Protocol of the Session on October 11, 2006

Von Ihnen geht keine Ansteckungsgefahr aus.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ich hoffe nach dem heutigen Tag auf eine Diskussion, die nicht abbricht, auf Initiativen, die trotzdem noch den Mut und die Zeit und das Engagement haben, weiter über diese Frage zu diskutieren und ich hoffe, dass die Wähler ein langes und gutes Gedächtnis haben.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Maaß.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Voet van Vormizeele, Sie hatten sich gegen Kritik von außen gewehrt, von diesen Prominenten, welche nicht in Hamburg wohnen würden. Ich wäre an Ihrer Stelle in der CDU-Fraktion ganz ruhig. Ich erinnere mich da an einen Kollegen von Ihnen, der hier mitregiert hat. Der ist dann zurückgetreten, weil ihm vorgeworfen wurde, der Herr habe seit Jahren nicht mehr in Hamburg gewohnt.

(Wolfgang Beuß CDU: Nun kommen Sie doch mal zum Thema!)

Der hat hier mitregiert, meine lieben Damen und Herren. Seien Sie doch ein bisschen stiller, wenn es darum geht, dass sich Leute von außen angeblich in Hamburger Affären einmischen.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Was mich ein wenig ärgert, ist diese Überheblichkeit, die Sie an den Tag legen und dass Sie eigentlich um die Sache herumreden und immer nur vorgeschobene Argumente auf den Tisch legen. Sie reden von Verantwortung für die Stadt, die Sie jetzt dazu bringe, dieses Gesetz zu ändern. Das Wohl der Stadt sei in Gefahr. Mit anderen Worten: Sie glauben, Sie wüssten besser, was gut für die Stadt sei als das Volk, das das beschlossen hat. Das ist letztlich Ihr zentrales Argument. Ich frage jeden Einzelnen von Ihnen: Wer von Ihnen will für sich in Anspruch nehmen, dass er oder sie klüger ist, es besser weiß, mehr Lebenserfahrungen hat. Wer von Ihnen kann das ruhigen Gewissens tun. Wenn Sie ehrlich sind, glaube ich, würde niemand – zumindest in der Öffentlichkeit – solch eine Arroganz an den Tag legen. Deswegen kommen Sie mit all diesen vorgeschobenen Argumenten. Es ist doch wirklich das Problem, dass Sie sich hier über das Volk hinwegsetzen und das eigentliche Argument verschweigen. Das eigentliche Argument liegt so simpel darin, dass Sie Angst um Ihren Abgeordnetensitz haben. Das ist die ganz einfache und simple Wahrheit.

Bisher war Ihr Mandat davon abhängig, ob irgendjemand in Ihrer Partei in einem Hinterzimmer den Daumen für Sie hebt oder senkt.

(Wolfgang Beuß CDU: Woher wissen Sie das eigentlich? Das ist doch eine Arroganz!)

Da hatten Sie eine relative Sicherheit, dass Sie mit Gehorsam, Frau Koop, Ihren Sitz in der nächsten Legislaturperiode wiederbekommen.

(Karen Koop CDU: Das ist Geschichte! Wann kapieren Sie das mal!)

Nach dem neuen Wahlrecht wäre das nicht mehr so einfach. Da können Sie nicht mit Gehorsamkeit gegenüber Ihrer Parteispitze dafür sorgen, dass Sie in der nächsten Legislaturperiode auch einen schönen, trockenen Sitz in der Bürgerschaft haben. Ich darf da nur an das Verfassungsgerichtsurteil von, ich glaube, es war 1993, erinnern. Da hat man Ihnen, Herr Beuß, Brief und Siegel gegeben, dass Ihre Partei nicht in der Lage ist, sich an die Grundregeln der innerparteilichen Demokratie zu halten.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL – Zuruf von der CDU)

Das ist überhaupt nicht lächerlich. Das war das Verfassungsgericht, das das festgestellt hat.

Jetzt haben Sie die neue Situation. Sie müssen also kämpfen. Es ist nicht mehr so sicher, dass Sie, wenn Sie einmal irgendwo auf einer Liste gelandet sind, damit auch tatsächlich in die Bürgerschaft kommen. Das war der Sinn des neuen Wahlrechts.

Das beinhaltet ein gewisses Risiko und dieses Risiko wollen Sie offenbar als einzelne Abgeordnete nicht eingehen. Sie haben schlichtweg die Hosen gestrichen voll, dass Sie nicht mehr in der nächsten Bürgerschaft sitzen. Daher machen Sie hier heute diesen Angriff auf das Wahlrecht. Das ist doch die simple Wahrheit.

(Beifall bei der GAL – Zurufe von der CDU)

Zum Stichwort Organtreue: Das ist – glaube ich – etwas anderes und Sie, Herr Dr. Jäger, waren es wohl, der sich auf das Urteil zum LBK bezogen hatte. Sie müssen auch nicht zuhören. Aber ich will trotzdem einmal versuchen, Ihnen das näherzubringen.

