Protocol of the Session on February 7, 2008

Da kommt also eine über fünfzigjährige Frau, lange krank, zu ihrem persönlichen Ansprechpartner bei der ARGE und möchte gerne arbeiten. Nun wissen wir, dass es nicht so einfach ist, eine Arbeit im allgemeinen Arbeitsmarkt zu finden, also schlägt man ihr vor, einen Ein-Euro-Job anzunehmen. Das möchte sie auch gerne, weil sie wieder etwas tun möchte. Sie ist lange krank gewesen und ihr Gesundheitszustand ist auch nicht so toll. Sie wird also weiter geschickt von der ARGE zur HAB und dort geht es dann weiter. Man überlegt, was man mit ihr machen könnte und nun kommt sie zu einem der größeren Träger, dritte Station. Dieser Träger hat Regiearbeitsplätze und Kooperationsarbeitsplätze, sie kommt also auf einen Arbeitsplatz, der wiederum von einer weiteren Einrichtung betreut wird. Das wäre alles gar nicht schlimm, wenn sie dort integriert würde und eine sinnvolle Tätigkeit machen könnte.

Nun wird sie aber wieder krank, auch das ist nicht ungewöhnlich für jemanden, der Hartz-IV-Empfänger ist, häufig ist die Gesundheitssituation nicht besonders stabil.

Und nun hat diese Frau ein ganz einfaches Anliegen: Sie möchte ihre Krankmeldung loswerden und das gestaltet sich zu einer Odyssee, weil sich eigentlich niemand so recht vorstellen kann, wer das entgegennehmen soll. Der Träger, bei dem sie noch nicht war, weil sie vor Arbeitsaufnahme krank geworden ist, kennt sie nicht und fühlt sich nicht zuständig. Die HAB sagt, ihre Tätigkeit sei beendet. Der Träger, bei dem sie sozusagen übergeordnet gewesen wäre, sagt, nein er sei auch nicht zuständig, er habe sie ja weitergegeben. Die HAB sagt, ihre Aufgabe sei eigentlich schon längst beendet und team.arbeit.hamburg sagt, sie solle nicht immer anrufen, weil man auch andere Gespräche hätte, und sie solle das Ganze schriftlich machen. Dann wird sie auf die Hotline verwiesen. Das ist dann die fünfte Stelle. Sie findet niemanden, der mit ihr darüber redet, was sie machen kann, sie ist schlichtweg verzweifelt, hat Angst, dass man ihr die Leistungen kürzt und weiß nicht mehr weiter. Das ist ein Beispiel für den Umgang. Wahrscheinlich hat jeder der Mitarbeiter, der dabei war, nach seinen Vorschriften und nach dem gehandelt, was sein Vorgesetzter ihm gesagt hat, denn die Mitarbeiter in der ARGE - und das sage ich sehr deutlich - sind nicht schuld an den Zuständen und daran, wie sie dann am Ende häufig diejenigen behandeln müssen, die zu ihnen kommen.

Sie sagen, das sei alles wunderbar.

Ich habe jetzt nur einen Fall beschrieben. Ich könnte Ihnen aber eine Handvoll von Fällen anfügen. Ich könnte Sie auch darauf verweisen, dass Sie einmal lesen, was zum Beispiel die Arbeitslosentelefonhilfe in ihren vierteljährlichen Berichten schreibt, nämlich wie verzweifelt, wie unglücklich und schwer enttäuscht Menschen sind, die sich sehr lange mit der ARGE auseinandersetzen müssen. Jeder, der ein Wahlkreisbüro hat, jeder Abgeordnete, kennt solche Fälle, weil Menschen in ihrer Verzweiflung dann meinen, sie könnten vielleicht über die Politik etwas erreichen und Hilfe, einen Ansprechpartner bekommen.

Ich glaube, wenn man solch eine Einrichtung wie die ARGE mit Mitarbeitern bestückt, die mal eben in Schnellkursen geschult werden, und dort sehr viele Menschen mit kurzfristigen Verträgen beschäftigt, die ihre eigene Zukunft gar nicht einschätzen können - das ist jetzt ein bisschen besser geworden, aber es gibt immer noch viele Menschen, die nur auf Zeitvertragsbasis beschäftigt

sind -, dann darf man sich auch nicht wundern, dass das in solch einem sensiblen Bereich nicht klappt. Das wollen wir ändern und dem gilt unser Antrag.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ich weiß - und vielleicht würden wir es auch machen, wenn wir an der Regierung wären, ich hoffe nicht, aber vielleicht -, dass man sich über jeden Arbeitsplatz und die Veränderung am Arbeitsmarkt freut. Herr Senator Uldall, ich kann das verstehen, aber Sie müssen doch gleichzeitig die Zahlen darüber sehen, dass die Menschen zunehmend von dem nicht mehr leben können, was sie in Vollzeit in sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen in dieser Stadt verdienen. Es will mir nicht in den Kopf, wie Sie in der Lage sind, das immer wieder komplett auszublenden und das geht vielen von uns so.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Natürlich ist ein Minijob, ein Midijob, ein Teilzeitjob, gering bezahlt auch ein Vollzeitjob, manchmal besser als nichts, aber es ist kein Erfolg für Arbeitsmarktpolitik, sondern in vielen Fällen ist es eine Schande, zu welchen Bedingungen Menschen arbeiten müssen.

