Protocol of the Session on April 19, 2007

Solch ein Stadtforum ist etwas völlig anderes als eine einmalige Architekturolympiade, auch etwas anderes als

ein kurzfristig aufgesetztes Onlineforum zum Domplatz. Das eine ist eine Show-Veranstaltung, gesponsert durch die Immobilienwirtschaft, das andere primär ein Ventil, um Druck abzulassen. Beide Veranstaltungen sind leider keine Vorbilder für eine offene, dialogische Planungskultur. Dazu braucht es mehr, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Dazu braucht es vor allem Kontinuität, eine Zielgruppe, die über die reine Fachwelt hinausgeht und einen geeigneten Ort. Im Kesselhaus in der HafenCity, das bereits angesprochen wurde, steckt durchaus ein positiver Ansatz und es erfreut sich großer Beliebtheit. Es funktioniert aber auch nicht immer, wie das Beispiel des nicht stattfindenden Diskurses um die Living Bridge zeigt. Gestatten Sie mir diesen kleinen Diskurs, denn bei diesem gigantomanischen Projekt wird es nämlich wirklich kritisch und hier geht es zentral um Planungskultur. So wie diese Living Bridge gegenwärtig geplant wird, kommt sie aus unserer Sicht einem Anschlag auf das Gelingen der HafenCity gleich.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Diese Mauer, denn praktisch handelt es sich um eine 700 Meter lange und 40 Meter hohe Mauer, zerteilt die HafenCity und degradiert den Fluss zum Kanal. Das Projekt hat leider gar nichts mit einer Ponte Vecchio zu tun, sondern es ist vielmehr ein städtebaulicher Albtraum. Aber es gibt keine Diskussion darüber, sondern nur Pressemarketing mit großen pseudorealistischen Animationen. Viele zweifeln am Sinn und der Qualität dieses Projekts und das durchaus nicht nur in Architektur- oder Planungsbüros, sondern auch in vielen anderen Büros dieser Stadt, aber man hört dazu kaum Stimmen in der Öffentlichkeit. Warum, meine Damen und Herren? Vielleicht, weil es sehr starke Interessen gibt, weil der potenzielle Investor zufällig auch einmal stadtentwicklungspolitischer Berater des Ersten Bürgermeisters war.

Man kann nur vermuten, dass dort einige Wenige große Projekte ausbrüten, um sie irgendwo einzupflanzen. Aber so kann es nicht gehen, meine Damen und Herren. Die Stadt gehört nicht nur einigen Wenigen, sondern allen Hamburgern und alle Hamburger haben ein Recht darauf, bei der Entwicklung und Gestaltung großer Projekte in ihrer Stadt beteiligt zu werden.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Erinnern wir uns an die Idee, das Planetarium aus dem Stadtpark herauszureißen und in die HafenCity zu verpflanzen. Erst die Drohung mit einem Volksbegehren hat den Senat zur Räson gebracht. So wie auch im Falle des Rosengartens in "Planten un Blomen". Aber so kann es doch nicht gehen, meine Damen und Herren. Allein planen und dann mit absoluter Mehrheit hier absegnen lassen, und wenn es Protest gibt, dann vielleicht hinterher etwas Diskussion anbieten. Das ist keine Planungskultur, meine Damen und Herren, das ist eine Unkultur.

(Beifall bei der GAL)

Ich hoffe, dass der neue Stadtentwicklungssenator seine Ankündigung, über das räumliche Leitbild eine breite Diskussion in der Stadt zu führen,

(Karen Koop CDU: Aber kräftig!)

mit Inhalt und Leben füllt. Dazu wäre die Einrichtung einer solchen Stadtwerkstatt ein echter Schritt. Ich freue mich deshalb, dass die CDU die Überweisung an den Stadtentwicklungsausschuss mit trägt und hoffe, dass Sie dann dort konstruktiv mitarbeiten. - Vielen Dank, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Gibt es weitere Wortmeldungen? - Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drs. 18/6022 an den Stadtentwicklungsausschuss zu? - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das ist einstimmig der Fall.

Ich rufe Punkt 37 auf, Drs. 18/5972, Antrag der GALFraktion: Reform der Ausbildung im Bereich der Frühpädagogik.

