wir uns darauf beschränken zu sagen, dass das nicht in Ordnung ist. Wir müssen die Polizei, die für die Liberalität dieser Stadt steht, gegen das verteidigen, was dort passiert ist.
Ich bin all denen dankbar, die gegen Gewalt aufgerufen haben, angefangen bei einer großen Tageszeitung bis hin zu vielen anderen – übrigens von sehr unterschiedlichen politischen Standpunkten aus. Das ist auch völlig in Ordnung. Man muss nicht einer Meinung sein, um sich darüber einig zu sein, dass Gewalt nicht infrage kommt.
Ich bitte darum, dass wir gemeinsam diese Haltung vertreten, wenn wir über das, was in Hamburg zu tun ist, diskutieren. Niemand sollte auch nur den Versuch machen zu sagen: Wäre die Frage der Esso-Häuser anders gelöst worden, dann hätte es diesen Gewaltausbruch nicht gegeben.
Das ist eine falsche Unterstellung, und deshalb ist die Debatte darüber richtig. Aber ich bitte darum, keinen Zusammenhang herzustellen, der gar nicht existiert.
In der Debatte über die Frage, was mit den EssoHäusern passiert, kann man sich vieles vorhalten. So halte ich zum Beispiel all denen, die vorher in Hamburg regiert haben, vor, dass sie es dazu haben kommen lassen, dass es nicht genügend Wohnungen in dieser Stadt gibt und damit natürlich Druck und ein Problem erzeugt haben, das nicht in Ordnung ist.
Und dennoch hat dieser Fehler nichts mit den Gewaltausbrüchen zu tun. Es wäre eine falsche Herangehensweise zu glauben, dass in einer Debatte über Gewalt über diese Fragen diskutiert werden müsse und dort die Lösungen zu finden seien
aus ganz Deutschland und manche aus Europa angereist sind, ist der sicherste Hinweis darauf, dass es keinen solchen Zusammenhang gibt und dass wir ihn uns als Demokraten in dieser Stadt auch nicht gefallen lassen dürfen.
Ich bin im Übrigen dafür, dass wir uns alle gemeinsam darum bemühen, das, was uns ausmacht, voranzutreiben, nämlich über all diese Fragen hier in der Bürgerschaft und auch an vielen anderen Stellen zu diskutieren. Ich glaube, dass das notwendig ist, denn es wird nicht einfacher werden, wenn es beispielsweise große Zuwanderungswellen nicht nur aus Europa, sondern auch von anderswo gibt. Wenn die Kriege weltweit zunehmen, werden wir in unserem Land Probleme lösen müssen, die nicht leicht zu lösen sind.
Wir tun das und wir werden das auch in Zukunft tun, und ich bitte alle, sich an der offenen Debatte darüber, was wir tun können, tun wollen oder tun sollen, zu beteiligen. Wir dürfen uns diese Debatte aber nicht von denjenigen kaputt machen lassen, die andere Vorstellungen verfolgen, indem sie zum Beispiel auf diese Weise gewalttätig sind.
Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal sagen, dass es selbstverständlich richtig ist, dass Solidarität mit der Polizei immer auch bedeutet, dafür zu sorgen, dass sie gut ausgestattet ist. Diese Einstellung hat Konsequenzen gehabt, für die ich mich seit langer Zeit eingesetzt habe, zum Beispiel die Entscheidung, die Zahl der Polizeivollzugsstellen stabil zu halten, oder die Entscheidung, Neueinstellungen und Neuausbildung von Polizistinnen und Polizisten möglich zu machen, ferner die bessere Bezahlung während der Ausbildungszeit, die Tatsache, dass wir die Beihilfe, die abgeschafft worden war, wieder einführen, oder die Tatsache, dass es keine Wachenschließungen gibt, und, und, und. Alle diese Entscheidungen wurden aus dem Blickwinkel heraus getroffen, dass sie notwendig sind, um die liberale Qualität und die liberale Kultur dieser Stadt aufrechterhalten zu können.
So ist auch die Entscheidung zu verstehen, die der Innensenator mitgeteilt hat, dass wir noch einmal zusätzliche Mittel in die Hand nehmen werden. Darüber haben wir übrigens schon im letzten Jahr nachgedacht.
Das alles gehört zu unserem Gesamtkonzept einer offenen Stadt mit all ihren Kontroversen, mit Streit, mit unterschiedlichen Lebensverhältnissen und ganz unterschiedlichen Lebenskulturen. Und ich lade jeden ein, sich an der Debatte darüber, was für die Zukunft wichtig ist, zu beteiligen. Dies gehört
aber auch zu einer Stadt, die ihre Liberalität gegen Gewalttäter verteidigt und nicht akzeptiert, dass diese die Debatten bestimmen. Das muss uns gemeinsam wichtig sein. – Schönen Dank.