Protocol of the Session on August 28, 2013

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die CDU glänzt heute mit Zeitökonomie; ich versuche Gleiches.

(Beifall bei der CDU und bei Urs Tabbert SPD)

Es sind sich alle darin einig, den Antrag an den Justizausschuss zu überweisen. Frau Möller, dort werden wir sicherlich noch darüber diskutieren können. Ich überlege mir die ganze Zeit, ob ich jetzt schon etwas dazu sage oder das erst im Ausschuss mache.

(Zurufe von der CDU: Nein!)

Ich habe Sie nicht gefragt, ich gehe gerade noch einmal in mich.

Es ist schon viel gesagt, nur nicht von mir; Sie wissen ja, wie das ist. Deshalb will ich nur kurz unsere Bedenken zusammenfassen und wie Herr van Vormizeele betonen, dass wir uns im Ausschuss ausführlich darüber unterhalten können, Frau Möller.

Zwei Punkte möchte ich ansprechen. Ich war ein wenig überrascht über Ihre Ausführungen zur Telefonie. Der Kollege hatte die Telekom angesprochen. Wir haben uns Vodafone angeschaut und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass das deutlich teurer werden würde als Telio. Deshalb müssen wir uns das im Ausschuss noch einmal anschauen. Ich hoffe, wir müssen keine Experten dafür einladen, das bekommen wir vielleicht auch so hin. Wir sehen durchaus auch das Risiko, dass, wenn ein eigenes Handy uneingeschränkt zur Verfügung steht, der Kontakt zu anderen Strafgefangenen dazu führen kann, dass das missbraucht wird.

Ich möchte noch einmal kurz zusammenfassen: Mit dem Handy in der Abschiebehaft würden wir aus unserer Sicht unnötige Risiken schaffen, ohne dadurch eine günstigere Alternative anzubieten. Das ist momentan unsere Position. Wir freuen uns

(Olaf Steinbiß)

aber, dass wir im Ausschuss darüber diskutieren können. Vielleicht kommen wir dort zu einem gemeinsamen Petitum.

(Beifall bei der FDP und bei Thomas Kreuz- mann und Dietrich Wersich, beide CDU)

Dann hat nun Frau Schneider das Wort.

Ich mache es kurz, aber ich will schon inhaltlich etwas sagen. Wir unterstützen den Antrag der GRÜNEN und finden es gut, dass das Thema aufgegriffen wurde. Auch Frau Möller hat schon gesagt, dass es für einige von Ihnen vielleicht ein kleines Thema ist, das dieser Antrag anspricht. Aber dieses vermeintlich kleine Thema ist von einigermaßen grundsätzlicher Bedeutung, und deshalb will ich auch hier etwas dazu sagen.

Zu Recht weist der Antrag darauf hin, dass die Abschiebegefangenen in der JVA Billwerder entgegen der EU-Rückführungsrichtlinie nicht in einer speziellen Hafteinrichtung untergebracht sind; das will ich auch an Ihre Adresse gerichtet sagen, Herr Steinbiß. Sie wissen selber, dass der Bundesgerichtshof diese Frage dem EuGH vorgelegt hat. Insofern muss man sehen, wie sich das weiter entwickelt und kann nicht unbedingt damit argumentieren.

Es ist gesagt worden und auch ich will es betonen: Abschiebehaft ist keine Strafhaft, sondern eine Verwaltungsmaßnahme, die der Durchsetzung der Ausreise dient. Erlauben Sie mir keineswegs nur nebenbei die Bemerkung, dass der Landtag in Rheinland-Pfalz im Juni 2012 beschlossen hat, die Abschiebehaft müsse abgeschafft werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Und solange das Bundesrecht dem entgegensteht, hat die Landesregierung das Ziel ausgegeben, die Abschiebehaft nach dem Leitsatz neu zu gestalten: nach innen so viel Freiheit wie möglich und nach außen so viel Sicherung wie nötig. Zu dieser Neugestaltung in Rheinland-Pfalz gehört unter anderem, dass Abschiebegefangenen der Betrieb privater Mobiltelefone ohne Kamerafunktion gestattet wird und ihnen bei Bedarf – das finde ich eine gute Lösung – auch ein Mobiltelefon ausgeliehen wird. Dazu gehört auch ein verbesserter Internetzugang; die Möglichkeit der Internetnutzung wird im Büro der Ökumenischen Beratungsstelle in der Abschiebehaftanstalt angeboten.

Auch wenn für die Abschiebegefangenen in Hamburg in der JVA Billwerder etwas andere Bedingungen gelten als für die Strafgefangenen, gilt für sie eben nicht das Motto: nach innen so viel Freiheit wie möglich. Der Zugang zum Internet und die Möglichkeit, Mobiltelefone nutzen zu können, müs

sen aber unseres Erachtens eine Selbstverständlichkeit sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Das gilt umso mehr, als die Abschiebehaft zwar in einigen Fällen nur einige Tage dauert, in den meisten Fällen aber mehrere Wochen. Es gibt nach wie vor Abschiebegefangene, die drei, vier oder fünf Monate in Haft bleiben. Ich habe mir die Zahlen angesehen und finde das schon erschreckend. Deshalb begrüße ich es, dass der Antrag überwiesen wird, und hoffe, dass wir uns im Justizausschuss darauf einigen können, das auch in Hamburg neu zu gestalten. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir zur Abstimmung.

Wer möchte die Drucksache 20/8961 an den Ausschuss für Justiz, Datenschutz und Gleichstellung überweisen? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist das Überweisungsbegehren einstimmig angenommen.

Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 22 und 17 auf, das sind die Drucksachen 20/8945 und 20/ 8815, Antrag der FDP-Fraktion: "Rechtschreibkatastrophe" in Hamburg verhindern – soliden Rechtschreibunterricht an Hamburger Grundschulen sicherstellen und Antrag der CDU-Fraktion: Deutschunterricht in der Grundschule: Lehrmethoden evaluieren.

[Antrag der FDP-Fraktion: "Rechtschreibkatastrophe" in Hamburg verhindern – soliden Rechtschreibunterricht an Hamburger Grundschulen sicherstellen – Drs 20/8945 –]

[Antrag der CDU-Fraktion: Deutschunterricht in der Grundschule: Lehrmethoden evaluieren – Drs 20/8815 –]

Die Drucksache 20/8945 möchten die Fraktionen der SPD und der FDP an den Schulausschuss überweisen. Darüber hinaus beantragt die SPDFraktion die Überweisung der Drucksache 20/8815 ebenfalls an den Schulausschuss.

Wer wünscht das Wort? – Frau von Treuenfels, Sie haben es.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Deutschland, auch Hamburg, diskutiert auf breiter Front die Rechtschreibkatastrophe. Schon vor Wochen hat sich "DER SPIEGEL" unter dem

(Finn-Ole Ritter)

Titel "Die neue Schlechtschreibung" das Thema vorgenommen. Am Wochenende hat sich das "Hamburger Abendblatt" zum dritten Mal breit mit dem Thema beschäftigt, diesmal mit einem Test, der zeigt, dass auch viele Zehntklässler noch immer große Probleme haben, richtig zu schreiben. Das sollte uns zu denken geben.

Einige Tage vorher bestätigte Peter May vom Institut für Bildungsforschung: Die seit rund 15 Jahren in Hamburg vielfach angewandte Methode "Lesen durch Schreiben" benachteiligt Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern beim Lernen der Rechtschreibung. Der Minimalanspruch an Schule und das bildungspolitische Grundrecht, so nennt es der Bildungsforscher, gut und richtig zu schreiben, werde missachtet. An diesem Montag untermauerte der Siegener Germanistikprofessor Wolfgang Steinig diese These mit zahlreichen Beispielen und resümiert – ich zitiere –:

"Die Kompetenzen driften auseinander, die Besseren kommen rasch voran und die Schlechteren fallen immer weiter zurück."

Vor dem Hintergrund dieser breiten Diskussion in den Medien hat unser Antrag zum Thema Rechtschreibung sehr große Resonanz gefunden. Wir haben Dutzende Briefe, Anrufe und Mails bekommen, ausnahmsweise alle sehr positiv und mit demselben Tenor: Es wird Zeit, dass die Politik etwas unternimmt, um das Erlernen vernünftiger Rechtschreibung in den Schulen zu sichern, und das nicht nur in Hamburg.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Walter Scheuerl CDU)

Unterstützer unserer Initiative sind besonders viele Kinderärzte, Psychologen und auch Lehrer, die dringend Handlungsbedarf sehen. Diese Diagnose wie auch die einhellige Klage von Unternehmern, Handwerks- und Handelskammer, Universitätsprofessoren und auch von vielen Eltern macht uns klar: Wir müssen das Grundrecht – ich übernehme dieses Wort einmal – auf das Erlernen guter Rechtschreibung in Hamburg wieder sichern. Wir müssen handeln.

