Protocol of the Session on July 4, 2007

(Michael Fuchs CDU: Wer hat Ihnen das erklärt?)

Auch das zeigt, dass diese Aussage, man könne mit 30 Prozent nichts ausrichten, nicht stimmt.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ich komme zum dritten Widerspruch. Da gehe ich einmal auf das ein, was Sie zur Speicherstadt gesagt haben. Ich mache es mir ein bisschen leicht. Ich zitiere aus dem Bericht des Haushaltsausschusses, was der Senat gesagt hat:

"Es sei mit einzubeziehen, dass sich aufgrund der Sicht einzelner Aktionäre durchaus Konstellationen ergeben könnten, in denen die Frage auftauchte, ob die fortgesetzte behutsame Entwicklung der Speicherstadt vor einem Kapitalverwertungsinteresse stehe."

Das heißt: Würde die Speicherstadt genau wie die anderen Besitztümer der HHLA zu 30 Prozent verkauft, müsste man Angst um die Speicherstadt haben, weil man dann dem Kapitalverwertungsinteresse von einzelnen Aktionären nachkommen müsse. Gleichzeitig sagen Sie, dass das für den Logistikbereich nicht gelte. Auch das ist ein Widerspruch. Ich will damit nicht sagen, dass ich dagegen bin, die Speicherstadt zu schützen, im Gegenteil. Aber ich bin dafür, auch die ganze HHLA zu schützen.

(Beifall bei der SPD)

Der Senat geht sehr leichtfertig davon aus, dass die Interessen von Investoren und der Stadt immer gleichlaufend sind, und zwar sowohl in der Sache als auch im zeitlichen Ablauf. Das ist eine gewagte Annahme. Ein Investor, auch jemand, der ein kleines Paket von der HHLA kauft, kann damit durchaus ganz andere Interessen verbinden. Er kann aufgrund seines sonstigen Geschäftsbetriebs oder aufgrund seines Gesamtportfolios durchaus ein Interesse daran haben, Entscheidungen bei der HHLA zu blockieren, weil er sich dadurch für seinen sonstigen Geschäftsbetrieb Vorteile verspricht. Aber auf dieser riskanten Annahme, diese Interessen seien immer gleichlaufend - er kann übrigens auch einmal das Interesse haben, dass bestimmte Gewinne schneller realisiert werden, als es für die Gesamtentwicklung des Hafens gut wäre, auch das kann ein Problem sein -, beruht letztlich Ihre Bereitschaft, 30 Prozent des Aktienkapitals an die Börse zu bringen. Ein möglicher Investor, ein Aktienbesitzer, der seine ganz eigenen Interessen bei der HHLA und darüber hinaus durchsetzen will, riskiert sein Geld, vielleicht nicht einmal sein eigenes, vielleicht auch nur einen ganz kleinen Anteil seines Gesamtportfolios. Sie, wenn Sie heute zustimmen, riskieren die Zukunft der HHLA und damit die Zukunft des Hafens und die Zukunft dieser Stadt. Diesen Weg gehen wir nicht mit. - Vielen Dank.

(Lang anhaltender Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält der Abgeordnete Kerstan.

(Michael Neumann SPD: Na, dann streng' Dich einmal an!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir debattieren heute über den dritten Anlauf dieses Senates, Teile der Hamburger Hafen und Logistik AG zu verkaufen. Durch den von Ole von Beust geführten Senat hat die Stadt bereits Erfahrungen mit Privatisierungen gemacht, schlechte Erfahrungen. Eine weitere missglückte Privatisierung, wie wir sie leidvoll beim Landesbetrieb Krankenhäuser erlebt haben, kann sich Hamburg bei der HHLA nicht erlauben.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

In der Tat erweckt der Senat nicht den Eindruck, dass er weiß, was er will, wenn man sich die Geschichte dieser verschiedenen Anläufe der HHLA-Privatisierung ansieht.

(Ingo Egloff SPD: Er weiß auch nicht, was er tut!)

Vor gut einem Jahr war dieser Senat bereit, die HHLA mehrheitlich an einen privaten strategischen Investor zu verkaufen.

(Olaf Ohlsen CDU: Mit Zustimmung der GAL!)

- Das war damals ganz und gar nicht der Fall, Herr Ohlsen. Da haben Sie dann wieder einmal geschlafen. Genauso, wie Ihre Abgeordneten …

(Olaf Ohlsen CDU: Das ist ungezogen!)

