Protocol of the Session on September 26, 2012

Dabei sollte Gerechtigkeit die Zielsetzung sein, und für die GRÜNE Fraktion kann ich sagen, dass Gerechtigkeit im Zentrum unseres politischen Auftrags steht. Dazu gehört natürlich auch, dass man mit Blick auf die Zahlen guckt, wie es gelingen kann, eine gerechte Verteilung von Vermögen hinzubekommen. Wenn ich jetzt den Schlenker weg von den Bundeszahlen mache und auf Hamburg blicke, dann haben wir da zum einen eine andere Studie, die uns sicherlich alle sehr erfreut hat in den letzten Wochen, die Glücksstudie der Post, die besagt, dass hier die glücklichsten Menschen der Republik leben. Wir sind eine prosperierende Stadt und eine Hafenmetropole, in der die Menschen gerne leben, aber – und auch das belegen die Zahlen für Hamburg – Hamburg ist nicht die Insel der Glückseligkeit für alle. An dieser Stelle nutzt auch Hamburg die Chancen und die gute Ausgangslage nicht, die es hätte. Auch hier erleben wir ein ganz starkes Auseinanderdriften der Gesellschaft, Arm und Reich teilen sich auf. Ich will hierzu nur einige wenige Zahlen nennen, die uns in Hamburg mit Blick auf das, was im Bund möglich ist, aber auch mit Blick darauf, was wir hier selbst tun können, nachdenklich stimmen sollten.

Jedes vierte Kind lebt in Armut, 12 000 Haushalte sind mindestens einmal die Woche auf Essen der Tafel angewiesen, und in 16 Stadtteilen beziehen bereits 18 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner Transferleistungen. Das ist etwas, was uns nachdenklich stimmen sollte. Die Einkommensverteilung ist stark gespreizt und auch hierzu noch eine Zahl, bei der ich erst einmal schlucken musste: Die 20 reichsten Hamburgerinnen und Hamburger besitzen rund 40 Milliarden Euro und 18 Prozent sind von Armut bedroht. Das ist die Realität in einer Stadt, die laut Glücksstudie die zufriedensten

Menschen hat und in der der Wohlfühlfaktor enorm ist. Das kann ich bestätigen, ich lebe gerne hier, aber es gibt Probleme und diese müssen wir anpacken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn wir jetzt viel über die Spaltungen gesprochen haben, die sich in Geld ausdrücken, muss man auch feststellen, dass arm sein – ich denke, da sind wir uns weitgehend einig – mehr ist als kein Geld zu haben. Armut bedeutet in der Regel auch schlechtere Teilhabe, schlechtere Zugangschancen zu öffentlichen Gütern, schlechtere Bildung und Ausbildung, schlechtere Gesundheit und natürlich schlechtere gesellschaftliche Teilhabe in allen Bereichen. Vielerorts wird sogar schon von der "Generation abgehängt" gesprochen. Abgehängt sein, Segregation, Spaltung, unterschiedliche Stadtteile mit unterschiedlichen Chancen, das alles gefährdet den sozialen Frieden in der Stadt. Das alles lässt Potenziale zurück und das kann sich die Stadt nicht erlauben. Da müssen wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen, denn diese Stadt braucht jeden. Ich bediene noch einmal einen Spruch aus der letzten Legislaturperiode, der aber hier vielleicht auch ein großes Maß an Wahrheit beinhaltet: Diese Stadt braucht alle Talente.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Noch ein Blick auf Hamburg, bevor ich dann zu den gemeinsamen Anstrengungen komme, die wir im Bund vollziehen müssen, und das wird ein kräftiges Stück Arbeit werden. Ein Rezept gegen Armut kann Arbeit sein. Ich sage bewusst kann, denn gerade in den letzten Tagen haben wir noch einmal eindrücklich an bestimmten Beispielen erfahren müssen, dass es eine Reihe von Menschen gibt, die trotz Vollzeitbeschäftigung von ihrer Arbeit nicht auskömmlich leben können. Das ist ein Skandal, den wir gemeinsam anpacken müssen, und da hat auch die Stadt als Arbeitgeberin die Verpflichtung, als Vorbild voranzugehen. Wir brauchen ein Landesmindestlohngesetz, und wir müssen auf die Hamburger Unternehmen einwirken, dass hier zu fairen Bedingungen und fairen Löhnen beschäftigt wird.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Jetzt noch einmal zum Bund.