(Beifall bei der FDP)

Diese Notwendigkeit hat uns ganz bewusst zu einem weitgehenden Schritt veranlasst. Wir wollen die Anwendung der Methode "Lesen durch Schreiben" in ganz Hamburg abschaffen. Wir beantragen diesen eindeutigen Schritt durchaus in dem Bewusstsein, dass sich selbstgesteuerte kreative Methoden im pädagogischen Diskurs in den letzten Jahrzehnten vielfach durchgesetzt haben. Das formale Erlernen, die wiederholten Übungen wurde weitgehend abgeschafft, in einigen Bereichen sogar sehr zum Vorteil der Schüler. Hier jedoch ist der gegenteilige Befund glasklar. Nach einer Vergleichsstudie machten Viertklässler 1970 sieben Fehler auf 100 Worte, heute sind es 17.

(Olaf Ohlsen CDU: Unglaublich!)

Das ist in der Tat unglaublich.

Das zeigt: Der solide Rechtschreibunterricht an den Grundschulen fehlt, stattdessen wird ein Experiment auf Schülerkosten durchgeführt. Die Methode "Lesen durch Schreiben", wie sie netterweise genannt wird, und von ihr abgewandte Methoden stellen den Spaß am Schreiben und das Ausprobieren und Experimentieren in den Mittelpunkt. Fehler werden zunächst nicht korrigiert, um den Kindern die Motivation nicht zu nehmen. In der Praxis ist häufig aber die fatale Folge, dass sich die falsche Schreibweise einprägt. Dies ist später nur mühsam oder gar nicht mehr zu korrigieren. Die Motivation schwindet spätestens am Ende der Grundschulzeit, wenn die geschriebenen Texte vor lauter rotangestrichenen Fehlern nur so strotzen. Und noch schlimmer: Kinder, deren Muttersprache nicht Deutsch ist oder deren Familien daheim nicht mit ihnen arbeiten, sind die großen Verlierer dieser Methode.

(Beifall bei der FDP und bei Karin Prien und Dr. Walter Scheuerl, beide CDU)

Davon gibt es in Hamburg leider eine ganze Menge. Diese Kinder werden massiv schlechter gestellt, weil sie eben keine Eltern haben, die sie unterstützen können. Sie haben keine Chance, die unzureichende Anleitung der Schule zu Hause nachbessern zu können, und werden damit letztendlich sozial benachteiligt und in einem fremdverschuldeten Unvermögen alleine zurückgelassen. Stattdessen muss es doch unsere Aufgabe sein, den so oft beklagten Kreislauf, dass bildungsferne Eltern bildungsferne Kinder aufziehen, endlich zu durchbrechen.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Walter Scheuerl und Katharina Wolff, beide CDU)

Darüber hinaus hat die Unterrichtsmethode "Lesen durch Schreiben" noch zwei Seiten. Einerseits nämlich sagen Lehrer den Eltern, dass diese nicht als Quasi-Nachhilfelehrer einspringen sollen, weil das spielerische Lernen es von selbst richten werde, andererseits ist es gerade die elterliche Heimarbeit, der es einige Kinder erst zu verdanken haben, wenn es mit der Rechtschreibung doch klappen sollte.

Meine Damen und Herren! Es ist ein völlig falsches Verständnis von Schule, wenn Eltern korrigieren müssen, was in der Schule nicht klappt. So kann es nicht sein.

(Beifall bei der FDP und bei Karin Prien und Dr. Walter Scheuerl, beide CDU)

Auf unsere Nachfrage hat die Schulbehörde eingestanden, dass sie keinerlei Kenntnis darüber hat, an welchen und in wie vielen Grundschulen diese Methode unterrichtet wird. Ich weiß aus eigener Erfahrung – ich hatte auch Kinder in der Grund

schule –, von vielen Eltern und vor allem aus den vielen Zuschriften der letzten Tage und Wochen: "Lesen durch Schreiben" wird an viel zu vielen Schulen angewandt. Ein Prüfauftrag, wie von der CDU-Fraktion gefordert, ist für uns bei diesem Thema deshalb nicht ausreichend. Denn wenn erwiesen ist, dass eine Unterrichtsmethode scheitert, dann braucht man nichts mehr zu prüfen, dann sollte man stattdessen dafür sorgen, dass sie nicht mehr angewendet wird, wie es übrigens im Saarland schon geschieht.

(Beifall bei der FDP)