was Frau Artus vorträgt, intensiv weiter diskutieren möchten, aber es wäre gut, wenn wir zunächst Frau Artus zu Ende zuhören könnten und das dann im Anschluss täten. Es ist extrem laut.
Was könnte nun konkret getan werden, um die ungleiche Versorgung zu verändern? Dazu drei praktische Vorschläge, die auf der Hand liegen und in der Umsetzung konkret geprüft werden können.
Erstens: Eine sektorübergreifende ambulant-stationäre Bedarfsplanung. Integrierte Versorgungsformen sollten Planungsgrundsatz werden.
Zweitens: Kleingliedrigere Planungsgebiete. Sie müssen sich nicht streng an den sieben Bezirken orientieren, man kann sie auch sozialräumlich ausrichten. Das wäre vor dem Hintergrund der sich fortwährend verändernden Versorgungsbedarfe angesichts immer mehr älterer, multimorbider und auch pflegebedürftiger Menschen unbedingt erforderlich.
Drittens: Schaffung von finanziellen Anreizen für die Gründung von Arztpraxen in unterversorgten Regionen, wie dies zum Beispiel in Brandenburg oder Sachsen-Anhalt erfolgt ist.
Eine weitere Lösung – die Kollegin Schmitt hat schon darauf hingewiesen – kann und will ich Ihnen nicht ersparen, die Abschaffung der Privatversicherung, für die durchaus mehr gemeinsame Anstrengungen unternommen werden könnten.
Schließlich haben SPD, GRÜNE und LINKE gerade erst im Wahlkampf für eine Bürgerinnen- und Bürgerversicherung gestanden und im Bundestag gibt es jetzt eine Mehrheit dafür. Es ist fatal, dass in den Vertrag, der die Große Koalition besiegeln soll, die Bürgerinnenund Bürgerversicherung nicht aufgenommen wurde.
Verehrte Abgeordnete! Der gesundheitliche Zustand der Bevölkerung ist ein wesentliches Merkmal der Zivilgesellschaft. Dieses Land könnte sich ohne Weiteres ein solidarisches Gesundheitswesen leisten, aber die politische Elite setzt es nicht um. Warum? Weil sich mit Wettbewerb auf den Gesundheitsmärkten viel Geld verdienen lässt. Stattdessen bleiben die Arbeitgeberbeiträge zur Krankenversicherung eingefroren und nur gut verdienende Menschen können sich eine richtig gute medizinische Versorgung leisten. DIE LINKE kann und wird diesen Zustand nicht akzeptieren.
Hamburg geht jetzt gute Wege, das ist unbestritten. Aber wenn es zu keiner großen Koalition käme, wäre das ein wirklich bedeutender Beitrag für die Volksgesundheit.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das war eine ziemliche Bandbreite in der Betrachtungsweise der Ergebnisse, aber auch der Möglichkeiten, etwas mit diesen Ergebnissen anzufangen. Deshalb möchte ich zu Beginn noch einmal sagen: Es ist weder so, dass der Senat über die Verteilung der Arztsitze in Hamburg entscheidet, noch ist es so, dass er gar nichts damit zu tun hat. Insofern macht es Sinn, sich mit den Ergebnissen dieses Gutachtens auseinanderzusetzen. Wir haben es auch speziell gemacht, damit dieses in der Bedarfsplanung, auch in der sektorübergreifenden Bedarfsplanung in Hamburg geschieht.
Medizinische Versorgung muss regional geplant werden. In den letzten Jahren sind die Entscheidungen auf der Bundesebene immer mehr zentralisiert worden. Deshalb war es schon ein richtiger Schritt, dass mit dem Versorgungsstrukturgesetz die Richtung in zwei Punkten einmal umgekehrt wurde. Erstens bekommen die Länder mehr Mitwirkungsmöglichkeiten bei der Bedarfsplanung, und bei regionalen Besonderheiten kann man von den bundesweiten Vorgaben zur Bedarfsplanung abweichen. Aber wir müssen natürlich auch Fakten haben. Wir müssen die regionalen Besonderheiten erheben, und deshalb habe ich dieses Gutachten in Auftrag gegeben, damit der besondere Behandlungsbedarf in Hamburg und seine Verteilung einmal schwarz auf weiß festgehalten wird.
Verzeihen Sie, Frau Senatorin. – Es ist natürlich nicht selbstverständlich, aber was ich eben gesagt habe, gilt auch jetzt: Es ist zu laut. Vielleicht mögen Sie entweder hinausgehen oder sonst zuhören. Das wäre nett, danke. – Fahren Sie bitte fort, Frau Senatorin.
