Protocol of the Session on April 5, 2001

Wenn Sie dann noch sagen, wer etwas gegen die Atomenergie hat und auf die Gefährlichkeit von Castor-Transporten hinweist, spiele ein Spiel mit der Angst,

(Dr. Roland Salchow CDU: Das ist doch so!)

wird es noch absurder. Das könnten Sie sagen, wenn Atomenergie nicht gefährlich wäre und das Gefahrenpotential der Atomenergie einfach so weggewischt werden könnte.

(Hartmut Engels CDU: Das tue ich doch gar nicht!)

Selbstverständlich ist die Atomenergie eine hochgefährliche Technik. Selbstverständlich fängt die Gefährlichkeit beim Abbau von Uran an, geht über den Normalbetrieb von Atomkraftwerken weiter und endet beim Müll, der dort produziert wird. Das wissen Sie ganz genau. Stellen Sie sich deshalb nicht hier hin und sagen, es sei ein Spiel mit der Angst.

(Hartmut Engels CDU: 30 Jahre!)

Das ist leichtfertig und verantwortungslos.

(Beifall bei der GAL – Hartmut Engels CDU: Wie ist denn das mit dem Zerstören von Gleisen? Mit dem Unpassierbarmachen von Brücken!)

Gorleben läßt uns natürlich nicht kalt. Wir begrüßen die Demo in Gorleben. Ich halte auch Aktionen zivilen Ungehorsams für eine wichtige demokratische Tradition in unserem Land. Wenn es möglich ist, in Gorleben eine solche Demonstration auf die Beine zu stellen, dann heißt das nur, daß die Menschen, die sich dort versammelt haben, den Finger in eine offene Wunde legen. Wenn Sie hier behaupten, es sei keine offene Wunde und alle würden spinnen, sie zögen nur Ihre Politik durch, dann ist das ein viel zu einfaches Rezept.

(Hartmut Engels CDU)

Ich gehe davon aus, daß in Gorleben überwiegend besonnene Demonstranten sowie Polizistinnen und Polizisten waren.

(Beifall bei der GAL)

Selbst wenn die Polizei dort vorbildlich gewesen sein soll, sind bei uns dennoch Beschwerden hinsichtlich der Pressefreiheit eingegangen, die vor allem den BGS betreffen. Selbst wenn es so gewesen ist, zeigt sich doch auch in Gorleben wieder, daß die Atomenergie in bedauerlicher Weise dafür sorgt, daß der radioaktive Zerfall des Rechtsstaates auch da seinen Preis fordert. Ich bedaure, daß das unter einer rotgrünen Regierung passieren muß, glaube aber nicht, daß wir eine große Alternative hatten.

Wenn Sie jetzt den Bericht des Umweltausschusses als Vorwand nehmen, Herr Jobs, der sich doch sehr spezifisch um Castor-Transporte und standortnahe Endlager kümmert, um wieder die Atomdebatte aufzunehmen, die wir vor zwei oder drei Wochen mit genau dem gleichen Tenor geführt haben, dann können Sie das tun; ich werde die Argumente von damals nicht wiederholen, sondern nur kurz sagen: Aus unserer Sicht ist und bleibt Gorleben ungeeignet. Wir gehen davon aus, daß nach dem heutigen Kenntnisstand und nach dem, was die Behörden in der Lage sind zu prüfen, bei den Atomtransporten die höchstmögliche Sicherheit gewährleistet ist. Unsere Konsequenz aus den Demonstrationen in Gorleben ist klar. Die politische Vereinbarung, die wir zum Atomkonsens getroffen haben, muß zügig, so schnell wie möglich und rechtssicher verankert werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL)

Das Wort hat Senator Porschke.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe festgestellt, daß der Bericht des Senats zu den Konsequenzen aus den Atomtransporteskandalen im wesentlichen das Stichwort geben sollte, um noch einmal über das Konzept des Atomkonsenses zu diskutieren; das ist legitim.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Danke!)

