Protocol of the Session on February 7, 2008

Das Wort bekommt Senator Gedaschko.

Sehr verehrte Damen und Herren! Ich glaube, das Haus eint, dass selbstverständlich alle Stadtteile von der positiven Entwicklung, die diese Stadt dem Grunde nach zu verzeichnen hat - ich denke, das wird keiner in Frage stellen -, profitieren.

Nun streiten wir uns über den richtigen Weg. Es geht aber auf keinen Fall, dass hier eine Situationsbeschreibung gegeben wird, mit der Hamburg in die Nähe der Bronx oder des Gazastreifens gerückt wird. Damit tun wir keinem Stadtteil in Hamburg irgendeinen Gefallen.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie mit den Menschen vor Ort sprechen - in Steilshoop, in Barmbek oder in Billstedt -, ist das Schlimmste, was sie finden, die Stigmatisierung ihres eigenen Wohnorts. Die Menschen sind stolz darauf, wo sie wohnen. Wenn Sie diese Stadtteile stigmatisieren, dann ist es genau das, was diese Menschen über die schwierigen Situationen hinaus, die sie haben, fertig macht.

(Beifall bei der CDU - Claudius Lieven GAL: Sie wollen die Leute nur einlullen!)

Frau Veit, wenn Sie dann noch schlicht und ergreifend Unwahrheiten verkünden, dass zum Beispiel die "HipHop Akademie" und die "Klangstrolche" auslaufen würden, entspricht das nicht der Wahrheit. Beide Vorhaben werden fortgeführt.

(Beifall bei der CDU - Michael Neumann SPD: Dann müssen Sie das den Leuten vor Ort mal sagen!)

Sie haben gerade aus der Pressekonferenz des Bürgermeisters zitiert. Wenn Sie so aufmerksam gewesen sind, dann müssten Sie realisiert haben, dass für die Quartiersoffensive auch 2008 zusätzlich 10 Millionen Euro zur

A C

B D

Verfügung stehen.

(Claudius Lieven GAL: Wo ist die Haushaltsdruck- sache?)

Diese Mittel werden wir selbstverständlich hier einsetzen.

Verehrte Damen und Herren! Ich nenne noch einen weiteren Punkt. Ich bin Herrn Maier dankbar, der dieses Thema vorhin angesprochen hat. Es kommt nicht immer darauf an, wie viel Geld man ausgibt, sondern es kommt entscheidend darauf an, wie das Geld, das man ausgibt, sinnvoll eingesetzt wird. Da ist der Unterschied.

(Beifall bei der CDU)

Was mich aber massiv stört, ist Ihre Verantwortungslosigkeit, wenn Sie jetzt darüber hinweggehen, Ihre Verantwortung zu tragen für das, was Sie in den Jahren angerichtet haben. Die Themen, über die wir sprechen, sind in der Regel Themen, die generationenbezogen sind, die Sie nicht in zwei, drei oder vier Jahren lösen oder kreieren können, sondern die langfristig angelegt sind.

(Beifall bei der CDU)

Da ist es insbesondere Ihr Laisser-faire-Stil bei der Integration von Menschen in den Hamburger Raum. Sie haben beispielsweise verpflichtendes Lernen der deutschen Sprache vor der Schule - eine elementare Voraussetzung, später am Lernleben teilhaben zu können - nicht realisiert. Fehlanzeige bei Ihnen.

(Michael Neumann SPD: Wer hat denn behauptet, wir wären kein Zuwanderungsland? Sie wollten die doch nach Hause schicken!)

Das sind genau die Ergebnisse Ihrer verfehlten Integrationspolitik, die wir heute zu reparieren haben. Sie haben die Ursachen gesetzt.

