Ein weiteres Mal möchte ich Sie ansprechen, Herr Dr. Dressel. Sie tönen, der Senat möge aktiv werden. Das tut er. Aber werden Sie einmal aktiv im Bereich der Seriosität auf Bundesebene. Ich nenne hier einmal schlagwortartig ein paar Punkte, bei denen die SPD auf Bundesebene etwas machen kann, es aber verhindert - ihre Bundestagsfraktion, Ihre SPD-Bundesjustizministerin: Einführung Warnschussarrest, Anwendung des allgemeinen Strafrechts auf Heranwachsende, was grundsätzlich angewendet werden sollte - beides verhindert von der SPD-Fraktion. Machen Sie doch dort etwas, anstatt hier groß herumzutönen und Rhetorik zu machen. Machen Sie dort etwas und nicht hier.
Weder passiert etwas seitens der SPD auf Bundesebene bei der Erweiterung des Strafrahmens für Heranwachsende schwerster Verbrechen, noch liegt ein Gesetzentwurf vor. Sicherungsverwahrung wollen Sie erst ab sieben Jahre Jugendstrafe. Wir wollen das schon ab fünf Jahre Jugendstrafe.
So, wie Sie sich äußern, ist es zynisch zulasten der Opfer. Ihnen ist nämlich sehr wohl bekannt: Die CDU hat auf Bundesebene alles getan, die SPD nicht.
Wenn es darum geht, in Hamburg tatsächlich Maßnahmen zu ergreifen, erschrecken Sie - beim Strafvollzug, bei der Dezentralisierung der Jugendgerichte. Dann kneifen Sie. Da muss ich eins sagen: Mangelnde Seriosität.
Damit ist die Redezeit der heutigen Aktuellen Stunde erschöpft. Mir ist bereits bekannt, dass das zweite von der GAL-Fraktion angemeldete Thema auf morgen vertagt werden soll. Wie verhält es sich mit dem dritten von der CDU-Fraktion angemeldeten Thema? - Das wird auch auf morgen vertagt. Damit ist die Aktuelle Stunde für heute beendet und wir werden sie morgen mit dem zweiten Thema fortsetzen.
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 50, Drs. 18/7244, Antrag der GAL-Fraktion: Qualifiziert und doch chancenlos - Potenziale von Migrantinnen und Migranten besser erkennen, fördern und nutzen.
Qualifiziert und doch chancenlos - Potenziale von Migrantinnen und Migranten besser erkennen, fördern und nutzen - Drs. 18/7244 -]
Diese Drucksache möchte die CDU-Fraktion federführend an den Sozialausschuss und mitberatend an den Schul- sowie Wirtschaftsausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? - Frau Güclü, bitte.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben vor wenigen Wochen unseren Antrag zum Thema "Mehr Migrantinnen und Migranten in Bildungsberufen" diskutiert. Es war erfreulich, dass der Handlungsbedarf vom ganzen Haus gesehen wurde, sodass zu unserer großen Überraschung der Antrag dann sofort in der Bürgerschaft angenommen wurde.
Vielleicht werden Sie sich erinnern, dass es seinerzeit mit unserem Antrag in erster Linie darum ging, den Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in den Bildungsberufen zu erhöhen. Aber es ging auch um die Anerkennung von Qualifikationen, die in den Herkunftsländern in diesem Bereich erworben wurden.
Obwohl die Hamburger Medien das Thema anscheinend nicht so interessant fanden, kann ich Ihnen sagen, dass die ausländischen Medien das sehr breit aufgegriffen haben. Bis heute erhalte ich unzählige Anrufe von betroffenen Menschen, die jetzt fragen, was sich geändert hat und was das konkret in ihrem Fall bedeutet. Das betrifft insbesondere Lehrerinnen und Lehrer aus Drittstaaten.