Es ist etwas anderes, wenn das Parlament sich über einen normalen "Volksentscheid" hinwegsetzt. Das ist schon schlimm genug. Aber es ist doch noch ein qualitativ anderer Vorgang, wenn das Parlament sich sozusagen erdreistet, sich über die Regeln hinwegzusetzen, die der Volksgesetzgeber für die Zusammensetzung des Parlamentes gegeben hat. Sie müssen doch einsehen, dass hier auch rechtlich andere Anforderungen gelten müssen, denn das Wahlrecht ist doch in seinem Kern sehr viel näher an der Verfassung dran als ein ganz normales Gesetz, das wir hier in fast jeder Bürgerschaftssitzung verabschieden, weil es nämlich die Grundzüge des Parlamentarismus regelt. Und das einzige Organ, dem Sie treu sind, ist aus meiner Sicht Ihrer Hochnäsigkeit wegen Ihre hohe Nase.

(Beifall bei der GAL)

Als Letztes möchte ich noch die 21 Prozent der Wahlberechtigten erwähnen,

(Wolfgang Beuß CDU: Maßlos!)

die für eine ausreichende Legitimation nicht genügen würden und weshalb es nicht so schlimm sei, wenn Sie sich jetzt darüber hinwegsetzen würden. Sie haben sinngemäß ausgeführt, dass es nur 21 Prozent der Wahlberechtigten gewesen seien und von daher kommt dieses Argument von nur 21 Prozent. Sie repräsentierten hier mehr. So habe ich Sie verstanden, Herr Dr. Jäger.

(Harald Krüger CDU: Das haben wir doch gar nicht gesagt, verdammt noch mal!)

Jetzt möchte ich Sie einmal an eine Situation erinnern, die noch nicht so lange her ist. Das war im Jahre 2001. Seinerzeit hatten wir eine Wahlbeteiligung von circa 70 Prozent. Auf Ihre Partei sind damals ungefähr 26 Prozent der Stimmen gefallen. Das heißt, es wurde im Jahre 2001 ein Bürgermeister gewählt, den ungefähr 18,5 Prozent der Wahlberechtigten gewählt haben. So ist dieser Bürgermeister an die Macht gekommen, mit 18,5 Prozent Zustimmung. Sie sagen jetzt, 21 Prozent der Wahlberechtigten in einem Volksentscheid seien keine ausreichende Legitimation. Dann rechnen Sie doch noch einmal nach. Ihre Rechenkünste reichen weder für PISA noch für eine andere Studie.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Zurufe von der CDU)

Frau Duden hatte vorhin die Analogie zum Film gebracht und kurzfristig war am Rathaus ein kleines Ankündigungsplakat "Wahlrechtsbetrug" aufgehängt. Ich glaube, dass wir heute leider feststellen müssen, dass sich diese Show, die Sie hier mit allen vorgeschobenen Argumenten abliefern, leider tatsächlich bewahrheitet. Was hier passiert, ist nichts weiter als ein gigantischer Betrug am Volk.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Reinert.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dr. Maaß,

(Christian Maaß GAL: Ich bin kein Doktor!)

Na gut, vielleicht wird es doch noch was, Herr Maaß.

(Christian Maaß GAL: Ist schon gut, Herr Profes- sor Reinert!)

Wer hier heute eine Show abzieht, ist nun dankenswerterweise durch Ihren Verweis auf die Aktion vor Beginn der Sitzung deutlich geworden.

(Farid Müller GAL: Das war schlichte Verzweif- lung!)

Aber lassen Sie uns das Thema einfach noch einmal ganz ruhig und sachlich betrachten. Hier möchte ich direkt auf Herrn Neumann zurückkommen, der in markigen Worten sagte: "Wir verteidigen den Volksentscheid, nicht das Wahlrecht". Sehen Sie, Herr Neumann, hier liegt genau das Problem.

(Uwe Grund SPD: Da liegt gar kein Problem!)

Sie entscheiden aus taktischen Motiven heraus, dass Ihnen das Wahlrecht an dieser Stelle eindeutig unwichtig ist, weil es für Sie sehr viel einfacher ist, zu erklären: "Wir machen den Volksentscheid und an einem Volksentscheid wird nicht gerüttelt". Das ist die Linie von Herrn Dr. Petersen, der das seinerzeit beim LBK lauthals verkündet hat und das holt Sie heute wieder ein.

(Dr. Mathias Petersen SPD: Das ist eine bösartige Unterstellung! – Beifall bei der CDU)

Das Wahlrecht, dessen Existenz Sie hier heute durch Ablehnung unserer Änderungsvorschläge fortschreiben wollen, können Sie tatsächlich nicht verteidigen und damit – hier sind auch die Worte Mehrheit und Verantwortung gefallen –

(Dr. Mathias Petersen SPD: Und das Wort LBK!)

entziehen Sie sich Ihrer Verantwortung.

(Zuruf von Farid Müller GAL)

Herr Müller, im Vorwege, es gilt dasselbe. Vielen Dank für den Versuch, aber Sie dürfen auch nicht.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU – Wolfgang Beuß CDU: Er muss draußen bleiben!)

Sie nehmen den einfachen Ausweg und erklären, dass über Einzelheiten und Änderungen am Wahlrecht gar nicht gesprochen wird. Mehrheit ist nicht Wahrheit, Herr Neumann. Das wissen wir hier alle. Aber Mehrheit ist