Ich möchte noch einen Fall nennen. Gestern haben wir hier über unser eigenes Personal diskutiert. Ein Wachmann oder jemand, der unten an der Garderobe für 6,60 Euro arbeitet, verdient im Monat, wenn er Vollzeit arbeiten würde, was die meisten hier gar nicht können, so wenig, wenn er Familie hat, dass er am Abend zur team.arbeit.hamburg läuft und sich das Geld draufzahlen lassen muss. Nicht einmal in diesem Fall haben Sie ein bisschen Einsicht und sind bereit, das gemeinsam mit uns zu ändern und das finde ich wirklich schlimm.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Ein letzter Teil, weil wir heute drei Drucksachen gleichzeitig diskutieren. Frau Dr. Hochheim hat es sich sehr einfach gemacht und gesagt, das seien Appelle an Arbeitgeber und was solle denn das. Wir haben uns die Anfrage sehr genau angeschaut und haben festgestellt, dass die Situation von älteren Menschen am Arbeitsmarkt zwar besser geworden ist, aber wir wissen auch, dass das Risiko für Ältere, dann auch länger arbeitslos zu sein, und das Risiko, wenn sie einmal Hartz-IV-Bezieher sind, da nicht wieder herauszukommen, sehr groß ist. Wir lesen, hören und wissen viel über die demografische Entwicklung in diesem Land. Ich glaube, dieses Thema, wie man mit der demografischen Entwicklung in den Unternehmen und der demografischen Entwicklung umgeht, wenn man über Arbeitsmarkt redet, ist schon ein bisschen mehr Betrachtung wert. Wir haben das in unserem Antrag vorgelegt. Frau Dr. Hochheim, Sie haben es sich sehr einfach gemacht. Das war wirklich sehr billig und ich hoffe, dass vielleicht andere Teile der Fraktion ein bisschen zur Vernunft kommen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Herr Senator Uldall hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema der Debatte heißt "Bilanz der Arbeitsmarktpolitik". Ich glaube, dass man mit einer Arbeitsmarktbilanz nie hundertprozentig zufrieden sein kann. Immer wird es viele Punkte geben, wo eine Verbesserung notwendig ist. So wird es immer

ein Ringen um die besten Lösungen geben, wie wir auch die ungelösten Fragen der Arbeitsmarktpolitik einem positiven Ergebnis zuführen können.

Bilanz der Arbeitsmarktpolitik: Herr Dees, Sie sind ein gestandener und erfahrener Wirtschaftler und wissen, dass eine Bilanz aus Tausenden von Zahlen besteht. Sie haben eben nicht Tausende, aber doch viele Zahlen genannt. Aber Sie wissen auch, dass es bei einer Bilanz am Ende darauf ankommt, was unter dem Strich steht.

(Petra Brinkmann SPD: Richtig!)

Hier nenne ich jetzt wirklich die Zahlen, die Sie auch genannt haben - ich interpretiere sie anders als Sie -, aber diese Zahlen heißen: Arbeitsplatzzahlen rauf, Arbeitslosenzahlen runter.

(Barbara Ahrons CDU: Genau!)

Arbeitsplatzzahl um 50.000 rauf, Arbeitslosenzahl um 30.000 runter. Dieses ist eine gute Bilanz.

(Beifall bei der CDU)

Es wurde von der Kollegin Dräger gesagt, man freue sich mit jedem, der einen neuen Arbeitsplatz bekommen habe. Ich sage auch, dass wir uns mit jedem freuen, das heißt, wir freuen uns mit Zehntausenden von Familien, die durch diese Entwicklung in den letzten drei Jahren wieder eine berufliche Basis gefunden haben.

Frau Dr. Hochheim hatte darauf hingewiesen, dass die Entwicklung bei den Langzeitarbeitslosen, bei den älteren Arbeitnehmern und bei den Behinderten besonders erfreulich ist. Hier haben wir Rückgänge von 25 beziehungsweise 30 Prozent. Auch diese Problemgruppen, die uns immer besondere Sorgen bereitet hatten, werden von dieser Entwicklung mit erfasst.

