Der Schulalltag lässt es aber nicht zu, die vielschichtigen Gründe für den Schulabsentismus zu analysieren und die pädagogisch richtigen Entscheidungen zu treffen. Für die Schule ist das Problem Schulabsentismus ein enormer Verwaltungsakt. Bleibt ein Kind dem Unterricht fern, muss die Schule Maßnahmen ergreifen, die in einer 42-seitigen Handreichung der Behörde vorgeschrieben sind.
Gerade in den Schulen mit den KESS-Indizes 1 und 2, mit höheren Zahlen an Schulschwänzern, geraten Lehrer leicht an die Grenzen der Möglichkeiten, den Verwaltungsaufwand überhaupt noch zu bewältigen. Um Schulen bei diesen Aufgaben zu helfen, werden seit dem Schuljahr 2008/2009 an einigen beruflichen Schulen mit Bildungsgängen, deren Schülerinnen und Schüler der Schulpflicht unterliegen, sowie den anderen Schulen mit den KESS-Indizes 1 und 2 Rückkehrerinnen und Rückkehrer aus den Asklepios-Kliniken beschäftigt. Sie sollen sich darum kümmern, dass die ordnungsgemäße Teilnahme am Unterricht sichergestellt, negativen Schulkarrieren vorgebeugt und die Voraussetzungen für den Schulerfolg, insbesondere bei den sogenannten Risikoschülern, verbessert wird. Sie können unabhängig vom Unterrichtsalltag die Erfassung von Unterrichtsversäumnissen sicherstellen und so das Auftreten von andauerndem Schulabsentismus frühzeitig erkennen. Bei Unterrichtsversäumnissen wird umgehend versucht, telefonischen Kontakt mit den Schülerinnen und Schülern beziehungsweise deren Erziehungsberechtigten herzustellen. Je nach Einzelfall werden Entschuldigungsschreiben, Krankschreibungen oder das Erscheinen zum Unterricht angemahnt. Beim Absentismus kommen Hausbesuche, Weck- und Abholdienste und die Überprüfung der Einhaltung von Erziehungsvereinbarungen beziehungsweise Schülerverträgen in Betracht. Grundsätzlich erfolgen alle Maßnahmen in enger Absprache mit den Lehrkräften sowie gegebenenfalls weiteren Dienststellen wie zum Beispiel den regionalen Beratungs- und Unterstützungsstellen REBUS.
Zurzeit sind 47 Asklepios-Rückkehrerinnen und -Rückkehrer in Schulen beschäftigt. Dieses Programm soll Ende des Jahres 2009/2010 auslaufen. Die beteiligten Schulen berichten jedoch von einem großen Erfolg der Maßnahme.
Mit unserem Antrag möchten wir den Senat bitten, das Programm zunächst fortzuführen und die Maßnahme zu evaluieren. Wenn diese Evaluation die positiven Erfolge bestätigt, bitten wir den Senat, das Programm so lange fortzuführen, wie die Beschäftigungsverpflichtung der Asklepios-Rückkehrerinnen und -Rückkehrer besteht.
Es wäre sehr bedauerlich, wenn das Wissen und die Fähigkeiten, die die Beschäftigten sich bis jetzt angeeignet haben, den Schulen verlorengehen, denn sie leisten eine wertvolle Arbeit in den Schulen. – Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Kinder, die regelmäßig nicht zur Schule gehen, verbauen sich oft die Zukunft. Keine gute Bildung zu haben, beschäftigungslos zu sein und den Tag über nur herumzuhängen kann schlimme Folgen haben. Es besteht die Gefahr, zumindest bei manchen Schulschwänzerinnen und Schulschwänzern, bei denen schon eine sehr geringe Fehltagezahl als kritische Grenze gilt, dass sie in die Kriminalität abrutschen. Aber auch in weniger dramatischen Fällen gefährdet Schulabsentismus die Zukunftsperspektiven. Deshalb ist es wichtig, Schulschwänzerinnen und Schulschwänzer frühzeitig aufzufangen und sie zu motivieren, wieder in die Schule zu gehen.
Hierbei leisten die Asklepios-Rückkehrerinnen und -Rückkehrer wertvolle Arbeit, denn sie erreichen die Schülerinnen und Schüler früh. Daher begrüßen wir als SPD-Bürgerschaftsfraktion die Ausrichtung des hier vorgelegten Antrags als ersten Schritt in die richtige Richtung und werden dem auch zustimmen. Allerdings sollte man die Primarschulen dabei nicht vergessen, das Problem beginnt nicht erst bei den berufsbildenden Schulen und auch nicht erst ab Klasse 7.