Ich möchte auf zwei Vorhalte eingehen, die den Demonstranten, die in der letzten Woche in Gorleben gegen die Atomtransporte demonstriert haben, gemacht worden sind. Ich empfinde sowohl die Bezeichnung „fanatische Atomkraftgegner hätten eine Niederlage erlitten“ schon fast als Entgleisung wie auch die Formulierung, es ginge ihnen nicht um die Atomenergie, sondern um einen Kampf gegen die Regierung, als falsch.

(Hartmut Engels CDU: Das war eher eine Blamage!)

Obwohl ich Ihnen zugeben möchte – denn mir geht es so und, wie ich glaube, vielen anderen Grünen auch –, daß es, wenn man dort hinkommt und beschimpft wird, sicher ein schmerzhafter

(Uwe Grund SPD: War ein neues Erlebnis!)

und ärgerlicher Vorgang ist. Trotzdem soll man sich nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich die Menschen – 20 000 mögen es wohl gewesen sein –, die dort in der Absicht für ihr Verständnis des Gemeinwohls, nämlich gegen die Gefahren der Atomenergie, demonstriert haben, durch das, was der Atomkonsens als Ergebnis niedergelegt hat, ein Stück weit zu wenig wiedergegeben fühlten. Das stimmt.

Ich kann die Unzufriedenheit in gewissem Umfang sogar nachvollziehen. Bis zum Ende der Atomenergie ist es noch eine ganze Weile hin, aber man muß sich schon klarmachen, welche Konzepte im Raum standen. Die alte Bundesregierung hat nicht bereits die jetzige Beendigungsdauer im Auge gehabt. Bisher gibt es keine Befristungen bei den Laufzeiten der Atomkraftwerke.

Ferner sind die Energieversorgungsunternehmen von sich aus nicht bereit gewesen, eine solche Begrenzung hinzunehmen. Die Energieversorgungsunternehmen haben als ihr Angebot für einen Konsens 40 Jahre Gesamtlaufzeit vorgeschlagen; das hätte dann in der Hochrechnung 55 Jahre gedauert. Die sozialdemokratische Seite hatte unter Führung von Minister Müller einen Entwurf für einen Konsens ausgearbeitet, der ebenfalls eine Zeit zwischen 35 und 40 Jahren vorsah; die Grünen hätten gern 25 Jahre gehabt. Geeinigt hat man sich am Ende bei 32 Jahren Laufzeit. Ich finde, das ist ziemlich lange, und ich kann daher auch die Kritik daran verstehen. Es ist aber eine Verständigung, die heißt: Es gibt ein Ende der Atomenergie. Mit Ablauf dieser Restlaufzeit wird es zu einem Ende des gesamten Technologiezweiges kommen. Wenn es uns gelingt, das umzusetzen, ist es ein Riesenfortschritt.

(Beifall bei der GAL)

Nun muß man allerdings nicht denken, daß, wenn man ein solches Ziel erreicht, es umsonst ist. Der politische Preis, den die Atomkraftgegner – die Grünen, die sozialdemokratischen Atomkraftgegner – letztlich gezahlt haben, ist die Akzeptanz der für die Entsorgung notwendigen Vorgänge. Das ist der politische Preis, der dafür gezahlt worden ist.

Man kann nun sagen, der Preis ist zu hoch, man müßte einen anderen Weg gehen. Herr Jobs hat formuliert, der Atomkonsens könne keinen Bestand haben. Ich würde nicht meine Hand dafür ins Feuer legen, daß er Bestand hat. Ich gehe aber sofort eine Wette über eine Kiste Sekt ein,

(Bettina Machaczek CDU: Das ist zu wenig!)

daß die Alternative dazu nicht etwa ist, daß es zu einem früheren Ausstieg aus der Atomenergie kommt, sondern, daß er nicht stattfindet. Das ist reale Alternative, und die gilt es zu verhindern.

(Beifall bei der GAL und bei der SPD)

Insofern ist das Problem der Kritiker, die der Meinung sind, man kriegt den Atomausstieg umsonst, ohne daß man dafür einen politischen Preis zahlt, daß sie in der Tat keine erkennbare Alternative für diesen Weg zum Ausstieg vorzuschlagen haben.

Ich verstehe den Schmerz darüber, daß es so lange dauert, aber wenn man einen realen Ausstieg erreichen will, ist man gezwungen, sich auf solche politischen Geschäfte einzulassen. Auf den realen Ausstieg kommt es an, und deswegen müssen wir den eingeschlagenen Weg auch zu Ende gehen.

(Beifall bei der GAL)

Das Wort hat Herr Hackbusch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich hatte von Herrn Engels erwartet, daß er sich nach seinem gewaltigen

(Axel Bühler GAL)

Auftritt vor drei oder vier Wochen hier zu der Frage entschuldigt und sagt: Ich habe mich leider geirrt. Die Situation dort war ganz anders, als ich es vorausgesagt habe, ohne Gewalttätigkeiten und ähnliches. Statt dessen erlebe ich voller Schrecken, daß er schon wieder dieses Szenario aufbaut.

Da ich weiß, daß es nicht so überzeugend wirkt, wenn ich selbst sage, ich habe etwas anderes gesehen, habe ich deswegen einen Artikel der „FAZ“ mitgebracht, von einem Hauptkommentator, der in den letzten Jahren relativ viele Kommentare und Berichte in der „FAZ“ geschrieben hat und der, wie man weiß, nicht unbedingt ein Freund der Atomgegner ist.

Er schreibt als erstes:

„Daß gewalttätige Demonstranten Säureattentate verübt hätten oder mit Leuchtspurmunition geschossen worden sei, bleibt dummes Geschwätz, auch wenn es von Politikern wiederholt wird.“

Weiter schreibt er:

„In Wirklichkeit waren die Demonstrationen und Blockaden dieses Mal ungewöhnlich friedfertig. Gerade auch die Aktionen der von der Polizei mißtrauisch verfolgten Bewegung x-tausend Mal quer, von Greenpeace oder Robin Wood ganz zu schweigen.“

Ferner führt die „FAZ“, und zwar Herr Thierbeer, dazu aus:

„Das Gerede von der angeblichen Gewalt, wenn es nicht die Fortschreibung alter Feindbilder ist, täuscht über das eigentliche Desaster des Castor-Transports hinweg.“

Gerade die „FAZ“, unser normalerweise sehr kritischer Beobachter von Atomgegnern, gibt uns in all diesen Bereichen völlig recht in der Beschreibung: Es gibt ein Desaster. Wir waren friedlich. Wir haben einen großen Erfolg erreicht. Das politische Konzept in Gorleben, ein Endlager durchzusetzen, ist, wie Herr Gabriel sagt, politisch nicht mehr durchsetzbar. Das war ein Erfolg der Blockaden, die wir vor eineinhalb Wochen mit durchgeführt haben.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Die „FAZ“ führt zu diesem Punkt weiterhin aus, daß nicht mehr nur Gorleben politisch nicht mehr durchsetzbar ist, sondern daß es absehbar ist, daß der Atomkonsens neu definiert werden muß.

Herr Porschke, wenn das mit der neuen Definition stimmt, ist die Frage, wie es um den berühmten Kompromiß steht, der dort gemacht worden ist. Da ist eins festzustellen: Rotgrün hat bezüglich der Abschaltung der Atomkraftwerke nichts erreicht. Die Atomkraftwerke laufen nach dem gegenwärtigen „Atom-Nonsens“ so lange weiter, wie sie betriebswirtschaftlich überhaupt weitergeführt werden können. Es wird nicht vorzeitig abgestellt.