Wenn man sich fragt, worauf das zurückzuführen ist, so sage ich, dass das verschiedene Punkte sind. Es sind neue Ideen, mit denen die ARGE, an der man sicherlich vieles verbessern kann, Frau Köncke, an das Arbeitsmarktproblem herangegangen ist. Ich erinnere zum Beispiel an das Hamburger Modell, mit dem Tausende von Arbeitsuchenden den Zugang zum Ersten Arbeitsmarkt wieder gefunden haben mit einer sehr hohen Integrationsquote. Aber es war neben vielen anderen Gesichtspunkten auch etwas, was mir besonders viel Freude bereitet hat, nämlich dass wir nicht abgewartet haben, bis sich ein Unternehmen meldet und sagt, ich biete euch zwei, drei Arbeitsplätze zur Besetzung an, sondern dass wir offensiv in die Unternehmen gegangen sind und gesagt haben, bitte überlegt, ob ihr nicht für diese oder jene Leistung eine zusätzliche Position schaffen könnt, die regulär mit einem Arbeitsuchenden zu besetzen ist. Diese Art von Akquisition von Arbeitsplätzen hat es früher so nicht gegeben und sie ist sehr erfolgreich gewesen. Ich möchte in diesem Zusammenhang erwähnen, dass die Arbeitsgemeinschaft türkischer Arbeitnehmer, die mir versprochen hatte, mehrere hundert Arbeitsplätze auf diese Art und Weise bei den türkischen mittelständischen Betrieben einzuwerben, ihr hochgestecktes Ziel erreicht hat. Ich kann nur sagen: Kompliment und Danke schön.

(Beifall bei der CDU - Hans-Detlef Roock CDU: Richtig!)

Aber ich will noch einen anderen Gesichtspunkt nennen, nämlich dass wir uns mit voller Konsequenz und Nachhaltigkeit eingesetzt haben, wenn Unternehmen wirklich in

Gefahr waren. Ich erinnere da an Beiersdorf, an Airbus und die Hamburger Aluminiumwerke und vor zwei Tagen haben wir bei der Norddeutschen Affinerie die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass dieses Unternehmen eine sichere Gesellschafterstruktur hat, damit diese 2.200 Arbeitsplätze in Hamburg gesichert sind und die Beschäftigten mit Ruhe wieder ihrer Arbeit nachgehen können und nicht verschreckt werden durch irgendwelche neuen Meldungen.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein Ziel als Wirtschafts- und Arbeitssenator ist es immer gewesen, die Situation auf dem Arbeitsmarkt in Hamburg zu verbessern. Natürlich sieht eine Opposition die Leistungen eines Regierungsmitglieds ganz anders als wir uns selber einschätzen. Das ist nur natürlich, das gehört zum vernünftigen Parlamentsbetrieb dazu. Aber ich möchte ausdrücklich sagen, dass wir uns, die wir heftig miteinander gerungen haben, gegenseitig nie die gute Absicht abgesprochen und dem anderen irgendetwas Böses oder Schlechtes unterstellt haben, sondern dass es wirklich eine konstruktive Suche nach Lösungen war. Auch wenn wir mal etwas abgebürstet haben, wie man es mit der Mehrheit kann, Herr Egloff, ist es eben doch so gewesen, dass immer etwas hängen bleibt und man davon etwas übernimmt, um dieses in positives Handeln mit umzusetzen. So bedanke ich mich ausdrücklich auch für manche gute Anregung, die wir in unserem Handeln dann haben umsetzen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe 42 Jahre für die Stadt Hamburg Mandate in der Bürgerschaft, im Bundestag und im Senat ausgeübt. Ich habe am letzten Wochenende ausgerechnet, dass ich insgesamt bei 1.500 Plenarsitzungen im Bundestag und in der Bürgerschaft dabei gewesen.

(Beifall im ganzen Hause)

Da wird man verstehen, dass ich sage: So, nun reicht es mal.

(Jan Quast SPD: Was?)

Ich möchte nicht zu denen gehören, die nachher rausgetragen werden müssen, sondern ich sage ganz bewusst, dass man irgendwann einmal für Jüngere Platz machen muss. Da freue ich mich, dass ich Ihnen zu diesem Thema über die Alten, die nicht nachlassen können, etwas vorlesen kann, was Theodor Fontane einmal zu diesen Alten gesagt hat, die immer noch auf ihrem alten Posten bleiben wollen. Er sagte:

"[…]

Dieses am Ruder bleiben Wollen

In allen Stücken und allen Rollen,

Dieses sich unentbehrlich Vermeinen

Samt ihrer 'Augen stillem Weinen',

[…]

Ach, ich kann es nicht verstehen.

[…]

Der Mohr kann gehen, neues Spiel hebt an,

[Die Jungen] beherrschen die Szene, sie sind dran."

A C

B D

(Lang anhaltender Beifall im ganzen Hause)

Gibt es weitere Wortmeldungen? - Herr Reinert, zur Geschäftsordnung.