Protocol of the Session on December 12, 2013

Frau Dr. Föcking hat jetzt das Wort.

Keine Bange, ich will die Aktuelle Stunde nicht unnötig in die Länge ziehen und nur noch zwei, drei Dinge sagen, da mir manches zu verrutschen scheint.

Herr Golke, nach Ihrem Beitrag ist mein Eindruck – und ich glaube, diesen teilen andere auch –, als wäre Arbeitslosigkeit immer noch besser als Arbeit. Das kann ich einfach nicht teilen,

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das hat er gar nicht gesagt!)

und so ist Ihr gesamter Ansatz. All die Dinge, die Sie ansprechen, gefährden letztlich Arbeitsplätze und führen nicht dazu, dass gerade junge Menschen mit geringer Qualifizierung eine Chance haben, in den Arbeitsmarkt zu kommen. Sie predigen uns das immer wieder, als würden Sie dafür Lösungen anbieten, aber diese sehe ich bis jetzt nicht; insofern läuft etwas schief.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Außerdem wundert es mich etwas, dass Sie ausgerechnet die Friseure dafür anbringen wollen, dass ein Mindestlohn gebraucht wird.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das war Herr Scheele!)

Nein, die 3,50 Euro hat Herr Golke ins Spiel gebracht.

(Zuruf aus dem Plenum: Nein!)

Dann war es ursprünglich Frau Özdemir, denn das war eine Reaktion, soweit ich weiß. Es ist aber auch egal.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Nein, das ist nicht egal! Das waren die Arbeitgeber! – Glocke)

Lassen Sie doch Frau Dr. Föcking ausreden.

Es ist gleichgültig, wer die Friseurin und die 3,50 Euro Stundenlohn eingeführt hat. Noch vor der Einführung eines gesetzlichen flächendeckenden Min

destlohns haben wir im Friseurhandwerk dadurch, dass sich die Tarifparteien geeinigt haben, einen Mindestlohn von 6,50 Euro in Ost und von 7,50 Euro in West, der im nächsten August angehoben werden soll. Diese 3,50 Euro sind eine kleine Chimäre, über die wir nicht mehr sprechen sollten.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das müssen Sie Herrn Scheele sagen!)

Dann noch etwas anderes Grundsätzliches. Soziale Spaltung und soziale Gegensätze spielen sich nicht nur im Transfersystem ab, und man sollte sich nicht nur anschauen, wie der eine und der andere versorgt wird. Die entscheidende Maßnahme gegen Armut ist, da stimme ich Herrn Sozialsenator Scheele zu, dass jemand in eine vernünftige Arbeit kommt, und die Grundlage dafür ist eine vernünftige Bildung und Ausbildung inklusive Hochschule. Dafür sieht der neue Koalitionsvertrag 6 Milliarden Euro vor, die in die Länder gehen sollen, damit diese ihre Kitas, Schulen, Universitäten und Fachhochschulen aktivieren können. Es gibt zahlreiche Maßnahmen, die die Ausbildung fördern und erleichtern sollen, und diese sind auch in die Zukunft gedacht. So viel zum Thema Visionen und mangelnde Visionen. Der Koalitionsvertrag liefert hierzu sehr viel Vernünftiges, und das sollte man in diesen manchmal sehr kleinteiligen Debatten nicht übersehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Frau Fegebank, bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Föcking hat ein paar Zahlen genannt. Ich will den eben ausgeführten Punkt der Generationengerechtigkeit an genau diesen Zahlen noch einmal festmachen. 6 Milliarden Euro für Investitionen in Kita, Schule und Hochschule und mindestens 12,5 Milliarden Euro im Jahr für Rente.

(Wolfgang Rose SPD: Äpfel und Birnen sind das!)

Das lasse ich erst einmal so stehen.

Ich glaube, dass es nicht gerecht ist, wenn man am unteren Ende Geld hineingibt, um zu stärken, zu qualifizieren und die Menschen in den Arbeitsmarkt zu bringen, und auf der anderen Seite sagt, diejenigen, die im Job sind, zahlen für immer mehr Leute immer länger. Das ist ein Angriff auf die Generationengerechtigkeit, und ich glaube, das sehen parteiübergreifend einige in diesem Hause so. Wir haben in dieser Frage den Konflikt vielleicht nicht so sehr zwischen den Fraktionen, sondern eher untereinander. Das ist ein Thema, das uns auch die nächsten Jahre noch beschäftigen wird, denn es bekämpft nicht die Altersarmut. Es ist in einigen Teilen eine Benachteiligung, gerade von Frauen,

(Robert Bläsing)

und es ist ein Angriff auf die Generationengerechtigkeit. – Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN – Urs Tabbert SPD: Jetzt spielen Sie die Generationen ge- geneinander aus!)

Meine Damen und Herren! Damit ist die Aktuelle Stunde beendet, und ich komme nun zunächst zu Geburtstagsglückwünschen. Diese richten sich an unseren Kollegen Uwe Koßel. Lieber Herr Koßel, zum Geburtstag die allerherzlichsten Glückwünsche des ganzen Hauses.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Dann können wir zu Punkt 21 unserer heutigen Tagesordnung kommen, Drucksache 20/9843, der Bericht des Sonderausschusses "Zum Tod des Mädchens Chantal".

[Bericht des Sonderausschusses "Zum Tod des Mädchens Chantal" über die Drucksache 20/3870: Einsetzung eines Sonderausschusses (Antrag der Fraktionen der SPD, CDU, GAL und FDP) – Drs 20/9843 –]

Wird das Wort gewünscht? – Frau Dr. Leonhard.

Sehr geehrte Präsidentin, meine Damen und Herren! Im Januar 2012 ist die elfjährige Chantal gestorben. Sie ist gestorben in der Obhut einer Pflegefamilie, bei der sie vom Jugendamt untergebracht worden war, bei als Drogenkonsumenten bekannten Pflegeeltern, bei denen Chantal nicht einmal ein eigenes Bett hatte, in einer Wohnung, die Chantal und die anderen Kinder, die dort lebten, sich mit drei Kampfhunden teilen mussten.

(Erster Vizepräsident Frank Schira über- nimmt den Vorsitz.)

Schon nach den damals geltenden Richtlinien hätte Chantal nie in diese Familie kommen dürfen, doch auf zahlreiche warnende Hinweise wurde nicht reagiert. Amt und freie Träger, letztlich der Staat, haben versagt, und dieser Skandal wird trotz der erfolgten Aufarbeitung Mahnung für uns alle bleiben.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Christoph de Vries CDU)

Im Februar letzten Jahres haben wir das Schicksal von Chantal anlässlich einer Aktuellen Stunde besprochen, und die SPD-Fraktion hat damals erklärt, dass die Aufarbeitung konsequent sein werde, dass dabei auf nichts und niemand Rücksicht genommen werde, dass wir allein dem Wohl der

Kinder verpflichtet sind und nur ihnen. Auch wenn der heutige Tag ausdrücklich kein Schlusspunkt in dieser Geschichte ist, denke ich, dass wir dieser Pflicht mit den bereits erarbeiteten Maßnahmen und den weiteren heute zu beschließenden Dingen nachkommen werden. Dafür möchte ich mich bei allen daran beteiligten Fraktionen schon einmal herzlich bedanken.

(Beifall bei der SPD, der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Um das Versagen, das zum Tod des Mädchens Chantal führte, zu klären und sich darüber hinaus mit den Maßnahmen zu befassen, die solche oder ähnliche Fälle so weit wie möglich ausschließen können – denn ich fürchte, verhindern können werden wir Versagen nie –, hat die Bürgerschaft im Sommer 2012 nach den ersten Beratungen im Familienausschuss einen Sonderausschuss eingesetzt. Neben der Beratung der vom Senat eingeleiteten Sofortmaßnahmen wie etwa der Prüfung von mehr als 1000 Pflegekinderakten oder Drogenscreenings für alle Pflegeelternbewerber und ihre Familien stand vor allen Dingen die Weiterentwicklung und die Ausgestaltung des Hamburger Pflegekinderwesens im Fokus. An dieser Stelle ist zu betonen: Pflegefamilien leisten einen enormen Beitrag, um Kindern und Jugendlichen, die Traumatisches erleben mussten und oft einen ganzen Rucksack schlimmer Erfahrungen mitbringen, ein neues Zuhause zu geben.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Friederike Föcking CDU und Dr. Till Steffen GRÜNE)

