Protocol of the Session on October 23, 2013

Mir ist mitgeteilt worden, dass aus den Reihen der Fraktion DIE LINKE hierzu gemäß Paragraf 26 Absatz 6 unserer Geschäftsordnung das Wort begehrt wird. – Herr Golke, Sie haben es für maximal fünf Minuten.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Diese Drucksache an den Sozialausschuss zu überweisen, wäre vernünftig gewesen, weil sie einige Fragen aufwirft. Ich will nur in Kürze zwei davon nennen. Der Aufwuchs der Menschen in Hamburg, die arbeitslos sind und die der psychosozialen Beratung bedürfen, auf 25 000, wie in der Drucksache abgebildet, ist schon interessant. Ich hätte im Sozialausschuss gern näher erläutert bekommen, wie der Senat auf diese Zahl kommt und wie er damit umgehen kann.

Auch die Frage, die Herr Schwieger benannt hat, des Einbehaltens von zunächst 20 Prozent des Haushaltstitels und das Nicht-Auskehren an die Träger hätte ich im Sozialausschuss gern näher erläutert bekommen. Es ist wirklich schade, dass diese Überweisung jetzt nicht erfolgt ist.

Die Drucksache selbst ist schon sehr problematisch. Dort wird relativ ehrlich gesagt, dass man versuche, Strukturen zu beseitigen, die sehr lange vor dem Inkrafttreten der SGB-II-Gesetze 2005 schon da waren. Insgesamt sollen diese Einrichtungen näher an das Jobcenter rücken. Sie sollen in bestimmten Fällen Berichtspflichten an das Jobcenter haben, und es sollen Menschen, die bisher freiwillig dort hingehen konnten, zukünftig neben einer freiwilligen Möglichkeit auch direkt zugewiesen werden können.

Der Senat sagt, eine Erstberatung hinsichtlich der Anträge dürfe in diesen Einrichtungen nicht mehr stattfinden mit dem Hinweis, das müsse das Jobcenter doch machen. Stimmt, das muss das Job

(Vizepräsidentin Kersten Artus)

center machen, die Ausführungen des Senats sind richtig. Aber da gibt es ein Problem. Wenn der Senat mir in meiner Schriftlichen Kleinen Anfrage vor einiger Zeit antwortet, die bundesweit hohen Erfolgsquoten der Widerrufe und Klagen – also auf gut Deutsch die mangelnde Qualität der Bescheide – seien nach Ansicht des Jobcenters in strukturellen Problemen begründet, dann ist da irgendetwas faul. Und da braucht unsere Stadt schlichtweg diese Erstberatung und Anfangsberatung, auch durch unabhängige Beratungsprojekte.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Der Mantel dieses Programms nennt sich Optimierungsprogramm. Am Ende des Tages kommt jedoch das Ende der behördenunabhängigen Sozialrechtsberatung in Hamburg, wie wir sie bisher kennen, und das ist schlecht. Ohne diese Ausschussüberweisung und die erläuternden Antworten, die ich eben kurz angesprochen habe, bleibt davon nichts anderes übrig als die weitere Umsetzung der Hartz-IV-Reformen in Hamburg und der Rückfall in eine Zeit, als Olaf Scholz Arbeitsminister war und aus seinem Ministerium Worte kamen wie: Arbeitslose seien alle faul und sowieso irgendwie selbst schuld.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Demirel, Sie haben das Wort für maximal fünf Minuten.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Senat gibt mit dieser Drucksache die Neuausrichtung der psychosozialen Beratung und Betreuung zur Kenntnis. Das übliche politische Verfahren wäre eigentlich bei solchen grundsätzlichen, wichtigen Dingen eine ausführliche Befassung im Ausschuss.

(Beifall bei den GRÜNEN, vereinzelt bei der LINKEN und bei Dr. Friederike Föcking CDU)

Das wird aber nicht stattfinden. Sie wollen hier eine voreilige Entscheidung treffen. Momentan wird ein Modellprojekt zu diesem Bereich unter Beteiligung von einigen Jobcentern durchgeführt. Dieses Modellprojekt ist zeitlich noch nicht abgeschlossen, und eine Evaluation hat nicht stattgefunden. Daher können wir diese voreilige, stillschweigende Entscheidung, dies einfach nur mit einer Kenntnisnahme durchzuführen, nicht nachvollziehen.