[Antrag der Fraktion der GAL: Reform der Ausbildung im Bereich der Frühpädagogik - Drs.18/5972 -]

Diese Drs. möchte die CDU-Fraktion federführend an den Wissenschaftsausschuss und mitberatend an den Familien-, Kinder- und Jugendausschuss überweisen.

Wer wünscht das Wort? - Frau Blömeke, bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das geht heute so schnell und das Beste kommt wie immer zum Schluss. Das ist unser Antrag. Wenn wir heute über Kinderbetreuung diskutieren - und das haben wir in diesem Hause schon öfter gemacht -, dann steht bei dieser Debatte an erster Stelle meistens die Debatte über den quantitativen Ausbau: Mehr Plätze für Krippenkinder, mehr Ganztagesplätze und vor allen Dingen bessere und gerechtere Zugangschancen für Kinder arbeitsloser Eltern oder für Kinder mit Migrationshintergrund.

Diese Debatte ist richtig und wichtig und ich denke, wir werden sie an dieser Stelle noch häufiger führen, denn es muss uns in der heutigen Zeit klar sein, dass es nicht nur um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht, sondern um einen gerechten Zugang zur Bildung. Kinder müssen, unabhängig vom Geldbeutel und der Lebenslage der Eltern, einen Betreuungsplatz erhalten. Diesen Satz, meine Damen und Herren, kann man gar nicht oft genug sagen, denn nur er trägt zur Umsetzung dieser Forderung bei, dass die Kinder einen gerechten und vor allen Dingen einen guten frühkindlichen Start in die Bildung, in den Spracherwerb und vor allen Dingen in die Schule bekommen.

Aber Sie haben Recht, darum geht es heute nicht. Heute widmen wir uns dem zweiten Standbein einer Kinderbetreuung, nämlich der Qualität in Kitas. Dazu gehören im Wesentlichen drei Punkte: Die Ausgestaltung der inhaltlichen pädagogischen Arbeit auf Grundlage der Bildungspläne und eine ausreichende Personalausstattung in den Kitas, die dafür sorgt, dass Kinder - man höre - in kleinen Gruppen schon in der Kita individuell gefördert werden können.

Dass die Situation in Hamburg bedauerlicherweise ganz anders aussieht, ist bekannt. Nach dem Abbau von 600

Erzieherstellen haben wir bei den Drei- bis Sechsjährigen Gruppengrößen von 25 Kindern, die von einer Erzieherin betreut werden. Dass da Gefahr besteht, dass die Qualität den Bach runtergeht, ist wohl klar. Ich kann nur hoffen - nun ist Frau Senatorin Schnieber-Jastram nicht da -, dass Frau Senatorin Schnieber-Jastram zur selben Einsicht kommt wie ihre Kollegin Dinges-Dierig, die jetzt endlich dem Vorschlag der GAL-Fraktion nachgekommen ist und die Klassenfrequenz in den sozialen Brennpunkten gesenkt hat.

Meine Damen und Herren! Was für die Grundschule richtig ist, gilt natürlich erst recht für die noch Kleineren, bei denen wir nämlich das Fundament für lebenslanges Lernen legen.

Der dritte Punkt in der Frage der Qualitätsdebatte ist der, der uns zu unserem Antrag gebracht hat, nämlich die Frage, wie die Ausbildung des pädagogischen Personals gestaltet sein muss, damit sie diesen gestiegenen und komplexeren Anforderungen einer Kinderbetreuung von heute gerecht wird.

Die Antwort darauf ist unser Antrag: Eine gründliche Reform der Erzieherausbildung.

(Michael Neumann SPD: Und Erzieherinnen!)

Wir wollen einen Teil der Kita-Erzieher an die Uni bringen und einen Teil des pädagogischen Personals wissenschaftlich an der Universität ausbilden. Eigentlich ist die Sache ganz logisch. Die Kita ist eine Bildungseinrichtung und daher ist es klar, dass wir analog zur Grundschulpädagogik auch einen Studiengang Frühpädagogik einrichten. Aber - bevor jetzt Proteststimmen kommen - mit der Einrichtung eines solchen Studienganges wollen wir keineswegs die bestehende Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern abschaffen. Nein, die wird es weiterhin geben, aber wir wollen auch hier zusätzliche Möglichkeiten schaffen, dass die, die jetzt Erzieher und Erzieherinnen sind, als Quereinsteiger in das Studium hineinkommen können. Wir müssen natürlich auch dafür sorgen, dass die jetzige Erzieherausbildung die notwendigen Reformen erhält, damit diese einen Standard bekommt, der die Umsetzung des Bildungsauftrages einschließlich der Fördermaßnahmen von Anfang an sicherstellt.

