Protocol of the Session on August 24, 2006

Ich möchte Sie bitten, das abzustellen. Noch eine Bemerkung zum Schluss: Der Senat ist auch noch naiv. Er hat Lieferanten angeschrieben und gefragt, ob sie denn tatsächlich die Arbeitsnorm einhalten. Auf meine Anfrage hin wurde geantwortet, ein Lieferant von Kleidung für den Justizvollzugsdienst habe zugesagt oder bestätigt, dass er die ILO-Kernarbeitsnorm einhalten würde. Haben Sie das eigentlich kontrolliert? Kennen Sie die Berichte von NGO, die besagen, dass man den Lieferantenangaben nicht vertrauen kann? Was hat der Senat gemacht? Ich weiß es nicht. Ich verstehe nicht, warum der Senat da nichts getan hat. Sie müssen nachweisen, dass Sie auch Kontrollinstanzen wahrnehmen, zum Beispiel den TÜV Rheinland in China beauftragen,

(Dr. Mathias Petersen SPD: Aber das wissen die nicht!)

dass er nachkontrolliert, ob das, was der Lieferant sagt, auch tatsächlich wahr ist und durchgeführt wird.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Wenn Sie sich fragen, warum den TÜV beauftragen: Der TÜV bietet solchen Service in China nach unseren Informationen an.

Meine Damen und Herren! Die Menschenrechtssituation in der Volksrepublik China ist aus unserer Sicht unhaltbar. Jetzt ist Gelegenheit, mit der China-Time und dem Besuch des Ministerpräsidenten ganz deutlich für die Menschenrechte in China einzutreten und ich möchte, dass unser Haus heute, vor dem Besuch des Ministerpräsidenten, ein Zeichen dafür gibt, dass uns die Menschenrechte in China am Herzen liegen. Deswegen will ich, dass wir heute diesen Antrag beschließen, der auch im Bundestag mit den Stimmen Ihrer Fraktion beschlossen werden wird, der auch im Europaparlament die Unterstützung der Konservativen findet. Vor dem Besuch des chinesischen Ministerpräsidenten haben wir die Chance klarzumachen, dass wir als Hamburger für die Menschenrechte in China einstehen und trotzdem Handel und Wirtschaft miteinander betreiben wollen.

Ich fordere Sie auf, deswegen dem Antrag zuzustimmen und darüber hinaus erwarte ich von diesem Senat, dass er endlich dafür sorgt, dass in Hamburg garantiert keine Produkte aus Zwangsarbeitslagern von der öffentlichen Verwaltung eingekauft werden. Das ist doch das Mindeste, was man erwarten können muss. – Danke.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort erhält der Abgeordnete Beuß.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nicht nur in diesem Haus, sondern in großen Teilen der Welt ist es Common Sense zu sagen, die Würde des Menschen ist unantastbar. Gerade aus den Erfahrungen unserer eigenen Geschichte mit dem NaziGräuel haben wir in dieser Hinsicht eine ganze Menge an geschichtlicher Historie zu verarbeiten und haben auch den Auftrag, dieses immer wieder anzumahnen. Ich denke an die Opfer in den KZs, an den millionenfachen Tod dort, an Unterdrückung, Bespitzelung durch Nazis, Rassenwahn, Bücherverbrennung und, und, und. Diese schrecklichen Ereignisse müssen uns Deutschen immer wieder eine Mahnung sein, sich für Freiheit und Menschenrechte einzusetzen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Egal ob in China, Russland, Iran, Nordkorea, Sudan und wo immer auf der Welt – und ich betone, auch in Guantanamo –, müssen sich alle demokratischen Parteien einig darin sein, dass wir solche Menschenrechtsverletzungen ablehnen. Aber ich muss jetzt einmal ganz zynisch fragen: Warum eigentlich diese GAL-Initiative zu diesem Zeitpunkt? Herr Sarrazin hat es ja gesagt, im Endeffekt ist es Ihr kleinkariertes Denken wegen der Verlegung der Bürgerschaftssitzung gewesen, dass Sie sich jetzt hier hoch schwingen.