- Also bitte schön. Dann lesen Sie einmal die Protokolle, wie die Debatten damals gelaufen sind.

(Wolfhard Ploog CDU: Darin steht nicht, dass er geschlafen hat!)

Das war damals gegen heftigen Widerstand nicht nur von uns, sondern auch von der SPD. Wenn Sie das nicht

mitbekommen haben, Herr Ohlsen, dann muss ich sagen, verfolgen Sie anscheinend solche entscheidenden Debatten für ein so wichtiges Feld der Wirtschaftspolitik nicht aufmerksam genug. Aber leider - den Eindruck muss man haben - gilt das nicht nur für Sie, sondern für die ganze Regierungsfraktion und auch Teile des Senats.

(Beifall bei der GAL und der SPD - Wolfhard Ploog CDU: Schlauberger!)

Dann haben Sie ein internationales Bekundungsverfahren gestartet mit dem Ziel, einen strategischen Investor in das Unternehmen zu holen und 49,9 Prozent zu verkaufen. Auch das ist heute Geschichte. Heute reden Sie davon, 30 Prozent der stimmrechtsfähigen Aktien des Stammkapitals der HHLA an die Börse zu bringen. Man merkt ein bisschen: Je näher der Wahltermin gerückt ist,

(Dr. Willfried Maier GAL: Da flattert das Hemd!)

desto mehr Fracksausen haben Sie bekommen, in einen Konflikt mit der Gewerkschaft und der Belegschaft zu gehen. Man kann sich auch nicht des Eindrucks erwehren, dass Sie bei diesem Modell nicht die ganze Wahrheit sagen, denn diese Argumentation, das muss ich Ihnen ehrlich sagen - da geht es mir ähnlich wie Frau Dräger -,nehme ich Ihnen nicht ganz ab, dass diese 30 Prozent, die Sie an die Börse bringen wollen, das letzte Wort gewesen sein sollen.

(Jörg Hamann CDU: Sie wollen doch alles verkau- fen!)

Ich glaube, dass das an diesem Punkt die Aussage vor der Wahl ist. Was dann mit 19,9 Prozent nach der Wahl passiert, das wird eine andere Geschichte sein. Ich glaube: Aufgrund der Erfahrungen, die wir mit Ihnen und ihren Privatisierungen gemacht haben, kann man diesen Weg nicht unterstützen, den Sie vorschlagen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Ihr Hauptargument ist, dass das gar nicht so schlimm sei, denn diese 30 Prozent könnten wir weggeben und insofern bräuchte man sich dort keine Sorgen machen. Ich möchte heute nicht so sehr auf den Punkt eingehen, auf den Frau Dräger sehr umfänglich eingegangen ist,

(Michael Neumann SPD: Sehr gut!)

wie hoch die Investitionen im Hafen wirklich sind, die die Stadt tätigen muss. Auch aus unserer Sicht ist ganz klar, dass man erst in dem Moment über Anteilsverkäufe der HHLA nachdenken kann, wenn alle Finanzinstrumente zur Finanzierung der städtischen …

(Glocke)

Herr Kerstan, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, im Moment bitte nicht.

(Jörg Hamann CDU: Das ist feige, Herr Kerstan! - Gegenruf von Klaus-Peter Hesse CDU: Er steckt nicht so im Thema drin!)

Denn natürlich sollte nur dann über einen Verkauf der HHLA nachgedacht werden, wenn erstens alle Finanzinstrumente ausgeschöpft sind, die der Stadt zur Finanzierung von Hafeninvestitionen zur Verfügung stehen, und zweitens der Investitionsbedarf so hoch ist, dass er aus anderen Mitteln nicht gedeckt werden kann. Die Skepsis der SPD-Fraktion, inwieweit die von der Stadt angeführte

Höhe der Investitionen zutrifft, kann man durchaus teilen, vor allem auch, wenn man sich die Debatte und die Anhörung angeschaut hat, die an dem besagten Abend im Haushaltsausschuss nicht nur zur HHLA stattgefunden hat, sondern auch zur Hafenbahn, wo der Senat auch eine schöne Summe von 500 Millionen in den Raum geworfen hatte und auch nach anderthalb Stunden nicht so genau sagen konnte, welche einzelnen Maßnahmen damit eigentlich zu finanzieren sein sollten.