(Beifall bei der CDU)

Ein solcher Vorschlag galt bei Ihnen als Tabubruch. Das Ergebnis ist Kuddelmuddel statt Integration. Dafür wurde jedes Pflänzchen - das war die Gießkanne - begossen

(Michael Neumann SPD: So wie in Steilshoop, wo Sie die Schule zumachen!)

und der Dünger, Herr Neumann, war immer der gleiche, egal wo. Das ist ein großer Fehler gewesen und das ist der große Vorteil, den wir jetzt bei unserem Projekt "Lebenswerte Stadt" haben. Dieser Vorteil ist die zielgenaue Herangehensweise, behördenübergreifend. Wenn Sie sich vielleicht die Zeit nehmen, könnten Sie heute und morgen die Ergebnisse eines Kongresses lesen. Dann werden Sie sehen, was wir zur lebenswerten Stadt machen und dass dieses Modell nicht nur in Hamburg, sondern bundesweit als Vorbild begriffen wird. Sie werden anhand der Teilnehmerzahlen sehen - wir haben über 200 Teilnehmer aus der gesamten Bundesrepublik -, dass dieses Modell bundesweit positiv Aufmerksamkeit erregt.

(Beifall bei der CDU)

Herr Senator Gedaschko, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Egloff.

Herr Egloff hat

gleich die Möglichkeit zu reden.

(Zurufe von der SPD)

Herr Egloff, der Punkt ist, dass Sie sich jetzt wegducken wollen für die Dinge, die in der Vergangenheit verfehlt wurden. Wir reparieren Ihre Fehler der Vergangenheit.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Herr Lieven.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Gibt es nun diese soziale Spaltung oder gibt es sie nicht? Da scheint es auch Uneinigkeit zwischen Ole von Beust und Axel Gedaschko zu geben. Der eine macht einen großen Kongress zur Bekämpfung der sozialen Spaltung und der andere sagt, soziale Spaltung kenne ich gar nicht, davon habe ich noch nichts gehört. Ich will Ihnen zunächst ein paar Fakten nennen, damit Sie sie kennen. Diese Fakten stammen aus unserer Großen Anfrage und wir haben uns die Mühe gemacht, sie auszuwerten.

Zu den Fakten: Es gibt 18 Stadtteile, in denen die soziale Lage so schlecht ist wie in den sechs Stadtteilen, die Sie ausgewählt haben. In den 18 Stadtteilen leben rund 25 Prozent der Hamburger Bevölkerung und rund ein Drittel der Hamburger Jugend, das heißt, es sind besonders junge Stadtteile mit einem besonders hohen Anteil junger Menschen. Die Hälfte aller Kinder in Hamburg, die von ALG II abhängig sind, lebt in diesen Stadtteilen. Der ALGII-Satz für ein Kind sind 209 Euro im Monat. Fakt ist auch, dass es allein in einem bevölkerungsreichen Stadtteil wie Billstedt 5.000 Kinder sind. Fakt ist auch, dass die Schulabbrecherquote in Hamburg immer noch die höchste unter allen deutschen Großstädten ist. Fakt ist auch, dass sie gerade in dem Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund von 2005 auf 2006 noch gestiegen ist. Die Zahlen von 2007 auf Stadtteilebene haben wir noch nicht. Vielleicht reichen Sie uns die kurzfristig nach. Das würde uns freuen.

Fakt ist auch, dass die Armut in den benachteiligten Stadtteilen zugenommen hat. Die Menschen, die von Transferleistungen abhängig sind, sind mehr geworden, auch im Boomjahr 2007, als die Arbeitslosigkeit insgesamt in Hamburg zurückgegangen ist, und zwar besonders bei Kindern, besonders bei Frauen, besonders bei Alleinerziehenden. Fast die Hälfte der Alleinerziehenden in Hamburg ist von Transferleistungen abhängig. Machen Sie sich das Elend einmal klar. Das sind meistens Mütter, die nicht arbeiten können, weil sie keine vernünftigen Kinderbetreuungsangebote vorfinden, extrem wenig Geld haben und extrem Schwierigkeiten haben, ihren Kindern ein gutes Leben zu ermöglichen.

(Marita Meyer-Kainer CDU: Stimmt doch nicht! Das ist Quatsch!)

Fakt ist auch, dass der Bildungserfolg in Hamburg zu einem großen Teil davon abhängig ist, in welchem sozialen Umfeld man lebt. In den reichen Stadtteilen erreichen rund 60 Prozent der Schulabgänger die Hochschulreife. Nur 3 Prozent verlassen die Schule ohne Abschluss. Das ist ein Verhältnis von 1 : 20. Das ist traumhaft. In den armen Stadtteilen erreichen 19 Prozent der Schüler die Hochschulreife und 17 Prozent verlassen die Schule ohne Abschluss. Das ist ein Verhältnis von nahezu 1 : 1.