(Beifall bei den GRÜNEN, vereinzelt bei der LINKEN und bei Dr. Friederike Föcking und Dennis Thering, beide CDU)

In diesen Fünf-Minuten-Debatten kann man inhaltlich eigentlich nicht viel berichten, aber ich möchte über diese Neuausrichtung ein paar Sätze sagen. Diese entwickelte Neuausrichtung sieht nämlich Maßnahmen vor, die die Möglichkeiten zu niedrig

schwelligen psychosozialen Unterstützungen drastisch beschränken. Damit macht der Senat eine präventive, offene und vertrauliche Beratung fast unmöglich.

Eine intensive psychologische Beratung soll künftig nur mit Zustimmung der Jobcenter möglich sein, und die Beratungsstellen müssen über jeden Kontakt und jeden Beratungsinhalt einen Bericht erstatten. Damit sind die Vertraulichkeit und die Freiwilligkeit abgeschafft. Mit dieser Drucksache schaffen Sie auch Korrektivleistungen, das heißt, Rechtsberatung, Erstberatung und Sozialberatung fast gänzlich ab. Das darf nicht passieren.

Sie sagen auch in der Drucksache, dass in Hamburg 25 000 Menschen davon betroffen sein sollen, und damit schaffen Sie wirklich eine Strukturveränderung zulasten der betroffenen Menschen. Das darf nicht so einfach nur mit einer Kenntnisnahme erfolgen.

(Beifall bei den GRÜNEN, vereinzelt bei der LINKEN und bei Dr. Friederike Föcking CDU)

Die Jobcenter sind nicht in der Lage, diese Beratungen zu leisten, das wissen Sie ganz genau. Aber darum geht es Ihnen nicht. Wir haben in der letzten Sitzung des Sozialausschusses, Herr Senator, über das Verwaltungsbudget des Jobcenters noch einmal diskutiert, dass nämlich diese Rücknahme von Umschichtungen im Verwaltungsbudget weiterer Sparmaßnahmen im Verwaltungsbereich der Jobcenter bedarf. Herr Siepe hat selbst erläutert, dass dieses und auch nächstes Jahr massive Kürzungen im Verwaltungsbereich der Jobcenter stattfinden würden, darunter auch die Qualifizierungsmaßnahmen für Beschäftigte. Das bedeutet, Sie werden auf keinen Fall die Beschäftigten im Jobcenter in die Lage versetzen, diese Hilfe leisten zu können. Das verstehen wir nicht. Mit dieser Maßnahme werden Sie die Menschen, die dort Hilfe suchen, mit einem Stempel versehen. Jeder, der dort Rat und Hilfe sucht, wird abgestempelt als ein Mensch mit psychosozialen Problemen. Das darf nicht sein. – Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN, vereinzelt bei der LINKEN und bei Dr. Friederike Föcking CDU)

Herr Schwieger, Sie haben das Wort für maximal fünf Minuten.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Das ist mal wieder ein Beispiel dafür, dass Fünf-Minuten-Debattenbeiträge für eine inhaltliche Diskussion …

(Christiane Schneider DIE LINKE: Dann hät- ten Sie es anmelden können!)

(Tim Golke)

Das ist nun wirklich Ihre Aufgabe. Wenn Ihr Herzblut so daran hängt, das zu debattieren, dann melden Sie das doch an, sowohl DIE LINKE als auch die CDU.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte etwas ganz deutlich zu dem sagen, was gerade geäußert wurde. Entgegen Ihren Behauptungen werden nämlich keine Mittel gekürzt. Es gibt weiterhin vom Rechtskreis unabhängige Eingangsberatung, und es gibt eine Erfolgsorientierung. Und wenn es denn so ist, dass das Jobcenter das nicht leistet, was Sie von ihm fordern, dann ist das doch kein Grund, Parallelstrukturen aufzubauen, die die Stadt zudem noch finanziert. Es ist doch die Aufgabe des Jobcenters, diese Leistung zu erbringen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie Hinweise darauf haben, dass das nicht funktioniert, dann geben Sie das weiter und wir gehen dem nach.

