Protocol of the Session on May 9, 2001

Deswegen habe ich erklärt, daß die Grünen mit der generellen Linie des vorliegenden Papiers durchaus übereinstimmen, aber damit Probleme haben. Herr Petersen und ich haben dem deshalb so nicht zustimmen können. Das haben wir dort auch gesagt. Das betrifft nicht nur Wilhelmsburg.

Wenn wir uns an die Fragestunde erinnern, in der Herr Scheurell für einen anderen Stadtteil erfragt hat: Was ist,

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke)

wenn Ärzte aus einem unterversorgten Stadtteil wegziehen und ihre Niederlassungsmöglichkeit nach Blankenese mitnehmen? Das ist das Problem, dem entgegenzutreten ist und das mit den Kassen und der KV im Zulassungsausschuß besprochen werden muß. Die BAGS hat dort sicherlich eine wichtige Moderatorenfunktion. All dies mit den Problemen in Wilhelmsburg zu verknüpfen, ist problematisch.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort hat Herr Marx.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Mir ist nach den Redebeiträgen von den Herren Frommann und Wersich ein wenig unklar geblieben, welche neue Idee die CDU wirklich hat

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Hat sie nicht!)

und was sie konkret nach der Wahl am 23. September anders machen will. Vielleicht sollten Sie das wenigstens für den Wahlkampf ein wenig konkretisieren, denn es könnte ja den einen oder anderen in der Stadt interessieren.

(Dietrich Wersich CDU: Wenn Sie nicht zuhören können, müssen Sie das Reden nachlassen!)

Im Plenum ist nichts davon rübergekommen; vielleicht liefern Sie das irgendwann nach.

Als nächstes möchte ich das ansprechen, was von Herrn Wersich vom Senat eingefordert wird. Der Senat ist anscheinend nach Ihren Allmachtsphantasien für alles zuständig, was in dieser Stadt schlecht oder nicht so richtig läuft. Diese Phantasie kann man haben. Es mag ja auch sein, daß Senatsmitglieder manchmal diese Phantasie haben, aber ich glaube, daß sie unberechtigt ist. Es ist vielmehr so, daß die Wilhelmsburger Probleme viele und sehr komplexe Ursachen haben und daß das Senatshandeln nicht an allem schuld ist, auch wenn Sie es gerne so hätten.

Der dritte Punkt: Die Verpflichtung zum Erlernen der deutschen Sprache. Es wird doch von Ihnen so getan, Herr Wersich – Herr Ehlers macht dies mit seinen Zwischenrufen auch –, als ob an Wilhelmsburger Schulen nur noch türkisch unterrichtet würde. Das ist doch völliger Unsinn, wenn man sich ansieht, welche Ausländerinnen und Ausländer es in diesem Stadtteil gibt.

Von den 34 Prozent der Ausländerinnen und Ausländern sind 40 Prozent türkischer Herkunft; der Rest verteilt sich über 50, 60, 70 andere Nationalitäten. Wenn man behauptet, daß es dort eine neue Einsprachigkeit in den Schulen gibt, und daraus suggeriert, daß es sich dabei um die türkische Sprache handelt, dann ist das völliger Quatsch. In den Schulen wird nach wie vor deutsch gesprochen.

(Karl-Heinz Ehlers CDU: Sie haben nichts begrif- fen!)

Ich habe zwei Söhne, die in Wilhelmsburg zur Schule gehen. Einer davon geht in die 1. Klasse der Schule Buddestraße. Er berichtete mir, daß die Unterrichtssprache nach wie vor deutsch sei, nichts anderes.

(Karl-Heinz Ehlers CDU: Die Lehrerin spricht es!)

Ich komme zum nächsten Punkt, den Frau Sudmann angesprochen hat, was eigentlich mit den Moderatoren geschehen soll. Wenn ich richtig informiert bin – ich war am

Samstag auch bei der Zukunftskonferenz; am Freitag konnte ich nicht teilnehmen, weil die SPD ihren Landesparteitag veranstaltete –, ist es so, daß es die Zusage gibt, daß diejenigen, die als Moderatoren ausgesucht werden, ein Moderatorentraining erhalten. Das ist doch eine hinreichende und ausreichende Qualifizierung, um solche Gruppen zu moderieren.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Die wollen doch selbst mitdiskutieren!)

Anderswo ist es doch häufig so, daß immer die externen Moderatoren problematisiert werden. Wer den Bürgerbeteiligungsprozeß in Wilhelmsburg genauer kennt – Frau Sudmann, Sie kennen dort auch einige Menschen –, der weiß auch, daß es dort manchmal auch Kritik an den Moderatoren gab. Daher halte ich interne Moderatoren, die qualifiziert werden, für eine bessere Lösung.

(Beifall bei der SPD und bei Sabine Steffen GAL)

Das Wort hat Herr Dr. Schmidt.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Hier werden Themen aus Wilhelmsburg und vom Zukunftskongreß diskutiert; darüber hinaus wird eine ganz andere Debatte geführt, die ich komisch finde.