(Dr. Mathias Petersen SPD: Na, na, na! Das passt aber nicht zusammen!)

Ist denn diese Initiative überhaupt von der GAL? Nein. Im März dieses Jahres hat die FDP im Bundestag zu diesen Lagern mit der Drucksache 16/855

(Christian Maaß GAL: Das hat er auch gesagt, dass es im Bundestag besprochen wurde! – Gesine Dräger SPD: Das hat er gesagt!)

eine Initiative eingebracht, die Sie hier regelrecht wortgleich abgeschrieben haben. Es ist einfallslos, wenn Sie diese Forderungen und Begründungen mit Hamburger Spezifika anreichern; das ist lächerlich.

(Beifall bei der CDU – Dr. Mathias Petersen SPD: Das geht jetzt zu weit!)

Jeder hier im Haus möge sich zu dieser Geschichte seinen Teil denken, warum das gerade heute Abend hier diskutiert wird. Ich möchte Ihnen Folgendes sagen. Nach der Regierungszeit von Rotgrün in Berlin nenne ich diese Initiative, die Sie heute einbringen, Heldentum nach Ladenschluss.

(Beifall bei der CDU – Michael Neumann SPD: Aufhören!)

Außenminister Fischer hat mindestens drei Chinareisen im Dezember 2000, 2001 und im Juli 2004 unternommen und Amnesty International – Sie haben es eben aufge

zählt – zeigt im Bericht 2005 nach wie vor gravierende Menschenrechtsverletzungen auf. Sie pumpen sich hier auf, als ob wir innerhalb dieser China-Time alles an grundlegenden Menschenrechten in China beenden könnten; das ist einfach illusorisch.

(Gerhard Lein SPD: Was heißt hier eigentlich be- enden?)

An diesen Menschenrechtsverstößen konnten auch vielfache Besuche Ihres Altkanzlers Schröder nichts ändern, die mit dem Aufbau vielfältiger Wirtschaftskontakte immer wieder verbunden gewesen sind. Wenn dieser GALAntrag den CDU-Senat offensichtlich zur Drehscheibe gegen die Menschenrechtsverletzungen hochkatapultieren will, so sage ich zur Ernüchterung: Auch die Besuche von Bürgermeister Voscherau 1988, 1992 und 1996, die Besuche von Bürgermeister Runde 1998 und 1999 konnten nichts Grundlegendes an diesen Menschenrechtsverstößen ändern.

(Zurufe von der GAL)

Hören Sie doch zu. – Trotzdem dürfen wir nicht müde werden, Missstände in China anzuprangern. Bürgermeister von Beust hat bei seinem letzten China-Besuch Gespräche, weil Sie es angeführt haben, mit den chinesischen christlichen Kirchenvertretern geführt. Es wurden Besuche und Gespräche mit nonkonformistischen Künstlern geführt. Es gibt nach wie vor, diskret durch den zuständigen Staatsrat, sehr viele Bemühungen, Gespräche über Menschenrechtsverstöße mit dem chinesischen Generalkonsul zu führen.

(Gerhard Lein SPD: Kritisiert das einer?)

Im Zuge der Septemberveranstaltung China-Time wird es auch – und das sollte Ihnen eigentlich bekannt sein – ein offenes Forum geben, in dem die Thematik der Menschenrechtsverletzungen angesprochen werden kann, wenn Sie es denn wollen.

(Günter Frank SPD: Wann denn? Wo denn?)

Einen Appell an die Unternehmen: Einen freiwilligen Selbstverzicht auf Handel mit Produkten aus diesen Lagern halte ich für sehr richtig. Wir sollten uns auch Ihre Anregungen für die Hamburger Verwaltung noch einmal angucken, ob das wirklich alles so rechtens ist wie es ist. Deswegen stimmen wir Ihrem Antrag heute nicht zu, sondern geben ihn zur Prüfung an den Ausschuss.