In das Gutachten sind die Behandlungsdaten von 90 Prozent der Bevölkerung eingegangen. Das sind 1,5 Millionen Menschen in Hamburg. Einen solchen Überblick über das Krankheitsgeschehen in der Stadt hat es noch nie gegeben. Das war überfällig und es wird uns auch helfen, bei der Bedarfsplanung die regionalen Besonderheiten stärker in den Blick zu nehmen.
Frau Stöver, Daten über die Verteilung der Ärztinnen und Ärzte in Hamburg hatten wir auch schon vor dem Gutachten, das war nicht die Aufgabe an die Gutachter. Was wir jetzt erstmals haben, ist der
Behandlungsbedarf und eine Antwort auf die Frage, wo die Menschen wohnen, die diesen Bedarf haben, und wo er erfüllt wird. Genau diese Daten sind uns jetzt auf den Tisch gelegt worden. Ich glaube schon, dass es zum Beispiel bei Kinderärzten entscheidend ist, wie weit der Weg zum nächsten Kinderarzt ist. Wenn wir feststellen, dass wir eine sehr unterschiedliche Inanspruchnahme von Kindervorsorgeuntersuchungen in Hamburg haben, dann hat das auch etwas mit der Entfernung zum nächsten Kinderarzt oder zur nächsten Kinderärztin zu tun.
Wir haben natürlich schon vorher gewusst, dass soziale Lage etwas mit Krankheit und gesundheitlicher Betroffenheit zu tun hat. Deshalb haben wir diese Verknüpfung vorgenommen, das war auch explizit ein Auftrag an die Gutachter. Man kann die Ergebnisse dieses Morbiditätsatlasses, der mit Anlagen 240 Seiten umfasst, schon sehr gut in drei wesentlichen Punkten zusammenfassen.
Erstens: Es gibt große regionale Unterschiede bei der ärztlichen Inanspruchnahme und beim Behandlungsbedarf in Hamburg. Das betrifft die erwachsene Bevölkerung insgesamt, aber es betrifft insbesondere Seniorinnen und Senioren und Kinder. Es gibt Stadtteile wie Wilhelmsburg, wo 90 Prozent der Bevölkerung in dem untersuchten Jahr in ärztlicher Behandlung gewesen sind, und es gibt andere Stadtteile, wo es nur 50 Prozent sind. Das macht schon einen großen Unterschied.
Zweitens: Die Nutzung der ambulanten Versorgung steht in einem engen Zusammenhang zu regionalen sozialen Unterschieden. Je schlechter die soziale Lage ist, desto größer ist die Krankheitslast insbesondere bei den Volkskrankheiten.
Drittens: Gerade die Stadtteile mit hoher Krankheitslast und schlechter Sozialstruktur haben häufig eine sehr ungünstige Relation Hausarzt/Einwohner oder Kinderarzt/Einwohner. Hier nenne ich etwa Steilshoop, Tonndorf und Hamm. Wir haben ganz auffällige Situationen bei der kinderärztlichen Versorgung. In Veddel, Wilhelmsburg und Lurup gibt es ganz wenige Kinderärzte, und die Stadtteile Heimfeld, Eißendorf, Cranz, Altenwerder und Umgebung haben nicht einen einzigen Kinderarzt oder Kinderärztin. Das heißt für 8000 Kinder in diesen Regionen, dass sie in der Nähe zu ihrem Wohnort keine kinderärztliche Versorgung in Anspruch nehmen können.
Das gibt uns doch Anlass, darüber nachzudenken, ob es richtig ist, dass wir Hamburg in allen Belangen der ärztlichen Versorgung immer nur als einen einzigen Planungsbezirk betrachten.
Wenn man das nämlich tut und sich die Zahlen ansieht, dann stellen wir fest, dass wir immer Überversorgung haben. Wir haben je nach Fachgruppe zwischen 116 und 300 Prozent Versorgung mit
Ärztinnen und Ärzten in Hamburg. Aber die Ärzte sind sehr ungleich verteilt und konzentrieren sich gerade da, wo die Krankheiten seltener sind. Ich bin der Meinung, dass das bei Spezialistinnen und Spezialisten keine Rolle spielt, aber bei der wohnortnahen Versorgung durch Hausärzte und Kinderärzte ist es sehr wohl ein Problem, und da muss etwas verändert werden.