Unser heutiger Antrag zielt in eine ähnliche Richtung. Wir möchten über die Anerkennung von Qualifikationen diskutieren, die in Drittstaaten erworben worden sind, denn wir sind der Meinung, dass es richtig ist, mit dem Bildungsbereich zu beginnen, weil das ein prioritärer Bereich ist. Aber es ist nicht erklärbar, warum wir dann in anderen Bereichen nichts unternehmen. Ich möchte hierfür ein Stück weit ausholen.
Wie Sie wissen, ist mit dem Anwerbestopp zu Beginn der Siebzigerjahre viel verändert worden. Das heißt, wir haben neue Regelungen erhalten, die die Einreise und Zuwanderungen hauptsächlich nur noch auf Familienzusammenführung und Ehegattennachzug beschränkt
haben. Nach wie vor ist das die größte Gruppe der Neuzuwanderinnen und Neuzuwanderer und Sie können sich sicherlich vorstellen, dass hiervon ein Großteil erwachsene Menschen sind.
Das sind Menschen, die in ihren Herkunftsländern nicht nur schulische Qualifikationen, sondern auch Berufe erlernt haben, in denen sie vielleicht jahrelang tätig waren. Aber es sind auch Menschen, die in vielen Fällen studiert haben. Beim Grenzübertritt nach Europa sowie speziell nach Deutschland und Hamburg werden ihre Qualifikationen plötzlich für nichtig erklärt. Das heißt, eine Anerkennung findet nicht statt, bestenfalls vielleicht ein Teil ihrer Qualifikation. Dadurch sind die meisten Menschen gezwungen, hier beruflich bei null zu beginnen, also ihre ganze berufliche Biografie wird gänzlich ausgeblendet.
Ich finde es interessant, wenn man das dann mit den Verfahren in Bezug auf Qualifikationen aus europäischen Ländern vergleicht. Hier haben wir eine völlig andere Verfahrensweise, nämlich die einer zunehmenden Harmonisierung. Das heißt, die Qualifikationen und Abschlüsse werden gegenseitig anerkannt. Alles andere wird dann im europäischen Qualifikationsrahmen geregelt. Wie bereits erwähnt, ist bei Angehörigen aus Drittstaaten eher die Nichtanerkennung die Regel.
Es gibt noch andere Hürden, die Migrantinnen und Migranten überwinden müssen, wenn sie einen Zugang zum Arbeitsmarkt haben wollen. Sie haben nach wie vor die Arbeitserlaubnisverordnung, aber auch die Vorrangprüfung, die wiederum deutsche und auch europäische Arbeitssuchende deutlich privilegiert. Ich bin der Meinung, dass das Maßnahmen sind, die endlich verändert gehören. Es kann nicht angehen, dass wir uns doppelt und dreifach absichern und hierdurch Migrantinnen und Migranten sozusagen künstlich konstruiert und nicht aufgrund ihrer Qualifikation vom Arbeitsmarkt ausgrenzen. Das ist wirklich Protektionismus und macht auch volkswirtschaftlich keinen Sinn.
Daher ist es durchaus nachvollziehbar, dass die Betroffenen von einer strukturellen Diskriminierung sprechen und es verständlich ist, wenn die Menschen dann nicht gerade motiviert werden, sich durch solche Regelungen hier gesellschaftlich einzubringen und sich noch stärker für ihre Integration zu engagieren.
Ich möchte Ihnen kurz die Folgen schildern, die die Nichtanerkennung der Qualifikation mit sich bringt. Die meisten landen, weil sie als nicht qualifiziert betrachtet werden, in Bereichen, die keine oder nur eine geringe Befähigung voraussetzen. Das ist der Bereich Putzen, Kellnern oder Taxifahren. Zumeist landen sie aber auch in der Arbeitslosigkeit. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Arbeitslosenquote von Migrantinnen und Migranten in Hamburg bei 24 Prozent liegt. Das ist eine Zahl, die inzwischen nicht mehr nur doppelt, sondern inzwischen fast dreimal so hoch wie die allgemeine Arbeitslosenquote ist. Ich bin der Meinung, dass das zu bekämpfen gilt und wir darauf schauen müssen, wo die Hindernisse sind, die wir abbauen können. Bisher wird sehr wenig unternommen.
