Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Engels, offensichtlich haben Sie keine Ahnung, wovon Sie gerade geredet haben.
Offensichtlich haben Sie nicht einmal tatsächlich den Protest, den Widerstand der Menschen in Gorleben verfolgt. Offenbar haben Sie nicht einmal die Bilder im Fernsehen richtig verfolgt, denn das, was Sie hier gerade gesagt haben, hat tatsächlich mit der Wirklichkeit überhaupt nichts zu tun. Das sind Ihre durchgeknallten Phantasien, die Sie hier präsentieren. Das ist nicht die Wirklichkeit.
Was nämlich in Lüchow-Dannenberg, in Gorleben, aber jetzt seit neuem auch in Ahaus entsteht, ist ein lange gewachsener Widerstand über Generationen von vielen, vielen Menschen, die übrigens früher auch einmal CDU gewählt haben, bevor Herr Albrecht ihnen das Atomklo dort vor die Füße gesetzt hat. Diese Menschen haben eine Kultur des Widerstands entwickelt.
Von denen können Sie sich wirklich etwas abgucken. Wenn Sie sich daran erinnern, wie es vor vier Jahren ausgesehen hat: Die Blockaden des Zwischenlagertransportes haben so ausgesehen, daß tatsächlich 5000 Menschen auf der Straße gesessen haben. Herr Engels, das können Sie sich vielleicht gar nicht vorstellen, aber 5000 Menschen haben friedlich unter Anwendung eines zivilen Ungehorsams diesen Transport blockiert. Das einzige, was dort an Gewalt zu verzeichnen gewesen ist, war die überaus harte Räumung der Polizei, die Wasserwerfereinsetzer bei Minustemperaturen. Da sehen Sie natürlich Gewalt überdeutlich, wenn Sie genauer hingucken und nicht mit dem Bild, das Sie hier gemalt haben.
Aber, Herr Engels, in einem Punkt haben Sie recht. Sie haben gesagt, daß der Atommüll entsorgt werden muß. Das ist richtig. Diese Bürde werden wir Generationen und Generationen von Kindern und Kindeskindern hinterlassen. Diese Probleme müssen aber natürlich erst einmal gelöst werden, indem dafür gesorgt wird, daß die Quelle abgestellt wird. Dieser Berg der zu entsorgenden Menge wird immer größer. Es ist absurd, jetzt anzufangen, das zu
regeln, bevor weiter produziert wird. Deshalb ist es natürlich unser Anliegen, dafür zu sorgen, daß Atomkraftwerke stillgelegt werden, und wenn es geht, sofort. Das hat Herr Bühler richtig erkannt. Das ist natürlich auch der Hintergrund unserer Politik. Weil die Regierungen auf ganzer Linie versagt haben, Herr de Lorent, fangen wir natürlich im Wendland an, weil man da auch richtig an den Transporten ansetzen kann. Die behindern den Weiterbetrieb, die können tatsächlich dafür sorgen, daß Atomkraftwerke stillgelegt werden, und das ist gut und richtig und vor allem jetzt, Ende März, auch notwendig.
Es ist notwendig, weil die erfolgreiche Politik der Grünen – das haben wir gerade wieder in der staatstragenden Rede von Herrn Bühler gehört – ausgerechnet nicht dazu führt, daß auch nur ein Atomkraftwerk in dieser Legislaturperiode stillgelegt wird. Es wird kein Transport verhindert in dieser Legislaturperiode. Die Wiederaufarbeitung hört nicht 2005 auf, wie hier immer gesagt worden ist, sondern 2005 hören die Transporte auf. Das, was dort an Müll liegt, wird noch über Jahrzehnte länger aufgearbeitet. Es ist nicht das Ende der Wiederaufarbeitung. Es ist keine erfolgreiche Politik, was den Ausstieg aus der Atomenergie angeht. Da gibt es ganz viel zu tun. Und das voranzubringen, ist offenbar Aufgabe der Straße. Es ist nicht mehr die Aufgabe der Regierung, weil die an diesem Punkt versagt hat.
Zur Größe der Zwischenlager. Wir haben gerade gehört, daß Sie dafür sorgen werden, daß tatsächlich die Größe der Zwischenlager mit dem korreliert, was tatsächlich an Laufzeiten ausgerechnet wird. Aber wie kann es dann angehen, daß die Vorlage im Genehmigungsverfahren – und die Erfahrung haben wir immer gemacht, daß das auch genehmigt wird, was ins Genehmigungsverfahren reingeht – diese Größe Restlaufzeiten von 69 Jahren in Krümmel, von knapp 80 Jahren in Brunsbüttel und von 40 Jahren in Brokdorf vorweist? Das ist doch hoffentlich nicht die Größenordnung, die dann tatsächlich die Laufzeit der Atomreaktoren angibt. In Ihrer Logik hieße das, daß Sie davon ausgehen, daß Krümmel noch 69 Jahre läuft. Das wäre aus Ihrer Sicht erfolgreiche grüne Politik. Das, denke ich, wäre schon mehr eine Rede für den Rosenmontag wert gewesen, wenn das aus Ihrer Sicht erfolgreich ist.
Die Machtverhältnisse – das haben Sie richtig erkannt – kennen wir. Vor der Atomlobby knickt eine rotgrüne Regierung in Hamburg wie in Bonn ein. Diese Machtverhältnisse haben wir kennengelernt. Deshalb rufen wir natürlich zu den Protesten und zum Widerstand gegen die Transporte ins Wendland auf. Wir rufen dazu auf, sich mit uns gemeinsam auf die Schienen zu setzen, mit uns gemeinsam zu demonstrieren und mit uns gemeinsam zu versuchen, mit friedlichen Methoden den Transport ins Wendland, ins Zwischenlager nach Gorleben zu verhindern. Genauso wie wir auch dazu aufrufen werden, die Transporte, die uns demnächst in Hamburg wieder drohen, zu verhindern, denn auch aus Krümmel, Brokdorf und Brunsbüttel werden diese Transporte wieder aufgenommen werden, werden diese Transporte durch die Wohngebiete Hamburgs rollen und eine Gefährdung für die Hamburger Bevölkerung darstellen. Diese Transporte werden wir mit Protesten begleiten,
und wir rufen Sie auf: Machen Sie es mit uns, denn das ist die einzige Chance, tatsächlich die Gefahren der Atomenergie in Hamburg zu minimieren. – Danke.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Was sich hier zusammenbraut, scheint mir eine ziemlich unheilige Allianz von Konsensgegnern zu sein. Herr Engels, Sie haben sich hier ziemlich scheinheilig verhalten. Wir müssen einmal daran erinnern, daß sich die CDU/CSU auf Bundesebene ganz entschieden gegen den Konsens ausgesprochen hat. Sie wollen die Atomkraftwerke nicht abschalten. Das kann ich vielleicht noch konzedieren. Sie wollen nicht aussteigen, aber Sie blockieren auf einem Weg zu einer geregelten Entsorgung den Bau von Zwischenlagern in Süddeutschland. Wenn Sie hier anprangern, daß sich die rotgrüne Regierung in Berlin nicht um die Endlagerung kümmert, dann frage ich mal zurück: Was hat denn Töpfer damals gemacht? Da wurde die Wiederaufarbeitung als Ersatz angesehen, um die Endlagerungsfrage zu lösen. Ich denke, in 16 Jahren ist da nichts von Ihnen gekommen, während das Problem jetzt in Berlin endlich mal systematisch angepackt wird.
Ich habe eher die Idee, daß Sie ganz bewußt wollen, daß Eskalationen auf der Straße stattfinden. Sonst würden Sie doch die Zwischenlager in Süddeutschland bauen und diese nicht blockieren. Das Schlimme an dieser Geschichte ist, meine Damen und Herren, x-tausend Mal quer und vielleicht auch der REGENBOGEN spielt dem noch richtig in die Hände. Die Anti-Atomkraftbewegung sollte doch einmal überlegen, was sie damit erreicht, wenn sie die Straße blockiert.
Herr Jobs, Sie wollen doch friedlich demonstrieren, aber diese Schienensägerei und ähnliche Mätzchen tragen doch dazu bei, daß die Sache eskaliert. Haben Sie sich eigentlich schon einmal überlegt, daß Sie mit solchen Zuständen, die sich dann auf der Straße abspielen, möglicherweise die rotgrüne Koalition in Berlin oder in Hamburg in die Grütze reiten können? Was meinen Sie, was dann passiert? Glauben Sie denn, daß danach die Atomkraftwerke hier und heute gleich abgestellt werden? Das können Sie doch wohl selbst nicht glauben.