Mein Fazit ist: Erstens ist China ein Land mit gravierenden Menschenrechtsverletzungen. Zweitens ist die Zielrichtung Ihres Antrags, der diese Menschenrechtsverletzungen geißelt, im Grundsatz richtig. Drittens haben sich viele Punkte, so hat uns das Auswärtige Amt zu diesem Antrag mitgeteilt, schon längst erledigt oder sind in Erledigung befindlich; darüber kann man im Ausschuss dann noch einmal reden. Viertens sollten Sie die Rolle des Senats in dieser Sache nicht überschätzen, weil viele Dinge einfach nicht möglich sind, sondern illusorisch. Das hätten Sie alles zu Ihrer Zeit auch schon machen können. Und fünftens überweisen wir diesen Antrag an den Ausschuss, um ihn auf Realisierbarkeit hin zu überprüfen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Frank.

Meine Damen und Herren! Ich will zu dem Beitrag von Herrn Beuß Folgendes sagen. Wenn Hamburg über Wochen mit dem Thema China zu tun hat,

(Karen Koop CDU: Seit Jahren!)

hohen Besuch empfängt, dann ist es doch geradezu notwendig, sich mit dem Thema Menschenrechte und Menschenrechtsverletzungen in China zu befassen. Wann denn sonst, frage ich Sie, sollen wir uns damit befassen, wenn nicht zu dem Zeitpunkt, wo dieses Thema in Hamburg die Menschen und die Politik beschäftigt, jetzt müssen wir uns damit beschäftigen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Zum anderen messen wir den Senat nicht daran, was hier ein Schönredner der CDU-Fraktion vorträgt, sondern wir messen den Senat daran, was er in diesen Fragen macht und da macht er gar nichts, jedenfalls nichts in dem Sinne, in dem das hier vorgetragen worden ist.

Meine Damen und Herren! Die Menschenrechtslage und die Unterdrückungsinstrumente in China sind ziemlich klar dokumentiert. Es ist nicht von Bedeutung, um wie viele Millionen von Menschen es sich exakt handelt; die Zahlen sind nicht gesichert. Es sind auf jeden Fall mehrere Millionen Menschen, die von der Unmenschlichkeit dieses Regimes betroffen sind, und es ist gut und wichtig, das immer mal wieder ins Bewusstsein auch der Politik zu bringen.

Die so genannten Laogai-Lager werden seit den Neunzigerjahren aus Imagegründen offiziell als Gefängnisse bezeichnet. Es bleiben aber Arbeitslager, die auf dem Ansatz "Umerziehung durch Arbeit" beruhen. Hier werden Kriminelle, Angehörige von Religionsgemeinschaften, politische Kritiker, Homosexuelle, Wanderarbeiter, Obdachlose, ethnische Minderheiten und unterprivilegierte Bevölkerungsgruppen ohne rechtsstaatliche Verfahren drangsaliert, sieben Arbeitstage in der Woche, drei, vier Feiertage jährlich, Kinderarbeit, keinerlei Arbeitsschutz, keinerlei Schutz vor giftigen Arbeitsstoffen, wie gesagt, Millionen von Menschen. Der Tod von Häftlingen durch Unterernährung, Erschöpfung oder Folter wird billigend in Kauf genommen. Es gibt weitere Arten von Administrativhaft, die es ermöglicht, Menschen ohne Gerichtsbeschluss für bis zu drei Jahre in Arbeitslager einzuweisen.

Erwähnt werden muss an dieser Stelle auch – Herr Sarrazin hat das schon angesprochen –, dass laut Amnesty International rund 90 Prozent aller Hinrichtungen weltweit in China vollstreckt werden. 2004 hat es 3400 Hinrichtungen in China gegeben, wobei heutzutage – das meine ich nicht zynisch, das ist auch als Information zu verstehen – im Gegensatz zu früher der Kopf nicht mehr mehrfach gespalten wird, sondern in der Regel ist es ein Genickschuss, wobei der Staat – auch im Gegensatz zu früher – die betroffene Familie nicht mehr zur Bezahlung der Kugel auf Dollarbasis heranzieht.