Eine weitere Gefahr ist hiermit verbunden, die viele nicht sehen, weil sie vielleicht in diesem Bereich nicht selbst
betroffen sind. Arbeitslosigkeit und die Abhängigkeit von Transferleistungen können natürlich auch negative Auswirkungen auf den Aufenthaltsstatus haben. Das heißt, wir haben hier einen Teufelskreis, in dem das eine das andere bedingt.
Vor allem führt die Nichtanerkennung dazu, dass Menschen ganz neu beginnen müssen, was ich vorhin bereits ausgeführt habe. Ich finde, dass das eine unfassbare Vergeudung von Ressourcen und Talenten ist, die wir in unserer Stadt haben. Und das in Zeiten, in denen wir über Fachkräftemangel jammern.
Sie wissen, dass auf Bundesebene die Diskussion wieder erneut entbrannt ist. Es geht darum, welche Instrumente sinnvoll sind, um zukünftig gesteuert Zuwanderungen und insbesondere die Zuwanderung von Fachkräften zu ermöglichen. Ich finde es interessant, dass plötzlich wieder über das Punktesystem nachgedacht wird. Das ist kein neues Instrument. Einige von Ihnen werden sich erinnern, dass es bei den Verhandlungen um das Zuwanderungsgesetz eine grüne Idee gab, über ein Punktesystem Zuwanderung zukünftig zu steuern. Das fiel seinerzeit heraus, weil die CDU/CSU sich massiv dagegen gewehrt hat.
Meine Fraktion hat nichts dagegen, dass wir auch hierüber nachdenken. Aber wir sind der Meinung, dass wir vor Ort schauen müssen, ob nicht Potenziale und Qualifikationen vorhanden sind, die wir nutzen könnten. Daher ist meine Meinung, die derzeit gängige Praxis sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht.
Es kann nicht sein, dass gut ausgebildete Akademikerinnen und vor allem Akademiker Taxi fahren müssen, weil ihre Diplome nicht anerkannt werden, ihre Führerscheine aber doch. Es kann nicht sein, dass Ärztinnen und Ärzte aus Russland oder Afghanistan, um nur einige Beispiele zu nennen, trotz langjähriger Berufserfahrung bestenfalls als Pflegekräfte eingestuft werden, meistens jedoch die Krankenhausflure schrubben. Das finde ich zynisch und ist - wie bereits ausgeführt - eine ungeheuerliche Verschwendung.
Qualifiziert und doch chancenlos ist der Titel unseres heutigen Antrags. Ich kann nur feststellen, dass er traurigerweise wirklich die Realität vieler Migrantinnen und Migranten in dieser Stadt beschreibt.
In diesem Zusammenhang möchte ich ein weiteres Problem kurz erläutern. Derzeit ist in Hamburg das Verfahren der Anerkennung ebenfalls mit vielen Hürden auferlegt. Für viele Betroffene ist es wirklich eine Odyssee durch den Dschungel von Zuständigkeiten sowie Ansprechpartnern und das oft mit ungewissem Ausgang.
Stellen Sie sich einmal vor: Sie kommen in ein Land, dessen Sprache Sie vielleicht noch nicht beherrschen, aber Sie bringen natürlich Qualifikationen aus Ihrem Herkunftsland mit und müssen sich dann durch diesen Dschungel von Zuständigkeiten und Ansprechpartnern wühlen. Ich weiß von Betroffenen, dass sie wirklich von Pontius zu Pilatus geschickt werden und dass für die meisten dieser ganze Vorgang vor allem sehr nervenaufreibend ist.