Herr Marx hat unglücklicherweise an die CDU das entsprechende Stichwort gegeben, warum die CDU-Vertreter hier Wahlkampfreden hielten. Es ist schwierig, daß wir vom Mai bis zur Wahl im September nur polemisch agieren können, wenn wir über Sachthemen reden wollen. Das halte ich für eine Krankheit, die die CDU wieder ablegen sollte.

(Beifall bei Dr. Andrea Hilgers SPD)

Andererseits muß man nicht gleich fragen – wenn man über die Perspektiven des Zukunftskongresses redet –, was die CDU leistet. Wir sind alle in der gleichen Lage, die CDU war mit den Grünen oder der SPD identisch. Wir müssen mehr zuhören, was die Menschen in Wilhelmsburg selbst wollen, und mit ihnen diskutieren. Das haben die Behörden jetzt geübt.

(Ole von Beust CDU: Recht hat er!)

Das Phänomen ist, daß es sich aus den Gesprächen des Kongresses ergeben hat, daß die Lösungsmöglichkeiten für Probleme nicht anders als im sonstigen Leben gesucht werden. Man versucht, zwischen den verschiedenen Ansprüchen Kompromisse oder Kompensationen für bestimmte unangenehme Dinge zu finden.

(Uwe Grund SPD: Das beschließen wir dann ohne Gegenstimmen!)

Für diese Situation, die exemplarisch für den Stadtteil Wilhelmsburg gilt, gibt es ganz bestimmt keine bessere Variante. Herr Wersich teilt uns hier jedoch mit, daß alles ganz anders werden muß. Sie hätten mit einer solchen Rede auf dem Zukunftskongreß vermutlich nur Langeweile hervorgerufen. Was soll denn alles anders werden?

Man kann sagen, in Wilhelmsburg müssen die Ausländer sofort deutsch sprechen können. Wie es sich herausgestellt hat, gibt es mittlerweile zahlreiche Angebote zum Erlernen der deutschen Sprache, die auch angenommen werden. Auf dem Kongreß haben eine ganze Reihe von türkischen Wilhelmsburgerinnen geredet, die alle – wenn ich das einmal bemerken darf – ziemlich gut die deutsche

(Peter Zamory GAL)

Sprache beherrschen, manchmal sogar besser als in Deutschland geborene Deutsche.

Es ist doch verrückt, wenn Sie – anstatt daß Sie mit uns dort darüber reden, was in welcher wichtigen Frage die Perspektive für Wilhelmsburg sein soll – hier sagen, daß dort seit 40 Jahren die Situation gleich sei. Vor 40 Jahren gab es Kirchdorf-Süd noch nicht. Darum kann es nicht so sein, daß sich seit 40 Jahren die Situation nicht verändert hat. Ich kann mich nicht erinnern, daß die CDU gegen den Bau von Kirchdorf-Süd war.

(Rolf Kruse CDU: Doch! – Karl-Heinz Ehlers CDU: Wir haben den B-Plan abgelehnt!)

Meine Herren, seien Sie vorsichtig. Sie haben niemals diese Art von Wohnungsbaupolitik dem Grunde nach bekämpft.

(Dietrich Wersich CDU: Falsch informiert!)

Ich gebe zu – ich war damals nicht in Hamburg –, daß ich diese Art von Wohnungsbaupolitik schon damals für falsch gehalten habe. Darin fühle ich mich auch bestätigt. Aber Sie und Ihre Parteifreunde haben diese Art von Trabantensiedlungen in der gesamten Bundesrepublik Deutschland überall mitbetrieben. Sie haben kein Recht, zu sagen,

(Rolf Kruse CDU: Sie haben keine Ahnung!)

daß sich nichts verändert habe.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Ich wußte damals nicht, was man damals Besseres hätte machen können. Ich hatte andere Ansichten,

(Rolf Kruse CDU: Wenn Sie das nicht wissen, wird es nicht richtig!)

aber ich gebe zu, daß die gesamte Bundesrepublik Deutschland 20 Jahre lang solche Siedlungen gebaut hat, deren Folgen wir jetzt beklagen und die mühsam geheilt werden müssen. Deswegen gibt es hier eine neue Entwicklung.

Sie haben ganz bestimmt vor 40 Jahren das Ende des Industriezeitalters von Wilhelmsburg nicht vorausgesehen; das konnten Sie gar nicht, weil Sie viel zu sehr in diese Industriepolitik vernarrt waren.

Wilhelmsburg ist in seinem städtischen Teil real eine Folge des Freihafens. Erst nachdem 1888 der Freihafen geschaffen wurde, ist das Dorf Wilhelmsburg zu einer Stadt geworden, weil es sich dann gelohnt hat. Diese Politik, die nun beendet wurde, ist doch nicht von der CDU bekämpft worden. Ich wüßte nicht, wann. Also hören Sie einmal auf mit dem Satz: Es muß alles neu werden. Sie haben an allen Ecken und Enden diese Stadtpolitik mitbetrieben und waren in Hamburg in allen wichtigen industriepolitischen Fragen immer an der Seite der SPD. Wenn etwas zu beklagen ist, dann – ich drücke es einmal vorsichtig aus – die allgemeine Entwicklung.

Deswegen würde ich vorsichtig sein, und ich fordere Sie auf, mit uns gemeinsam eine vernünftige Debatte zu führen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)