Bei allem Verständnis, dass Sie hier die Senatsseite vertreten, stünde es Ihnen sehr gut an, diese Debatte sachlich kritischer zu gestalten. Jubelreden helfen in der Regel weder der Sache noch uns allen.
Das war eine Jubelrede. Ich bitte Sie, nächstes Mal ansatzweise einmal etwas kritischer zu sein. Haben Sie den Mut, das können Sie sich in Ihrer Fraktion leisten. Sie wissen, dass wir in vielen Punkten die Dinge gleich sehen.
Die vorliegende Drucksache zu den europapolitischen Schwerpunkten des Senats soll darüber informieren, auf welchen Feldern der Senat die künftigen europapolitischen Herausforderungen sieht und wie er diesen begegnen will.
Wir stimmen in der Tat in vielen Punkten überein, die für einzelne Bereiche, meistens allerdings in der Rückschau, benannt werden, sei es zum Thema Verkehr, METREX, Ostseeraum, Gesundheit, Umwelt, Deutsch-Russischer Jugendaustausch oder was auch immer. Es ist leider mehr oder weniger eine Aufzählung, aber die Frage ist doch, Herr Harlinghausen, ob die europapolitischen Herausforderungen ausreichend benannt worden sind und der Senat eine vorausschauende Europapolitik betreibt und das ist nicht der Fall, wenn man diese Drucksache einmal richtig durchliest. Sie ist trotz vieler Übereinstimmungen mangelhaft und man muss sich wundern, dass der Senat der Bürgerschaft so etwas Unzureichendes vorlegt. Ich treffe diese Feststellung nicht mit Oppositionsfreude, weil wir für Europa eigentlich gemeinsam werben sollten.
Ich werde das an zwei Beispielen erläutern. Es geht schon damit los, dass sich die Drucksache auf die Jahre 2005/2006 bezieht. Das finde ich merkwürdig, denn das Jahr 2005 hatten wir schon. Der Berichtszeitraum hätte also die Jahre 2006/2007 betreffen müssen und man muss sich fragen, warum der Senat nicht über das Jahr 2007 redet. Das ist nicht nur erstaunlich, sondern sogar unverständlich, weil es im Jahre 2007 mindestens zwei wichtige Dinge für Hamburg gibt. Da ist erstens die Ratspräsidentschaft Deutschlands ab 1. Januar 2007, ein seltenes Ereignis, das nicht nur eine sehr große Aufmerksamkeit bekommen wird. Es bietet den Bundesländern – auch Hamburg – die Chance der Einbeziehung. Die Europaministerkonferenz hat das erkannt und der Senat, Herr Harlinghausen, geht in dieser Drucksache mit keinem Wort auf ein so großes Ereignis ein, er verschläft es praktisch, könnte man sagen. Unter vorausschauender Europapolitik stellen wir uns etwas anderes vor. Das ist der eine wichtige Punkt. Klatschen Sie ruhig, Herr Neumann.
Das untermauere ich mit meinem zweiten Beispiel, dem Geld aus Brüssel, dem Europäischen Sozialfonds. Dieser ist zum wichtigsten Finanzinstrument für die Beschäftigungsstrategie 2007 bis 2013 auf EU-Ebene geworden und mit 62,5 Milliarden Euro ausgestattet; das ist eine ganze Menge Geld. Hier geht es zentral um das Thema Arbeit und Menschen.
Nun hören Sie einmal, wie sich Niedersachsen da einbringt. Es gibt eine Erklärung aus Niedersachsen, in der es heißt:
"Der Startschuss für die Entwicklung der EU-Förderprogramme des Landes ist gefallen: Die Niedersächsische Landesregierung hat heute im Kabinett die landespolitischen Schwerpunkte für die künftigen EUFörderprogramme festgelegt. Niedersachsen erhält rund 2,2 Milliarden Euro für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der niedersächsischen Regionen."
Dann geht es weiter mit den Kofinanzierungsformen. Da sucht Niedersachsen kreativ nach anderen Möglichkeiten und der Ministerpräsident kündigt an, dass er eine Intensivierung des im April 2005 begonnenen Dialogs mit den regionalen Akteuren vornimmt und sagt schließlich zum Schluss:
Niedersachsen macht also in diesem Förderbereich eine ganz aktive Europapolitik. Niedersachsen hat es geschafft, den Regierungsbezirk Lüneburg als einzige westdeutsche Region als Zielgebiet I in die Förderung zu bekommen, ein großer Erfolg einer Regierung, die sich um diese Fragen wesentlich kümmert.
