Protocol of the Session on September 27, 2006

Wir alle, die wir hier sitzen – auch Sie, Herr Dressel und auch Sie, Herr Maaß –, sind doch nach einem Wahlrecht gewählt worden, das Sie wahrscheinlich als vorsintflutlich bezeichnen würden. Ich wage zu bezweifeln, dass einer von Ihnen sagt, wir seien hier nicht demokratisch legitimiert.

(Beifall bei der CDU)

Frau Duden hat jetzt das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich hatte zunächst ein bisschen Angst, dass für mich keine Zeit zum Reden übrig bleibt, aber, ich glaube, mit jeder weiteren Wortmeldung sind die Widersprüche, in die sich insbesondere die Mitglieder der CDU verwickeln, es doch noch einmal Wert, deutlich gemacht zu werden.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Wolfhard Ploog CDU: Auf diesen Beifall hat die Welt gewar- tet!)

Sie brauchen auch keine Angst zu haben, denn Sie werden von mir keinen Besinnungsaufsatz zum Wahlrecht in dieser Stadt hören.

Herr Voet van Vormizeele hat gesagt, dass wir heute darüber diskutieren, dass kleinere Teile dieses Wahlrechts verändert werden müssten. Wir haben schon in vergangenen Diskussionen immer wieder gesagt: Diese kleineren Teile stellen die Philosophie des Wahlrechtes total auf den Kopf.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Zuruf von der CDU)

Der Zwischenruf von Ihnen macht die Verzweiflung deutlich, in der Sie sich zurzeit befinden.

Frau Hochheim hat das aber offenkundig nicht richtig verstanden, denn sie hat davon geredet, dass es nach der Diskussion in der CDU-Fraktion durchaus auch große Veränderungen gegeben habe. Das, denke ich, sollten Sie vielleicht noch einmal miteinander diskutieren. Sie hat insbesondere natürlich auch darüber geredet, dass es strategische und politische Gründe gibt, das alles zu verändern. Daran muss man glauben. Das ist wahr.

(Beifall bei der SPD)

Aber wir haben in den vergangenen Diskussionen immer wieder deutlich gemacht, dass es verschiedene Legenden gibt, mit denen wir gerne aufräumen würden. Das haben wir auch schon mehrfach getan, aber ich beherzige das Wort des Vizekanzlers Müntefering, der gesagt hat, dass man in der Politik Wahrheiten oft solange sagen muss, bis man sie fast nicht mehr hören kann, aber sie sind immer noch nicht beim politischen Gegner angekommen.

(Zuruf von Jörg Hamann CDU: Oh toll! Da wird er sich ja freuen, dass Sie ihm zuhören!)

Ich freue mich, dass Sie das toll finden. Deshalb werde ich das natürlich auch machen. Insbesondere die Mär und die Legendenbildung von der Tatsache, dass es Gesprächsangebote gegeben hat und die SPD-Fraktion …

(Zuruf von Jörg Hamann CDU)

Ich denke, Sie haben bestimmt gleich noch die Chance, etwas zu sagen, dann brauchen Sie sich nicht in nicht verstehbaren Zwischenrufen zu ergehen.

(Glocke)

Herr Hamann, Sie haben Glück, dass ich nicht verstehe, was Sie sagen.

(Michael Neumann SPD: Er auch nicht!)

Das war die Aufforderung dazu, jetzt zu schweigen. Bitte, Frau Duden.

– Ich glaube auch, dass das besser ist. Aber ich fange noch einmal an von der Mär der Gesprächsangebote. Auch dass in jeder Diskussion der CDU immer wieder darauf hingewiesen wird, dass es Gesprächsangebote an die große Partei SPD gegeben habe und wir die nicht wahrgenommen hätten, macht doch deutlich, dass wir mit Ihnen nicht in einem Boot sitzen wollten, was die Veränderung dieses Wahlrechtes betrifft und das sage ich Ihnen gerne auch in jeder Diskussion, die wir hier miteinander führen. Ich glaube, dass Sie es heute für sich reklamiert haben, dass Sie sich relativ lange mit der Diskussion um dieses Wahl

recht rumschlagen müssten. Sie haben im Juni 2004 gesagt, das sei alles wunderbar. Im Oktober 2005 haben Sie meines Erachtens gesagt, "wir wollen das ein bisschen ändern, aber Diskussionsbedarf gibt es in der Fraktion eigentlich nicht". Nun hat es eine Diskussion in der Fraktion gegeben – 48 Stunden vor dieser Abstimmung –, aber vermutlich nur, weil auch Ihnen zu Ohren gekommen ist, dass es in dieser Fraktion bei Ihnen vielleicht auch die Möglichkeit gibt, dass Sie nicht alle erforderlichen Stimmen an Bord haben. Diese Diskussion in der Fraktion hätten Sie im Oktober 2005 führen müssen. Das ist zum einen eine Tatsache. Zum anderen haben Sie die Diskussion nur geführt, weil der öffentliche Druck in dieser Stadt so groß geworden ist,

(Karen Koop CDU: Nee, weil einer die Klappe nicht halten konnte!)

dass Sie nicht einfach umhin konnten, es so in der Fraktion durchzuwinken.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wenn zumindest dieser öffentliche Druck für die CDUFraktion so groß war, dass Sie miteinander diskutiert haben, dass sich sogar der Bürgermeister zu diesen Fragen bei Ihnen geäußert hat und dass die Hälfte gesagt hat, eigentlich seien sie damit nicht einverstanden, aber heute wollen sie doch zustimmen, dann muss ich …

(Karen Koop CDU: Woher wissen Sie das alles? Waren Sie dabei?)

