Wir haben diese Absurdität also generell im Bildungssystem und der Aspekt, der heute thematisiert wird, ist nur ein Bestandteil von mehreren.
Grundsätzlich – auch dies macht deutlich, warum dieses Thema nicht aus dem Blick verloren wurde – gehört dieses Thema in den gesamten Komplex der Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsabschlüssen akademischen oder nicht-akademischen Charakters. Die Problematik betrifft nicht nur Lehrerinnen und Lehrer und hat natürlich
nicht nur auf Länderebene Bedeutung. Sie wird schon seit Längerem auch im Zusammenhang mit der Qualifizierungsinitiative für Deutschland, dem berühmten Bildungsgipfel, diskutiert. Die Bundesregierung hat gemeinsam mit Vertretern der Länder eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zu Anerkennungsverfahren eingerichtet, die generell Verbesserungsvorschläge für die Anerkennung beruflicher Abschlüsse erarbeiten soll.
Auch die jetzige Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag verankert, für im Ausland erworbene berufliche Qualifikationen möglichst transparente und einheitliche Verfahren einzurichten. Erst im Dezember 2009 hat die Bundesregierung Eckpunkte zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung von im Ausland erworbenen beruflichen Qualifikationen und Berufsabschlüssen vorgestellt, die durchaus einige interessante Punkte enthalten und zumindest mit den Forderungen der Grünen übereinstimmen, wie etwa die Beschleunigung eines einfachen und transparenten Anerkennungsverfahrens, bundesweite Vereinheitlichung der Kriterien zur Anerkennung der Berufsqualifikation, Schaffung eines Verfahrens, das sowohl für reglementierte als auch nichtreglementierte Berufe gilt, Anpassungsqualifikation bei Teilanerkennung und schließlich – das ist heute die zentrale Frage – die Gleichbehandlung von Abschlüssen von EU-Bürgerinnen und -Bürgern und Bürgerinnen und Bürgern aus Drittstaaten.
Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen diese und weitere Maßnahmen auf Bundes- und Länderebene auf die Fragen haben, die wir heute diskutieren. Deswegen finde ich es wichtig, dass wir vor diesem bundespolitischen Hintergrund folgende Fragen im Ausschuss weiter beraten: In welchen Bereichen, die Sie im Antrag skizziert haben, ist tatsächlich Klärung notwendig und wo muss Hamburg eventuell selbst handeln? Inwieweit gibt es bundespolitische Entwicklungen oder auch Absprachen zwischen den Bundesländern? Sind hier schon Fortschritte zu verzeichnen und stehen vielleicht Lösungsvorschläge kurz vor der Realisierung? Ist vielleicht der Antrag vor diesem Hintergrund an irgendeinem Punkt schon überholt? Auch das könnte bei der Beratung herauskommen. Aber es ist sinnvoll, alle diese Fragen zu stellen und zu diskutieren.
Noch kurz zu einem letzten Aspekt: Gerade auch vor dem Hintergrund der demografischen Zusammensetzung der Lehrkräfte in Deutschland wird es immer wichtiger, auch den Quereinstieg in den Lehrberuf zu ermöglichen. Und wenn wir Quereinsteigern aus anderen Berufen den vollen Zugang zu den Schulen als anerkannte Lehrer ermöglichen wollen, wäre es natürlich grotesk, wenn man Menschen, die einen anderen Abschluss im Lehramtsbereich haben, diesen Zugang komplett verweigern würde.
Insofern freue ich mich auf die Fortsetzung der Diskussion im Ausschuss und die intensive Beratung darüber, ob sich einige der Prüfaufträge, die Sie beabsichtigen, vielleicht schon erledigt haben oder ob wir sie alle dem Senat ins Stammbuch schreiben müssen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe mich ganz spontan entschieden zu sprechen, weil ich es außerordentlich begrüße, dass dieser Antrag an den Ausschuss überwiesen wird. Es ist ein Thema, das uns in Hamburg – ich kann es seit dem Jahr 1980 verfolgen – betrifft. In den Achtzigerjahren wurden die ausländischen Kolleginnen und Kollegen, die überwiegend aus der Türkei kamen, in Hamburg schlechter bezahlt als in allen anderen Bundesländern. Wir haben in dieser Zeit gemeinsam mit den Personalräten und den Vertretungen der türkischen Kolleginnen und Kollegen dafür gekämpft, dass ihre Vergütung von damals BAT IVb auf IVa angehoben wurde.