In Schleswig-Holstein, dem anderen Nachbarland, hat das Kabinett bereits im Februar ein Zukunftsprogramm Arbeit und Wirtschaft vorgelegt, in dem die Förderungen aus den Strukturfonds skizziert worden sind. Beide Bundesländer haben Kommissionsmitglieder eingeladen und aktive Lobbyarbeit vor Ort für die vielen Projekte betrieben, für die Geld aus Brüssel notwendig ist.
Immer wieder stellt sich die Frage, was eigentlich Hamburg macht. Haben wir so etwas vom Senat gehört? Nichts. Der sagt in der Drucksache, die die Schwerpunkte und Perspektive beschreiben soll, praktisch so nebenbei, es sei noch nicht so weit, es sei noch alles in der Abstimmung. Das ist nicht nur politischer Tiefschlaf in einer so wichtigen Frage wie dieser, das ist auch unverantwortlich den vielen Trägern, den betroffenen Menschen, den Jugendlichen, den Arbeitslosen in dieser Stadt gegenüber. Hier geht es um Eingliederungsprogramme für Frauen, Qualifizierungsprogramme und so weiter. Der Senat, so scheint es mir zumindest, nimmt dieses Thema offenbar nicht sehr ernst.
Hamburg hatte in den Jahren 2000 bis 2006 rund 126 Millionen Euro zur Verfügung. Zwischen 2000 und 2003 konnten 207 Projekte gefördert werden, rund 42 000 Menschen konnte geholfen werden. Dazu können Sie in der Drucksache nichts lesen. Das ist völlig unzureichend, so geht das nicht. Es ist nicht nur erstaunlich, sondern auch sehr fahrlässig, wie Sie mit diesem wichtigen Thema in dieser Stadt umgehen.
Niemand weiß zur Stunde, wie es in Hamburg mit dem Europäischen Sozialfonds und den Projekten weitergeht. Herr Wulff in Niedersachsen hat sich geäußert, Herr Carstensen hat sich für Schleswig-Holstein geäußert und was macht unser Bürgermeister? Der schweigt dazu wie immer. Hinzu kommt ein Herr Senator Uldall,
der sowieso den Eindruck vermittelt, als wolle er den Europäischen Sozialfonds am liebsten abschaffen. Herr Stuth fühlt sich dafür merkwürdigerweise nicht zuständig; das können Sie im Protokoll des Europaausschusses nachlesen. Das ist alles schlecht für Hamburg, schlecht für die Menschen in unserer Stadt.
Aber es kommt noch besser. Im Rahmen der Europawoche war am letzten Montag eine Konferenz der LawaetzStiftung geplant – vielleicht wissen Sie das –, die sich mit der Zukunft des Europäischen Sozialfonds in Hamburg ab 2007 beschäftigen sollte. Untertitel der Veranstaltung: "Beschäftigung, Bildung, Integration". Diese Konferenz findet jedes Jahr im Rahmen der Europawoche statt. Der Termin war seit langem geplant und im Programmheft der Europawoche veröffentlicht. Geladen waren Experten aus der EU-Kommission und des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialhilfe, wenn man so will, ein Hoffnungsschimmer für die Hamburger Trägerlandschaft. Doch
letzte Woche wurde diese Konferenz von der Behörde für Wirtschaft und Arbeit überraschend abgesagt. Grund: Es seien noch zu viele Punkte unklar. Der zuständige Mitarbeiter der EU-Kommission wurde kurzerhand wieder ausgeladen und die interessierte Fachöffentlichkeit über den Ausfall der lange angekündigten Veranstaltung informiert. Der wahre Hintergrund ist aber, dass der Senat bei diesem Thema einfach seine Hausarbeit nicht gemacht hat und sich an dieser Stelle nicht blamieren wollte. Das kann ich verstehen, aber er hat hier wirklich geschlafen, seine Hausarbeiten nicht gemacht und das wird Hamburg zu spüren bekommen.
Im Übrigen war Herr Uldall für diese Konferenz gar nicht erst angekündigt. Das wäre weder in Niedersachsen noch in Schleswig-Holstein passiert.
Meine Damen und Herren! Ich will auf weitere kritische Punkte der Senatsdrucksache jetzt nicht eingehen, zum Beispiel auf die unvollständige und teilweise schräge Darstellung, was Port Package II angeht oder auch die Dienstleistungsrichtlinie. Das war in der Tat keine Glanzleistung des Senats. Aber diese beiden Beispiele, nämlich Strukturfonds und Ratspräsidentschaft, auf die ich mich konzentriert habe, machen deutlich, dass es an einer strategischen und vorausschauenden, in Teilen aktiven Europapolitik fehlt. Das machen unsere Nachbarländer einfach besser, aber das darf man auch vom Hamburger Senat erwarten.
Insofern kann ich nur mit Gorbatschow ähnlich sagen: Wer zu spät kommt, den bestrafen die Wähler. – Schönen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Hamburg, das ist eine Erkenntnis, die uns der Senat mit der Pressekonferenz und der Drucksache zu den europapolitischen Schwerpunkten geben wollte, ist keine europapolitische Provinz. Hamburg macht europäische Politik, Hamburg, wie Herr Harlinghausen gesagt hat, ist eine aufstrebende Metropole. Ganz Europa guckt nach Hamburg und wir danken dem Senat dafür, dass er Rechtsetzungsvorhaben der EU, egal ob sinnvoll oder nicht, verhindert hat. Dank Hamburg gibt es kein Port Package II, dank Hamburg gibt es kein REACH. Vielen, vielen Dank, das hätten wir gar nicht gedacht, ganz Europa sagt Hamburg Danke dafür.
Aber es kommt noch besser. Wir haben gestern von Herrn Wankum gelernt, dass Hamburg eine schlafende Schöne sei.
War. – Diese schlafende Schöne Hamburg hat jetzt vor, richtig Einfluss zu nehmen. Wir wollen nicht mehr schlafen, wir haben im nächsten Jahr – das schreibt der Senat – die Ratspräsidentschaft der Bundesregierung in der Europäischen Union und da möchte Hamburg ganz wesentlich mitgestalten und die Schwerpunktsetzung der Bundesregierung beeinflussen. Hamburg will nicht mehr
Ich kann das auch verstehen. Wenn man heute die Regierungserklärung von Frau Merkel zum Thema Europapolitik verfolgt hat, dann hätte es die Bundesregierung wirklich bitter nötig, dass der eine oder andere einmal nachhilft, was die Europapolitik betrifft. Aber, Herr Harlinghausen, ich befürchte, auch wenn Sie Ihre Rede heute im Bundestag statt an dieser Stelle gehalten hätten, hätte das Frau Merkel nicht aus ihrem europapolitischen Dornröschenschlaf aufgeweckt.
Hamburg kommt also ganz gewaltig, Hamburg kommt überall, Hamburg kommt in Europa hören wir jedes Mal. Und wenn man so viel zu entscheiden hat, wenn man Weltpolitik zu machen hat, wenn man die Ratspräsidentschaft maßgeblich mitbestimmen muss, dann können auch Hausarbeiten einmal hinten runterfallen, das ist ganz normal; das ist mir auch manchmal passiert. Wenn ich wichtige Termine hatte, war ich mit meinen Schularbeiten nicht dabei. Das Problem ist nur, dass es Ihnen bei einem Thema passiert, das den Hamburgern immer ganz besonders wichtig ist – man könnte fast sagen, es wäre unhanseatisch –, nämlich beim Thema Geld; Herr Frank hat es angesprochen.
Wie Sie wahrscheinlich alle wissen, haben sich Ende letzten Jahres die Staats- und Regierungschefs nach langem Hin und Her auf einen Finanzkompromiss geeinigt, der inzwischen auch in der ersten Lesung mit einem Kompromiss durchgegangen ist. Ende April kam eine Pressemitteilung der EU-Kommission, in der festgehalten wurde, dass für die alten Bundesländer in den nächsten Jahren unter dem Förderziel Wettbewerbsfähigkeit rund 8,3 Milliarden Euro bereitstehen würden und im Bereich zwischenstaatliche Zusammenarbeit rund 720 Millionen Euro. Letzten Freitag kam eine Pressemitteilung des Europäischen Rats, der dargestellt hat, dass das Kohäsionspaket inzwischen geschnürt sei und die Schwerpunktsetzung zur zweiten Lesung an das Europäische Parlament weitergeleitet wurde.
Herr Frank hat es dargestellt, ich möchte es Ihnen auch darstellen: Hamburg, die schlafende Schöne, Hamburg, die aufstrebende Metropole, die in Zukunft richtig Europapolitik machen wird. Ich habe eine Vorlage aus dem Gemeinderat in Neu Wulmstorf. Ich weiß nicht, ob Sie Neu Wulmstorf kennen, das ist in der Nähe von Harburg, und das Parlament in Neu Wulmstorf wurde damit befasst, welche Schwerpunktsetzung Neu Wulmstorf denn vorsehe, um in der nächsten Finanzperiode europäisches Geld richtig dick abzugreifen. In Hamburg haben wir vom Senat in dieser Hinsicht bisher noch gar nichts gehört.
Wir haben natürlich auch ein Beispiel aus SchleswigHolstein. Der Senat zeigt in seiner Mitteilung – das werde ich noch vorlesen –, dass er noch gar nicht sagen kann, wie viel Geld es gibt und worum es eigentlich geht. Schleswig-Holstein hat ein Programm aufgelegt, das Herr Frank auch schon genannt hat, wie mit dem Geld, das nach Schleswig-Holstein kommt, umgegangen werden soll. Schleswig-Holstein beziffert schon, in welcher Höhe Mittel zu erwarten sind. Ministerpräsident Carstensen hat sich letzten Freitag darüber gefreut, dass das ziemlich viel Geld sei. Herr Frank hat zu Recht gefragt, wo denn
da die Aussage von Hamburg bleibe. Die Aussage Hamburgs in der Drucksache Europapolitische Schwerpunkte ist folgende – Zitat:
"Die Neuregelung der Europäischen Strukturfondsverordnung befindet sich noch in der konkreten Ausgestaltung. … Über die Schwerpunkte der einzelnen Fondsprogramme und die Finanzielle Vorausschau ist bisher noch nicht abschließend entschieden worden."
Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, inwieweit Ihnen bekannt ist, dass Mitte 2004 die Europäische Kommission ihren Entwurf zur Neugestaltung des ESF vorgelegt hat. Seit Mitte 2004 wissen wir, in welchen Bereichen die Schwerpunktsetzungen mit gewissen Nuancen, die sich noch verschieben können, sein werden; wir hören in Hamburg aber nichts vom Senat. Es ist jedem im Hause klar, dass Hamburg gucken muss, gute und innovative Projekte von Trägern in Zusammenarbeit mit den Behörden für die Schwerpunkte soziale Integration, Integration von Menschen mit Migrationshintergrund und auch Aufhebung der Diskriminierung von Frauen im Arbeitsmarkt ab 2007 anzumelden, damit das Geld, das Hamburg zusteht, auch hierher kommen kann; aber vom Senat hört man nichts. Die Veranstaltung dazu, die letzten Montag abgesagt wurde, hat Herr Frank bereits genannt.
Das Problem ist aber auch, dass wir alle in diesem Haus wissen, dass diese Schwerpunkte, die die Europäische Kommission benennt, nicht unbedingt die Lieblingskinder unseres Senators Uldall sind. Auf der anderen Seite bezahlt die EU nie etwas alleine, wir brauchen immer eine Kofinanzierung und ganz wesentlich war in der Vergangenheit eine Kofinanzierung durch die Behörde für Wirtschaft und Arbeit beziehungsweise die Vorgängerbehörden. Da fragt man sich, warum man vom Senat nichts zu diesen Fragen hört. Wir machen uns Sorgen, dass Hamburg seine Chancen verspielt.
Es gibt aber eine Aussage in dieser Drucksache, die ich nicht ganz verstehe, die vielleicht noch einmal im Ausschuss erklärt werden kann, die sich tatsächlich aufs Geld bezieht. Die ist relativ konkret und heißt – Zitat:
"Grundsätzliches Ziel Hamburgs ist es, Wettbewerbsverzerrungen zu minimieren, indem die Förderung durch EU-Strukturfondsmittel sowohl im Gesamtvolumen als auch bezüglich der Fördertatbestände begrenzt … wird."