Was wollen wir also? Wir wollen für die Kitas der Zukunft einen Personalmix, der auf der einen Seite aus Erzieherinnen und Erziehern - bitte, denken Sie sich beide Geschlechterformen immer mit, das ist wichtig -

(Karen Koop CDU: Das ist aber bei den Grünen neu!)

und auf der anderen Seite aus akademisch qualifizierten Frühpädagogen und Frühpädagoginnen besteht, Frau Koop. Wir stellen uns vor - darüber ist aber noch zu reden -, dass pro Kita-Gruppe jeweils eine an der Hochschule qualifizierte Fachkraft zum Einsatz kommt, die dann gemeinsam mit den herkömmlich ausgebildeten Erzieherinnen und Erziehern die Gruppe leitet. Sie können sich das letztendlich so vorstellen wie in der Schule, wo man auch dazu übergeht, eine Gruppe in einem Team zu leiten.

Für größere Kitas bietet sich zudem sowieso eine Erweiterung des Personalstamms an, sodass auch Sozialpädagogen und Sozialpädagoginnen, Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten, Logopäden und Logopädinnen zum Einsatz kommen.

(Olaf Ohlsen CDU: Beschnack das doch im Aus- schuss!)

Sie werden am Ende hören, warum mir die männliche Form so wichtig ist, denn ein wesentlicher Bestandteil unseres Antrages ist, eine Werbekampagne bei dem Senat zu initiieren und es hinzubekommen, dass wir endlich mehr Männer in die pädagogischen Berufe hineinbekommen, und zwar gerade auch im Kita-Bereich. Darum betone ich das auch.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Eine Ausbildung von pädagogischen Fachkräften auf Hochschulniveau ist keine Denkfigur aus dem Elfenbeinturm. Wir konnten gestern auch hören, dass Senatorin Dinges-Dierig diese Reform für zwingend erforderlich hält. Das finde ich gut. Schon jetzt existieren akademische Ausbildungszweige in anderen Bundesländern. Auch in Hamburg wächst das erste zarte Pflänzchen eines Studiums für Bildung und Erziehung in der Kindheit, nämlich an der Hochschule für angewandte Wissenschaften. Es bewegt sich also etwas. Aus diesem Grunde, meine Damen und Herren, ist der Zeitpunkt, den wir jetzt wählen, genau richtig, dass sich Bürgerschaft und Senat mit diesem Thema befassen, denn es kommt jetzt auf die konkrete Ausgestaltung an. Wie soll der Personalmix aussehen, welche Anforderungen stellen wir an solch einen Studiengang? Soll es verschiedene Angebote in Hamburg geben und was sagen die Experten und Expertinnen aus der Praxis dazu? Vor allem - und da komme ich auf meine Forderung von eben zurück und das ist in unserem Antrag ein wichtiger Punkt -, wie gelingt es uns, mehr Männer und vor allen Dingen auch junge Menschen mit Migrationshintergrund in diese Bildungsberufe zu bekommen? Wie gelingt es uns, diesen Personenkreis zu einem Frühpädagogikstudium oder auch zu einer Erzieher-/Erzieherinnen-Ausbildung zu motivieren? Ich denke, das sind alles wichtige Punkte, die wir gemeinsam diskutieren können. Ich freue mich, dass auch die CDU-Fraktion die Wichtigkeit dieser Themen erkannt hat und den GAL-Antrag zur Beratung in die Ausschüsse überweisen will.

(Wolfgang Beuß CDU: Das ist aber auch alles!)