(Glocke)

Sie sehen das rote Licht, einen Schlusssatz bitte.

Dann versuche ich es noch einmal in der zweiten Runde. Umverteilung hat mit Neid nichts zu tun, sondern mit Gerechtigkeit, und deshalb wollen wir auch am Samstag beim Bündnis "UmFAIRteilen" Flagge

zeigen und unsere Solidarität bekunden, und ich rufe auch dieses Haus dazu auf, sich daran zu beteiligen. – Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort hat nun der Abgeordnete Rose.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Frau Präsidentin! Eigentum verpflichtet, sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Dieser schlichte Satz aus der Verfassung stimmt heute mit der Wirklichkeit der prekären Lebenslagen von Millionen Menschen in unserem Land nicht mehr überein. Jedes vierte bis fünfte Kind lebt von Hartz IV, zu viele Jugendliche landen nach der Schule nicht in einer Ausbildung, der Niedriglohnsektor weitet sich dramatisch aus, prekäre Beschäftigung wie befristete Arbeitsverträge, Minijobs, Leiharbeit, Werkverträge und fehlende Mitbestimmung nehmen zu. Der Sockel von Langzeitarbeitslosen wird trotz geringerer Arbeitslosigkeit nicht weniger. Nur 40 Prozent der Arbeitnehmer erreichen das Rentenalter, davon nur die Hälfte in einem sozialversicherten Arbeitsverhältnis. Es gibt bereits steigende Altersarmut, und sie droht sich erheblich auszuweiten, wenn dies nicht durch eine wirksame Rentenreform verhindert wird.

All diese Entwicklungen der letzten 10 bis 20 Jahre bedrohen die soziale Lage vieler Menschen, ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und letztlich auch die Demokratie. Zugleich ist allein das private Geldvermögen in Hamburg jährlich um 6 Prozent auf aktuell über 220 Milliarden Euro gewachsen, und zwar vorwiegend im oberen Zehntel. Diese Ungleichverteilung, liebe Kolleginnen und Kollegen, können und wollen wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten jedenfalls nicht so hinnehmen. Wir wollen das ändern. In Hamburg sind wir dabei, und im Bund werden wir uns bis spätestens nächsten September auch an diese Frage heranmachen.

(Beifall bei der SPD)

Umverteilung muss zuallererst in der Arbeitswelt beginnen, denn es sind die Arbeit und ihr Lohn, über die sich der Einzelne, unser Gemeinwesen und unser Sozialstaat konstituieren und finanzieren. In den letzten zehn Jahren ist die Lohnquote von 72 auf 66 Prozent gesunken. Das "Hamburger Abendblatt" hat dankenswerterweise mit seinem Dossier diverse Beispiele zusammengetragen, in denen der Arbeitsmarkt in den vergangenen Jahren in Unordnung geraten oder teilweise auch in Unordnung gebracht worden ist. Wir als SPD-Fraktion gehen die Probleme systematisch an und werden Schritt für Schritt die Unordnung auf dem Arbeitsmarkt wieder in Ordnung bringen.

(Beifall bei der SPD – Jörg Hamann CDU: Wo denn?)