Aber ich möchte heute vor allem über die Risiken und Nachteile des vom Senat vorgeschlagenen Modells reden, das in dem Senatsantrag zur Debatte steht. Aus unserer Sicht birgt es erhebliche Risiken und Nachteile, 30 Prozent der stimmrechtsfähigen Aktien der HHLA einfach so an der Börse breit zu streuen - Risiken, die sich nicht nur für die HHLA, sondern auch für die Stadt bitter rächen können.

Zum Ersten ist es natürlich völlig unverantwortlich, Aktien an der Börse breit zu streuen, weil man dann die komplette Kontrolle darüber verliert, wer sich langfristig an der HHLA beteiligen kann. Wenn Sie die Aktien einfach so an der Börse streuen, kann sich jeder kapitalkräftige Konkurrent der HHLA eine Sperrminorität von 25 Prozent zusammenkaufen. Wir reden über Investoren, bei denen bisher in diesem Hause über alle Fraktionen hinweg Einigkeit herrschte, dass diese bei der HHLA nicht willkommen sind. Ich rede hier von Konkurrenten wie Hutchison oder PSA. Das sind asiatische Monopolbetriebe, die bereit sind, mit riesigen Finanzmitteln Konkurrenten aufzukaufen.

Vor diesem Hintergrund muss man eins feststellen: Auch wenn die HHLA in Hamburg das größte Unternehmen ist, ist die HHLA im weltweiten Vergleich ein Mittelständler, den ein Konzern wie Hutchison oder PSA locker zum Frühstück verspeisen kann. Wenn Sie sich ansehen, was diese Konzerne bereit waren auf den Tisch zu legen, dann war das bei P&O, den Hafenbetreibern in England, das Dreißigfache des Jahresgewinns. Wenn Sie das auf den Gewinn der HHLA umrechnen, sind Sie nicht bei anderthalb Milliarden, sondern bei zwei bis drei Milliarden. Das ist nicht die Summe, für die Sie jetzt den einzelnen Aktionären an der Börse die HHLA-Aktien verkaufen werden. Aber wenn dann drei Monate später jeder dieser Aktionäre ein Angebot von diesen Investoren auf den Tisch bekommt, bei dem er innerhalb von drei Monaten seinen Aktienkauf verdreifachen könnte, dann ist das kein theoretisches Modell, dass dort eine Sperrminorität zusammenkommen kann. Letztendlich handelt jemand naiv, der davon ausgeht, dass das nicht passieren kann.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Es ist auch in der Anhörung deutlich geworden, dass es ein Problem wäre, wenn ein Investor 25 Prozent - eine Sperrminorität - zusammenhat und diese zu einer Blockadepolitik einsetzt. Denn letztendlich muss man doch eins deutlich sehen: Die HHLA kann ihre eigenen Investitionen finanzieren, sie muss dafür aber Kredite aufnehmen, eventuell auch ihr Eigenkapital erhöhen. Dafür braucht man eine Dreiviertelmehrheit auf einer Hauptversammlung. Sie wollen 30 Prozent verkaufen. Jeder, der 25 Prozent hat, kann das blockieren. Sie reden immer davon - das war auch die Meinung von sachverständigen Hamburger Unternehmen: Wer sollte das nach mitteleuropäischen Gepflogenheiten, nach einem guten Geschäftsverhalten tun? - Da muss ich wirklich sagen: Lesen Sie eigentlich keine Wirtschaftspresse? Verfolgen

Sie nicht, was an den Finanzmärkten los ist? Wissen Sie nicht, was für Akteure dort agieren?

Ich rede hier nicht nur von Finanzinvestoren. Der IWF zum Beispiel warnt vor milliardenschweren Staatsfonds aus autoritären Regimen weltweit, die sich strategisch in strategische Branchen einkaufen und dabei keinesfalls Renditeinteressen vertreten, sondern geopolitische und politstrategische Interessen verfolgen. Das ist dann nicht Herr Stuhlmann von der HSH Nordbank. Das ist dann vielleicht eine Gazprom in Russland oder der Staatsfonds in China. Da sieht das dann schon ganz anders aus, was mit der HHLA passiert.

(Rüdiger Kruse CDU: Was haben Sie denn gegen Herrn Schröder?)

Ihre eigene Bundeskanzlerin von der CDU hat gesagt, dass Börsengänge der Bahn und auch der Telekom vor diesem Hintergrund neu bedacht werden müssen und eventuell auch ganz anders strukturiert werden müssen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)