Man muss an dieser Stelle allerdings auch erwähnen, dass es seit mehreren Jahren in China durchaus auch eine positive Entwicklung gibt, wenn auch eine sehr, sehr langsame. China ist durch die WTO verpflichtet, Exporte aus Straflagern zu verbieten. Es gibt im Übrigen auch eine Selbstbindung des deutschen Außenhandels, wobei die Kontrolle natürlich eine sehr schwierige ist. Es gibt auf vielen Ebenen der Politik einen Rechtsstaats- und Menschenrechtsdialog mit China, der früher nicht möglich war. Es gibt Versprechen der chinesischen Regierung für

Reformen, insbesondere auch im Justizwesen. Erstmals durfte der UN-Sonderberichtserstatter für Folter China bereisen. Was auch immer ihm gezeigt worden sein mag, ich weiß es nicht, es gibt aber auf jeden Fall einen sehr, sehr kritischen Bericht dazu. Das geht in die richtige Richtung, dennoch bleibt China nach wie vor weit, weit weg von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

China ist als totalitärer Staat für alle demokratischen Staaten eine politische Herausforderung. China hat große ökonomische Entwicklungspotenziale und bietet enorme wirtschaftliche Chancen. Bei aller Notwendigkeit, die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu China auszubauen und zu intensivieren – natürlich haben Außenhandelsbeziehungen etwas mit unserem Bruttosozialprodukt zu tun und richtig ist auch, dass wirtschaftliche Beziehungen und Entwicklungen zu gesellschaftlichen Veränderungen führen –, dürfen wir, die in Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit leben, die fürchterlichen Menschenrechtsverletzungen in China und anderen Staaten auf keinen Fall ausblenden, meine Damen und Herren. Unsere Freiheit ist auch eine Verpflichtung, für die zu sprechen, die schlimmes Unrecht erleiden und deren Stimme wir nicht hören. Das ist auch eine Erfahrung, die Deutschland in der Aufarbeitung seiner eigenen Geschichte gemacht hat.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Sie haben es schon erwähnt, Herr Beuß, dass es vor circa drei Monaten eine entsprechende Debatte im Deutschen Bundestag gegeben hat. Ich denke, dass der SPDAbgeordnete Strasser den politischen Ansatz richtig beschrieben hat. Deutschland – und das gilt dann auch für Hamburg – braucht eine ausgewogene, realistische und vor allem auch eine ganzheitliche Politik gegenüber China, die die wirtschaftlichen Chancen berücksichtigt, aber auf die Betonung universeller Freiheits- und Menschenrechte nicht verzichtet. Es bleibt sicherlich immer ein Balanceakt, aber ich denke, dass dieser politische Ansatz in diesem Hause von allen so gesehen wird. Die Kritik an Regierungen, die es ja immer gibt, richtet sich in der Regel immer dagegen, dass die Menschenrechtssituation in China aus wirtschaftlicher Vorsicht entweder gar nicht oder zu ängstlich und nicht deutlich genug angesprochen wird. Das gilt auch für den Hamburger Senat von Herrn von Beust, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Nicht der Hamburger Senat – wenn Sie das einmal genau verfolgen – und nicht Herr von Beust als Bürgermeister prägen die Chinapolitik Hamburgs, sondern sie wird in erster Linie von der Handelskammer gemacht und das ist der erste Skandal in dieser Stadt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ich erkenne im Übrigen an keiner einzigen Stelle im Veranstaltungsrahmen "China meets Europe" der Handelskammer, dass sich die Ehrbaren Kaufleute für die Menschenrechtssituation in China interessieren, auch nicht am Rande. Wenigstens eine Veranstaltung, meine Damen und Herren, hätte man zu diesem Thema erwarten dürfen. Nichts. Wenn schon nicht von der Handelskammer, so hätte man aber vom Senat im Rahmen der Chinawochen mit nahezu 250 Veranstaltungen erwarten können, wenigstens mit einer Veranstaltung auf die Menschenrechtssituation in China aufmerksam zu machen. Nichts. Sie haben sich im Vorfeld – das haben Sie sehr