Wir müssen bei der Bedarfsplanung den regionalen Bedarf stärker in den Blick nehmen, und wir müssen Ärztinnen und Ärzte dahin bringen, wo sie am dringendsten benötigt werden. Das Versorgungsstrukturgesetz und auch die Bedarfsplanungsrichtlinie bieten einige Möglichkeiten, regionale Versorgungsbedürfnisse und auch Besonderheiten hinsichtlich der Altersstruktur oder der Mobilität zu berücksichtigen. Man kann bestimmte Arztgruppen kleinräumiger planen. Die Stadtteile finde ich zu kleinräumig, aber man kann sehr gezielt bestimmte Entscheidungen treffen, um Lücken zu schließen.
Auch beim Verkauf oder bei der Verlegung von Arztpraxen kann man verhindern, dass noch weitere Versorgungslücken entstehen, und man kann Versorgungslücken schließen. Deshalb ist es gut, dass die Verlegung eines Arztsitzes oder der Aufkauf durch ein MVZ nicht mehr ohne Zustimmung des Zulassungsausschusses möglich ist. Ich möchte auch hervorheben, dass es uns auf meinen Vorschlag hin gelungen ist, in den Koalitionsvertrag aufzunehmen, dass die gesetzliche Vorgabe zum Abbau von Überversorgung und zur Verlagerung von Arztsitzen durch Aufkauf von Arztpraxen durch die KV von einer Möglichkeit in eine Verpflichtung umgewandelt wird. Auch das gibt uns neue Möglichkeiten, um Arztsitze dahin zu bringen, wo sie denn wirklich gebraucht werden.
Die SPD hat in den Verhandlungen noch den weitergehenden Vorschlag gemacht, dass die Länder grundsätzlich für die sektorübergreifende Bedarfsplanung zuständig sein sollen, so wie sie es auch für den Krankenhausbereich sind, denn die Probleme landen ohnehin auf den Tischen der Landesgesundheitsminister oder Gesundheitssenatoren. Da sind CDU/CSU allerdings nicht mitgegangen, obwohl auch ihre Landesminister durchaus Sympathie für diesen Vorschlag hatten. Aber ich werde mich auch unter den jetzt gegebenen Voraussetzungen dafür einsetzen, dass wir bei der Bedarfsplanung den regionalen Bedarf stärker in den Blick nehmen und Ärztinnen und Ärzte dahin bringen, wo sie dringender gebraucht werden.
ben bereits eine Arbeitsgruppe gegründet, die sich genau mit den Ergebnissen des Morbiditätsatlasses auseinandersetzt, aber auch mit dem, was die Kassenärztliche Vereinigung ihrerseits noch beisteuert, nämlich Antworten auf die Frage, in welchem Umfang versorgt wird, für welches Umfeld versorgt wird und wie die Besonderheiten einer Praxis sind. Beides werden wir zusammenlegen und dann hoffentlich zu einer neuen und gezielteren Bedarfsplanung kommen. Ich kann jedenfalls aus diesem Gutachten nicht ablesen, so wie ich das bei Ihnen herausgehört habe, Frau Stöver, dass es nahelegt, alles so zu lassen, wie es ist. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es gab ein paar Fragen, die ich noch kurz beantworten möchte. Der vorliegende Antrag zielt darauf ab, dass aus den Ergebnissen des vorliegenden Gutachtens schnell Konsequenzen gezogen werden. Daher ersuchen wir den Senat, erste Schritte zu gehen, und wir möchten diese Schritte auch begleiten. Deshalb überweisen wir den Antrag nachträglich an den Ausschuss, sodass wir im Ausschuss jederzeit über den Stand der Dinge und den Fortschritt, der erzielt worden ist, informiert werden können. Das finden wir insofern angemessen, als damit sichergestellt wird, dass erstens sofort begonnen wird, mögliche Schritte einzuleiten, und wir zweitens im Ausschuss jederzeit darüber reden können, auch über Ihren Antrag von der LINKEN.
Wenn Sie doch fortfahren, dann hätte Herr Schinnenburg eventuell doch noch die Möglichkeit, eine Zwischenfrage zu stellen?
Zu Ihnen, Frau Stöver, in aller Kürze noch: Ich habe beim besten Willen nicht verstanden, was Sie wollen. Möchten Sie kritisieren, dass da irgendetwas falsch gelaufen ist? Dann seien Sie doch froh, dass es in den Ausschuss kommt. Oder möchten Sie gar nichts darüber wissen? Dann können Sie sich im Ausschuss gerne entschuldigen lassen.