- Das ist noch nicht alles. Wir müssen erst einmal ins Gespräch kommen. Lieber würde ich auch hier mit Ihnen ins Gespräch kommen, aber wenn wir es im Ausschuss machen, ist es auch gut. Ich würde mir wünschen, dass es zu einer gemeinsamen Sitzung von Wissenschafts- und Familien-, Kinder- und Jugendausschuss kommt, denn eine einseitige Betrachtungsweise dieses Themas würde nur unbefriedigende Ergebnisse bringen. Beides ist wichtig: Die Kita-Perpektive und die Hochschulperspektive. Wenn wir beides zusammenführen, werden wir sicherlich zu einem für Hamburg wichtigen Schritt kommen, nämlich noch besser qualifiziertes Personal an den Kitas zu haben, die den heutigen, komplexen Bildungsanforderungen mehr als gerecht werden. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten.

(Beifall bei der GAL und bei Dr. Barbara Brüning und Thomas Böwer, beide SPD)

Frau Koop, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Blömeke, Sie haben ja Recht, dass das ein

wichtiges und ein gewichtiges Thema ist. Wenn man sich einmal mit offenen Augen und Ohren den Medien widmet, dann weiß man, dass einem dieses Thema aus allen Ecken präsentiert wird.

Es gibt eine hochinteressante Serie von BBC, die meistens am Sonnabendmorgen sehr früh gesendet wird, also leider nur für Frühaufsteher oder für die Eltern von kleinen Kindern gedacht ist. Die Sendung nennt sich "Die Kinder des Jahrtausends". Die haben im Jahr 2000 angefangen, Kinder zu beobachten, die zu dem Zeitpunkt geboren wurden, wie ihre Entwicklung ist. Die sind jetzt sieben Jahre auf der Welt und man sieht heute schon die entsprechenden Unterschiede, die sich aufgrund der frühkindlichen Schädigung oder auch Entwicklung gezeigt haben.

Wir wissen aus der Hirnforschung, dass es bestimmte sensible Phasen in der Entwicklung eines kleinen Kindes gibt. Wenn da keine Förderung geleistet wird, dann ist das dauerhaft schädigend und bis in die Erwachsenenzeit nicht mehr nachzuholen. Wir wollen nicht zu wissenschaftlich werden, aber die Synapsenbildung, die wir da haben, ist schon etwas, worüber man früher überhaupt nicht nachgedacht hat.

Manches Mal denke ich, wenn ich mir mein eigenes Kind angucke, wie viel ich da versäumt habe, was aus dem vielleicht noch hätte werden können, wenn ich das ein bisschen intensiver gewusst hätte.

Aber diese Informationsflut führt natürlich auch dazu, dass die Verunsicherung groß ist, dass Eltern in vielen Bereichen nicht mehr die Muße haben, ihrem Kind beim Spielen zuzugucken und denken, was sie versäumen. Das setzt sich natürlich auch in den Kindertagesheimen fort. Neulich fragte mich eine Leiterin, ob sie mit ihren Kindern jetzt noch auf die Wiese gehen dürfe und einfach nur einmal gucken und spüren, haptisch und optisch. Ich habe gesagt, natürlich dürfen Sie das. Aber das ist es ja, Spielen ist nicht gleich Tändeln, sondern Spielen heißt lernen. Wer von der Ausbildung noch ein bisschen etwas von Montessori oder Pestalozzi im Kopf hat, der weiß, dass dieses selbstbestimmte Lernen der entscheidende Punkt ist.

Sie haben in Ihrem Antrag den Bildungsaspekt sehr hervorgehoben, aber das darf natürlich nicht dazu führen, dass wir die frühkindliche Entwicklung jetzt nur noch unter dem Bildungsaspekt sehen, sondern es muss eine Bandbreite haben. Es findet so ein merkwürdiger Schluss statt: Wir brauchen mehr qualifizierte Akademiker. Dass wir sie nicht haben, daran ist die Uni schuld. Die Uni sagt, wir brauchen mehr studierfähige Studenten, daran ist die Schule schuld und die Schule sagt, wir brauchen im Grunde genommen Kinder, die lernbereit sind, aber was bekommen wir? Das können wir gar nicht mehr nachholen. So hat der Kita-Bereich, der frühkindliche Bildungsbereich, den Schwarzen Peter. Das kann es nicht sein. Wir können nicht mit der Ausweitung einer besseren Qualität der frühkindlichen Bildung die Bildungsmisere insgesamt lösen. Da muss man auch sehen, dass das miteinander zusammenhängt.