Es gibt in diesem Zusammenhang drei Punkte, die wir hier und dann auch im Ausschuss besprechen müssen. Einmal geht es um Gerechtigkeit und die Gleichstellung dieser Kollegen, die bei uns in den Schulen arbeiten und nicht anerkannt werden, obwohl sie zum Beispiel in Istanbul ein volles Germanistikstudium absolviert haben. Zweitens geht es – wie eben angesprochen – um die Anerkennung der Abschlüsse und drittens grundsätzlich um unsere Einstellungspolitik.
Ich möchte zum Punkt Gerechtigkeit und Gleichstellung ein paar praktische Beispiele anführen und Forderungen nennen, die schon lange gestellt werden, bisher aber an den verschiedensten Konstellationen scheiterten. Neben den Kollegen, die ich ansprach, die in der Türkei ein Vollstudium absolviert haben, gibt es auch Lehrerinnen und Lehrer – das erwähnten Sie, Herr Lein –, die zum Beispiel aus Ghana kommen. Die Mutter eines meiner Schüler war Lehrerin in Ghana gewesen, durfte hier aber nur als Erzieherin arbeiten. Inzwischen darf sie, Gott sei Dank, ihre Sprache unterrichten. Aber es wäre doch wunderbar und hätte Vorbildfunktion gerade auch für die Kinder der wachsenden schwarzen Community, wenn diese Lehrer im Schuldienst arbeiten könnten.
In den Zeiten, als viele Flüchtlinge aus dem Kosovo und aus Afghanistan kamen, waren darunter auch Lehrerinnen und Lehrer. Wie geht man in anderen Ländern damit um? In den USA zum Bei
spiel werden solche Lehrerinnen und Lehrer erst einmal als Paraprofessionals in den Klassen eingesetzt oder dürfen mit unterrichten und erwerben parallel über zwei oder vier Semester eine Zusatzqualifikation. Das ist sehr sinnvoll. Ich habe mich dahingehend auch kürzlich während der KMK mit Frau Dr. Gundelach verständigt, solche Lösungen zu überlegen. Die Ausländerbeauftragte, Frau Prof. Neumann, hat das schon Ende der Neunzigerjahre gefordert, weil es auch für Deutsche die Möglichkeit gibt, sich parallel über ein Studium als Lehrer oder Lehrerin für Kinder mit verschiedenen Muttersprachen und aus unterschiedlichen Herkunftsländern zu qualifizieren. An solchen Übergangsmöglichkeiten für Personen, die neu ins Land kommen oder sich nachträglich qualifizieren möchten, muss man arbeiten. Es gibt in Berlin Vorschläge dazu und vielleicht sollten die Fraktionen entsprechende Experten zu einer Anhörung einladen.
In Hamburg können wir die Abschlüsse nicht anerkennen. Ich bin aber sehr froh darüber, dass diese Frage endlich in der KMK diskutiert wird, dass Frau Schavan und Olaf Scholz im letzten Herbst Vorschläge dazu gemacht haben und jetzt nach zehn Jahren parteiübergreifend anerkannt wird, dass wir solche Möglichkeiten in einem Einwanderungsland brauchen, unabhängig davon, dass wir auf Dauer ohnehin einen großen Fachkräftemangel haben werden.
Es gibt in unserem Schulsystem tatsächlich im Verhältnis zur Zahl der betroffenen Kinder zu wenige Lehrerinnen und Lehrer mit einer Einwanderungsgeschichte. Wir haben aber – Herr Gwosdz hat es schon gesagt – in den letzten anderthalb Jahren den Anteil der Referendare mit Einwanderungsgeschichte von circa 7 auf über 19 Prozent steigern können und das ist ein richtig guter Schritt, um mit den gut ausgebildeten Referendaren in Hamburg eine andere Einstellungspolitik einzuleiten.
Ein Satz noch zum Schluss: Wir bekommen immer wieder Anfragen – ich glaube, es gibt sogar Eingaben dazu –, warum wir nicht alle Migrantinnen und Migranten, die sich mit einem zweiten Staatsexamen bewerben, in Hamburg oder in Deutschland einsetzen können. Wir haben zwar ein Gleichstellungsgesetz, aber Migration per se ist kein bevorzugter Einstellungsgrund, weil man sonst wieder andere Gruppen schlechter stellen würde. Insofern wird im Augenblick auch geprüft, was ein Alleinstellungsmerkmal sein kann. Das kann nicht allein die Migration sein, das sind auch weiterhin das Fach beziehungsweise die Fächerkombination und die Note, aber interkulturelle Kompetenz und Sprachkompetenz können Einstellungskriterien sein. Dies muss allerdings justiziabel erarbeitet
Wer einer Überweisung der Drucksache 19/4990 an den Schulausschuss zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist das Überweisungsbegehren angenommen.
