Protocol of the Session on August 14, 2013

(Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP)

Eben wäre für die beiden wichtigsten Redner der GRÜNEN und der LINKEN die Gelegenheit gewesen, das erste Mal ein einziges Argument zu nennen. Es ist erneut nicht genannt worden, und ich sage auch warum: Es gibt kein gutes Argument, das mit Energiewende und Klimaschutz zu tun hat, diese riesige finanzielle Bürde auf sich zu nehmen.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP – Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Und warum kau- fen Sie dann 25 Prozent, Herr Bürgermeis- ter?)

Natürlich ist mit dieser Investition verbunden, dass man sich mit 2 Milliarden Euro verschulden muss – mehr als das.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das stimmt nicht!)

Die Summe ist in Wahrheit nicht mehr streitig. Man hätte, als wir verschiedene Wirtschaftsprüfungsgutachten vorgelegt haben, alle Gelegenheit gehabt auszurechnen, dass das anders ist. Da ist nicht viel gekommen, und das kann auch nicht seriös erfolgen. Es ist das Geld, um das es geht.

Eben ist darauf hingewiesen worden, dass man es sehr leicht hat, wenn man zu den jetzigen Bedingungen kauft, weil die Zinsen sehr gering sind. Sie sind aber aus dem Grunde gering, weil eine weltweite wirtschaftliche Krise existiert, die dazu führt, dass insbesondere dem deutschen Staat zu sehr günstigen Konditionen Geld geliehen wird. Glauben wir doch nicht, dass man die Zukunft der ganzen Stadt auf dem Umstand aufbauen kann, dass man Zinsen hat, die teilweise unterhalb der Inflationsrate liegen. Das gilt weder bei der Staatsverschuldung noch beim Kauf von Unternehmen.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP)

Schlimm ist, wenn man sich verrechnet hat.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Aber das machen Sie doch nicht, Herr Bürgermeister!)

Dann hat man die Schulden immer noch. Und schlimm ist auch - wie jeder feststellen kann, der ein Haus kauft und dann umschulden muss, weil die Kredite verlängert werden müssen –, dass es viel höhere Zinsen geben kann als am Anfang, als man sich alles schöngerechnet hat. Dann sitzt man da mit dieser riesigen Zinsbelastung und möglicherweise niedrigen Einnahmen und muss aus sei

(Dora Heyenn)

nem eigenen Vermögen oder durch neue Kreditaufnahme die Schulden, die Monat für Monat und Jahr für Jahr allein wegen der Kreditbelastung neu entstehen, selber finanzieren. Das dürfen wir der Zukunft unserer Hamburger Bürgerinnen und Bürger nicht antun.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP)

Dafür, dass das schöne Luftschloss zerplatzt,

(Norbert Hackbusch DIE LINKE: Welches?)

spricht im Übrigen ziemlich viel, denn die Gewinne, die man mit den Netzen machen kann, unterliegen bewusst einer öffentlichen Regulierung. Die Bundesnetzagentur kümmert sich darum. Kennen Sie die Klagen der Telekom, die sagten, sie kommen mit dem Geld nicht aus? Kennen Sie die Klagen der Post, und kennen Sie die Klagen aller Netzbetreiber? Sind Sie schon einmal als Politiker durch Deutschland gereist und haben sich von Bürgermeistern und kommunalen Versorgern anhören müssen, dass sie demnächst alle Verlust machen werden, wenn das mit der Bundesnetzagentur so weitergeht? Und in einem so unsicheren Umfeld sollen wir 2 Milliarden Euro neue Schulden den vielen Schulden hinzufügen, die wir bereits haben. Das kann man vernünftigerweise nicht unterstützen.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP)

Wir sind eine Stadt, die viel mit Hafen und Wirtschaft zu tun hat, und natürlich betrachten wir die Entwicklung der Schiffsfinanzierung gegenwärtig mit großer Sorge. Wir machen uns viele Gedanken. Aber jeder von uns weiß, dass es Unzählige gibt, die Prospekte gesehen haben, die glauben machen, dass die Gewinne nur so sprudeln und sie reich werden würden, wenn sie ihr Geld in irgendwelche Schiffsfonds und -beteiligungen stecken. Im Augenblick ist dabei aber niemand reich geworden, und viele machen Verluste.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Und deswegen haben Sie Hapag-Lloyd gekauft!)