Das ist eine Katastrophe.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Allein in sechs Stadtteilen mit mehr als 200.000 Einwohnern - das ist eine mittlere Großstadt - erreichen weniger Kinder die Hochschulreife, als Kinder die Schule ohne Abschluss verlassen. Was ist das für ein Bild von einem Land, das eine Wissensgesellschaft sein will, in dem es in einer mittleren Großstadt mehr Schulabbrecher gibt als Kinder mit Hochschulreife.

Das sind Fakten aus den Statistiken des Senats und des Statistischen Landesamtes. Selbstverständlich sind die überprüfbar. Wir haben sie auch alle öffentlich gemacht.

(Uwe Grund SPD: Aber das gibt es nicht, sagt Herr von Beust!)

- Das gibt es nicht, sagt Herr von Beust, ganz genau. Als die CDU vor zwei Jahren aber doch mal gemerkt hat, dass die Situation brenzlig wird, hat sie eilig ein Feuerwehrprogramm namens "Lebenswerte Stadt" aufgelegt, zu dem wir schon einiges von Ihnen gehört haben. Aber dieses Feuerwehrprogramm ist ein Placebo, das ist nur weiße Salbe.

Ad 1: Die Verkleinerung der Klassen erreicht ein Drittel der Grundschulen und dort ein Viertel der Klassen, nämlich die ersten Klassen bis jetzt, also 8 Prozent aller Grundschulklassen oder 2,5 Prozent aller Klassen in Hamburg. Es hat bisher nicht im Entferntesten die Klassenfrequenzen von 2001 wieder erreicht. Die 30 neuen Erzieherstellen, von denen die Rede war, sind nur der Versuch, die Kürzungen um 80 Stellen in den Ganztagsschulen zu kompensieren. Der kostenlose Vorschulplatz für 1.600 Kinder mit Sprachförderbedarf soll nur die allgemeinen Vorschulgebühren abmildern und die 22 ElternKind-Zentren sind ein schwacher Trost für den Abbau von über 3.500 Ganztagsbetreuungsplätzen, davon allein 2.000 in den Stadtteilen mit KESS-Faktor 1 und KESSFaktor 2, wo Sie die Klassen verkleinert haben. Allein dort haben Sie 2.000 Ganztagsbetreuungsplätze in der Kita reduziert. Also erst kräftig herausschneiden und dann ein bisschen wieder hineintun, aber das mit hübscher Verpackung, und dann wollen Sie den Hamburgern erzählen, dass das ein tolles Geschenk sei. Das ist es aber nicht, meine Damen und Herren, das ist Volksverdummung.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Dann erzählen Sie immer das Märchen vom 100-Millionen-Euro-Programm für die benachteiligten Stadtteile. Fakt ist, dass zum 31. Dezember 2007 im Programm "Lebenswerte Stadt" mit allem, mit Lehrern, Eltern-KindZentren et cetera 7.535.850 Euro ausgegeben wurden, also nicht 100 Millionen, sondern 7,5 Millionen. Bis Ende 2008, bis Ende dieses Haushaltsplans sollen es 18 Millionen Euro sein. Also sprechen Sie in Zukunft nicht mehr von einem 100-Millionen-Euro-Programm, sondern von einem 18-Millionen-Euro-Programm. Das wäre wesentlich ehrlicher.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Fakt ist aber auch, dass Sie über 100 Millionen Euro aus diesem Bereich herausgeholt haben. Sie haben allein im Bereich der sozialen Stadtteilentwicklung 32,1 Millionen Euro für Ihr Sonderinvestitionsprogramm reduziert. Sie haben weiterhin im Bereich der Arbeitsmarktförderung in benachteiligten Stadtteilen 44 Millionen Euro reduziert.

(Doris Mandel SPD: Ein Skandal!)

Das ist auch der Grund, weswegen Herr von Beust jetzt gesagt hat, wir geben bald genauso viel aus wie Rotgrün, weil er das überhaupt nicht mehr auf der Pfanne hat und überhaupt nicht mehr weiß, dass damals rund 76 Millionen Euro und nicht 30 Millionen Euro in die benachteiligten Stadtteile gegangen sind. Das haben Sie im Jahre 2002 nämlich als Erstes gestrichen.