Gestatten Sie mir aber auch eine Bemerkung zu dem, was gegenwärtig in den Zeitungen steht, etwa im "Hamburger Abendblatt" vom 28. Mai. Das lässt einen zweifeln, ob bei allen schon angekommen ist, dass Motivation statt Repression der richtige Weg ist. Mich freut es allerdings, dass Herr Kreuzmann genau dies auch angeführt hat. Schulschwänzer in Arrest zu nehmen ist genau der falsche Weg, mit Einschüchterungen und Angst lässt sich hier nichts erreichen. Das Abholen der Kinder dort, wo sie sind, im wahrsten Sinne des Wortes, notfalls auch mit der Polizei, führt zu deutlich besseren Resultaten.
Eltern zahlen zu lassen und sie damit auch in die Verantwortung zu nehmen, Bußgelder zu verhängen, diese dann aber auch konsequent einzutreiben, ist richtig, aber es muss Angebote an die Schulschwänzerinnen und Schulschwänzer geben, um die Ursachen von Schulabsentismus zu bekämpfen. Die Angebote immer wieder auf den Prüfstand zu stellen, sollte dabei eine Selbstverständlichkeit sein. Besonders gewalttätige Jugendliche, die betreut werden, aber trotzdem weiterhin zuschlagen, sprechen hier eine eindeutige Sprache.
Was sind denn nun die Hauptursachen von Schulabsentismus? Private Sorgen können natürlich immer eine Rolle spielen wie auch Angst vor Mitschülerinnen und Mitschülern oder eine Außenseiterstellung.
Schulpolitisch besser bekämpfen lassen sich aber die beiden folgenden Gründe: Erstens gibt es die Ängste vor Überforderungen und Versagen in der Schule. In den gegenwärtigen Schulen werden nicht alle in dem Maße gefördert, wie es notwendig wäre. Zweitens leiden viele Jugendliche an mangelnden Zukunftsperspektiven und haben früh das Gefühl, ausgegrenzt zu werden. Neben den konkreten Angeboten, Schulabsentismus, wie im Antrag vorgesehen, durch direkte Ansprache zu verhindern, bleibt also die Notwendigkeit, unsere Schulen so zu entwickeln, dass den Schülerinnen und Schülern möglichst ihre Ängste und Sorgen genommen und sie optimal gefördert werden. Das Prinzip muss heißen: Keine Ausgrenzung und maximale Förderung für alle.
Alle Kinder müssen eine Chance haben, eine gute Bildung zu erhalten. Die gegenwärtige Schulreform stellt da bereits einen ersten Schritt in die richtige Richtung dar. Kleinere Klassen ermöglichen eine bessere Betreuung und Förderung aller Schülerinnen und Schüler. Lehrerinnen und Lehrer können so intensiver auf alle Kinder eingehen und sich auch mehr Zeit für die Kinder nehmen. Längeres gemeinsames Lernen statt frühzeitiger Aussortierung ermöglicht allen eine gute Bildung, auch wenn sie nicht aus den Elbvororten stammen.
Daher setzen wir uns für eine Schule ein, in der jeder die Perspektive hat, das Abitur zu erreichen, ob am Gymnasium oder an der Stadtteilschule. Der weitere Einsatz der Asklepios-Rückkehrerinnen und -Rückkehrer ist also ein kleiner Schritt hin zu weniger Schulschwänzen. Den größeren Schritt müssen wir am 18. Juli mit dem Volksentscheid zur Schulreform machen. Lassen Sie uns also in den nächsten Wochen dafür kämpfen, damit wir bessere Schulen in Hamburg bekommen. – Danke.
Frau Präsidentin! Herzlichen Glückwunsch nachträglich zur Wahl, da ich gestern nicht hier war. Viel Glück im Amt. Wir sind jetzt die ersten, Frau Bekeris hat es gar nicht mitbekommen, die von unserer neuen Vizepräsidentin aufgerufen wurden, ich der erste aus unserer Fraktion. Ich wünsche Frau Dr. Gümbel eine glückliche Hand oben im Präsidium.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben das Thema Schulabsentismus schon mehrmals hier und im Ausschuss diskutiert und sind wieder an der Stelle, es aufzurufen. Wir haben in den vergangenen Debatten schon häufiger betont, Frau Bekeris hat das eben sehr schön ausgeführt, dass Bildung generell einen hohen und wichtigen Stellenwert in unserer Gesellschaft einnimmt. In Deutschland haben zum Glück, im Gegensatz zu vielen anderen Ländern, alle Kinder die Möglichkeit, eine schulische Bildung zu erhalten. Es ist ein hohes Gut und eine gute Chance, dass man hier eine intensive Schulbildung genießen kann – in Zukunft in Hamburg noch eine bessere als in der Vergangenheit. Aber es ist nicht nur eine Möglichkeit, sondern es ist auch eine Pflicht und eine große Verantwortung für alle Kinder und Jugendlichen, der es gilt nachzukommen.