Ich nenne dafür fünf Beispiele: Mit dem Korruptionsregister, von der CDU abgeschafft, von uns wieder eingeführt, gehen wir gegen illegale Beschäftigung vor, mit einem Mindestlohngesetz und einem verbesserten Vergabegesetz gegen Hungerlöhne unter 8,50 Euro und gegen Tarifdumping, mit dem Instrument Allgemeinverbindlichkeit gegen die schmutzige Konkurrenz von tarifungebundenen Niedriglöhnern, mit Richtlinien gegen den Missbrauch von Leiharbeit und für Equal Pay, zuerst bei der Stadt selbst und demnächst bei öffentlichen Unternehmen, und mit einer Novellierung des Personalvertretungsrechts gegen den Abbau der Mitbestimmung durch die CDU im Jahr 2005. Aber wir reden nicht nur, sondern wir stellen uns dieser Herausforderung, und wir bringen den Arbeitsmarkt in unserer Stadt in Ordnung, auch unter den Bedingungen der Schuldenbremse, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Eine zweite große Problematik liegt in der Frage der verteilungspolitischen Fehlentwicklung, der Schere zwischen privatem Reichtum und öffentlicher Armut. Wir merken in Hamburg an allen Ecken, dass die öffentlichen Aufgaben strukturell unterfinanziert sind und es schon lange an der Zeit ist, dass der private Reichtum auch zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben herangezogen wird. Das ist keine Neiddebatte, sondern ein wichtiger Schritt zum Abbau der sozialen Spaltung.

(Beifall bei der SPD)

Frau Ministerin von der Leyen hat zum Erschrecken von Minister Rösler in ihren Entwurf zum Armuts- und Reichtumsbericht hineingeschrieben, die Bundesregierung wolle prüfen, ob und wie privater Reichtum für die nachhaltige Finanzierung öffentlicher Aufgaben herangezogen werden kann.

(Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hamann?

Nein, ich würde das gerne zu Ende ausführen.

Frau von der Leyen, wir können Ihnen da helfen. Die Wiederinkraftsetzung der Vermögensteuer, die Reform der Erbschaftsteuer, die Finanztransaktionssteuer gegen Spekulationen und die Anhebung des Spitzensteuersatzes können dazu beitragen, Daseinsvorsorge und Infrastruktur besser zu finanzieren und gleichzeitig die Binnennachfrage zu stärken, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

(Katharina Fegebank)

Für uns bleibt es dabei: Nur Reiche können sich einen armen Staat leisten. Die FDP will bei den CDs nicht den Steuerbetrug bekämpfen, sondern seine Aufklärung. Die CDU mit ihrem Oppositionspopulismus will einerseits die Schuldenbremse bereits 2013 umsetzen,

(Glocke)

lehnt die Vermögensteuer ab und reiht sich andererseits mit ihren Forderungen bei den Ausgaben in weitere Ausgabensteigerungen ein.

(Dietrich Wersich CDU: Wo sind die eigent- lich? – Glocke)

Herr Rose, es klingelt schon eine geraume Zeit und es blinkt auch. Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Dann melde ich mich gleich noch einmal, dann können wir den Rest noch machen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat nun Frau Wolff.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lieber Herr Rose, liebe Frau Fegebank, Sie beide haben sich als meine Vorredner in Ihren fast alarmistischen Beiträgen immer wieder auf den Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung bezogen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ist doch Ihre Bundesregierung, oder?)

Man könnte aber den Eindruck bekommen, dass Sie diesen Bericht oder zumindest den Entwurf des Berichts nicht wirklich gelesen haben,

(Dora Heyenn DIE LINKE: Es gibt gar keine Armut, oder? – Gegenruf von Norbert Hack- busch DIE LINKE: Nee!)

denn sonst wüssten Sie, dass auf Seite 3 der 535 Seiten schon die zentralen Sätze stehen – ich zitiere –:

"Alles in allem belegen die Daten eine positive Entwicklung der Lebenslagen in Deutschland: […] Die Arbeitslosigkeit insgesamt ist auf dem niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung […], die Arbeitslosenquote Jugendlicher hat sich halbiert und auch die Zahl der Langzeitarbeitslosen konnte deutlich reduziert werden."

(Beifall bei der CDU und der FDP)

"Gerade vor dem Hintergrund der Finanzund Wirtschaftskrise ist dies eine beachtlich positive Entwicklung."

Das ist das Ende des Zitats, auch wenn es in diesem Falle von mir kommen könnte.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Sie sind noch nicht Frau von der Leyen! – Gegenruf von Gabi Dobusch SPD: Sie sieht sich schon als Bundesministerin!)

Bevor Sie sich also das nächste Mal hier hinstellen und ernsthafte Probleme leichtfertig dramatisieren, würde ich Ihnen dringend raten, sich mit Ihren Quellen besser zu beschäftigen.