Die Leistungen und das Engagement dieser Pflegeeltern für Kinder und Jugendliche, für die Jugendhilfe und die Gesellschaft sind unverzichtbar für uns.

Pflegeeltern tragen aber auch eine große Verantwortung. Ob eine Familie geeignet ist, Pflegefamilie zu werden oder nicht, muss deshalb genau geprüft und nach einheitlichen und transparenten Regeln entschieden werden. Deshalb ist es wichtig, dass wir im Sonderausschuss gemeinschaftlich und mit einer großen Mehrheit eine neue Fachanweisung für das Pflegekinderwesen erarbeitet haben. Mit dieser Fachanweisung haben wir hamburgweit einheitliche Standards geschaffen und so das System hoffentlich sicherer gemacht.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Friederike Föcking CDU)

Die dafür gefundenen Regelungen sind ebenso klar wie sachgerecht. So ist künftig für die Pflegepersonenakte, wie es im Amtsdeutsch heißt, also für die Akte, die angelegt werden muss, wenn jemand Pflegevater oder Pflegemutter werden will, der Nachweis über einen Drogentest erforderlich, und zwar für alle Haushaltsangehörige ab 18 Jahren. Laut Fachanweisung ist nun ausdrücklich und in jedem Fall jeder und jede als Pflegeperson un

(Katharina Fegebank)

geeignet, für den oder die ein Drogentest den Nachweis von illegalen Drogen oder Medikamenten zur Substitution erbringt. Das allein hätte Chantal damals schon geholfen. Außerdem haben wir nach intensiven Beratungen mit ausgewiesenen Experten für das Pflegekinderwesen entschieden, dass alle vereinbarten Ausschlusskriterien gleichermaßen auch für solche Pflegefamilien gelten sollen, die Kinder aufnehmen, mit denen sie verwandt oder bereits bekannt sind. Dort sind Eignungsprüfungen in der Vergangenheit oft nicht vorgenommen worden, so auch im Fall von Chantal.

Über die Beratung dieser Fachanweisung hinaus hat sich der Sonderausschuss mit Maßnahmen zur Reform der Hamburger Jugendhilfe befasst, die bundesweit einmalig sind und ihresgleichen suchen. Deshalb ist der Abschluss des Sonderausschusses auch kein Schlusspunkt, sondern eher eine sehr wichtige Etappe auf dem Weg zu weiteren, teils schon eingeleiteten Maßnahmen, die wir künftig regulär im Familienausschuss beraten und begleiten werden. Hierzu zählt die Einführung eines Qualitätsmanagements und einer Jugendhilfeinspektion, um zwei Beispiele zu nennen.

Die Etablierung einer von bezirklichen Jugendämtern unabhängigen Stelle, also eines Inspektionswesens für die Jugendhilfe, ist das richtige Instrument, um sicherzustellen, dass ein Allgemeiner Sozialer Dienst oder ein Jugendamt nicht mehr allein und selbst bestimmen, wann ihr Handeln überprüft oder korrigiert werden muss. Die Arbeitsweise der Jugendhilfeinspektion, ihre Ergebnisse und Empfehlungen werden wir gemeinsam turnusmäßig im Familienausschuss beraten. Die Arbeit geht also weiter.

Ein Qualitäts- und Beschwerdemanagement wiederum bietet den Beschäftigten bei ihrer Arbeit durch festgelegte Standards und Prozesse eine Richtschnur und Handlungssicherheit. Wir finden das ausdrücklich positiv. Das dient beiden Seiten, den Beschäftigten und den Hilfesuchenden.

(Beifall bei der SPD)