Eine wachsende Anzahl gerade in der Großstadt will dieser Pflicht nicht nachkommen, das wissen wir. Deswegen reden wir heute über dieses Thema und dass es das Phänomen Schulabsentismus überhaupt gibt. Ich möchte nicht viel mehr ausführen als das, was sowohl Herr Kreuzmann als auch Frau Bekeris schon gesagt haben. Das Wichtigste bleibt bei der Bekämpfung des Schulabsentismus natürlich das Thema der Prävention. Das haben wir schon im Ausschuss diskutiert und in den Debatten im November 2008 in der Bürgerschaft.
Prävention heißt zunächst einmal, dass wir in der Schule eine Atmosphäre des Vertrauens, des gegenseitigen Respekts brauchen und eine Atmosphäre des Sich-Wohlfühlens erreichen müssen und insbesondere eine Atmosphäre, in der es gilt, keine Angst mehr haben zu müssen vor Versagen, keine Angst mehr vor der Schule generell haben zu müssen. Versagensangst, die zu einer Schulangst führt, führt leider immer noch viel zu viele Jugendliche und auch schon Kinder in den Absentismus. Dieser Schulangst und dem Angst vor Versagen treten wir mit unserer Schulreform sehr bewusst entgegen.
Aber auch jede einzelne Schule muss sich, unabhängig von der Behörde, die dazu höchstens den Anstoß geben kann, immer wieder fragen, wie ihr die Schaffung eines guten Schulklimas gelingen
kann. Ich hatte in der Debatte im November 2008 schon auf die Ergebnisse der Studie von Block, Brettfeld und Wetzels hingewiesen in diesem Zusammenhang, die für Hamburg durchaus positive Zahlen beim Thema Schulabsentismus ausweist, insbesondere in der Frage der Reaktion, die besonders die intensiven Schulschwänzer erfahren. Ihre Zahl liegt in Hamburg deutlich höher als in anderen vergleichbaren Großstädten wie zum Beispiel München. Aber es erfahren noch nicht alle intensiven Schulschwänzer eine Reaktion, besonders diejenigen nicht, die am Beginn einer Schulschwänzerkarriere stehen.
Genau da setzt das Programm der Asklepios-Rückkehrerinnen und -Rückkehrer an. Sie werden an den Schulen eingesetzt, um in einer frühen Phase den Schülerinnen und Schülern eine Rückmeldung zu geben vonseiten der Schule, damit sie erfahren, dass es bei der Schule kein Desinteresse auslöst, ob man seiner Chance nachkommt, die Schule zu besuchen oder nicht. Es soll gezeigt werden, dass es eine Reaktion gibt, eine Rückmeldung und dass es Interesse auslöst, wo die Schüler sind, warum sie nicht in die Schule kommen. Dieses Programm ist angelaufen, wir haben aber noch keine absolute Auswertung. Aber in ersten Reaktionen, auch in den Erörterungen im Ausschuss, haben wir die Rückmeldung, dass es in den Schulen, in denen die Asklepios-Rückkehrerinnen und -Rückkehrer eingesetzt werden, gute Erfahrungen auch aufseiten der Schulbehörde gibt. Deswegen finde ich es gut und richtig, dieses Programms weiter fortzuführen, vor allem so lange, bis eine solide Evaluation dessen vorliegt, was das Programm tatsächlich bringt, welche Ergebnisse es gibt, welche Erkenntnisse wir haben. Führt es tatsächlich dazu, dass das, was wir gerade ausgeführt haben und vermuten, dass eine frühe Reaktion an die Schülerinnen und Schüler wichtig ist und damit im Sinne einer Prävention auch dazu führt, dass die Zahlen des Schulschwänzens und Schulabsentismus zurückgehen. Lässt sich dies tatsächlich evaluieren und beweisen? Wenn es so ist, dann muss man diskutieren, wie man dieses Programm, das aus einer besonderen Situation für den öffentlichen Dienst der Freien und Hansestadt Hamburg entstanden ist, systematisieren und längerfristig an den Schulen verankern kann.
