Protocol of the Session on November 7, 2007

Das Wort erhält die Abgeordnete Blömeke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Hesse, ich denke, mit diesem letzten Satz, Einsperren und Psychopharmaka, haben Sie sich wirklich absolut selber disqualifiziert.

(Erste Vizepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)

Nach zweieinhalb Jahren Arbeit im Untersuchungsausschuss Geschlossene Unterbringung ist es geradezu erschütternd, dass Sie sich hier hinstellen und sagen, Psychopharmaka und Einsperren seien unsere Methoden, wie wir mit diesen Jugendlichen umgehen. Sie haben sich disqualifiziert.

(Beifall bei der GAL)

Das Niveau, über das wir hier reden, und wie wir reden, haben Sie sich selber zuzuschreiben. Das verdanken Sie Herrn Warnholz und Ihrem Senator, der sich hier in einer Art und Weise hinstellt, die dem Thema nicht angemessen ist.

Erschütternd fand ich auch, Herr Hesse, dass Sie gesagt haben, Sie hätten sich um die Jugendlichen gekümmert. Aber was ist denn jetzt? Jetzt bekommen Sie die Quittung. Wie sah Ihr Kümmern aus? Es kann doch gar nicht sein, dass Sie sich ausreichend gekümmert haben, wenn wir zunehmend diese Vorfälle haben, wie wir sie am Wochenende erleben durften. Die Kultur des Hinsehens, die wir jetzt nach sieben Jahren haben, ist armselig. Es ist unbestritten, dass gute Konzepte Zeit brauchen. Aber wenn wir gespannt auf dieses Konzept des Senats warten und es uns dann vorgestellt wird, kann ich nur sagen: Es ist absolut enttäuschend. Mein Fazit ist: Mit Masse gewinnt man keine Klasse. Ob da vier Senatoren und Senatorinnen sitzen - es ist eben nicht das Richtige dabei herausgekommen, weil Sie das Übel nicht an der

Wurzel angreifen. Ich will es jetzt noch einmal auf eine sachliche Ebene zurückführen. Es ist nicht nur Oppositionsgemecker und auch nicht nur, weil wir jetzt im Wahlkampf stehen, sondern es ist die Analyse zahlreicher Studien - die Sie offensichtlich nicht gelesen haben -, die zeigt, dass eine ganz große Rolle bei der Jugendgewalt natürlich soziale Faktoren spielen. Armut, mangelnder Zugang zu Bildung, unerreichbare berufliche Perspektiven, schlechte Wohnsituation und soziale Ausgrenzung - genau das kann Jugendgewalt erzeugen. Da, wo soziale Faktoren zusammengeballt negativ sind, kann Jugendgewalt entstehen.

Ich will damit nicht die Taten der Jugendlichen entschuldigen, die wir immer wieder der Presse entnehmen können und die sich ereignen. Ich habe selber einen 19-jährigen Sohn und mir ist jedes Mal nicht wohl, wenn er auf den Kiez geht, weil ich natürlich dieselben Ängste habe, die andere Eltern auch haben. Aber Ihr Konzept trägt eindeutig die Handschrift des Innensenators nach dem Motto: Die Polizei wird es schon regeln. Nur nach diesem Motto sollen Polizisten den Unterricht zur Aufarbeitung von Gewalttaten in der Schule übernehmen. Und sie haben auch die Federführung bei der Fallkonferenz. Eine Fallkonferenz ist im Prinzip etwas Gutes. Vernetzung ist das, was wir auch wollen.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Na also, geht doch!)

Aber Federführung unter der Polizei ist nicht das, was wir in unserem Konzept zur Prävention von Jugendgewalt wollen. Ich glaube, wir sollten auch den Begriff Prävention noch einmal klären, der ist bei Senator Nagel eindeutig falsch. Wenn die Durchsetzung der Schulpflicht und das Anzeigen von Schulhofrangelei bei ihm schon Prävention ist,

(Klaus-Peter Hesse CDU: Das ist Prävention!)

dann hat er, finde ich, etwas nicht begriffen.