Ich denke, Sie sollten sich überlegen, den Ausstieg zu unterstützen, denn wir haben hier endlich einmal eine Lösung des seit etlichen Jahren bestehenden Problems. Wir sollten sehen, daß der Ausstieg geregelt weitergeht, denn die Wiederaufarbeitung ist keine Lösung. Das wissen wir. Das ist unser aller Meinung, und wir müssen sehen, daß wir dort geregelt vorankommen. Ich sehe nicht, daß der Weg durch das beschleunigt wird, was Sie jetzt auf der Straße proben. – Danke.
Herr Präsident, Herr Schmidt! Zwei kurze Anmerkungen. Noch einmal zu dem Vorwurf, ich würde hier scheinheilig gesprochen haben.
Frau Dr. Schaal, wenn Sie mir gefolgt wären, dann hatte ich als erstes gesagt, daß man in der Frage der Weiterverwendung der Kernenergie – ich hatte gesagt, Herr Jobs, das gestehe ich Ihnen zu – sehr wohl unterschiedlicher Meinung sein kann. Ich bin auch der Überzeugung, daß hier bei allen Fraktionen unterschiedliche Auffassungen sind. Aber ich hatte eines gesagt, Frau Dr. Schaal, daß wir uns in einem nicht unterscheiden dürfen, nämlich in der Zielsetzung, für eine Entsorgung der bereits vorhandenen radioaktiven Abfälle zu sorgen. Und diese Zielsetzung darf mit keiner Methode schlicht und ergreifend sabotiert werden, Herr Jobs, wie Sie das hier letzten Endes zum Ausdruck gebracht haben.
Noch eine Bemerkung zu dem, daß Sie sagen: Sie kennen das Wendland nicht. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung im Wendland – und das weiß ich sehr genau, weil ich dort als Vorsitzender vom Verband eine Feriensiedlung betrieben habe – hat zwar ein Unbehagen, das ist auch verständlich, aber ist auch bei weitem nicht mit Ihren friedlichen Antikernkraftgruppen zu verwechseln. Dort hatten wir jahrzehntelang CDU-Mehrheiten, und ich bin auch sicher, daß die jetzige Mehrheit SPD im wesentlichen aus sehr vernünftigen, die Dinge sehr nüchtern beurteilenden Menschen besteht.
Nun komme ich zu der Frage der Gewalt, Frau Sudmann. Gewiß sind die allermeisten Demonstranten, insbesondere die Wendländer, friedliche Demonstranten. Aber Ihnen ist auch bekannt, daß ganze Hundertschaften aus bestimmten, auch aus Hamburger Szenerien in dieses Wendland einreisen,
um sich dort an den Demonstrationen zu beteiligen. Es ist Ihnen auch bekannt, daß auch aus der Hamburger Szene die Zerstörungen von Gleisen, von Oberleitungen, also Transportgefährdung, und die Angriffe auf Polizisten ausgegangen sind. Es ist Ihnen auch bekannt, daß Sie zum Beispiel in Ihrer letzten Presseerklärung dazu aufgefordert haben, an bestimmten Vorbereitungsveranstaltungen für die Großdemonstration in Gorleben teilzunehmen. Ich habe kein Wort von Ihnen gehört, daß Sie gegen die von mir geschilderten Gewaltfälle sind. Ich bitte Sie wirklich herzlich darum, sich hier einmal klar zu erklären. Solange stehen Sie im Grunde genommen nicht in der Gemeinsamkeit der Demokraten. – Danke schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich sage das noch einmal, auch an die Adresse der SPD: Diese scheinheiligen Versuche, den REGENBOGEN in die kriminelle Ecke zu stecken, möchte ich entschieden zurückweisen.
(Beifall bei der GAL und bei REGENBOGEN – für eine neue Linke – Hartmut Engels CDU: Dann soll er sich distanzieren!)
Sie haben von demokratisch-legitimem Widerstand überhaupt nichts verstanden, und es ist auch richtiggehend
Allerdings fordere ich an dieser Stelle Herrn Engels auf, sich ausdrücklich von seiner Vergangenheit im Wendland zu distanzieren. – Herzlichen Dank.
Wir kommen dann zur Abstimmung. Die Gruppe REGENBOGEN hat beantragt, diese ziffernweise vorzunehmen.
Wer möchte Ziffer 1 des Antrages annehmen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist diese Ziffer mit großer Mehrheit abgelehnt.