Ich rufe Punkt 49 der Tagesordnung auf, die Drucksache 19/4984, Antrag der CDU-Fraktion: Mixed Martial Arts.
Die Fraktionen haben einvernehmlich beschlossen, dass die Debatte dazu entfallen soll. Deshalb kommen wir gleich zur Abstimmung.
Wer sich dem Antrag der CDU–Fraktion aus der Drucksache 19/4984 anschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf, Drucksache 19/4650, Große Anfrage der SPD-Fraktion: Sonderpädagogische Förderung in Schule und Berufsbildung – Gestaltung mit dem Ziel der Inklusion in Hamburg.
[Große Anfrage der Fraktion der SPD: Sonderpädagogische Förderung in Schule und Berufsbildung – Gestaltung mit dem Ziel der Inklusion in Hamburg – Drs 19/4650 –]
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Rund 8400 Hamburger Schülerinnen und Schüler haben sogenannten Förderbedarf. 80 Prozent von ihnen haben Probleme im Lernverhalten der sozialen, körperlichen oder sprachlichen Entwicklung. Ein wesentlich geringerer Teil hat Behinderungen beim Sehen und Hören oder ist mehrfach behindert.
Durch die Unterzeichnung der UN-Konvention hat Deutschland zugestimmt – ich zitiere die Übersetzung –:
"[…]dass Kinder mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom unentgeltlichen und obligatorischen Grundschulunterricht oder vom Besuch weiterführender Schulen ausgeschlossen werden[…]"
Die UN fordert deshalb ein inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen. Dahinter stehen zwei richtige Überzeugungen.
Zweitens: Die Gerechtigkeit und die Menschenwürde fordern, Menschen in die Gesellschaft einzubeziehen und nicht auszugrenzen.
Die Wirklichkeit in Hamburg sieht anders aus. Nur 1200 der 8400 Hamburger Förderkinder besuchen tatsächlich eine allgemeine Schule. 86 Prozent gehen stattdessen auf eine der 39 Sonder- oder Förderschulen. Das ist ein Verhältnis von 1:6 und zeigt, dass Integration wirklich anders aussehen muss.
In den Neunzigerjahren haben SPD-geführte Senate mit der Einführung von Integrationsklassen und integrativen Regelklassen bundesweit für Aufmerksamkeit gesorgt. Doch statt diesen Vorsprung auszubauen, wurden diese Modelle von 2001 bis 2008 mit immer neuen Einwänden und Änderungen infrage gestellt. Ich erinnere nur an die Notenzeugnis-Diskussion oder die vielfältigen Diskussionen über die Zukunft der I- und IR-Klassen. Und während immer mehr Bundesländer das Thema Integration und inklusives Schulsystem energisch voranbrachten, legte die CDU in Hamburg den Rückwärtsgang ein. Die letzte IR-Klasse wurde laut einer Kleinen Anfrage im Jahre 2002 in Hamburg geschaffen. Der Bildungsbericht der heutigen Schulsenatorin kommt zu dem Ergebnis – ich zitiere –:
So hat Hamburg seinen Spitzenplatz verloren. Andere Bundesländer schaffen schon jetzt die bis zu dreifach höhere Integrationsrate von bis zu 45 Prozent.
Das alles zeigt, dass es dringend an der Zeit ist, dass Hamburg diese langjährige Blockade, die leider mit dem Namen der CDU verbunden ist, überwindet und die Inklusion im Schulsystem dringend voranbringt.
Wir haben aber dank der Ratifizierung der UN-Konvention und auch aufgrund eines Antrags der SPD hier im Parlament Bewegung in diese Debatte gebracht. Wir haben als SPD-Fraktion im Mai eine Änderung des Schulgesetzes gefordert und wir haben mit diesem Antrag den größten Erfolg gehabt, den eine Opposition sich gönnen kann: Er wurde erstens nicht abgelehnt, zweitens an den Ausschuss überwiesen und drittens wurde tatsächlich das Schulgesetz genauso geändert, wie wir das vorgeschlagen hatten.
Aber ich will gar nicht gehässig sein, sondern sage, dass wir uns über diesen Erfolg freuen. Wir erkennen diesen sehr mutigen Schritt der Schulsenatorin an, das Schulgesetz so zu ändern. Das ist ein verheißungsvoller Auftakt, dem jetzt aber weitere Schritte folgen müssen. Bei diesen Schritten werden wir als Opposition gern die Hand dazu reichen.