(Beifall bei der SPD)

Ich werde einmal alles wegwerfen, was ich in der Mitte des Beitrags geschrieben habe.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Ich denke, es ist auch besser, wenn wir das Ganze ein bisschen abkürzen. Die SPD-Fraktion sieht jedenfalls keinen Grund, die Neuausrichtung nicht zum 1. Quartal 2014 umzusetzen. Wir nehmen deshalb von der Drucksache des Senats Kenntnis und lehnen die Zusatzanträge der GRÜNEN und der LINKEN ab. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Frau Fegebank, jetzt haben Sie das Wort für maximal fünf Minuten.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will nicht in diese Fachdebatte einsteigen.

(Zurufe aus dem Plenum: Ah, ah!)

Das ist schön, nicht?

Ich habe mich aber gemeldet, als ich merkte, dass es einfach ein großes Bedürfnis danach gibt. Sowohl Herr Golke als auch Frau Demirel haben begonnen, intensiv in diese Debatte einzusteigen. Herr Schwieger, wollen Sie tatsächlich, dass wir künftig Senatsdrucksachen anmelden als GRÜNE Fraktion? Dann treten Sie uns einen Debattenplatz ab, dann können wir gern darüber reden.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Das machen wir dann gern. Aber es kann nicht ernsthaft Ihre Erwartung sein. Darüber müssen Sie eigentlich selbst lachen, zumindest schmunzeln Sie schon einmal.

Mir geht es darum, noch einmal etwas zum Verfahren zu sagen. Sie legen zur Kenntnisnahme eine weitreichende Strukturreform eines Bereichs vor ohne Aussprache in diesem Hause, ohne die Möglichkeit, im Ausschuss, sei es unter den Abgeordneten oder gar in einer Expertenanhörung, darüber zu reden. Klammheimlich rutscht diese Drucksache bei den Senatsmitteilungen hinein. Das finde ich keinen guten demokratischen Stil, das haben Sie nicht nötig. Sie brechen sich überhaupt keinen Zacken aus der Krone, dies beim nächsten Mal anzumelden, sodass wir eine vernünftige, öffentliche Debatte führen können und vielleicht sogar im Ausschuss darüber reden. Wir können dann mit den entsprechenden Trägern und Verantwortlichen in diesem Bereich darüber noch einmal einen vernünftigen Austausch pflegen. Aber so geht das nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Frau Dr. Föcking, jetzt haben Sie das Wort, ebenfalls für maximal fünf Minuten.

Lieber Herr Schwieger, ich hätte mir gewünscht, Sie hätten einen Teil dieser Sachen, die Sie weggelegt haben, doch vorgetragen. Dann hätten wir vielleicht irgendetwas Inhaltliches von Ihnen zu dieser Angelegenheit gehört, wenn Sie in irgendeiner Form auf die eben vorgetragenen massiven Argumente eingegangen wären. Sie haben nur gesagt, die SPD finde gut, was der Senat mache, komme, was wolle, und deshalb nickten Sie das heute ab. Das ist wirklich kein Verfahren, das der Sache angemessen ist.

(Beifall bei der CDU und den GRÜNEN)

Inhaltlich haben Sie gesagt, es würden nur Doppelangebote wegfallen. Dem ist aber nicht so. Für einen ganzen Bereich von Hilfesuchenden streichen Sie künftig die Hilfe, denn in der Senatsdrucksache steht ausdrücklich, dass die Arbeitslosen, die noch nicht SGB II bekommen oder in einer anderen Situation sind, oder auch andere Menschen maximal eine kleine Erstberatung bekommen und dann woandershin verwiesen werden. Das sind alles Menschen, die im Moment durch diese Beratungen erfasst werden, und das wird gestrichen. Sie setzen sich darüber hinweg, dass sämtliche freie Träger der Stadt und sämtliche Wohlfahrtsverbände, übrigens einschließlich der AWO, sich sehr kritisch mit diesem Verfahren auseinandergesetzt haben. Sie haben sogar einen Weg aufgezeigt, wie es möglich gewesen wäre, diese Beratung unter einem anderen Label aufrechtzuerhalten, ohne dass dies fiskalische Auswirkungen gehabt hätte; es wäre nicht teurer geworden. So wird das Ganze billiger, aber für die Betroffenen schlechter. Die SPD versucht, das mög

(Jens-Peter Schwieger)