(Beifall bei der GAL)

Wir setzen bei der Prävention gegen Jugendgewalt auf eine Qualifizierung des Fachpersonals - Kita und Lehrer. Das ist ganz wichtig. Völlig außer Acht lassen Sie auch - das will ich hier noch einmal sagen -, dass Jugendgewalt in der Regel Gewalt von Jungen ist. Es ist doch eine zunehmende und wirklich ernst zu nehmende Entwicklung, wenn sich Jungen zu ihren Tanzabenden mit Messern bewaffnen, als wären sie - wie meine Kollegin Frau Möller sagte - auf der Jagd.

(Harald Krüger CDU: Kennen Sie die Tanzpartne- rin?)

Das ist doch etwas, was wir keinesfalls tolerieren können. Aber genau deswegen, weil wir dies Problem erkannt haben, müssen wir doch auch Maßnahmen finden, die jungenspezifisch sind. Das heißt, wir müssen die unterschiedlichen Rollen, die unterschiedlichen Vorstellungen von Männlichkeit, Themen wie Stärke oder Schwäche und Rollenklischees bearbeiten. Das, Senator Nagel, fehlt in Ihrem Konzept völlig. Ich habe mir sowieso beim Lesen des Konzepts immer wieder die Frage gestellt, ob Senatorin Schnieber-Jastram nur eine Maßnahme bringen durfte oder ob ihr wirklich nicht mehr eingefallen ist.

(Ingo Egloff SPD: Wahrscheinlich das Zweite!)

Gerade der Blickwinkel aus dem Bereich der Sozialpädagogik ist nämlich die Lösung zum Problem der Jugend

gewalt. Der völlig richtige Ansatz der "early-starters" ist in dem gesamten Konzept der einzige Ansatz, den ich begrüßen würde. Aber genau hier merkt man auch, dass Sie Ihrem eigenen Konzept nicht trauen. Lediglich in drei Bezirken wollen Sie diesen Ansatz "early-starters" umsetzen und präventiv in Familien wirksam werden. Aus unserer Wahrnehmung heraus muss der Bereich präventiver Arbeit viel mehr umfassen. Das haben wir in unserem GAL-Konzept auch ausgeführt. Dazu gehört insbesondere das, was Sie in Hamburg zusammengestrichen haben, nämlich die Straßensozialarbeit, die mobile Jugendarbeit, die Cliquenarbeit, das Hineingehen von Sozialpädagogen in die Szene der Jugendlichen. Senatorin SchnieberJastram, Sie haben dafür gesorgt, dass genau das auf unseren Straßen nicht mehr stattfindet.

Ich will auch noch einmal deutlich sagen: Es geht gar nicht nur um den Kiez. Ich kann Ihnen auch noch andere Beispiele nennen, zum Beispiel aus dem gutbürgerlichen Volksdorf, meinem Wohnort sozusagen. Dort gibt es eine Diskothek, in der es insbesondere in den Ferien regelmäßig zu Konflikten kommt, weil sich dort angetrunkene und gewaltbereite Jugendliche aufhalten.

(Glocke)

Wie reagiert der Senat? Er lässt Mannschaftswagen mit Polizei aufmarschieren

(Glocke)

- ich komme zum Schluss -, sperrt sozusagen den Marktplatz ab. Was völlig fehlt, ist eine Zusammenarbeit mit der Jugendhilfe. Streetworker gibt es dort nicht. Deswegen ist Ihr Konzept einseitig, genau so wie Ihr NeunSäulen-Modell.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort bekommt Herr Böwer.