Manche dieser Schiffsfonds sind insolvent. Das darf der Stadt Hamburg nicht passieren, indem sie auf eine solche Spekulation von GRÜNEN und LINKEN setzt.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP)

Ihr Vorschlag unterscheidet sich davon nicht, und deswegen sage ich ausdrücklich: Das dürfen wir nicht machen.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Das ist so ein Quatsch!)

Es geht schon darum, dass wir etwas für die Energiewende tun, aber wir wissen auch, dass – von Kleinigkeiten abgesehen – das Meiste, das für die Energiewende wichtig ist, außerhalb der Netze geschieht, und zwar bei den Erzeugungsanlagen und

dem Einsparen des Verbrauchs von Energie. Hier müssen wir investieren, dafür brauchen wir unser Geld und nicht für einen bloßen Anteilserwerb.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP)

Vielleicht auch noch dieser Hinweis: Wir denken immer, wenn wir über Energie und Erzeugungsanlagen diskutieren, dass das alles rein technisch sei, aber die Wahrheit ist, dass dort Tausende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeiten. Ich war heute bei der Arbeitnehmerversammlung von Vattenfall und habe mit den Beschäftigten gesprochen. Tausende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sorgen 24 Stunden am Tag dafür, dass wir sicheren Strom und sichere Fernwärme haben und dass die Gasversorgung funktioniert. Um deren Arbeitsplätze und Zukunft geht es auch. Sie sind auch besorgt. Darum ist es gut, dass die Betriebsräte und die Gewerkschaften wollen, dass es bei der jetzigen Regelung bleibt: dass der Staat nicht 100 Prozent der Anteile erwirbt und die Arbeitsplätze nicht in Gefahr geraten können.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP)

Was sollte die Stadt als Käufer anderes machen? Wenn das Investment nicht klappt, dann würde sich das natürlich auf die Arbeitsbedingungen auswirken. So macht es jeder Investor, der sich verrechnet hat und rationalisieren muss. Deshalb ist das Ziel der Initiative nicht vernünftig.

Lassen Sie mich eine letzte Bemerkung machen: Der Volksentscheid würde nur besagen, dass sich die Stadt bemühen soll, die Netze wiederzubekommen.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Zu 100 Prozent!)

Zu 100 Prozent.

Das bedeutet, dass wir die jetzigen Verträge kündigen. Dann könnten wir kurz bei Vattenfall und E.ON anrufen, ob sie uns die Gesellschaften geben, und vielleicht sagen sie erschrocken "Ja", aber das glaubt keiner, ich auch nicht. Wir müssten eine Netzgesellschaft für Strom, eine Netzgesellschaft für Gas und eine Gesellschaft für Fernwärme gründen. Und wenn die jeweilige Konzessionsvergabe ansteht, bewerben wir uns mit dieser neu gegründeten GmbH um die Netze, und zwar im Wettbewerb mit den jetzigen Betreibern, die teilweise über hundert Jahre Erfahrung und Expertise haben. Wir sagen dann, dass wir es mit unserer neu gegründeten GmbH und quasi noch ohne Mitarbeiter besser können. Es könnte sein, dass es des Volkswillens wegen so kommt. Dass wir aber damit immer vor Gericht Recht bekommen, ist nicht sicher. Über diesen Punkt muss man sich Klarheit verschaffen. Mit dem Volksentscheid wäre noch nicht alles entschieden, sondern es würde noch heftige Auseinandersetzungen um alles Mögliche geben.