Ich möchte Sie ermuntern. Wenn Sie das nächste Mal in ein Taxi steigen oder in einer Bar sitzen und sich einen Caipirinha bestellen, versuchen Sie einmal, mit den Men
schen ins Gespräch zu kommen und zu fragen, was sie ursprünglich gelernt haben und warum sie nicht in diesen Berufen in Hamburg tätig sein können. Ich bin mir sicher, dass Sie sich wundern werden, welche Berufe und Talente sie dann geschildert bekommen.
Daher möchten wir mit unserem heutigen Antrag den Senat auffordern, eine zentrale Anlaufstelle für Menschen zu schaffen, die ihre mitgebrachten Qualifikationen, seien es schulische, akademische oder auch berufliche, anerkennen lassen möchten. Vor allem sollte es eine Stelle sein, an die sich die Menschen wenden können, die sie während des ganzen Verfahrens flankierend begleitet und ihnen dann auch die richtigen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner in den Behörden, Kammern sowie auch in den anderen Institutionen nennen kann und die Kontakte herstellt.
Hierfür geeignet erscheint uns das Hamburg Welcome Center, welches primär die Aufgabe hat, sich um Neuzuwanderinnen und Neuzuwanderer zu kümmern. Wir sind der Meinung, dass das Welcome Center mit seiner üppigen Ausstattung durchaus die Ressourcen hat. Wir möchten zusätzlich mit unserem Antrag den Senat auffordern, eine mehrsprachige Broschüre zu verfassen, mit der die Menschen einen Leitfaden in die Hand bekommen, an dem sie sich dann auch orientieren können.
Ein weiterer Punkt, der mir persönlich ganz wichtig ist, ist, dass die Menschen nicht gezwungen sind, bei Adam und Eva zu beginnen, sondern wir müssen uns Gedanken machen, welche Instrumente notwendig sind, um die Menschen zügig wieder in den ursprünglich erlernten Berufen einzusetzen, weil ich davon überzeugt bin, dass es nicht nur für die Menschen, sondern auch für uns gut ist. Es ist insgesamt eine Win-win-Situation. Das Problem ist allerdings, dass es zu wenige Anpassungsqualifikationen gibt.
Das größte Problem überhaupt ist, dass man die Menschen, die daran teilnehmen und die es sicherlich benötigen, weil es Bereiche gibt, in denen vielleicht nicht nur sprachliche, sondern auch berufliche Defizite vorhanden sind, bei null beginnen lässt. Man hat dann zu schauen, wie mit geeigneten Maßnahmen möglichst zügig so qualifiziert wird, dass sie dort weitermachen können, wo sie sozusagen aufgehört haben. Das setzt allerdings voraus, dass der Lebensunterhalt gesichert ist, was die größte Hürde in diesem Bereich ist.
Daher fordern wir den Senat auf, ein Stipendienprogramm aufzulegen, das Migrantinnen und Migranten zumindest die Sicherung des Lebensunterhalts ermöglicht, während sie sich in Anpassungsqualifikationen befinden. Weiterhin fordern wir den Senat auf, eine Aufklärungskampagne zu starten, und zwar insbesondere bei den Unternehmerinnen und Unternehmern in der Stadt, weil sie die potenziellen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sind. Sie wissen sicherlich, dass Migrantinnen und Migranten sich auch direkt - das heißt, auf normalem Wege mit ihren originalen Abschlüssen - bewerben, aber die wenigsten potenziellen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sind in der Lage, diese Abschlüsse dann richtig zu bewerten. Daher sind wir für eine gezielte Aufklärungskampagne. Idealerweise könnte das auch in Kooperation mit den Kammern geschehen, worüber unserer Meinung
Ich hoffe, dass ich Ihnen ein wenig deutlich machen konnte, wie groß der Handlungsbedarf ist, und ich wünsche mir, dass auch Sie mit diesem Antrag konstruktiv umgehen und ihm zustimmen, womit ich eher nicht rechne, Sie ihn aber zumindest an die jeweiligen Ausschüsse überweisen, damit wir ihn fachlich beraten können. - Vielen Dank.