Eine Randbemerkung im Hinblick auf die Haushaltsberatungen: Dann muss natürlich auch darüber diskutiert werden, dass die Aufgabe, der momentan die Asklepios-Rückkehrer nachgehen, letzten Endes eine erzieherische Maßnahme ist, eine Maßnahme, die auch in die Organisation der Familien eingreift, in die Selbstverantwortung der Kinder und Jugendlichen. Es muss darüber diskutiert werden, ob das tatsächlich noch eine Kernaufgabe von Schule ist, ob das im Einzelplan 3.1 der Schulbehörde richtig verankert ist oder ob es nicht viel
Es geht darum, dieses Programm so lange fortzusetzen, bis wir eine gute Evaluation haben. Ich bin aber optimistisch und zuversichtlich, dass die Evaluation positiv abgeschlossen wird. Es wird, abgesehen von dieser Frage, wie erfolgreich der Einsatz der Asklepios-Rückkehrer ist, auch demnächst eine Fortführung der bereits angeführten Studie von Block, Brettfeld und Wetzels geben. Hier haben wir eine weitere wissenschaftliche Erhebung über die Situation der Schulschwänzerinnen und Schulschwänzer in Hamburg, auch im Vergleich zu anderen Städten. Vor diesem Gesamthintergrund der Evaluation des Asklepios-Programms und der neuen wissenschaftlichen Daten werden wir sicherlich demnächst noch in dieser Legislaturperiode auch im Schulausschuss beraten können, ob die eingeleiteten Maßnahmen in der Bekämpfung des schweren Schulabsentismus und auch die Maßnahmen im präventiven Bereich bereits erfolgreich waren und wie wir das ganze Thema hoffentlich nach und nach zurückfahren können.
Einen Satz noch zu Frau Bekeris. Sie haben erwähnt, dass man die Primarschulen nicht außen vor lassen solle. Das ist richtig, es gibt durchaus in allen Schulstufen Schulabsentismus zu beobachten. Der Höhepunkt ist allerdings immer noch in den Jahrgangsstufen 8 und 9. Da gibt es prozentual die meisten Schulschwänzerinnen und Schulschwänzer, deswegen gibt es auch dort gezielt diesen Einsatz. Bei den Erst- bis Sechstklässlern sind es weniger, aber sie sind auch vorhanden. Insofern ist es durchaus zu diskutieren, wenn wir die Evaluation haben, wie es dort einzusetzen ist. Aber ich bin zuversichtlich, dass gerade bei den Kleineren präventive Maßnahmen erst einmal noch erfolgreicher sein werden als repressive Maßnahmen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kreuzmann, Sie haben so eine umfangreiche Vorlage abgeliefert, da bleibt kaum noch etwas zu sagen übrig und das verkürzt unsere Redezeit ganz erheblich. Recht vielen Dank dafür.
Ich würde gern noch einmal darstellen, wie sich das ganze Problem des Schulabsentismus aus Schülersicht darstellt. Professor Pfeiffer hat zusammen mit anderen im Jahr 2005 eine Schüler
befragung in der vierten und neunten Jahrgangsstufe durchgeführt. Da gibt es einige ganz interessante Fakten, die Herr Kreuzmann noch nicht genannt hat.
Nach dieser Schülerbefragung werden als Auslöser für Schulabsentismus genannt, dass 59 Prozent der Schülerinnen und Schüler nicht in die Schule kämen, weil sie Probleme mit Lehrern oder Lehrerinnen hätten. 31 Prozent zögen es vor, nicht in die Schule zu gehen, weil sie sowieso schlechte Leistungen hätten. 30 Prozent hätten andere schulische Probleme und 29 Prozent – das finde ich erheblich – hätten Probleme mit anderen Mitschülern.
Alle Forscher sind sich einig, dass die Ursachen für Schulabsentismus bei Familie und Schule lägen und sehr vielfältig seien. Die Zahlen, wie viele Schüler betroffen sind, sind auch sehr unterschiedlich. So habe ich zu meiner Überraschung festgestellt, dass zum Beispiel Bayern Spitzenreiter im Schulabsentismus ist, und da insbesondere München. Das hätte ich nicht erwartet.
Die Dunkelziffer ist auch da sehr hoch, aber im Großen und Ganzen hat man sich darauf geeinigt, dass 15,5 Prozent der Schülerinnen und Schüler lieber einmal darauf verzichten, in die Schule zu gehen. Auffällig ist auch – und das haben Dunkelfeldstudien über Jugendgewalt ergeben, da insbesondere für Hamburg –, dass es einen klaren empirischen Zusammenhang gibt zwischen Schulschwänzen und Jugenddelinquenz. So hat man zum Beispiel Schüler, die durchaus zugegeben haben, manchmal Ladendiebstahl zu begehen, mit denen verglichen, die regelmäßig in die Schule gehen und denen, die Schulschwänzer sind. Man hat festgestellt, dass bei den Schulschwänzern die Hemmschwelle, einen Ladendiebstahl zu begehen, drei- bis viermal niedriger ist als bei den anderen, also eine viel höhere Bereitschaft zu Ladendiebstahl und Gewalt besteht.
Hochinteressant ist in diesem Zusammenhang auch, was Schüler als Gründe dafür angeben, warum sie nicht in die Schule gegangen sind. Das fängt an mit: Ich wollte ausschlafen, ich hatte eine schlechte Stimmung,