(Erster Bürgermeister Olaf Scholz)

Wenn wir bedenken, dass die Energiewende in Deutschland und auch in Hamburg jetzt funktionieren muss, dass 2022 das letzte Atomkraftwerk abgeschaltet werden muss und dass wir mit der Co2Reduzierung ordentlich Tempo machen und vorankommen müssen, dann ist es falsch, 100 Prozent der Netze zu kaufen. Man muss es anders machen, nämlich so, wie es bisher geplant ist. Darum sage ich: 2 Milliarden sind zu viel. Wir haben Besseres zu tun und unser Geld für Besseres einzusetzen.

(Anhaltender Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP)

Nun hat das Wort der Abgeordnete Rose.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben jetzt gehört, dass es um eine Auseinandersetzung geht, bei der die Wirtschaftsbosse gegen das Volk stehen. Deswegen will ich ein paar Anmerkungen zur Sichtweise von Gewerkschaften und Betriebsräten auf das Thema "Netzetotalrückkauf" machen.

Natürlich gibt es bei den 200 000 organisierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Hamburg unterschiedliche Auffassungen in einer solchen politischen Frage. Gewerkschaften sind jedoch keine Parteien, sondern insbesondere den Interessen der betroffenen Beschäftigten verpflichtet. Die Betriebsräte und Gewerkschaften im Energiesektor haben sich eindeutig positioniert: Sie lehnen das Abenteuer des Totalkaufs ab und haben beschlossen, die Verträge des Senats mit Vattenfall und E.ON zu unterstützen.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP)

Sie haben in Betriebsversammlungen darüber diskutiert, und viele von ihnen werden sich in den nächsten Wochen an der Aufklärungskampagne in der Hamburger Öffentlichkeit beteiligen. Ich rate der GRÜNEN Fraktion, aber vor allem der LinksFraktion, die sich sonst immer gern als Unterstützerin von Gewerkschaften und Betriebsräten darstellt, sich ebenso wie bei Schlecker und bei Neupack auch bei diesem Volksentscheid an die Seite der betroffenen Kolleginnen und Kollegen zu stellen.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP)

Aber auch andere Betriebsratsvorsitzende und Gewerkschaften haben sich in einer Broschüre zu Wort gemeldet, und zwar vom Flughafen, von Aurubis, vom HHLA-Terminal Altenwerder, von der Barmbeker Asklepios-Klinik und vom UKE. Der in Gewerkschaftskreisen hochangesehene Ex-Chef der IG Metall Küste, Frank Teichmüller, erklärte in aller Deutlichkeit – Zitat –:

"Geld kann man nicht zweimal ausgeben. Investitionen in Neue Energie sind dringender als der Besitz von Leitungen."

Zitatende.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ablehnung des Volksentscheids durch führende Gewerkschafter und Betriebsräte sollte den Befürwortern zu denken geben. Die Auseinandersetzung mit den Arbeitgebern in den Energieunternehmen ist das alltägliche Geschäft der Interessenvertretungen. Aber, der Bürgermeister hat es gesagt, es arbeiten dort auch heute noch viele langjährige Kolleginnen und Kollegen von HEW und Hein Gas, und sie sind stolz darauf, seit Jahrzehnten die Energieversorgung der Hamburgerinnen und Hamburger die ganze Woche hindurch und von morgens bis abends zu sichern. Darum sollten die GRÜNE Fraktion, die Links-Fraktion und die Initiatoren des Volksentscheids wissen, dass die öffentliche Beschimpfung von Vattenfall und E.ON auch diese Kolleginnen und Kollegen trifft. Es reicht nicht aus, Emotionen zu schüren,

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das machen Sie ja überhaupt nicht!)

sondern man muss mit Sachargumenten überzeugen, und das ist der Volksinitiative bei den Interessenvertretungen der Arbeitnehmer offensichtlich bisher nicht gelungen.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP)