Protocol of the Session on January 31, 2007

B D

Wir kommen zum Punkt 13 der heutigen Tagesordnung, Bericht des Wissenschaftsausschusses: Bachelor- und Masterstudiengänge.

[Bericht des Wissenschaftsausschusses zum Thema Bachelor- und Masterstudiengänge/Bachelor- und Masterstudiensystem (Selbstbefassungsangelegen- heit) – Drucksache 18/5591 –]

Wer wünscht das Wort? – Frau Koop, Sie bekommen es.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bildungspolitik ist in aller Munde. Gerade in der Hochschulpolitik haben wir seit etlicher Zeit eine turbulente Bewegung, aber auch eine gute Entwicklung.

(Glocke)

Frau Koop, es tut mir leid, aber ich habe vorhin schon einmal gesagt, dass ich davon ausgehe, dass die meisten hierhergekommen sind, um den anderen zuzuhören. Frau Koop, Sie haben das Wort und die anderen sind leise.

Es verbreitet sich immer die Meinung, Wissen ist Macht, Nichtwissen macht nichts, aber vielleicht sollten trotzdem auch die Herren im Hintergrund zuhören.

Der Motor für die Bewegung in der Hochschulpolitik war die Forderung nach einer internationalisierteren Ausrichtung, nach mehr Transparenz in den Abschlüssen und natürlich nach mehr Berufsorientierung in der Hochschulausbildung, Stichwort Bologna. Es ist erstaunlich, dass man es geschafft hat, 45 Staaten an einen Tisch zu bekommen und dann auch noch wirklich gute Beschlüsse auf den Weg zu bringen, dass die Studienabschlüsse in Zukunft international und europaweit vergleichbar sind und europaspezifisch ausgerichtet werden können. Das ist eine große Leistung.

Dieser Innovationsschub hat natürlich auch dazu beigetragen, dass die längst verschleppte Hochschulreform wieder in Gang gekommen ist. Ich glaube, allein deswegen verdient der Bologna-Prozess unsere Unterstützung. Das ist keine nationale Bewegung, sondern eine europäische, rechtliche Vorgabe. Da gilt dann der gute, alte Seneca-Spruch:

"Wer will, der kann und wer nicht will, der muss."

Das ist einigen Universitäten nicht so ganz klar gewesen, aber, ich glaube, in immer stärkerem Maße wird hier auch die Chance zur Erneuerung gesehen. Das Schreckgespenst vom Untergang des Abendlandes oder vom Eingehen der alten Universität humboldtschen Geistes hat sich, glaube ich, auch verflüchtigt, denn wir wissen, dass diese Universität reformbedürftig war und die langen Studienzeiten, die hohen Abbrecherquoten – man könnte die Liste noch weiter fortsetzen – natürlich nicht dazu beigetragen haben, deutsche Universitäten auch international vergleichbar zu machen und das Ganze bei steigenden Studierendenzahlen und immer differenzierteren Studiermotivationen. Das muss man auch sehen.

Bologna fordert ein System leicht verständlicher und vergleichbarer Abschlüsse: Bachelor und Master, also zweistufig, Einführung von Leistungspunktsystemen, eine Modularisierung der Ausbildungsschritte, Kompetenzorientierung, Qualitätssicherung. Aber das Wichtigste, das mir in dem ganzen Bereich aufgefallen ist, ist ein

Perspektivenwechsel. Wer also in den Sechziger-, Siebzigerjahren studiert hat und noch die alte Ordinarienuniversität erlebt hat, der weiß, dass der Professor derjenige war, der die Linie vorgegeben hat. Hier ist ein Perspektivenwechsel erfolgt, das heißt, der Lehrende muss sich auf den Studierenden zubewegen und die Hochschullehrer müssen den Studierenden das vermitteln, was sie nachher auch tatsächlich umsetzen können und sie natürlich mit dem versorgen, was sie wirklich brauchen, das heißt Beschäftigungsbefähigung, um das einmal ganz neutral auszudrücken, mit Perspektive auf einen Arbeitsplatz.

Nun haben sich natürlich in unseren Landen die KostenNutzen-Fetischisten breitgemacht. Ich glaube, da muss man vorsichtig herangehen und das differenzierter sehen. Der Ingenieur mag zwar die Technik entwickeln und auch Maschinen bauen, aber der Philosoph erklärt sie und zeigt ihre Auswirkungen auf die Menschen. Der Biologe entwickelt die Gentechnik, aber der Theologe und der Soziologe zeigen die Grenzen auf. So kann man immer weiter Paare bilden, sodass klar wird, dass gemeinsam Exzellenzen geschaffen werden können und die Exzellenz nicht allein naturwissenschaftlich ausgerichtet sein kann, wie wir es jetzt leider in der Exzellenzinitiative erlebt haben.

Ministerin Schavan hat kürzlich in einem Interview angekündigt, welche Aktivitäten den Geisteswissenschaften ein bisschen mehr Gewicht geben können. Aber, ich glaube, auch von den Geisteswissenschaften selber muss eine Bewegung kommen. Allen gemeinsam ist natürlich, dass man bei der Umsetzung der BolognaKriterien Kreativität entwickeln muss. Das eigene Fach muss ganz neu gesehen werden und, ich denke, dass auch ganz anders als bisher geforscht werden muss. Wenn sich diese Erkenntnis einmal durchsetzt, dann könnten wir auch einige überflüssige und vielleicht typisch deutsche Diskussionen vermeiden. Unsere Bildungsinstitute sind immer sehr widerständige Systeme.

Ich denke, dass sich der Umstellungsprozess irgendwo im Spannungsfeld zwischen Humboldt und McKinsey abspielen wird und man von beiden Nutzen haben kann. Er hat natürlich noch Zeitvorgaben. 2010 soll das alles vollzogen sein, aber Hamburg ist da, glaube ich, auf einem guten Weg ist. Es liegen zwar noch wenig Erfahrungen aus der Praxis vor, aber immerhin hat die HAW bereits alle Studiengänge umgestellt und zum nächsten Wintersemester 2007/2008 sollen die Universität und auch die TU Harburg folgen.

Bei der Akkreditierung sieht es noch nicht so positiv aus, aber, ich glaube, dass man mit dem im Ausschuss vorgestellten Clusterverfahren, das ganze Bereiche zusammenfassen kann, Zeit und auch Geld sparen kann.

Probleme sind weiterhin bei dem angestrebten besseren Wechsel von einer Universität zur anderen, zum einen in Deutschland und zum anderen auch international. Die Schwierigkeiten werden durchaus gesehen, aber eine neue Studie des CHE hat auch gesagt, dass die Schwierigkeiten nicht ganz begründet seien, denn in letzter Zeit ist die Anzahl der Wechsler gestiegen. Fraglich ist, ob es im Bachelor-Studium schon einen Wechsel geben muss oder ob man nicht erst nach dem ersten Studienabschluss wechselt. In internationalen Studien wird das auch kritisch gesehen, innerhalb des Bachelor-Studiums zu wechseln, denn die erwünschte Flexibilität steht natürlich dem Wunsch der Universitäten entgegen, die einmal

eingeschriebenen Studenten erst einmal zu halten. Aber je stärker die gegenseitige Anerkennung der ECTS kommen wird, desto eher wird sich das auch ändern. Die stärksten Probleme wurden auch – und das wird vielleicht noch einige Zeit bestehen – in dem Nebeneinander der alten und neuen Studiengänge gesehen.

Die Anstrengungen, den Lehrbetrieb trotzdem möglichst störungsfrei zu halten, sind anerkennenswert, aber damit nicht ewig Kapazitäten einseitig oder falsch gebunden werden, sollte eine großzügige Äquivalenzregelung der Vorlesungen und der Seminare angestrebt werden. Dann könnte vielleicht auch der Verwaltungsaufwand relativ niedrig gehalten werden.

Positiv wurde von allen auch jetzt schon gesehen, dass die Strukturumstellung eine deutliche Verbesserung der Lerninhalte zur Folge hat und damit natürlich auch zur Schärfung des Profils im Wettstreit mit anderen Hochschulen führen kann.

Die Umstellung der klassischen Staatsexamenstudiengänge ist im Werden. Wir haben am 20. Februar eine Anhörung zum Lehramt. Wie sich das bei den Theologen, Medizinern und Juristen abspielen wird, wissen wir noch nicht. Bei den Juristen steht noch eine Bundesregelung aus. Ich glaube, man wird auch in Zukunft nicht befürchten müssen, dass es Ärzte, Juristen oder Pastoren mit Kurzstudium gibt.

Wir von der CDU sind erfreut über die zügige Umstellung, erwarten Verbesserung in der Mobilitätsgarantie und im ECT-System und hoffen auf die Verwirklichung der hehren Ziele, die mit Bologna verbunden sind.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Professor Brüning.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Koop, ich kann da vielleicht nahtlos an Sie anknüpfen. Auch die SPD-Fraktion begrüßt natürlich die Umstellung auf die neuen Abschlüsse Bachelor und Master. Ich denke, das Ziel haben Sie auch genannt: Internationale Vergleichbarkeit von Abschlüssen und Mobilität schaffen. Doch möchte ich Ihnen auch in einer Hinsicht widersprechen. Ich finde, dass die Mobilität in der Bundesrepublik auch während des BachelorStudiums gewährleistet sein muss.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Heike Opitz GAL)

Wir sind ja angetreten, um mehr Mobilität durch Bologna zu erreichen und das möchten wir gerne während des Bachelor-Studiums auch umgesetzt sehen, wir wollen, dass ein Hochschulwechsel weiterhin möglich ist. Sie haben den Stand der Umsetzung angesprochen, die HAW gelobt, die zu 100 Prozent umgestellt hat. Die Universität hat natürlich erst zu 50 Prozent umgestellt. Ich denke, da gibt es noch einiges zu tun. Sie haben auch auf die Probleme mit der Theologie, Rechtswissenschaft und Medizin hingewiesen. Trotzdem sollen hier gestufte Studiengänge entstehen und da, finde ich, müssen auch von der Gesellschaft, von der Wirtschaft, von uns allen neue Berufsfelder geschaffen werden, denn was machen die Bachelor-Absolventen in diesen Studiengängen?

