Protocol of the Session on December 11, 2013

gibt auch harte Fakten und Zahlen, die wir uns ansehen können. Das eine ist der Armuts- und Reichtumsbericht, den die Bundesregierung in diesem Jahr aufgelegt hat und der darstellt, wie sich Armut und Reichtum verteilen und wie sich die Situation der Menschen in den vergangenen zehn Jahren verändert hat. Das sind zehn Jahre unter Rot-Grün und vor allen Dingen auch unter der Großen Koalition von 2005 bis 2009, an die wir uns gut erinnern können. Was sind die Kennzeichen des Armutsund Reichtumsberichts dieser Bundesregierung? Erstens hat die Spaltung zwischen Arm und Reich kräftig zugenommen, zweitens ist in dieser Zeit der Reichtum der Allerreichsten explodiert und drittens hat das Armutsrisiko kräftig zugenommen. Das ist die Bilanz von sozialdemokratischer Mitregierung in den vergangenen zehn Jahren. Aufgrund dessen sind wir äußerst skeptisch, ob diese Trippelschritte, die uns als positiv dargestellt worden sind, in der Grundsubstanz wirklich etwas für diese Gesellschaft bringen.

(Beifall bei der LINKEN)

Einwände, die gegen solche Kritik vorgebracht wurden, lauteten, das seien teilweise aktuelle Zahlen gewesen oder wegen Krisensituationen der Wirtschaft könne man das noch nicht richtig behandeln. Es gibt seit zwei, drei Wochen einen neuen Bericht der Bundesregierung, den "Datenreport 2013: Ein Sozialbericht für die Bundesrepublik Deutschland", herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung. In diesem Bericht – das gilt jetzt vor allen Dingen für die CDU und die FDP und ihre Bilanz – werden zwei Dinge festgestellt. Erstens, dass das Armutsrisiko in diesen Jahren trotz guter ökonomischer Grundlagen noch einmal kräftig gestiegen ist.

(André Trepoll CDU: Das ist Ihre Anmeldung für morgen!)

Das liegt in Ihrer Verantwortung, und diese Politik war nicht gut für die Menschen. Das Schlimmste ist aber, dass mittlerweile 5 bis 6 Prozent der Menschen in dieser Gesellschaft unter erheblichen materiellen Entbehrungen, wie etwa unbeheizten Wohnungen, leiden. Auch das, meine Damen und Herren, ist nicht mehr zu ertragen.

(Vereinzelter Beifall bei der LINKEN)

Es gab in diesem Wahlkampf ein Hoffnungszeichen für mich, nämlich dass es so etwas wie eine rot-rot-grüne Stimmung gibt, die besagte, dass dieses Thema vor allen Dingen angegangen werden muss. Armut ist nicht nur ein Problem der Gerechtigkeit, sondern Armut ist auch entscheidend zu bekämpfen, um diese Gesellschaft sozial, aber auch wirtschaftlich voranzubringen. Für solche Veränderungen ist in diesem Koalitionsvertrag kein Ansatzpunkt zu sehen. Das sind große Aufgaben, die hier zu leisten sind, das sind große Auseinandersetzungen, und es wird nicht gelingen, wenn

(Dr. Anjes Tjarks)

man nicht auch den Reichtum in dieser Gesellschaft angeht.

(Beifall bei der LINKEN – Vizepräsidentin Antje Möller übernimmt den Vorsitz.)

Ohnedem gibt es keine Lösung dieses Problems, ohnedem gibt es keine sozialere Gesellschaft in dieser Welt. Als Letztes sage ich Ihnen: Die Situation ist vor allen Dingen im Zusammenhang mit der von Ihnen für diese Stadt beschlossenen Schuldenbremse dramatisch. Ich weiß nicht, wie das ohne Mehreinnahmen gehen soll. Das werden wir aber leider in den nächsten Monaten debattieren. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt der Erste Bürgermeister.

Die Geschäftsordnung sieht nicht vor, dass ich während eines Redebeitrags nach hinten gehe und eine Frage stelle. Deshalb werde ich von hier aus kurz etwas zu dem Redebeitrag des Abgeordneten Tjarks sagen, und zwar nur zu einem Punkt. Das mit der Windenergie stimmt nicht, das Gegenteil ist richtig.

(Beifall bei der SPD)

Die norddeutschen Ministerpräsidenten haben – auch wenn es kritisiert wurde, dass sie so viel Einfluss genommen haben – alle gemeinsam dafür gesorgt, dass die besondere Berücksichtigung der Entwicklungsmöglichkeiten der Windenergie in diesem Koalitionsvertrag untergebracht worden ist, indem nämlich jetzt schon vereinbart wurde, dass das sogenannte Stauchungsmodell, das für die Perspektive der Offshore-Windkraftindustrie von größter Bedeutung ist, bis 2019 verlängert wird. Diese Verlängerung war bis zur letzten Sekunde umstritten, ist aber die Voraussetzung dafür, damit es endlich losgeht mit den vielen geplanten Windparks. Es geht um Milliardeninvestitionen, die sich – das allerdings ist richtig – unmittelbar auf die wirtschaftliche Entwicklung dieser Stadt auswirken werden, weil viele Unternehmenszentralen und Ingenieursfirmen, die sich mit der Windkraftentwicklung beschäftigen, ihren Sitz in Hamburg haben.

(Beifall bei der SPD)

Nun könnte man noch viel dazu sagen, aber selbstverständlich gehört zu den Perspektiven der erneuerbaren Energien und ihrem Ausbau, um den wir uns sehr bemühen, immer auch, dass wir diese fördern, weil wir davon ausgehen, dass der technische Fortschritt wohl in den Zwanzigerjahren und bei einigen sogar schon etwas früher dazu führen wird, dass sie ohne Förderung wirtschaftlich sein werden. Wir hoffen, dass das mit der OffshoreWindkraft Mitte der Zwanzigerjahre der Fall sein

wird, und bei der Onshore-Windkraft ist es in vielen Fällen schon jetzt der Fall. Deshalb wird es auch einen weiteren Ausbau von Onshore-Windkraft geben, allerdings nicht an Standorten, wo es gar nicht weht. Das kann man vertreten.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, nun hätte jede Fraktion noch einmal die Möglichkeit zu einem Debattenbeitrag. – Frau Suding, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Noch ein paar Punkte: Ich habe das Thema kalte Progression angesprochen und angemerkt, dass in den nächsten vier Jahren 17,5 Milliarden Euro an zusätzlichen Einnahmen für den Staat drin sind und dass das vor allem zulasten der kleineren und mittleren Einkommensbezieher geht. Ich hätte mir wirklich gewünscht, dass aus den Reihen der LINKEN, der Sozialdemokraten und vom Bürgermeister hierzu eine Antwort gekommen wäre. Die Gewerkschaften werden in den nächsten Jahren – und tun das auch jetzt schon – gute Verhandlungsergebnisse erzielen, aber selbst diese moderaten Lohnerhöhungen werden komplett oder zu großen Teilen wieder aufgezehrt. Da hätte ich wirklich von den Sozialdemokraten erwartet, dass sie im Koalitionsvertrag eine Antwort finden – eine Sache, die wir als FDP in den letzten vier Jahren versucht haben, wo wir aber klar sagen müssen, dass wir gescheitert sind, auch am Widerstand der CDU. Hier hätte ich mir mehr erwartet.

(Beifall bei der FDP)

Noch ein Thema, auf das keiner der Redner eingegangen ist, ist die Vorratsdatenspeicherung. Sie haben keine Garantie dafür, dass die Daten, die jetzt gespeichert werden, auch tatsächlich sicher sind. Niemand weiß das. Da werden große Mengen an digitalen Datenbanken angelegt, und wir haben in der Vergangenheit oft erlebt, dass diese Daten auch nach außen getragen werden und es da Löcher gibt. Wer garantiert Ihnen denn, dass die Verbindungsdaten, die von jedem Einzelnen von Ihnen gespeichert werden,

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Wer garan- tiert Ihnen denn bitte, dass Ihre Rechnung nicht gespeichert wird?)

dann nicht auf einmal durch einen Fehler, durch ein Versagen oder durch bösen Willen an die Öffentlichkeit geraten? Auch hier hätte ich gerne eine Antwort gehört.

(Beifall bei der FDP)

Herr Scholz, ich habe Sie jetzt schon häufiger über den Koalitionsvertrag sprechen hören, und immer wieder betonen Sie – und das immer auch als Erstes und lang und breit –, welche Unterstützung

(Norbert Hackbusch)

das Land Hamburg durch den Koalitionsvertrag vom Bund bekommt. Das ist erst einmal nichts Schlechtes,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Nein, das ist ziemlich gut!)

aber ich habe durchaus das Gefühl – den Eindruck vermitteln Sie und den konnten Sie mir auch nicht nehmen –, dass Sie dadurch die Schuldenbremse, die wir gemeinsam mit SPD und GRÜNEN verankert haben, ein bisschen aushebeln wollen und dass dadurch der Ehrgeiz, der eigentlich notwendig wäre, etwas nachlässt, da Sie jetzt sagen können, das Geld komme vom Bund und deswegen könnten wir uns in Hamburg ein wenig zurücklehnen und es uns ein wenig besser gehen lassen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Niemand lehnt sich hier zurück!)

Das darf nicht sein, und das hätte ich mir gerne noch etwas klarer von Ihnen gewünscht.

(Beifall bei der FDP)

Ein letzter Punkt, wenn ich schon einmal hier stehe, Herr Rose, zum Thema Mindestlohn: Es gibt leider überhaupt nichts zurückzunehmen, im Gegenteil, ich würde mir wünschen, Sie hätten recht. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass gerade Jugendliche und Geringverdiener, die in den Arbeitsmarkt einsteigen, durch einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro davon abgehalten werden, einen Einstieg in den Arbeitsmarkt zu bekommen. Das mag in Hamburg vielleicht noch nicht so schlimm sein, wie es in anderen Teilen Deutschlands ist, aber schauen Sie einmal in den Osten. Da wird es massive Probleme für Geringverdiener und Jugendliche geben. Ich hoffe, Sie haben recht, aber ich bin sicher, dass es nicht so sein wird. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt Herr Kerstan.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Bürgermeister hat eine Frage an unsere Fraktion gerichtet, und dann soll er natürlich auch eine Antwort bekommen.

(Finn-Ole Ritter FDP: Das ist das Mindeste!)

Wir haben zugestanden, Herr Bürgermeister, dass in diesem Koalitionsvertrag im Bereich der Offshore-Energie für die Absicherung der Lieferindustrie, die es auch in Hamburg gibt, durchaus Fortschritte erzielt werden. Das ist unbestritten, aber es ist auch klar, dass dies zulasten der OnshoreWindenergie erkauft wird, also der Windenergiegewinnung an Land, die bei einer Energiewende hin zu 100 Prozent erneuerbaren Energien angesichts des Klimawandels auch langfristig unser Ziel blei

ben muss. Auch diese Firmen, die Onshore-Anlagen entwickeln, sitzen in Hamburg, und allein der Aktienkurs der Gesellschaft Nordex, die in Hamburg sitzt, ist bei Bekanntgabe des Koalitionsvertrags um 15 Prozent gegen den Börsentrend gefallen.

(André Trepoll CDU: Dann müssen Sie die Aktien verkaufen, alles verkaufen!)

Das spricht wirklich nicht dafür, dass Sie, wie Sie hier behauptet haben, Herr Bürgermeister, die Industrie in Hamburg mit diesem Koalitionsvertrag nachhaltig gestärkt haben. Das Gegenteil ist leider der Fall.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn Sie jetzt der Offshore-Energie eine stärkere Entwicklungsperspektive geben wollen, dann hätten Sie natürlich im Koalitionsvertrag auch den Ausbau der Übertragungsnetze bundesweit regeln müssen. Da hat es bis in die CDU hinein Debatten darüber gegeben, ob es eigentlich richtig sei, das privaten Konzernen zu überlassen, oder ob dort nicht stärker der Staat eine Rolle spielen müsse. Das Problem hinsichtlich des Ausbaus der Netze ist überhaupt nicht geregelt in diesem Koalitionsvertrag. Was in den letzten Jahren die Energiewende blockiert hat, wird auch unter der Großen Koalition so bleiben. Das ist mitnichten ein Vorteil für die Windenergie, sondern ein Manko für die Energiewende in Ihrem Koalitionsvertrag.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Und der letzte Punkt: Warum steigt die EEG-Umlage im Moment eigentlich so stark? Nicht, weil die erneuerbaren Energien so massiv ausgebaut werden, sondern weil unrentable Braunkohlekraftwerke insbesondere in Ostdeutschland und in Nordrhein-Westfalen rund um die Uhr laufen und mit subventioniertem Strom die EEG-Umlage nach oben treiben. Gerade für diesen Faktor, der die Energiewende unnötig teuer macht und das Klima massiv belastet, hat sich Frau Kraft aus NordrheinWestfalen gegen die Windenergieinteressen in Hamburg durchgesetzt, und auch das haben Sie nicht verhindert, Herr Bürgermeister. Insofern ist es am Ende ein schlechtes Ergebnis für den Windstandort Hamburg. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Herr Wersich.