Ich war nicht dabei, aber man konnte es in den einschlägigen Zeitungen dieser Stadt lesen. Das nur nebenbei. Und daran, dass Sie so aufgeregt reagieren, erkenne ich doch, dass wir durchaus auf dem richtigen Weg sind.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Olaf Ohlsen CDU: Aus der "Bild"-Zeitung!)

Herr Ohlsen, ich habe gewusst, dass das von Ihnen kommen muss.

Sie haben gesagt, dass Sie das demokratische Gefüge dieser Stadt in Schutz nehmen müssen. Das ist ein unglaublicher Satz. Und ich sage Ihnen: Diese Form von Schutzhaft lehnen wir einfach ab.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Dann treibt es natürlich viele namhafte CDU-Politiker immer um, dass wir in Zukunft kein handlungsfähiges Parlament mehr haben werden, weil die Fachpolitiker und die Wahlkreisabgeordneten es vielleicht nicht schaffen, in dieses Parlament zurückzukehren. Es ist in der Tat so, dass alle 121 Abgeordneten dieses Parlaments zurzeit in der Situation sind, in der sich noch keine Bürgerschaft zuvor befunden hat: Die Rückfahrkarte vieler von uns, die immer ganz sicher war, ist unsicher, und vielleicht ist das auch mal ganz gut so.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Christian Maaß GAL: Schiss haben sie!)

Deshalb erfordert es natürlich auch Mut und Respekt, in dieser Frage dazu zu stehen und zu sagen: Wir verändern nicht Volkes Wille.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Die CDU hat in dieser Frage von Mut gesprochen und hat insbesondere zu dieser Seite des Hauses gesagt: Machen Sie mit, haben Sie Mut, etwas zu verändern. Ich

sage Ihnen: Haben Sie Mut, es mit uns einmal gemeinsam zu versuchen, damit wir gemeinsam sehen können, ob es funktioniert oder nicht. Diesen Mut müssen Sie haben.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Zur Frage des Parlamentsverdrusses und der Nichtwähler komme ich gleich noch. Herr Reinert hat insbesondere immer wieder darauf hingewiesen – auch in vergangenen Redebeiträgen –, dass dieses Wahlrecht verändert werden muss, weil es so unendlich kompliziert ist. Ich glaube, die Wählerinnen und Wähler dieser Stadt haben begriffen, was verändert wird und sie hatten den Mut, sich dafür zu entscheiden. Deshalb kann sich kein Parlament hier hinstellen und sagen, dass wir ein Wahlrecht haben müssen, das so einfach ist, dass alle Leute hingehen können. Da sind die Wählerinnen und Wähler dieser Stadt wirklich intelligenter.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Herr Neumann hält die "Bild"-Zeitung hoch. Gucken Sie sich das an.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Im Übrigen sage ich noch einmal, was mit einfachen Wahlrechten mit nur einer Stimme passieren kann. Das zieht gleichzeitig den Bogen zu der Frage, ob wir zukünftig Extremisten in diesem Parlament haben werden. Wir hatten 2001 mit dem einfachen Wahlrecht Schill-Abgeordnete in diesem Parlament. Das war das einfache Wahlrecht.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Zuruf von Christian Maaß GAL)

Genau, der Zwischenruf ist richtig, nicht nur im Parlament, auch in der Regierung.

Aber was die verfassungsrechtlichen Bedenken von Herrn Reinert betrifft, die kann man haben, darüber wird diskutiert. Aber wenn die CDU verfassungsrechtliche Bedenken gehabt hätte, dann hatte sie auch über ein Jahr Zeit, den Gang an den Sievekingsplatz zu machen. Warum sind Sie nicht auf diese Idee gekommen?

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Deshalb sage ich Ihnen: Wähler müssen nicht vor einem komplizierten Wahlsystem geschützt werden. Wähler sind selbstbestimmt und sie wissen, welche Abgeordneten sie ins Parlament wählen wollen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Und – da müssen die Grünen mal einen Augenblick weghören – Herr Reinert hat gesagt, man befürchte, dass man handlungsunfähige Bezirksversammlungen haben wird. Schauen Sie doch mal nach Altona. Das, was da gemacht wird, ist doch das Beispiel für eine handlungsunfähige Bezirksversammlung und davor wollen Sie uns mit dem neuen Wahlrecht beschützen?