Frau Präsidentin, Herr Kollege Hesse! Familien-Interventions-Team und Geschlossene Unterbringung Feuerbergstraße waren zwei Stichworte, bei denen ich dachte: Ich höre mir einmal an, was der Kollege zu sagen hat, nachdem er es gelobt hat. Und dann schauen wir einmal, was der Senat am 6. November gesagt hat. Sie haben an dieser Stelle ausgeführt, insbesondere die Geschlossene Unterbringung Feuerbergstraße sei ein Beispiel zur Bekämpfung von Jugendkriminalität in Hamburg. Das haben Sie so gesagt. Das habe ich richtig verstanden?

(Klaus-Peter Hesse CDU: Ja, das ist so. Stimmt!)

Dann nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass zum jetzigen Zeitpunkt gar kein Hamburger mehr in der Geschlossenen Unterbringung Feuerbergstraße sitzt,

(Klaus-Peter Hesse CDU: Es ist eine Maßnahme!)

so lautet die Antwort des Senats vom 6. November. Die Antwort des Senats vom 6. November sagt an dieser Stelle: 82,6 Prozent im Durchschnitt …

(Glocke)

Herr Böwer, ich möchte doch noch einen erneuten Ver

such wagen. Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hesse?

- Selbstverständlich.

Lieber Kollege Böwer, stimmen Sie mir zu, dass ich die Geschlossene Unterbringung als eine Maßnahme zur Bekämpfung von Jugendkriminalität dargestellt habe?

- Ja, klar.

Und es vollkommen egal ist, ob die Jugendlichen aus Hamburg, aus Norderstedt oder aus irgendeiner anderen Stadt kommen?

Zunächst empfehle ich Ihnen, Herr Hesse: Melden Sie sich noch einmal zu Wort. Das war keine Frage, das war ein Meinungsbeitrag, den ich zur Kenntnis nehme. Trotzdem bleibt es dabei: In der Geschlossenen Unterbringung Feuerbergstraße, die der Senat als das Paradebeispiel der Bekämpfung von Jugendkriminalität ansieht, befindet sich mittlerweile kein Hamburger Jugendlicher mehr, und das für 30.000 Euro Kosten pro Monat, mit denen wir im Augenblick Jugendliche aus Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen finanzieren. Chapeau, Frau Senatorin Schnieber-Jastram, das ist in der Tat ein Erfolg.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wir werden an anderer Stelle über die Fragen des Einsatzes von Psychopharmaka und Rechtsverstößen reden. In diesem Zusammenhang schöne Grüße von Herrn Schill, er hat im Ausschuss zumindest mehrmals gesagt, Sie könnten es nicht. An dieser Stelle muss ich sagen: Herr Schill hat recht.

Dann kommen wir zum zweiten Beispiel, das von Ihnen angesprochene Familien-Interventions-Team.

(Rolf Harlinghausen CDU: Ist er nicht putzig?)

Der Senat hat noch etwa sechs Tage Gelegenheit, genau darauf zu antworten, welche Jugendlichen Straftaten begangen haben, obwohl sie durch das FamilienInterventions-Team betreut wurden - sechs Tage noch. Zur Erinnerung: Ein 15-jähriger Jugendlicher wird von dem von Ihnen gepriesenen Familien-Interventions-Team betreut, ist lange Zeit bekannt und bringt bedauerlicherweise eine ältere Dame aus Eimsbüttel um. Soweit der Erfolg Ihres Familien-Interventions-Teams.

(Uwe Grund SPD: Das hatten wir beim Fall Dabelstein auch schon einmal!)

Nun zum nächsten Punkt, die mutmaßlichen Täter …

(Zurufe) - So seien Sie doch ruhig und hören Sie zu. Wir reden über die mutmaßlichen Täter des Ereignisses vom Wochenende und müssen feststellen: Zwei der vier mutmaßlichen Täter waren ebenfalls dem FamilienInterventions-Team bekannt und waren dort auch betreut. Sie haben gerade an dieser Stelle ausgeführt, der Bundesrat habe verhindert, dass diese Jugendlichen nicht in die "Geschlossene" kommen. (Klaus-Peter Hesse CDU: Das stimmt überhaupt nicht!)