Protocol of the Session on December 12, 2013

(Beifall bei der LINKEN)

Ihre Position kann ich teilen, selbstverständlich ist tariflich abgesicherte, vernünftige und gute Arbeit erstrebenswert für alle Menschen. Aber wenn die Tafeln in Hamburg Menschen abweisen müssen, dann nicht deshalb, weil zu wenig Spenden kommen oder die Menschen in irgendeiner Art und Weise zu raffgierig bei den Tafeln wären. Die verfehlte Sozialpolitik der letzten zehn Jahre ist ursächlich dafür verantwortlich, dass die Leute am Monatsende schlicht nichts zu essen haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn man sich einmal anschaut, was zur Arbeitspolitik im Koalitionsvertrag steht, dann sind das Prüfaufträge.

(Olaf Ohlsen CDU: Er steht da wie John Wayne für Arme!)

Das einzig Konkrete ist, dass man sich an den Vorschlägen orientieren will, die der Arbeits- und Sozialministerkonferenz vorgelegt wurden. Das ist eine schöne Geschichte. Dort stehen Verwaltungsvereinfachungen, die im Wesentlichen Rechtsschutzeinschränkungen für betroffene Menschen beinhalten. Das kann nicht sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Die untote Sau der Gebühren für Betroffene im sozialgerichtlichen Verfahren wird wieder einmal durchs Dorf getrieben. Das ist so falsch, wie es immer ist, wenn diese Forderung kommt.

Sie sagen, Sie tun etwas für Alleinerziehende. In diesem Papier steht, dass der Alleinerziehendenfreibetrag auf Wunsch der Länder nur noch bei Arbeitstätigkeit und Aufstockung gezahlt werden solle. Das ist ein Problem, das wir hier in Hamburg haben, denn ein großer Teil der sich in Hamburg in SGB II befindlichen Frauen ist alleinerziehend. Das ist eine indiskutable Ansage an diese Frauen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte mit einer eher historischen Betrachtung abschließen. Die Debatten beziehungsweise Reden zum Bundesleistungsgesetz, wie Sie es gern nennen, habe ich schon einmal gehört, und zwar vor der Einführung des Sozialgesetzbuches IX. Man wollte die Behinderten aus der Sozialhilfe herausführen und ihnen eigene Ansprüche auf dem Arbeitsmarkt verschaffen. Das ist von Rot-Grün damals im Klein-Klein zerredet worden und zu dem Gesetz geworden, das wir heute haben. Ich bin wenig zuversichtlich, dass es sich diesmal anders verhalten wird. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Herr Rose.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Man kann nicht jeden Unsinn unkommentiert stehen lassen.

(Tim Golke DIE LINKE: Dann kommt halt neuer Unsinn dazu!)

Kollege Golke, wenn in Erfurt eine Friseurin 3,50 Euro verdient, dann kann es sein, dass das mit oder ohne Tarifvertrag der Fall ist – in aller Regel aber eher ohne Tarifvertrag.

(Gerhard Lein SPD: So ist es!)

Wenn es mit Tarifvertrag der Fall ist, dann war die Durchsetzungskraft derjenigen, die den Tarifvertrag verhandelt und am Ende abgeschlossen haben, zu schwach, um zu erreichen, dass ein existenzsichernder Lohn dabei herausgekommen

(Senator Detlef Scheele)

ist. Dieser Koalitionsvertrag hat erreicht, dass das Gehalt innerhalb von zwei Jahren von 3,50 auf 8,50 Euro – man kann noch einmal kurz nachrechnen, wie die Spanne aussieht – aufgestockt werden muss, um 2017 8,50 Euro zu erreichen. Es wird nicht so sein, dass zwei Jahre länger 3,50 Euro gezahlt werden muss. Die Gewerkschaften waren klug genug zu erkennen, dass das für viele Branchen und Bereiche die Voraussetzungen dafür schafft, dass die Tarifbindung, die es bisher nicht gibt, hergestellt werden kann. Das ist ein Riesenfortschritt und hat neben einer Reihe anderer Punkte, die zum Thema Ordnung auf dem Arbeitsmarkt gehören, dazu beigetragen, dass die Gewerkschaften geschlossen gesagt haben: Stimmt diesem Koalitionsvertrag zu, er nützt den Arbeitnehmerinnen in Ost und West und insbesondere den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die zum Beispiel als Friseurin zurzeit 3,50 Euro bekommen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat nun Herr Bläsing.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte erst einmal etwas Grundsätzliches zu diesem Koalitionsvertrag sagen.

(Dirk Kienscherf SPD: Das ist immer gut!)

Sigmar Gabriel hatte diesen mit dem Hinweis verbal begleitet, dass es ein Vertrag für die kleinen Leute sei. Die Aussage, dass etwas für die kleinen Leute gemacht werde, sagt habituell viel über die SPD aus. Ich fürchte, das bezieht sich nicht auf die Körpergröße, sondern auf die gesellschaftliche Klassifizierung einzelner Bevölkerungsteile.

(Beifall bei Finn-Ole Ritter FDP – Sören Schumacher SPD: Lieber für die kleinen Leute als für die Hotelbesitzer!)

Für uns als FDP ist klar, dass es um den Einzelnen geht und nicht um eine Klassifizierung von Bevölkerungsteilen, die man patriarchalisch und paternalistisch bevormundet oder in eine Schublade steckt, sodass sie die kleinen Leute sind, die vom Staat bemuttert werden müssen. Es geht vielmehr darum, dass wir Aufstiegschancen für alle Mitglieder dieser Gesellschaft bereithalten.

(Beifall bei der FDP)

Zum Thema Mindestlohn möchte ich persönlich sagen, dass ich selbst einen ostdeutschen Migrationshintergrund habe.

(Zurufe von der SPD)

Da sind nun einmal Unterschiede, wenn Sie sich Teile von Ostdeutschland anschauen. Es gibt an

dere Lebenshaltungskosten und eine andere volkswirtschaftliche Wertschöpfung, und Sie können dort mit einem einheitlichen flächendeckenden Mindestlohn nicht so agieren, wie es vielleicht in Hamburg teilweise möglich sein könnte.

(Glocke)

Herr Bläsing, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Golke?

Vielen Dank.

Da Sie nach eigenem Bekunden sachverständig sind, können Sie mir sagen, ob 3,50 Euro in der Stunde in Erfurt zum Leben reichen?

Das vermute ich nicht. Aber die Alternative ist, abgekoppelt zu Hause zu sitzen und von der Stütze zu leben.

(Zurufe von der SPD)

Das ist die Entscheidung: Ist man Teilhabender in der Gesellschaft oder sitzt man abgekoppelt zu Hause.

(Wolfgang Rose SPD: Die gehen einfach nicht mehr zum Friseur in Erfurt!)

Im Übrigen sind wir für starke Gewerkschaften, und das soll natürlich auch tariflich geregelt werden. In den Teilen, wo es nicht der Fall ist, muss man anders nachsteuern. Die Grundannahme, dass ein gesetzlicher flächendeckender Mindestlohn von 7,50 Euro

(Gabi Dobusch SPD: 8,50 Euro!)

oder 8,50 Euro – in allen Teilen richtig ist, können wir jedoch nicht teilen. Die Frage ist nicht, ob 3,50 Euro richtig sind, sondern ob der Mindestlohn, den Sie anpeilen, richtig ist.

Zu den Renten: Es gibt schon Präzedenzfälle dafür. 1997 wurde der Demografiefaktor von der damaligen Koalition eingeführt, und 1998 hat RotGrün ihn wieder abgeschafft, um diesen später, und zwar 2004, als Nachhaltigkeitsfaktor wieder einzuführen. Das Hauptproblem bei den Renten ist doch, sie demografiefest und zukunftsfähig zu machen. Dafür ist das Handeln der sich anbahnenden Regierung der falsche Weg, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Sie plündern die Rentenkasse zulasten der zukünftigen Generation und verweigern sogar die Beitragssenkung. Das ist quasi die Dividende der arbeitenden Bevölkerung, und auch die soll nun verfrühstückt werden. Die Medienberichte zeigen

(Wolfgang Rose)

auch – Frau Fegebank hat bereits darauf hingewiesen –, dass das, was am Ende netto übrigbleibt, nicht das ist, was jeder in seinen vorläufigen Rentenbescheid aufgeschrieben bekommt. Hier sollte man genauer hinschauen. Ich fürchte, in vier oder fünf Jahren wird man sich des Themas wieder annehmen müssen und einiges von dem, was jetzt beschlossen wird, möglicherweise wieder zurücknehmen müssen.

(Beifall bei der FDP)