(Dr. Willfried Maier GAL: Pharmareferenten!)

Da müssen neue Berufsfelder entstehen und dafür hat der Senat bisher wenig getan.

(Wolfgang Beuß CDU: Da kann er auch wenig tun! – Karen Koop CDU: Da muss die Wirtschaft sich bewegen!)

Ich denke aber, dass man den Prozess der Diskussion darüber, welche Berufsfelder entstehen könnten, anders führen könnte als er bisher geführt wurde.

Ein weiteres Ärgernis – das haben Sie nicht erwähnt, Frau Koop, das machen wir aber jetzt – sehen viele Hochschulen darin, dass ihnen der Senat für einzelne Studiengänge eine niedrige Quote der Masterabschlüsse vorschreibt und somit in die Autonomie der Hochschulen eingreift. Für die SPD gilt das Prinzip des lebenslangen Lernens. Es muss für jeden Studierenden, der entsprechende Leistungen im Bachelor-Studium erbringt, möglich sein, einen Masterabschluss zu erlangen. Das kann man nicht durch vorgegebene Quoten verhindern wollen.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Heike Opitz GAL)

Frau Koop, Sie haben die angestrebte und aus meiner Sicht auch lobenswerte Umstellung der Lehramtsstudiengänge auf einen Masterabschluss erwähnt. Das hat aber zur Folge, weil eine bestimmte Quotierung der Masterabschlüsse vorgeschrieben wird, dass beispielsweise bei den Geisteswissenschaften künftig sehr wenig Masterabschlüsse angeboten werden können und das halten wir für falsch.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Heike Opitz GAL)

Sie haben auch erwähnt, dass durch die Umstellung auf Bachelor/Master neue Lehrinhalte, neue Methoden entstehen werden. Das begrüßen wir. Allerdings möchte ich an dieser Stelle die Studierendenvertretungen anführen, die beklagen, dass manchmal auf die Studiengänge nur ein neues Label draufgesetzt wird, das heißt, dass man aus einem Vordiplom einen Bachelor macht und aus einem Diplom einen Master, ohne dass man sich Gedanken über neue Inhalte und Methoden macht.

(Karen Koop CDU: Das macht die Kreativität!)

Da müssen wir alle zusammen anmahnen – da nehme ich uns auch nicht aus –, dass von den Hochschulleitungen frühzeitig dagegengesteuert werden muss. Denn es kann nicht sein, dass nur ein neues Label kommt und alles beim Alten bleibt.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Heike Opitz und Dr. Till Steffen, beide GAL – Karen Koop CDU: Das ist auch nicht geplant!)

Ich komme zum Schluss. Der Wissenschaftsausschuss hat sich in einer ersten Runde mit den schwierigen Problemen der Umstellung auf die Bachelor-Master-Struktur in Hamburg und auch in der Bundesrepublik beschäftigt. Ich finde, die Richtung stimmt, aber bei der Umsetzung gibt es noch einige Stolpersteine und die müssen wir aus dem Weg räumen.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Heike Opitz GAL)

Frau Dr. Opitz, bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich denke, wir sind uns in diesem Haus zu

mindest soweit einig, dass wir die Umstellung auf Bachelor und Master begrüßen und dass wir den BolognaProzess richtig und notwendig finden.

Man sieht auch, dass die Hamburger Hochschulen recht weit fortgeschritten sind. Immerhin ist schon bei zwei Hochschulen eine Umstellung auf 100 Prozent erfolgt. Das ist zum einen die HAW und zum anderen die HCU. Allerdings sind noch nicht alle Studiengänge akkreditiert, was natürlich auch ein notwendiger Aspekt bei der Umstellung ist. Das ist mein erster Punkt, den ich in diesem Zusammenhang ansprechen muss, nämlich die Frage Akkreditierung und die Probleme, die damit verbunden sind. Man muss schon klarmachen, dass die Akkreditierung sehr viel Personal bindet. Aktuell wird das dadurch abgefedert, dass sehr motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier zusätzliche Arbeit leisten. Ich glaube, da müssten wir auch gucken, dass die Hochschulen Unterstützung von der Politik bekommen, weil diese Akkreditierungsprozesse doch sehr aufwendig und schwierig sind.

Der zweite Punkt ist die Frage der Mobilität, den Barbara Brüning auch schon genannt hat. Auch ich finde es natürlich sehr problematisch, wenn wir im Bachelor-Bereich weniger Mobilität durch Bachelor-Studiengänge erreichen, als momentan vorhanden sind. Deswegen gibt es einen echten Grund, dass man ein bisschen über die Landesgrenzen hinweggucken muss, was die anderen Länder in den Bachelor-Studiengängen machen und hier Abgleiche schaffen muss, damit die Studierenden auch während des Bachelors schon wechseln können und nicht erst nach ihrem Bachelor-Abschluss für einen Master-Abschluss wechseln können.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL und bei Dr. Barbara Brüning SPD)